E3 312.444-1/2008-20E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.M., geb. 00.00.1983, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.05.2007, FZ. 06 09.452-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.01.2008 sowie am 19.02.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und A.M. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass A.M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und SACHVERHALT
I.1. Der Beschwerdeführer stellte am 07.09.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er wurde hiezu am 26.09.2006 und am 03.01.2007 niederschriftlich vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost und Außenstelle Traiskirchen einvernommen.
I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.05.2007, Zahl: 06 09.452-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG abgelehnt und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt und festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Unter Einem wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Im wesentlichen wurde dem Beschwerdeführer aufgrund widersprüchlicher Angaben die Glaubwürdigkeit abgesprochen.
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist "Berufung" (nunmehr: "Beschwerde") erhoben. Diese "Berufung" wurde seitens der Erstbehörde ohne weitere Anträge der Berufungsbehörde vorgelegt. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.4. Das zuständige Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates führte am 04.01.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Gattin und seine beiden minderjährigen Kinder teilnahmen. Das Bundesasylamt hat seine Nicht-Teilnahme mit Schreiben vom 07.12.2007 entschuldigt und den Antrag gestellt, die Berufung abzuweisen.
I.5. Mit Datum 24.01.2008 langte beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein anonymes Schreiben ein, in welchem im wesentlichen mitgeteilt wurde, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen um ein wahrheitswidriges Vorbringen handeln würde. Aufgrund dieses Umstandes war es erforderlich das Beweisverfahren, da es sich hierbei um ein neues Beweismittel handelt, welches geeignet erscheint eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen, wieder aufzunehmen und fand am 19.02.2008 eine neuerliche öffentliche mündliche Verhandlung statt.
Im Zuge dieser mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer sowie seiner Ehegattin das anonyme Schreiben zur Kenntnis gebracht und wurden beide neuerlich umfassend zu den einzelnen Geschehnissen in Tschetschenien befragt.
Am Schluss der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, eine Meldebestätigung sowie die Sterbeurkunde des Vaters bis zum 18.03.2008 im Original in Vorlage zu bringen und kam er dieser Aufforderung auch fristgerecht nach.
Die Bestätigung des Büros für gerichtsmedizinische Gutachten der Stadt G. vom 00.00.2004, die Todesurkunde vom Standesamt des Bezirkes G. vom 00.00.2004 sowie die Geburtsurkunde des Standesamtes des Bezirkes G. vom 00.00.2005 sowie die Meldebestätigung der Stadt G. vom 00.00.2008 wurden einer Urkundentechnischen Untersuchung durch die Polizeiinspektion St.Georgen i.A. zugeführt und hat diese Untersuchung ergeben, dass sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Verfälschungen ergeben würde.
I.6. Mit Schreiben vom 24.04.2008 wurde an die deutsch kaukasische Gesellschaft ein Ersuchen um Tatsachenüberprüfung gerichtet und langte das Ermittlungsergebnis am 15.09.2008 beim Asylgerichtshof ein. In diesem wird bestätig, dass der Vater des Beschwerdeführers, Herr A.K., sowie der Beschwerdeführer mit seiner Familie in G., gewohnt haben, der Vater den Widerstand unterstützte und im September 2004 bei einer gezielten Säuberung durch Uniformierte in seinem Haus erschossen worden war.
I.7. Mit Schreiben vom 18.09.2008 wurden der Beschwerdeführer sowie das Bundesasylamt vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Absatz 3 AVG verständigt und wurde ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt. In seiner Stellungnahme, eingelangt beim Asylgerichtshof am 24.09.2008, brachte der Beschwerdeführer vor, dass durch die Ermittlungen nun die Wahrheit bestätigt worden sei. Seitens des Bundesasylamtes langte keine Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ein.
I.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.
1. Verfahren vor dem Asylgerichtshof
Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter vor.
2. Zuständigkeit der erkennenden Einzelrichterin
Gem. § 75 (7) Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen weiterzuführen:
2.1. Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern dies Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
......
Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.
Die erkennende Richterin, welche mit Beschluss der Bundesregierung vom 21.5.2008 mit Wirksamkeit vom 1.7.2008 zur Richterin des Asylgerichtshofes ernannt wurde, führte im gegenständlichen Verfahren als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates am 04.01.2008 sowie am 19.02.2008 eine öffentliche Berufungsverhandlung durch. Sie hat daher das Verfahren, welches am 30.6.2008 bzw. 1.7.2008 noch anhängig ist, als Einzelrichterin weiterzuführen.
3. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 07.09.2006 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
4. Festgestellt wird:
Auf Grundlage der vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat durchgeführten mündlichen Verhandlungen, der erörterten Hintergrundberichte zur Russischen Föderation, der urkundentechnischen Untersuchung der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau vom 11.04.2008 sowie des Ermittlungsergebnisses der deutsch-kaukasischen Gesellschaft vom 06.09.2008 wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
4.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger und gehört der kumykischen Volksgruppe an. Sein Vater war Kumyke und seine Mutter ethnische Tschetschenien.
Er hat in Tschetschenien zunächst gemeinsam mit seinen Elter und seiner Schwester in G. gelebt. Im Jahr 2002 lernte er seine nunmehrige Ehefrau in Dagestan, wo er sich zu besagter Zeit als Kriegsflüchtling aufhielt, kennen und lebte er fortan bis zum Beginn seiner Probleme im September 2004 auch mit seiner Ehefrau und den Eltern in G.. In seinem Heimatland leben lediglich noch entfernte Verwandte (zwei Geschwister der Mutter).
Seine Mutter sowie seine Schwester sind Asylwerber in Österreich und befinden sich deren Verfahren gemäß AIS-Auszug vom 14.10.2008 seit 13.10.2006 im Stande der Berufung. Der Aufenthaltsort der Mutter ist seit 13.11.2007 unbekannt. Das Vorbringen der Mutter zu den Vorkommnissen im Heimatland und den Fluchtgründen stimmt im wesentlichen mit den Angaben des Beschwerdeführers überein. Insbesondere der Vorfall vom 07.09.2004 wurde sowohl vom Beschwerdeführer wie auch seiner Mutter gleichlautend wiedergegeben.
Der Vater des Beschwerdeführers unterstützte sowohl im ersten wie auch im zweiten Tschetschenienkrieg die Widerstandskämpfer dahingehend, dass er diese mit Lebensmitteln versorgte, ihnen auch Geld gab und sie bei sich zu Hause beherbergte. Der Vater des Beschwerdeführers wurde wiederholt von russischen bzw. prorussischen Sicherheitskräften verhört und zu den Widerstandskämpfern bzw. deren Aufenthaltsort befragt. Auch der Beschwerdeführer wurde, da ihm in Konnex zu seinem Vater ebenfalls die Zusammenarbeit mit den Widerstandskämpfern unterstellt wurde, Anfang des Jahres 2004 dahingehend befragt. Im Zuge dieser Anhaltung wurde er konkret nach Widerstandskämpfern sowie auch nach deren Aufenthaltsort und der Unterstützungstätigkeit seines Vaters befragt.
Am 07.09.2004 wurde der Vater des Beschwerdeführers, aufgrund des Umstandes, dass er im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg Widerstandskämpfer unterstützt hatte und ihm auch unterstellt wurde, aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen zu haben, von russischen bzw. prorussischen Staatsorganen im Zuge von Sicherheitsoperationen getötet. Der Beschwerdeführer konnte sich nur durch rechtzeitige Flucht vor einem Übergriff der Staatsorgane in Sicherheit bringen.
Seit September 2004 bis zu seiner Ausreise im Jänner 2005 hielt sich der Beschwerdeführer bei Verwandten eines Freundes im Dorf K. versteckt.
Seine Ehefrau, welche sich seit dem Vorfall im September 2004 bis zur Ausreise im Jänner 2005 in Dagestan bei ihren Eltern aufhielt, wurde im November 2004 von russischen bzw. prorussischen Staatsorganen aufgesucht und nach dem Aufenthaltsort ihres Gatten befragt. Im Zuge dieser Befragung wurden ihr auch die Identitätsdokumente abgenommen.
Aus Angst, dass ihm dasselbe wie seinem Vater passieren könnte, entschloss sich der Beschwerdeführer im Jänner 2005, da sich seine Situation auch in Zukunft nicht bessern würde, zur Flucht. Er verließ gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem minderjährigen Sohn A. sein Heimatland.
Der Beschwerdeführer gibt den russischen bzw. prorussischen Staatsorganen die Schuld am Tod des Vaters und kann nicht ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien, Aussagen gegenüber Behördenorganen tätigt bzw. ein Verhalten setzt, welches als Angriff gegen das geltende Staatssystem gewertet werden kann.
