TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 A1 258114-0/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Spruch

A1 258114-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Ines Csucker über die Beschwerde des P.S., geb. 00.00.1988, StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.2.2005, GZ. 04 15.626-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Die beschwerdeführende Partei begehrte am 3.8.2004 die Gewährung von Asyl.

 

Der Beschwerdeführer brachte in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 9.8.2004 und am 26.1.2005 zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes vor:

 

Er heiße P.S. und sei der Sohn des Rechtsanwaltes, welcher B.J., ein Mitglied des Parlaments, in seinem Prozess gegen die Regierung verteidigt hätte. B.J. sei ursprünglich ein Freund des Präsidenten gewesen, habe dann aber Schwierigkeiten bekommen, weil er verdächtigt worden sei, einen Staatsstreich geplant zu haben. B.J. hätte mit dem Präsidenten Geschäfte gemacht und von diesem dafür Geld bekommen, die Gesellschaft hätte den Namen Youth Developement Enterprise gehabt. B.J. hätte Reis bestellt und für diesen keinen Zoll bezahlt. Insgesamt schulde er etwa 20 Millionen an Zoll.

 

Der Prozess hätte beim High Court in B. stattgefunden, Ende Dezember 2003 hätte der Vater des Beschwerdeführers die Verteidigung aufgenommen. Eines Abends, um etwa 23 Uhr an einem Sonntag, sei der Vater des Beschwerdeführers nach Hause gekommen und dabei von Soldaten der Regierung angeschossen worden. An das genaue Datum könne sich der Beschwerdeführer jedoch nicht mehr erinnern. Über das Ereignis sei auch in der Zeitung, im Daily Observer, berichtet worden. Der Vater des Beschwerdeführers sei zur medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus in Dakar gebracht worden, der Beschwerdeführer habe ihn dort besucht. Der Vater des Beschwerdeführers hätte diesem mitgeteilt, dass Gambia auch für ihn nicht mehr sicher sei. Nachdem er sich dort ungefähr einen Monat aufgehalten habe, habe er einen Anruf aus Gambia erhalten, dass auch seine Mutter nach Dakar kommen werde. Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin nach K. begeben, um seine Mutter abzuholen. Als er gemeinsam mit seiner Mutter wieder in Dakar angekommen sei, sei der Vater des Beschwerdeführers bereits zur weiteren medizinischen Behandlung aus dem Senegal in die USA gebracht worden. Der Vater des Beschwerdeführers hätte allerdings einem Arzt im Krankenhaus in Dakar telefonisch mitgeteilt, dass auch Dakar für den Beschwerdeführer nicht mehr sicher sei. Er selbst hätte mit seinem Vater nicht telefonieren können. Der Beschwerdeführer sei dann weitere zwei Monate in Dakar geblieben und habe einen Weg gesucht, um in die USA zu gelangen. Am Hafen hätte er einen Mann kennen gelernt und sei dann in einem Schiff nach Europa gereist.

 

Der Beschwerdeführer sei selbst weder politisch interessiert noch habe er vor dem fluchtauslösenden Ereignis irgendwelche Probleme mit den Behörden in seinem Heimatstaat gehabt.

 

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.2.2005, GZ. 04 15.626-BAG gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF abgewiesen, gemäß § 8 Abs 1 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig ist und die beschwerdeführende Partei gemäß § 8 Abs 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

 

.

 

Das Bundesasylamt qualifizierte das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei als unglaubwürdig und führte diesbezüglich begründend aus, dass der Sachverhalt vom Beschwerdeführer sehr vage und auf Gemeinplätze beschränkt geschildert worden und der Beschwerdeführer nicht dazu in der Lage gewesen sei, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen, insbesondere hätte der Beschwerdeführer keinen Bezug zu seiner Person herstellen können. Da der Beschwerdeführer nur äußerst allgemein gehaltene Angaben zu seinem Vater machen hätte können, sei es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich der Sohn des Rechtsanwaltes sei, der B.J. in dessen Verfahren vertreten habe.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

 

Über die fristgerecht erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 66 Abs 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid erheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an einen Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs 3 leg cit kann die Berufungsbehörde die mündliche Verhandlung und unmittelbar Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs 2 in Asylangelegenheiten erging zum Zeitpunkt des Bestehens des Vorläufers des Asylgerichtshofes, des unabhängigen Bundesasylsenates, ist aber auch für den Asylgerichtshof maßgebend:

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren eingerichtet und hat in diesen Verfahren bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn die Berufungsbehörde jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht und somit ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs 2 AVG.

 

Dem angefochtenen Bescheid liegt ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde, wodurch es nicht möglich war, das Vorbringen des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Frage der Asylgewährung als auch der Frage der Abschiebungszulässigkeit korrekt zu beurteilen und zu würdigen und erscheint die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung daher unvermeidlich.

 

Das Bundesasylamt hat es nämlich gänzlich unterlassen, entsprechende Feststellungen zur Situation im Herkunftsland Gambia zu treffen!

 

Derartige Ermittlungen und darauf aufbauende Feststellungen wären aber zwingend notwendig gewesen, um das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in erster Instanz in umfassender Weise auf die Glaubwürdigkeit hin überprüfen und in weiterer Folge die Frage der Asylgewährung bzw. der Möglichkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung iSd § 8 AsylG tatsächlich beurteilen zu können.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnte aber eine Entscheidung über die Frage der Asylgewährung richtigerweise nicht getroffen werden, ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers konkret einzugehen und diesbezügliche Länderfeststellungen zu treffen.

 

Das Bundesasylamt unterließ es gänzlich, Ermittlungen dazu zu treffen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich der Sohn des Rechtsanwaltes B.J. ist oder nicht:

 

Dem Asylgerichtshof vorliegenden Berichten der Tageszeitungen The Independent und Observer zufolge wurde auf den Chefverteidiger von B.J., O.S., in den Morgenstunden 2003 wegen seiner Verteidigung B.J. ein Schussattentat ausgeübt. S. sei von drei Kugeln getroffen worden, habe eine Niere verloren und daraufhin die Verteidigung B.J. niedergelegt und Gambia verlassen.

 

Die Berichte stammen vom 00.00.2003, 00.00.2004 und 00.00.2004. Der Bescheid des Bundesasylamtes erging am 14.2.2005, also etwa ein Jahr nach diesen Berichten. Diese Berichte hätten daher - unter anderem - vom Bundesasylamt aufgegriffen und entsprechend verwertet werden müssen!

 

Bei Vorliegen einer derartigen Ähnlichkeit der Namen des Beschwerdeführers - P.S. - und des in den Berichten zitierten Rechtsanwalts - O.S. - und bei Vorliegen einer nicht gänzlich und von vorneherein auszuschließenden Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wären entsprechende Ermittlungen bezüglich der Identität des Beschwerdeführers vorzunehmen gewesen, um so auf fundierte Art und Weise die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers beurteilen zu können.

 

Auch eine Entscheidung über einen eventuellen subsidiären Schutz kann ohne Feststellungen zur Situation im Herkunftsland unmöglich getroffen werden. Das Bundesasylamt verneinte eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 57 FrG und führte dazu lediglich lapidar an, dass auf die konkrete Lebenssituation des Antragstellers als eines unbegleiteten Minderjährigen im Falle seiner Rückkehr in der Herkunftsstaat sorgfältig Bedacht genommen worden sei (!), wobei es eben jegliche Feststellungen zur Lage in Gambia schuldig blieb.

 

Im fortgesetzten Verfahren sind entsprechende Länderfeststellungen zu treffen und oben angeführte Zeitungsberichte in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen, welche im Rahmen des Parteiengehörs auch dem Beschwerdeführer vorzuhalten sind und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen ist.

 

All die aufgezeigten Mängel führten dazu, dass die vom Bundesasylamt in dieser Form vorgenommene Beweiswürdigung in nicht zulässiger und nicht schlüssiger Weise die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers annahm.

 

Es geht also um die Frage, ob dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der vom Bundesasylamt zu treffenden Feststellungen zur Situation in Gambia die Glaubwürdigkeit - unter Berücksichtigung der oben angeführten Maßstäbe - zu versagen ist, ob ihm Asyl zu gewähren ist und ob eine allfällige Rückkehr in seinen Heimatstaat - wiederum vor dem Hintergrund der noch zu treffenden Länderfeststellungen - für den Beschwerdeführer tatsächlich zumutbar wäre.

 

In diesem Sinne war gemäß § 66 Abs 2 AVG vorzugehen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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