TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 B4 243167-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2008
beobachten
merken
Spruch

B4 243167-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des I.A., geboren am 00.00.1971, serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.9.2003, Zl. 02 26.314-BAL, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, und § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Wortfolge "nach Serbien und Montenegro" in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides durch "nach Serbien" ersetzt wird.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste am 16.9.2002 in Österreich ein und begehrte am gleichen Tag die Gewährung von Asyl.

 

2. Am 20.5.2003 beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei jugoslawischer Staatsangehöriger, gehöre der albanischen Volksgruppe an, sei muslimischen Glaubens und stamme aus dem in der südserbischen Gemeinde P. gelegenen Ort C. Zu seinen Fluchtweg brachte er vor, sich zunächst von seinem Heimatort über die Grenze nach Mazedonien begeben zu haben und dann von Kumanovo mit Hilfe eines Schleppers in einem Kastenbus bis in die Nähe von Traiskirchen gefahren zu sein; insgesamt sei ca. er drei bis vier Tage unterwegs gewesen. Den Entschluss, sein Heimatland zu verlassen, habe er eine Woche vor seiner Abreise gefasst. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er sei seit der Gründung bei der UCPMB gewesen und habe an den Kampfhandlungen in Südserbien teilgenommen; darüber wolle er nicht sprechen. Als die Amnestie gekommen sei, hätten die Mitglieder der UCPMB ihre Waffen abgeben müssen; kurz darauf - etwa drei Monate nach der Amnestie seien die "Unruhen" losgegangen: Serbische Paramilitärs, bei denen es sich um serbische Reservisten gehandelt habe, hätten "uns malträtiert". Der Beschwerdeführer sei mehrmals auf der Straße brutal geschlagen worden; danach seien sie auch zu ihm nach Hause gekommen. Das erste Mal seien sie um zwölf Uhr nachts gekommen, hätten den Beschwerdeführer vor seinen Kindern und seiner Frau geschlagen, ihn danach an einen ihm unbekannten Ort mitgenommen und ihn dort zwei Tage lang festgehalten, wobei sie ihn "geschlagen und malträtiert" hätten; danach hätten sie ihn - wieder um Mitternacht - nach Hause zurückgebracht. Vier Wochen später habe sich dies wiederholt. Eine der Personen habe ihm gesagt, dass er die Vorfälle nicht bei der Polizei melden dürfe. Zwei Wochen nach dem zweiten Vorfall seien sie wiedergekommen und hätten ihn abgeholt, es sei wieder so gewesen wie zuvor. Als sie ihn beim dritten Mal nach Hause gebracht hätten, hätten sie zu ihm gesagt: "Wenn wir dich noch einmal hier erwischen, kommst du nicht mehr lebend zurück". Der Beschwerdeführer habe keine andere Wahl gehabt. Er habe seinen Traktor verkauft und sei abgereist. Mit der Polizei habe er keine Probleme gehabt. Der UCPMB habe von 00.00.2001 bis 00.00.2001 angehört, davor sei er als ziviler Angehöriger im Geheimen unterwegs gewesen. Auf die Frage, wann der erste Vorfall stattgefunden habe, meinte der Beschwerdeführer, die Vorfälle seien "im Juli - August 2002" gewesen. Zu den Misshandlungen befragt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, keine sichtbaren Verletzungen davon getragen zu haben, meistens habe man ihn auf die Füße geschlagen und ihn danach in kaltes Wasser gesteckt. In Österreich sei er trotz der Schmerzen nicht in ärztliche Behandlung; er sei nicht an die Reihe gekommen, da seine Tochter wegen eines Leistenbruches operiert worden sei. Am (der dargestellten Einvernahme) folgenden Tag habe er einen Zahnarzttermin.