Durch die Verbindung zum mit großer Wahrscheinlichkeit aus politischen Motiven getöteten Vater (Unterstützung der Widerstandskämpfer) und dadurch dass auch er schon ins Fadenkreuz der russischen bzw. prorussischen Kräfte (Befragung zu den Widerstandskämpfern und seinem Vater) geraten ist, ist der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im besonderen Maße gefährdet.
Der Beschwerdeführer gilt im Zusammenhang mit den geschilderten Faktoren ( Racheabsicht wegen Tod des Vaters, Unterstützungstätigkeit des Vaters in beiden Tschetschenienkriegen) für (pro-)russische Organe in Tschetschenien als potentiell staatsfeindlich, die Lage hat sich seit der Ausreise auch insofern verschlechtert, als durch die zunehmende Macht der Kräfte um Kadyrov, die der Beschwerdeführer ablehnt, auch von diesen ernste Gefahren für den Beschwerdeführer drohen können.
Der Beschwerdeführer leidet an einer Belastungsstörung (Anpassungsstörung). Er ist nicht in terroristische gewaltsame Aktivitäten in Tschetschenien verwickelt gewesen.
Im Falle einer Rückkehr kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht Opfer von belastenden Übergriffen von dem russischen Staat zurechenbaren Organen wird.
Er war zu keiner Zeit im Besitz eines Auslandspasses. Die Ausreise erfolgte mit Unterstützung seines in Weißrussland lebenden Cousins und illegal über Weißrussland und dann später über Polen nach Österreich.
4.2. Zur Lage in der Russischen Föderation werden im gegenständlichen Zusammenhang aufgrund der oben genannten in der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Beweismittel folgende relevante Ausführungen getroffen:
./A UK Home Office, Operational Guidance Note, Russian Federation, 14.11.2006, UKHO, dem Internet entnehmbar.
./B Dt. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien vom 17.03.2007, AA.
./C US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2006 vom 06.03.2007, USDOS, dem Internet entnehmbar.
./D Centre for Eastern Studies, Chechnya, between a Caucasian "Jihad" and "hidden" separatism (Macej Falkovski), Jänner 2007, CES 1, dem Internet entnehmbar
./E NZZ, "Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grozny", 06.01.2007, NZZ 1.
./F NZZ: "Russland ist mittlerweile das zweitgrößte Immigrationsland der Welt", 03.02.2007, NZZ 2.
./G APA, " Kadyrov als neuer tschetschenischer Präsident vereidigt", 05.04.2007, APA.
./H Inter-Agency Transitional Workplan for the Northern Caucasus, 2007, IWP, dem Internet entnehmbar
./I Auskunft des Vertrauensanwaltes der ÖB Moskau vom 16.11.2006, Fragen 8-11. ÖB1
./J Auskunft der ÖB Moskau vom 20.07.2006, ÖB 2
./K Centre for Eastern Studies, Demographic Situation in Russia (Leszek Szerepka), Juli 2006, CES 2, dem Internet entnehmbar
./L ACCORD, Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus, ACCORD
./M Schweizer Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus, Klaus Ammann, Jänner 2007, SFH
./N Dagestan: BFM, Russland, Dagestan-Ein zweites Tschetschenien, Teil 1 und 2, April 2006, BFM
./O Inguschetien: BBC News, Regions and Territories, Ingushetia, 21.01.2007, BBC, dem Internet entnehmbar
Folgerungen:
Im Jahr 2006 kam es in Russland zu einer Reihe von, auch schwerwiegenden, Menschenrechtsproblemen, die auch staatliche (Sicherheits-)organe betrafen. Die demokratische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk wurde weiter schwächer. Medien- und Meinungsfreiheit wurden in einigen Bereichen beschränkt. An positiven Entwicklungen waren Reformen der Strafgerichtsbarkeit und die verstärkte staatliche Verfolgung von rassischen und ethnischen Diskriminierungen zu verzeichnen (USDOS)
In Tschetschenien kam es weiterhin zu einigen straflosen Menschenrechtsverletzungen durch russische Organe und tschetschenische Regierungskräfte, wobei sich die allgemeine Sicherheitslage insbesondere in Städten und anderen Talregionen stabilisiert hat (USDOS, SFH, NZZ 1). Staatliche Sicherheitsaufgaben wurden zunehmend an die "pro-russischen" Kräfte um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan Kadyrov übergeben, die mit zum Teil rechtswidrigen Methoden gegen (vermeintliche) Gegner vorgehen, es gibt daher weiterhin Entführungen und Morde durch diese Kräfte. Die Zahl der Morde und Verschleppungen ist nach Zählung der Menschenrechtsorganisation "Memorial" zwar wesentlich zurückgegangen, es besteht jedoch eine Dunkelziffer, da unter Kadyrov ein Klima der Angst herrscht und auch häufig ungeklärt bleibt, wie viele Verbrechen aus welchen Motiven auf das Konto von Kadyrov gehen. Die "Kadyrovzi" sind nun eine mehrere Tausend Mann starke Truppe, die zum großen Teil aus ehemaligen Widerstandskämpfern besteht. Rebellen wurden von Kadyrov mit Geld oder durch Entführung von Angehörigen zum Überlaufen gebracht. Offene Kämpfe gibt es derzeit weniger. "Tschetschenische Rebellen", obwohl stark geschwächt, begingen weiterhin einige (schwere) Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, die auch zivile Opfer forderten. Eine Zusammenarbeit zwischen russischen und den "pro-russischen Kadyrov-Kräften" kann jedenfalls zur Zeit nicht ausgeschlossen werden (CES1, SFH, USDOS, AA, APA, NZZ 1).
