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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Zarl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juni 2000, Zl. VwSen-106326/2/Kei/La, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde angezeigt, er habe am 7. Mai 1998 gegen
22.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in vermutlich alkoholbeeinträchtigtem Zustand auf der Westautobahn gelenkt und an einem näher bezeichneten Ort einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht, indem er auf den Anhänger eines auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Kraftwagenzuges ungebremst aufgefahren sei. Er habe in der weiteren Folge seinen an der Frontpartie schwer beschädigten Pkw mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf dem Verzögerungsstreifen abgestellt, ohne das Unfallfahrzeug mittels Pannendreieck abzusichern. Er habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, indem er die Unfallstelle mit dem beteiligten Lkw-Lenker vor dem Eintreffen der Gendarmeriestreife verlassen habe und gegen 23.00 Uhr auf der nächsten Raststation Alkohol konsumiert habe. Die anschließend um
23.54 Uhr durchgeführte Kontrolle der Atemluft auf Alkoholgehalt habe einen Wert von 0,80 mg/l ergeben.
Die Behörde erster Instanz holte ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Alkoholbeeinträchtigung zum Lenkzeitpunkt ein, welches beruhend auf drei verschiedenen Ausgangssituationen drei Varianten der Alkoholbeeinträchtigung ergab.
Mit Straferkenntnis vom 9. April 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 7. Mai 1998 gegen 22.15 Uhr sein Kfz an einem näher bezeichneten Ort gelenkt. Er habe
1. als Lenker eines Fahrzeuges beim Fahren hinter dem nächsten, vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er auf den dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger des vorschriftsmäßig den rechten Fahrstreifen benutzenden Kraftwagenzuges aufgefahren sei,
2. es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort im ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Unfallstelle verlassen und unzulässigerweise auf der Raststation A nach dem Unfall alkoholische Getränke konsumiert habe,
3. als Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, das auf einer Autobahn zum Stillstand gelangt sei, nicht unverzüglich den Lenkern anderer, auf dem verlegten Fahrstreifen herannahenden Fahrzeuge, diesen Umstand durch das Aufstellen einer nach kraftfahrrechtlichen Vorschriften genehmigten Warneinrichtung angezeigt,
4. sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden (Alkoholisierungsgrad: 0,80 mg/l).
Er habe folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1. § 18 Abs. 1 StVO, 2. § 4 Abs. 1 lit. c StVO, 3. § 89 Abs. 2 StVO, 4. § 5 Abs. 1 StVO.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden zu 1. gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO, 2. gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO, 3. gemäß § 99 Abs. 2 lit. d StVO, und 4. gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO Verwaltungsstrafen verhängt.
In der dagegen erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer alle ihm zur Last gelegten Taten mit im Einzelnen dagegen gerichteten Ausführungen.
Die belangte Behörde erließ ohne weiteres Ermittlungsverfahren den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Juni 2000. Sie gab der Berufung "im Hinblick auf die Schuld keine Folge", berichtigte die durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften 1. auf § 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 3 lit. a
StVO 1960, zu 2. auf § 4 Abs. 1 lit. c iVm § 99 Abs. 2 lit. a
StVO 1960, zu 3. auf § 89 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960, und zu 4. auf § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960. Zudem setzte sie alle verhängten Strafen geringfügig herab.
In den Entscheidungsgründen führte die belangte Behörde nach Zitierung des Spruchs des Straferkenntnisses vom 9. April 1999 und der Feststellung, dass sich dagegen die fristgerecht erhobene Berufung richte, aus:
"3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. April 1999, Zl. VerkR96- 6698-1998-Mr, Einsicht genommen.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
Der Oö. Verwaltungssenat zweifelt nicht am Vorliegen des Sachverhaltes, der durch die im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses (Spruchpunkte 1), 2), 3) und 4)) angeführten, als erwiesen angenommenen Taten (§ 44a Z 1 VStG), zum Ausdruck gebracht wird.
Es wurde im Hinblick auf den Spruchpunkt 1) des gegenständlichen Straferkenntnisses der objektive Tatbestand des § 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960, im Hinblick auf den Spruchpunkt 2) des gegenständlichen Straferkenntnisses der objektive Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit. c iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960, im Hinblick auf den Spruchpunkt 3) des gegenständlichen Straferkenntnisses der objektive Tatbestand des § 89 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 2 lit. d StVO 1960 und im Hinblick auf den Spruchpunkt 4) des gegenständlichen Straferkenntnisses der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 verwirklicht.
Ein Schuldausschließungsgrund oder ein Rechtfertigungsgrund liegt jeweils (= im Hinblick auf die 4 Spruchpunkte des gegenständlichen Straferkenntnisses) nicht vor. Das Verschulden des Bw wird jeweils als Fahrlässigkeit qualifiziert.
Zur Strafbemessung:
Mildernd wird die Unbescholtenheit gewertet (§ 34 Abs. 1 Z. 2 StGB iVm § 19 Abs. 2 VStG). Ein weiterer Milderungsgrund liegt nicht vor. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.
Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wird von folgenden Grundlagen ausgegangen: monatliches Einkommen: 36.000 S, Vermögen:
Eigentumswohnung, Sorgepflicht: keine.
Der Aspekt der Generalprävention wird berücksichtigt. Der
Aspekt der Spezialprävention wird nicht berücksichtigt.
Auf den Unrechtsgehalt und auf das Ausmaß des Verschuldens
wird Bedacht genommen.
Die Geldstrafe wurde herabgesetzt, weil der
Oö. Verwaltungssenat bei der Strafbemessung von für den Bw günstigeren Grundlagen ausgegangen ist als dies durch die belangte Behörde erfolgt ist.
Es war die Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG hinsichtlich der Schuld abzuweisen und ihr hinsichtlich der Strafe teilweise Folge zu geben."
Es folgen Ausführungen zu den Kosten des Strafverfahrens. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nach wie vor die Begehung der ihm zur Last gelegten Taten. Er rügt ua., dass sich die belangte Behörde "mit den Argumenten des Beschwerdeführers nicht einmal am Rande auseinandergesetzt" habe und ungeprüft die unrichtigen Feststellungen der Behörde erster Instanz übernehme. Bei der Begründung des angefochtenen Bescheides handle es sich "nicht einmal um eine Scheinbegründung", sondern es sei das "Erkenntnis im Wesentlichen überhaupt nicht begründet, eine objektive Beweiswürdigung" werde "überhaupt gänzlich vermisst".
Schon mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 AVG muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet; des Weiteren muss aus der Begründung des Bescheides hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse dem Gesetz folgerichtigen Denkens entsprechen. Zur lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhaltes, sondern auch die Anführung der Beweismittel und der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen. Durch eine Begründung eines Bescheides, die diesen Anforderungen nicht entspricht, wird nicht nur die Partei in der Verfolgung ihrer Rechte, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof an einer nachprüfenden Kontrolle gehindert (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/02/0049, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Wie der vorstehend wiedergegebenen und insoweit maßgebenden Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, hat sich die belangte Behörde - ohne eigene Ermittlungen durchgeführt zu haben - nicht einmal mit den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens erster Instanz auseinandergesetzt. Dies wäre aber im Hinblick auf das konkret bestreitende Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung erforderlich gewesen. Da auch die diesbezüglichen (ansatzweisen) Ausführungen in der Gegenschrift die fehlende Begründung nicht zu ersetzen vermögen - so die ständige hg. Rechtsprechung -, war der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. April 2001
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020226.X00Im RIS seit
17.07.2001