 

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG idF vor der Novelle BGBl. I. Nr. 101/2003 ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro" gemäß § 8 leg. cit. für zulässig (Spruchpunkt II.). In der Begründung traf das Bundesasylamt nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst umfassende Feststellungen zur Lage in Südserbien, und zwar insbesondere zur Amnestierung ehemaliger UCPMB-Kämpfer. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen wertete es als unglaubwürdig; dabei wies es insbesondere auf die Diskrepanz im Vorbringen des Beschwerdeführers hin, der einerseits vorgebracht habe, seine Probleme hätten etwa drei Monate nach der Amnestie begonnen, andererseits aber den Beginn der Verfolgung mit Juli 2002 angegeben habe. Auch wies das Bundesasylamt darauf hin, dass die Aussage des Beschwerdeführers, er habe in Österreich keinen Arzt aufgesucht, da seine Tochter dies getan habe, unglaubwürdig sei, da sich der Beschwerdeführer in Bundesbetreuung befinde und die Möglichkeit habe, sich jederzeit behandeln zu lassen. Überdies sei anzunehmen, dass der Konflikt in Südserbien beendet sei und sich die Situation gebessert habe. Zur Refoulement-Entscheidung hielt das Bundesasylamt fest, dass nicht angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer in Serbien iSd § 57 Abs. 1 oder 2 AVG bedroht sei.

 

4. Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die fristgerechte - nun als Beschwerde zu wertende (vgl. dazu weiter unten) Berufung. In dieser wird das Vorbringen des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt im Wesentlichen wiederholt, wobei er aber nunmehr ausführt, dass die von ihm vorgebrachten Vorfälle "im Juni, Juli und August 2002" stattgefunden hätten. Außerdem wird festgehalten, dass die Mutter des Beschwerdeführers ihm telefonisch nach seiner Ausreise berichtet habe, dass zwei junge Männer, die ebenfalls bei der UCPMB gewesen seien, im Grenzgebiet zum Kosovo ermordet worden seien. Auch habe es einen Vorfall gegeben, bei dem das Grab eines früheren Kommandanten der UCPMB verwüstet worden sei. Als Verfahrensmangel wird gerügt, dass es das Bundesasylamt unterlassen habe, den Beschwerdeführer ärztlich zu begutachten. Schließlich wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, nicht von den serbischen Behörden, sondern durch Private - und zwar durch serbische Paramilitärs - verfolgt worden zu sein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen an, die das Bundesasylamt zum Sachverhalt getroffen hat. Denn das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Auch die Beweiswürdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden: Das - in der Beschwerde unwidersprochen gebliebene - Argument des Bundesasylamtes, das Vorbringen des Beschwerdeführers, Übergriffen serbischer Paramilitärs ausgesetzt gewesen zu sein, sei unglaubwürdig, da es hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der behaupteten Vorfälle mit Blick auf die Amnestie widersprüchlich sei, ist zutreffend; da sich aus der Aussage des Beschwerdeführers, die Kämpfer der UCPMB hätten ihre Waffen abgeben müssen, "[a]ls die Amnestie gekommen" sei, klar ergibt, dass er damit die am 21.5.2001 im Rahmen des Demilitarisierungsabkommens zwischen der UCPMB und der serbischen Regierung vereinbarte Amnestie - und nicht etwa das am 4.6.2002 beschlossene und am 10.7.2002 in Kraft getretene diesbezügliche Amnestiegesetz (zusätzlich zu den Feststellungen im angefochtenen Bescheid vgl. dazu Demaj, Violeta: Gutachten zu GZ: 312.453-1/17Z-XVIII/58/07, Juli 2008, 2f; [dt.] Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) April 2007, 12) - meint, lässt sich sein Vorbringen, die Vorfälle hätten drei Monate nach der Amnestie angefangen, in der Tat nicht mit seiner späteren Aussage in Einklang bringen, die Verfolgung habe im Juli 2002 begonnen. Auch ist die Beschwerde der - über die Frage der praktischen Umsetzung der Amnestie hinausgehenden - Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass es seit August 2001 keine Berichte oder Hinweise auf nennenswerte Vorfälle im Presevo-Tal gegeben habe, nicht entgegengetreten; dazu sei der Vollständigkeit halber festgehalten, dass sich in der Herkunftsländerinformation zu Südserbien (vgl. das bereits erwähnte Gutachten von Violeta Demaj, den genannten Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes vom April 2007, dessen Update vom 22.9.2008, sowie: UNHCR Vertretung in Österreich: Südserbien - Situation ehemaliger UCPMB Mitglieder, AUS/HCR/MSC/088, 26.07.2002; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien-Montenegro: Zur Situation der AlbanerInnen im Presevo-Tal, Mai 2005, 4) keinerlei Hinweise auf Übergriffe serbischer Paramilitärs auf ehemalige Angehörige der UCPMB finden. Schließlich steht das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtweg, demzufolge er erstmals Anfang September 2002 den Entschluss gefasst habe, sein Heimatland zu verlassen, mit seinem (oben dargestellten) Vorbringen zu den Fluchtgründen in einem Spannungsverhältnis.

