TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 D6 401582-1/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Spruch

D6 401582-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des L.V., geb. 00.00.1970, StA. d. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.8.2008, FZ. 08 03.426-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005, Art. 2 BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer stellte am 17.4.2008 in der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde er noch am selben Tag von der Bundespolizeidirektion Wien sowie am 4.5.2008 und am 28.8.2008 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

1. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - vor, dass er auf einem Autoparkplatz in S. als Nachtwächter gearbeitet habe. Zwei von Banditen abgestellte neue Mercedes unbekannter Type seien während seines Nachtdienstes gestohlen worden. In dieser Nacht habe er - aufgrund einer Substanz, die ihm von unbekannten Männern oder den Banditen selbst in seine Teetasse gegeben worden sei - im Dienst geschlafen und deshalb den Diebstahl nicht bemerkt. Die Banditen hätten von ihm den Wert der beiden gestohlenen Fahrzeuge als Schadenersatz verlangt, weshalb er sich verstecken habe müssen.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.8.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, Art. 2 BGBl. I Nr. 100 (im Folgenden: AsylG) bezüglich des Status des Asylberechtigten ab und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in bezug auf die Ukraine ab. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ukraine ausgewiesen. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Lage in der Ukraine und stellte die ukrainische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, nicht aber seine Identität fest. Mangels Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes könne nicht festgestellt werden, dass Probleme mit privaten Personen bestanden hätten und er einer Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei in verschiedenen Berufszweigen tätig gewesen und könne dies im Falle seiner Rückkehr auch wieder sein. Er habe in seiner Heimat zwei minderjährige Kinder; seine Eltern und seine Schwester würden ebenfalls in seiner Heimat leben. Der Beschwerdeführer besuche in Österreich keine Schulen, Vereine, keine Universität und keine sonstigen Bildungseinrichtungen; er verfüge über keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden.

 

In seiner Beweiswürdigung führte das Bundesasylamt aus, dass die Angaben hinsichtlich der behaupteten Drohung durch Kriminelle vage und unkonkret sowie widersprüchlich gewesen seien: Schon die Aussagen zur Reiseroute seien widersprüchlich gewesen. Divergierend seien die Angaben des Beschwerdeführers über den Zeitraum seiner Tätigkeit als Wachmann in einem Security-Unternehmen. Obwohl der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme behauptet habe, 5 Jahre für das Unternehmen gearbeitet zu haben, sei er nicht in der Lage gewesen, den Namen des Unternehmensinhabers zu nennen. Der Beschwerdeführer habe weder die Namen seiner Kollegen, mit denen er sich im Wachdienst auf dem Autoabstellplatz abgewechselt habe, einwandfrei nennen, noch den Zeitpunkt des Diebstahls angeben können. Wie es überhaupt zu diesem Diebstahl gekommen sein soll, sei unlogisch und daher nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe in den Raum gestellt, dass ihm einer der Kriminellen eine Substanz in den Tee gegossen und er daraufhin geschlafen habe. Dass somit die bestohlenen Kriminellen selbst den Diebstahl inszeniert haben könnten, habe der Beschwerdeführer damit begründet, es müsse sich um Fehden zwischen verschiedenen kriminellen Gruppierungen gehandelt haben. Nach Ansicht des Bundesasylamtes ergebe dies jedoch keinen Sinn, weil der Bestohlene zusammen mit Mitgliedern einer verfeindeten Gruppierung im Auto unterwegs gewesen sein müsste. Der Beschwerdeführer habe keine einzige Situation der von ihm behaupteten konkreten Bedrohungen konkret beschrieben. Einmal habe der Beschwerdeführer behauptet, sich bei Freunden vor den Verfolgern versteckt zu haben, ein anderes Mal habe er geschildert, an verschiedenen Baustellen, wo er auch gewohnt habe, gearbeitet zu haben, um Geld für die Ausreise zu verdienen. Aufgrund der zahlreichen Widersprüche, die das Bundesasylamt auflistete, gelangte es zum Schluss, dass der Beschwerdeführer die behauptete Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht habe. Selbst wenn die Angaben der Wahrheit entsprechen würden, hätte der Beschwerdeführer nach Auffassung des Bundesasylamtes die Möglichkeit, sich an die staatlichen Behörden zu wenden.

 

Rechtlich folgerte das Bundesasylamt daraus, dass weder eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention vorliege, noch stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr laufe, in der Ukraine einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Abschließend begründete das Bundesasylamt die verfügte Ausweisung mit dem Überwiegen öffentlicher Interessen an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer über keine Angehörigen in Österreich verfüge und sich seine gesamte Familie in der Ukraine aufhalte.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde, in der Mangelhaftigkeit und rechtliche Unrichtigkeit des Bescheides gerügt wird. Die Ausführungen der belangten Behörde zur politischen Situation seien einerseits nicht aktuell und andererseits für den vorliegenden Fall unerheblich. Zum organisierten Verbrechen, der Sicherheitsgefährdung und der "Mafiosenstrukturen" in der Ukraine habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, obwohl dies von Bedeutung gewesen wäre. Dem in den Feststellungen zur Lage in der Ukraine enthaltenen Hinweis auf Disziplinarverfahren gegen 36.000 Polizeibeamten hätte die belangte Behörde zum Anlass nehmen müssen zu überprüfen, wie viele dieser Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität stehen. Wenn in den Länderfeststellungen von Korruption im ukrainischen Polizeiapparat gesprochen werde, sei der Verweis, dass sich der Beschwerdeführer gegen die Drohungen mit einer Anzeige zur Wehr setzen hätte können, zynisch. Es sei allgemeines Erfahrungsgut, dass mafiose Personen in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich seien, wenn es um ihr Eigentum bzw. um dessen Wiederbeschaffung gehe. Die Aussagen und Behauptungen des Beschwerdeführers seien den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechend und auch nachvollziehbar.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Senat erwogen:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt hinsichtlich der geltend gemachten Fluchtgründe sowie zur Situation in der Ukraine an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460).

 

2. Auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides ist nicht zu beanstanden: Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie aufgrund der zahlreichen Widersprüche in den Angaben zu den Fluchtgründen die Behauptungen des Beschwerdeführers als unplausibel erachtet. In der Tat sind die aufgezeigten Widersprüche und die Unkenntnis verschiedenster Details und Facetten der behaupteten Erlebnisse derart auffallend, dass sie nicht mehr anderen Umständen, wie Nervosität in der Einvernahme oder Verdrängung traumatisierender Erlebnisse, zugerechnet werden können. So hat der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung den 10.11.2005 als Datum des Diebstahls angegeben (AS 10); in seiner Einvernahme am 28.8.2008 führte er wiederum aus, dass sich der Diebstahl (alternativ) in der Nacht von 14.12. auf 15.12. oder in der Nacht von 15.12. auf 16.12. - entweder 2005 oder 2006 - ereignet habe (AS 191).

 

Ohne die Erläuterung besonderer Umstände oder Hintergründe ist die Behauptung des Beschwerdeführers, dass einzelne der anwesenden Kriminellen in jener Nacht ihn betäubt und dann die Fahrzeuge gestohlen hätten, während die anderen (ebenfalls abends anwesend gewesenen) Kriminellen ihn später gewissermaßen zwecks Schadenersatz zur Rechenschaft ziehen wollten, nicht vorderhand plausibel.

 

Bedenkt man, dass es sich bei dem behaupteten Vorfall und den folgenden Drohungen gegen den Beschwerdeführer um derart dramatische und gravierende Ereignisse in seinem Leben gehandelt haben müsste, die ihn zur Flucht aus seiner Heimat und Trennung von seinen Kindern bewogen haben, so wäre naheliegend gewesen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit nach dem Diebstahl bis zur Ausreise möglichst viel von den Hintergründen dieses Vorfalls in Erfahrung bringt und dann aber auch zumindest verschiedene konkrete Erklärungs- bzw. Deutungsversuche anbietet. Aus diesem Blickwinkel erscheinen die massiven Ungereimtheiten und Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar.

 

Auch die (mit anwaltlicher Unterstützung eingebrachte) Beschwerde geht mit keinem Wort auf die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche ein: Die Beschwerde rügt zwar das Fehlen von allgemeinen Feststellungen hinsichtlich mafioser Strukturen und der organisierten Kriminalität in der Ukraine, klärt aber keinen Widerspruch und keine Ungereimtheit auf und führt auch sonst kein konkretisierendes Sachverhaltselement zur Fluchtgeschichte an. Geht man von den negativen Feststellungen der belangten Behörde zu den Fluchtgründen aus, so erweisen sich die in der Beschwerde gerügten fehlenden Länderfeststellungen über die organisierte Kriminalität in der Ukraine als nicht erforderlich.

 

Der Hinweis in der Beschwerde, die Aussagen des Beschwerdeführers würden den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen und seine Furcht vor Leib und Leben "schlüssig nachvollziehbar" sein, vermag die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in substanziierter Weise zu bekämpfen. Das Vermeiden jeder konkreten Auseinandersetzung der Beschwerde mit den Ausführungen der belangten Behörde - sieht man von der Bemängelung der allgemeinen Länderfeststellungen ab - ergänzt den schon im erstinstanzlichen Verfahren feststellbaren Eindruck, dass der Beschwerdeführer an der Aufklärung des von ihm vorgebrachten Sachverhaltes nicht im erforderlichen Ausmaß mitwirkt. Auch wurde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt.

 

Nach alledem sowie angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer erst nach monatelangem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet nach einem fremdenpolizeilichen Aufgriff in der Schubhaft den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist der belangten Behörde beizutreten, wenn sie von der Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe ausgegangen ist.

 

3. Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

 

3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.2 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er von Kriminellen wegen zwei gestohlener Fahrzeuge bedroht werde, entspricht - wie oben dargelegt - nicht den Tatsachen.

 

Der Beschwerdeführer konnte somit nicht glaubhaft machen, dass er in seinem Herkunftsstaat konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte, weshalb die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

 

3.3 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

§ 8 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall liegt die vorgebrachte Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer seinen behaupteten Fluchtgrund nicht glaubhaft machen konnte. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

 

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in der Ukraine eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat dies auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet.

 

3.4 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 MRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage zu berücksichtigen, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder auch nur verwandtschaftlichen Bindungen im Inland und befindet sich eigenen Behauptungen zur Folge seit Dezember 2007 teils illegal, teils lediglich aufgrund eines gestellten Antrages auf internationalen Schutz, der sich als unbegründet erwiesen hat, im Bundesgebiet. ISd oben dargelegten Rechtsprechung überwiegen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, wie insbesondere die Aufrechterhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der öffentlichen Ordnung, die privaten Interessen des Beschwerdeführers (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach jedenfalls aus einer dreijährigen Aufenthaltsdauer idR keine rechtlich relevanten Bindungen zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden können). Die von der belangten Behörde verfügte Ausweisung ist daher aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zulässig.

 

Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zu; es gibt weiters keine Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in seiner Person liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen könnte.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substanziiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, 2002/20/0533; 12.6.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war und sich insbesondere in der Beschwerde, welche die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht substanziiert bekämpfte, kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben hat, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern. In der Beschwerde wurde ein Antrag, eine Verhandlung durchzuführen, nicht gestellt.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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