Seit einigen Jahren fließt viel Geld aus Russland nach Tschetschenien, für Waisen, für zerstörte Häuser, wobei jedoch 60 bis 70 Prozent des Geldes in korrupten Kanälen verschwinden. Es kann dennoch von einem nunmehr rasanten ökonomischen Aufschwung (Eröffnung von Geschäften und Lokalen), sowie insgesamt einer zaghaften Normalisierung und Stabilisierung gesprochen werden, wobei die wirtschaftliche und soziale Lage aber weiterhin, wie im gesamten Nordkaukasus, verglichen mit anderen Regionen Russlands, schlecht ist. Lokale Menschenrechtsorganisationen haben begonnen sich zu etablieren, erste Ansätze zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft sind zu beobachten. Es gibt auch staatliche Institutionen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, diese sind aber vielfach noch zu schwach ausgeprägt. Der Wiederaufbau wird auch durch von Kadyrov verlangte "freiwilligen Spenden" aller Staatsbediensteten finanziert (CES 1, NZZ 1, IWP, SFH). Großflächige humanitäre Hilfsoperationen wurden in der 2. Jahreshälfte 2006 in der Region durchgeführt, es wurden auch konkrete Projekte zur Stärkung der Gesundheit junger Menschen und des lokalen Gesundheitswesens durchgeführt; ein umfassender koordinierter Arbeitsplan der (internationalen) Hilfsorganisationen für das Jahr 2007 im Nord-Kaukasus bei verbessertem Zugang insbesondere nach Tschetschenien ist erarbeitet worden, eine graduelle Verbesserung der Lage in 2007 wird erwartet (IWP).
Die meisten Binnenvertriebenen Tschetschenen sind nach Tschetschenien zurückgekehrt, einige leben aber weiterhin in Nachbarrepubliken und anderen Teilen Russlands (z.B. 200.000 in Moskau, 50.000 in der Wolgaregion, 40.000 in Inguschetien/Dagestan). Die tschetschenische Volksgruppe ist insgesamt in vielen Teilen der Russischen Föderation vertreten. Es existieren dort vielfach auch Netzwerke der Tschetschenen, beziehungsweise Hilfsorganisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen (ACCORD, IWP, CES 2).
Die Sicherheitslage in Inguschetien ist jedenfalls seit Sommer 2004 schlecht, es kommt öfters zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen russischen Organen und tschetschenischen, respektive islamistischen Rebellen, wobei die Staatsorgane jedenfalls zeitweise Gefahr liefen, die Kontrolle zu verlieren, Rebellen haben auch verschiedene Mordanschläge begangen, diese Gewaltakte ziehen auch unbeteiligte Zivilpersonen in Mitleidenschaft (BBC, SFH).
In Dagestan kommt es derzeit verstärkt zu Angriffen des islamistischen Untergrundes auf Sicherheitskräfte. Zivilpersonen werden fallweise in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch in ungleich geringerem Ausmaß als in Tschetschenien. Sicherheitskräfte führen im Hinterland vermehrt Kontrollen durch. Insgesamt ist die Lage durch die Vielzahl interethnischer Auseinandersetzungen, soziale und ökonomische Probleme sowie Korruption (wogegen es häufig zu Demonstrationen kommt) erschwert. Es gibt fundamentale Unterschiede zur Auseinandersetzung in Tschetschenien. Die Bevölkerung steht nicht hinter den Islamisten und stellen diese keine Alternative zum politischen System der Republik unter Muchu Aliev dar (BFM, SFH, CES 1).
Ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, ist bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen, dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten und die Möglichkeit der Kontaktierung von NGO's eine Rolle. Nichtregistrierte Tschetschenen können allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht. Grundsätzlich kann in 2006/2007 insgesamt nicht von einer Verbesserung der menschenrechtlichen Lage der Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens in Russland gesprochen werden. Das Risiko zum Opfer von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu werden, ist im Regelfall höher als bei anderen Ethnien. Die Schwere solcher Risken ist im Einzelfall zu prüfen. Die Registrierung ist in Südrussland leichter, die Sicherheitslage in den benachbarten Kaukasusrepubliken, insbesondere Dagestan und Inguschetien, ist aber kritisch und muss im Einzelfall geprüft werden. Direkte staatliche Repression nur in Folge einer Asylantragstellung konnte bei Tschetschenen bisher nicht nachgewiesen werden (AA, ACCORD, CES 2, USDOS, UKHO, ÖB 1, NZZ 2).
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und eine medizinische Grundversorgung sind in Russland, einschließlich der Kaukasus-Region im allgemeinen gegeben, die Bevölkerung Tschetscheniens lebt trotz erster Erfolge von entsprechenden Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen und einer grundsätzlich positiven Tendenz schwierig und kann dies in einzelnen Fällen unzumutbar sein (AA, IWP).
Gefälschte Dokumente oder unwahre Zeitungsmeldungen, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen, werden regelmäßig bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation im allgemeinen und der Kaukasusregion im besonderen festgestellt. Von staatlichen Behörden ausgestellte Dokumente sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt oder gefälscht;
Personenstandsurkunden und andere Dokumente (z.B. Haftbefehle) können gekauft werden. Häufig werden falsche Namen und Adressen in Asylverfahren angegeben. Aussagekräftig sind insbesondere echte Inlandspässe (AA).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch Bestechung möglich ist, echte Auslandspässe zu erhalten und russische Kontrollen, z.B. beim Verlassen der Kaukasus-Region zu passieren, obwohl eine Suche durch föderale russische Organe erfolgt. Bei der Ausreise nach Weißrussland gibt es in der Regel keine Kontrollen (ÖB 2).
5. Beweiswürdigung:
5.1. zu 4.1. (Beschwerdeführer und dessen Fluchtgründe)
5.1.1. Der Beschwerdeführer erweckte in der am 04.01.2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck und vermochte er die zentralen fluchtauslösenden Ereignisse in den Verhandlungen detailreich, engagiert und anschaulich zu schildern.
Aufgrund des am 24.01.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat eingelangten anonymen Schreibens, in welchem im wesentlichen mitgeteilt wurde, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen um ein wahrheitswidriges Vorbringen handeln würde, war es aber erforderlich eine abermalige mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Beschwerdeführer zu den Vorwürfen im anonymen Schreiben zu befragen. Letztendlich ist der Beschwerdeführer den Aufträgen zur Vorlage der Originaldokumente (Sterbeurkunde des Vaters, Geburtsurkunde, Meldebestätigung) fristgemäß nachgekommen und hat auch die urkundentechnischen Untersuchung durch die Polizeiinspektion St.Georgen i.A. ergeben, dass sich bei den Dokumenten keine Hinweise auf das Vorliegen von Verfälschungen ergeben würden. Besondere Bedeutung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens kommt aber dem Ermittlungsergebnis der deutsch kaukasische Gesellschaft vom 06.09.2008 zu, in welchem das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bestätigt wird; dadurch kann auch allfälligen geringfügigen Widersprüchen sowie insbesondere dem Vorbringen im anonymen Schreiben keine Relevanz mehr zukommen.
5.1.2.1. Darüber hinaus ist noch zu der vom Bundesasylamt angenommenen Unglaubwürdigkeit, begründet mit vagen und widersprüchlichen Angaben, wie folgt auszuführen:
Der Beschwerdeführer hat die Umstände die ihn zum Verlassen seines Heimatlandes gezwungen haben stets gleichlautend angegeben. Grobe Widersprüche und Implausibilitäten in den einzelnen Einvernahmen vor der Erstbehörde, sowie insbesondere auch in den Verhandlungen sind nicht erkennbar. Die von ihm geschilderten fluchtauslösenden Geschehnisse sowie die Gründe für seine Flucht stellen sich, sowohl vor der Erstbehörde wie auch vor dem Asylgerichtshof, weitgehend konsistent dar.
Zu den vom Bundesasylamt im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Gründe für die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens, wurde der Beschwerdeführer neuerlich umfassend befragt und konnte er durch seine detaillierten, plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen die Umstände für die angenommene Unglaubwürdigkeit jedenfalls entkräften (vgl. Seite 9 und 10 der Verhandlungsschrift vom 04.01.2008). Überdies ist zu der seitens der Erstbehörde angestellten Beweiswürdigung auszuführen, dass die Erstbehörde zum Teil Widersprüche oder Gründe für die Unglaubwürdigkeit versucht darzulegen, bei welchen sich aber bei eingehender Betrachtung bzw. Durchsicht der Einvernahmeprotokolle ergibt, dass es sich bei den einzelnen vermeintlich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers jedenfalls um keine groben Widersprüche handelt, welche jedenfalls - für sich allein - nicht geeignet sind den Befund der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zu begründen.
Der Beschwerdeführer hat die Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes plausibel darlegen können und kann jedenfalls nicht mit der erforderlichern Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er nicht wiederum Opfer von belastenden Übergriffen, wie bereits geschehen, wird.
Zu den Ausführungen der Erstbehörde betreffend der widersprüchlichen Angaben im Rahmen der ärztlichen Untersuchung durch K. zu den übrigen Angaben vor dem Bundesasylamt, ist festzuhalten, dass es sich bei einer Befragung durch einen Arzt im Rahmen einer Untersuchung zweifelsfrei um keine Niederschrift im Rechtssinn handelt und dass einem solchen ärztlichen Protokoll daher grundsätzlich kein bzw. nur ein sehr geringer Beweiswert zukommt; keinesfalls kann einem solchen ärztlichen Protokoll bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit entscheidende Rolle zu kommen.
5.1.2.2. Durch die Verbindung zum mit großer Wahrscheinlichkeit aus politischen Motiven getöteten Vater (Unterstützung der Widerstandskämpfer), sowie dadurch dass er schon selbst ins Fadenkreuz (Befragung zu den Widerstandskämpfern und seinem Vater) der russischen bzw. prorussischen Kräfte geraten ist, ist der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im besonderen Maße gefährdet.
5.1.2.3. Die erstinstanzliche Beweiswürdigung lässt auch außer Acht, als dass sowohl durch die festgestellten individuellen Risikofaktoren als auch durch die ablehnende Haltung gegenüber den Kadyrov-Kräften, ein (gegenüber anderen Tschetschenen) qualifiziert erhöhtes Gefährdungspotential für den Beschwerdeführer besteht, Opfer von neuen Übergriffen von russischer oder prorussischer Seite zu werden.
Dass es dem Beschwerdeführer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich sein würde dem Zugriff der russischen bzw. prorussischen Kräfte zu entgehen, kann derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, insbesondere auch unter Beachtung der ernsten Möglichkeit "illegaler" Verfolgungsmaßnahmen. Sohin ergibt sich auch in der Zukunftsprognose unter Berücksichtigung sämtlicher Ergebnisse des Beweisverfahrens die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung von Verfolgungsmaßnahmen.
5.1.2.4. Hinzu kommt, dass das Vorbringen der Mutter des Beschwerdeführers, welche ebenfalls als Asylwerberin in Österreich aufhältig war (ihr Aufenthaltsort ist seit 13.11.2007 unbekannt), zu den Vorkommnissen im Heimatland und den Fluchtgründen im wesentlichen mit den Angaben des Beschwerdeführers übereinstimmt. Insbesondere der Vorfall vom 07.09.2004 wurde sowohl vom Beschwerdeführer wie auch seiner Mutter gleichlautend wiedergegeben und kommt auch diesem Umstand (Flucht der gesamten Familie, einheitliches Fluchtvorbringen) Beweiswert zu.
5.2. zu 4.2. (Situation im Herkunftsstaat)
5.2.1. Die Feststellungen zur Lage in Russland (Tschetschenien) ergeben sich aus einer Gesamtschau der zitierten angeführten aktuellen Quellen, denen von beiden Verfahrensparteien nicht entgegengetreten wurde. Für den Asylgerichtshof zeichnet sich ein differenziertes Bild, welches sich jeder Verallgemeinerung, etwa hinsichtlich der Notwendigkeit einer Schutzgewährung für alle Tschetschenen oder einer pauschalen Verbesserung/Verschlechterung der Lage entzieht.
Wiewohl sich die Lage in Tschetschenien im allgemeinen als besser darstellt als vor einigen Jahren, gibt es noch immer rechtsfreie Räume und asylrelevante Übergriffe verschiedener Akteure. Eine innerstaatliche Schutzalternative kann zweifellos in vielen Fällen abhängig von verschiedenen Faktoren bestehen, jedoch nicht im vorliegenden Fall, in dem eine Verfolgung durch dem russischen (Gesamt-)Staat zurechenbare Organe in Tschetschenien vorliegt und bei Aufgriff des Beschwerdeführers durch diese Organe - nicht - unter dem Hintergrund der vorliegenden Feststellungen - mit hinreichender Sicherheit von einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden kann; vielmehr können, auch schwere, Eingriffe in die körperliche Integrität des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Eine Zusammenarbeit, respektive ein Informationsaustausch, zwischen diesen Kräften und föderalen russischen Staatsorganen kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, weshalb sich auch die Frage einer innerstaatlichen Schutzalternative (hinreichende Anknüpfungspunkte in anderen Teilen der Russischen Föderation haben sich im übrigen nicht ergeben) nicht stellt.
6. Rechtliche Würdigung
6.1. Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
6.1.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
6.1.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes, bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, das Vorliegen einer aktuellen politischen Verfolgungsgefahr wegen unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung; dies unter Berücksichtigung aller zu Punkt 4 und 5 getroffenen Ausführungen.
Es liegt genau ein Fall vor, in welchem wegen individueller Verfolgung gezielte Menschenrechtsverletzungen (pro)-russischer Organe im weiteren Sinn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen können. Eine rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechende Vorgangsweise kann auf Basis der getroffenen Länderfeststellungen derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Verneinte man in eventu diese unmittelbare Verfolgungsgefahr außerhalb der unmittelbaren Kaukasusregion könnte dennoch mangels Anknüpfungspunkten und unter Berücksichtigung der gesamten individuellen Situation des Beschwerdeführers keine zumutbare interne Relokationsmöglichkeit im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bejaht werden.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Flucht von russischen bzw. prorussischen Staatsorganen noch nicht festgenommen wurde und noch keine körperlichen Übergriffe gegen ihn gesetzt wurden, ist jedenfalls nicht relevant. Es kommt bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nämlich nicht nur auf bereits stattgefundene Maßnahmen der Behörde des Heimatlandes gegen den Asylwerber an, sondern auch im Sinne einer Zukunftsprognose darauf, ob auf Grund der Gesamtsituation aus objektiver Sicht wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vorliegt (VwGH 12.05.1999, Zl. 98/01/0365). Auch setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben musste, oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre (VwGH 24.06.1999, 98/20/0409). Auch kommt es nicht allein auf vergangene Handlungen an, sondern ist aus dem Gesamtbild dieser Handlungen eine Prognose für die Zukunft zu erstellen (VwGH 16.02.2000, 99/01/0397).
Feststeht, dass sich der Beschwerdeführer vor den beabsichtigten und wahrscheinlichen Menschenrechtsverletzungen nur durch fortwährendes Untertauchen und Versteckthalten entziehen konnte und ist daher festzustellen, dass bei dem Beschwerdeführer nach wie vor eine aktuelle Verfolgungsgefahr besteht und er bei einer Rückkehr nach Tschetschenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, Eingriffe von hoher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre zu erleiden.
Der Asylgerichtshof hält in diesem Zusammenhang auch fest, dass bei dem Beschwerdeführer aus der Sicht der erkennenden Richterin durchaus eine persönliche Verfolgungsgefahr vorliegt und er nicht bloß als Opfer der allgemein in Tschetschenien herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation gesehen wird. Die Möglichkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative ist - wie bereits ausgeführt - im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.
Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akt keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit des § 6 AsylG, etwa im Sinne der Begehung von Kriegsverbrechen oder sonstiger besonders schwerer Verbrechen durch den Beschwerdeführer, ergeben haben.
Somit befindet sich zusammengefasst der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb der Russischen Föderation und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren. Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.