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BGBl. I 126/2002 zu führen, jedoch mit der Maßgabe, dass einzeln aufgezählte Bestimmungen - darunter § 8 Asylgesetz 1997 - in der Fassung der Novelle anzuwenden sind.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und ist daher nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 126/2002 - mit der genannten Maßgabe - zu führen.

 

2.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 Asylgesetz 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 Asylgesetz 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.1.3. Gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese Bestimmung ist auch in Verfahren, die nach dem Asylgesetz 1997 zu führen, anzuwenden (vgl. dazu ebenfalls AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.1.4.1. Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - die beiden zuvor genannten Fassungen weisen hier keinen Unterscheid auf - hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 Asylgesetz 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318).

 

2.1.4.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I. Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

2.2. Weder kann angenommen werden, dass es dem Beschwerdeführer gelungen wäre, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen, noch dass er nach einer Rückkehr nach Serbien einer Bedrohungssituation iSd § 57 FrG ausgesetzt wäre.

 

2.2.1. Zur Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers ist zunächst festzuhalten, dass sich - wie oben gezeigt - das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchgründen als tatsachenwidrig erwiesen hat. Weiters folgt aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, denen die Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist, dass auch nicht gesagt werden kann, dass der Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe befürchten müsste, in Serbien Verfolgung von asylrelevanter Intensität ausgesetzt zu sein. Aus den oben unter Punkt II.1. zitierten Länderberichten folgt weiters, dass sich die Situation der albanischen Volksgruppe in Serbien seither nicht nur nicht verschlechtert, sondern verbessert hat.

 

2.2.2.1. Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, eine asylrechtlich relevante Gefahr im Sinne der GFK darzutun, scheidet auch die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG von vornherein aus.

 

2.2.2.2. Weiters sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Fall des Beschwerdeführers nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443). In Serbien besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ebensowenig ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre: Zum einen hat der Beschwerdeführer Derartiges nicht vorgebracht, zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass die Grundversorgung in Serbien gewährleistet ist (vgl. dazu etwa den Bericht des [dt] Auswärtigen Amtes vom 23.4.2007 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien, 18ff; U.S.

Department of State: Serbia [includes Kosovo], Country Report on Human Rights Practices 2007, März 2008, 26). Unabhängig davon verfügt der Beschwerdeführer in Serbien, wo zumindest seine Mutter lebt, über ein familiäres Netz. Der Vollständigkeit halber ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021).

 

Damit liegen auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vor.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 unterbleiben. Soweit die Beschwerde rügt, das Bundesasylamt habe es unterlassen, den Beschwerdeführer ärztlich begutachten zu lassen, ist ihr zu entgegnen, dass auch im Falle der Objektivierung von Verletzungen des Beschwerdeführers, der angegeben hat, er habe an den Kampfhandlungen in Südserbien teilgenommen, wolle darüber aber nicht sprechen, keine Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, nach dem Ende der Kampfhandlungen von Paramilitärs misshandelt worden zu sein, zulassen würde. Festzuhalten ist dabei, dass der - nunmehr anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt hat. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass auch die Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers, (verhältnismäßig kurze Zeit nach Beendigung der Kampfhandlungen) Übergriffen serbischer Paramilitärs ausgesetzt gewesen zu sein, am Ergebnis nichts ändern würde; denn in Hinblick auf die zuvor unter Punkt I.1. genannten, aktuellen Länderberichte ist davon auszugehen, dass ehemalige UCPMB-Kämpfer in Serbien jedenfalls nunmehr keine Verfolgung - auch zwar auch nicht durch Private - befürchten müssen.

Schlagworte
Amnestie, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten