TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 E7 255188-0/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Spruch

E7 255.188-0/2008-18E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des A.M., geb. am 00.00.1972, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.10.2004, FZ. 03 36.195-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

 

Gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 wird A.M. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer (vormals: Berufungswerber; im Weiteren auch:

BF) reiste am 21.03.2003 legal aus der Türkei aus und mit einer österreichischen Niederlassungsbewilligung nach Österreich ein. In weiterer Folge reiste der BF über Frankreich und Belgien in die Bundesrepublik Deutschland (BRD), wo er schließlich angehalten wurde und einen Asylantrag stellte. Nachdem der BF am 21.11.2003 gemäß Dubliner Übereinkommen von der BRD nach Österreich rücküberstellt wurde, stellte er mit Datum vom 24.11.2003 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einen Asylantrag.

 

Am 02.02.2004 sowie am 21.07.2004 wurde der Beschwerdeführer vor der Außenstelle Linz des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

 

Als Identitätsnachweise legte er einen türkischen Personalausweis, ausgestellt am 00.00.1994 vom Matrikelamt in A. und einen türkischen Führerschein, ausgestellt am 00.00.1997 vom Verkehrsamt in A., sowie sein Rücküberstellungsdokument (Laissez-Passer) nach Österreich, ausgestellt am 00.00.2003 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg, vor.

 

Der BF brachte in türkischer Sprache vor, er sei ein in A., Türkei, geborener türkischer Staatsangehöriger, der türkischen Volksgruppe zugehörig, moslemischen Glaubens und verheiratet.

 

Seine Eltern, seine Ehegattin, die beiden gemeinsamen Kinder sowie drei Brüder und eine seiner beiden Schwestern würden nach wie vor in A., Türkei, leben. Eine Tante des BF sei in der BRD aufhältig und seine Schwester namens Z.D. in Großbritannien (GB), Näheres sei ihm jedoch unbekannt.

 

Die Volksschule habe er von 1979 bis 1984 in K. absolviert, anschließend habe er von 1987 bis 1989 eine Berufsschule in A. besucht. Seinen Militärdienst habe er von 1992 bis 1993 als Infanteriesoldat in C. abgeleistet. Von 1996 bis 2001 sei er als Elektroschweißer bei der Firma M. in A. beschäftigt gewesen.

 

Am 21.11.2003 wurde der BF im Rahmen des Dublin-Übereinkommens von der BRD nach Österreich, Wien Schwechat, per Flugzeug rücküberstellt (Laissez-Passer ausgestellt am 00.00.2003 in Nürnberg). Zuvor sei er am 21.03.2003 mit seiner Schwester Z.D. und dessen beiden Kindern mit dem PKW seines Bruders von A. nach Ankara gefahren und anschließend mit einem gültigen Reisepass und mit einer österreichischen Niederlassungsbewilligung (quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger von 00.00.2003 bis 00.00.2003, ausgestellt durch die BPD Wien) nach Österreich, Wien, geflogen. Dort seien sie mit dem Zug weiter nach Frankreich, Paris, gereist. Nach mehrtägigem Aufenthalt in einer unbekannten Stadt, seien sie mit dem Zug nach Belgien gefahren und in weiterer Folge mit einem Privat-Pkw in die BRD, Düsseldorf. Beim Passieren der Sicherheitskontrollen am Flughafen Mönchengladbach, seien der BF und seine Schwester - auf den Weg nach GB - von Sicherheitsorganen aufgegriffen und wieder nach Düsseldorf gebracht worden, wo sie am 01.04.2003 einen Asylantrag gestellt hätten. Seine Schwester sei daraufhin alleine nach GB geflohen.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF in seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt an, dass sein Schwager, der Ehegatte seiner Schwester, im Jahre 1999 aus der Türkei geflüchtet sei und nun in GB als Asylwerber lebe. Da seine Schwester wegen der Flucht ihres Gatten Probleme mit den türkischen Behörden bekommen habe und sich Befragungen unterziehen habe müssen, habe sie sich gezwungen gesehen, nach GB zu ihren Ehegatten zu fliehen. Auch der BF sei 2001 und im Winter 2002 von der türkischen Polizei bzw. Gendarmerie in A. "festgenommen" und zum Aufenthalt seines Schwagers befragt worden. Bei seiner zweiten "Festnahme" im Winter 2002 sei er gerade bei seiner Schwester zu Hause gewesen, als unerwartet die Gendarmerie gekommen sei und der Schwester Fragen über ihren Ehegatten gestellt hätten. Aufgrund der Äußerungen des BF, dass sie nicht belästigt werden wollen und nicht wissen würden, wo sich der Schwager bzw. Ehegatte aufhielte, hätten die Beamten sie gemeinsam auf das Revier mitgenommen und dort neuerlich befragt. Mangels konkreter gegen sie gerichteter Verdachtsmomente bzw. Vorwürfen, seien sie nach einer dreistündigen Befragung wieder freigelassen worden. Die Aussagen seien handschriftlich protokolliert worden, diese haben sie jedoch nicht unterschreiben müssen. Zur ersten Festnahme im Jahre 2000 führte der BF aus, dass sie von zwei Zivilpolizisten aufgefordert worden seien, auf das Polizeirevier mitzukommen und nach einer einstündigen Einvernahme zum Aufenthalt des Schwagers wieder gehen hätten können.

 

Da er seine Schwester nicht allein lassen wollte, habe er sie schließlich am 21.03.2003 auf ihrer Flucht mit der Absicht begleitet zusammen mit ihr und seinem Schwager als Asylwerber in GB zu leben.

 

Nach seiner letzten Festnahme im Jahre 2002 habe es jedoch keinerlei Konfrontationen mehr mit den türkischen Behörden oder sonstige Probleme in seinem Heimatland insbesondere aus in seiner Person gelegenen Gründen gegeben. Weiters gab er an, niemals in einem Gefängnis inhaftiert gewesen zu sein und an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen in seinem Heimatland teilgenommen zu haben. Auch sei er weder vorbestraft noch habe er eine politische Tätigkeit ausgeübt. Probleme mit Privatpersonen habe er ebenfalls keine gehabt.

 

Danach befragt, was er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte, gab der BF an, dass er dann alleine wäre, da seine Schwester und sein Schwager nicht mehr dort leben. Zudem würde der Druck seitens der türkischen Behörden auf ihn verstärkt werden und er müsse sich weiterhin belästigenden Befragungen unterziehen.

 

Auf weiteres Befragen, weshalb er sich nicht in einem anderen Teil der Türkei niedergelassen habe, antwortete der BF, dass er dieser Situation damals vielleicht ausweichen hätte können, seine Schwester jedoch nicht. Jetzt habe er aber keine Möglichkeit mehr, in einen anderen Landesteil zu ziehen, da ihm die Behörden nun überall Fragen über den Aufenthalt seiner Schwester stellen würden.

 

3. In seiner zweiten erstinstanzlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt führte der BF aus, dass ihm sowohl sein Reisepass als auch der Nüfus von der deutschen Polizei am Flughafen Mönchengladbach abgenommen worden sei, letzteren habe er jedoch wieder zurückbekommen.

 

Danach befragt, weshalb er eine Niederlassungsbewilligung für begünstigte Drittstaatsangehörige erhalten habe, obwohl er keine österreichischen Verwandten habe, antwortete der BF, dass diese Bewilligung durch den Schlepper mit gefälschten Papieren organisiert und erschlichen worden sei, wofür er ihm EUR 3.500,- bezahlt habe.

 

Auf Befragen, ob es aus Sicht des BF Gründe gäbe, die gegen eine Ausweisung aus Österreich oder für eine Integration in Österreich sprächen, meinte der BF, dass es keine dafür sprechenden Gründe gäbe. Er habe weder Verwandten noch eine Lebensgefährtin in Österreich.

 

Im Zuge der Einvernahme legte der BF eine Ladung zu Gericht in A., vor, die beweisen solle, dass er von der Polizei zum Zwecke der Einvernahme über den Verbleib seiner Schwester und seines Schwagers gesucht und folglich inhaftiert werden würde. Dieses Schriftstück habe er von seinem Vater erhalten.

 

Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass die Formerfordernisse dieser Gerichtsladung nicht annähernd erfüllt sind, das es ua am Geburtsdatum, am Namen der Eltern, an der Adresse, sowie an der genauen Bezeichnung des Gerichtes und des Ortes fehle und solch ein Schreiben keinesfalls authentisch ist, entgegnete der BF, dass es fragwürdig sei, wie er ein solches Schriftstück erhalten solle, wenn es nicht echt wäre, "da hätte er sich etwas Besseres einfallen lassen".

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und dieser gemäß § 8 Abs 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen.

 

Nach Wiedergabe der erstinstanzlichen Einvernahme stellte die Erstbehörde ua fest, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger sei und der türkischen Bevölkerungsgruppe angehöre.

 

Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG 1997 glaubhaft gemacht. Weiters bestünden weder stichhaltige Gründe für die Annahme, der BF wäre im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung einer Gefahr iSd

 

§ 57 Abs 1 und Abs 2 FrG ausgesetzt, noch gäbe es stichhaltige Gründe, die gegen eine Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet sprechen.

 

Des Weiteren traf die Erstbehörde verschiedene länderkundliche Feststellungen zur Türkei.

 

Beweiswürdigend führt die Erstbehörde aus, dass die Identität des BF aufgrund der vorgelegten unbedenklichen nationalen Dokumente feststehe und es aufgrund seiner Angaben und Länderkenntnis schlüssig sei, dass er türkischer Herkunft sei. Auch die Angaben des Beschwerdeführers zur legalen Einreise nach Österreich und Weiterreise bis nach Deutschland seien schlüssig und nachvollziehbar und würden auch durch die Fremdeninformation (quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung begünstigter Drittstaatsangehöriger vom 00.00.2003 bis 00.00.2003 durch die BPD Wien) bestätigt werden. Die Tatsache, dass sich der BF die Erstniederlassungsbewilligung erschlichen und erkauft habe, sei aufgrund der ho. Kenntnis über Scheinehen und Einreisemöglichkeiten türkischer Staatsangehöriger glaubwürdig, zumal dies der BF auch selbst zugegeben habe. Die Rückübernahme gemäß Dubliner Übereinkommen ergebe sich aus den diesbezüglichen Akten und den Angaben des BF.

 

Zum Fluchtvorbringen des BF führte die Erstbehörde an, dass sich aus diesem schlüssig ergebe, dass der BF aus in seiner Person gelegenen Gründen weder Probleme mit den türkischen Sicherheitsbehörden gehabt habe noch jemals festgenommen oder inhaftiert worden sei und auch nicht politisch aktiv gewesen sei, zumal der BF derartiges nie ausgeführt habe. Der BF hätte bei nur ansatzweisem Bestehen solcher Probleme diese in seinem Vorbringen wohl dargelegt. Die von ihm ausgeführten Probleme hätten sich demgegenüber lediglich auf seinen Schwager bezogen und seien weder von der Intention her gegen den BF gerichtet gewesen noch seien sie von der Intensität her dergestalt gewesen, dass man objektiv auch nur ansatzweise von einer erheblichen bzw. ausreichenden Intensität derselben sprechen könne. Bezüglich der zweiten "Festnahme" des BF wurde ausgeführt, dass dieser lediglich deshalb mitgenommen und befragt worden sei, da er sich gerade zufällig im Hause seiner Schwester aufgehalten habe, als die Gendarmerie dieser Fragen zu ihrem Ehegatten gestellt habe.

 

Das vom BF in Vorlage gebrachte Schriftstück erfülle die notwendigen Formerfordernisse nicht, da sämtliche Merkmale und Konkretisierungen, die für eine Gerichtsladung erforderlich seien, fehlen würden, und könne daher dieses Schreiben nicht als authentisch eingestuft werden. Selbst unter der Annahme der Echtheit dieses Schriftstücks würden die Angaben des BF nicht den Rückschluss einer Verfolgung zulassen, da er keinerlei in seiner Person gelegene Probleme behauptet habe.

 

Das Vorbringen des BF sei somit nicht geeignet gewesen, eine asylrelevante Verfolgung darzustellen.

 

Schließlich sei eine Rückkehrgefährdung iSd § 57 FrG in Verbindung mit den Länderfeststellungen weder erkennbar noch wahrscheinlich.

 

Zu den Länderfeststellungen hielt die Erstbehörde fest, dass diese notorisch seien und aus verlässlichen, unbedenklichen und seriösen Quellen stammten.

 

In rechtlicher Hinsicht führte die Erstbehörde zu Spruchpunkt I. aus, dass die vom BF vorgebrachten Beeinträchtigungen sich in ihrer Intention nicht konkret gegen ihn selbst gerichtet hätten, sondern er ohne eine gegen ihn gerichtete Verfolgungsabsicht staatlicher Behörden in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Mangels für eine Asylgewährung notwendiger und konkret gegen den BF selbst gerichteter Verfolgungshandlungen aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe oder zumindest der wohlbegründeten Furcht vor solchen sei der Asylantrag abzuweisen gewesen.

 

Betreffend Spruchpunkt II. hielt die Erstbehörde zusammengefasst fest, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Rückkehrgefährdung ergäbe. Weiters bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass in der Türkei eine derart extreme Gefährdungslage herrsche, dass praktisch jeder der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Außerdem seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde, zumal ihm als soziales Auffangnetz die dort lebende Familie zur Verfügung stünde. Zudem verfüge der BF über einen relativen hohen Geldbetrag, sodass eine derartige Notlage sicherlich auszuschließen wäre.

 

Die Ausweisung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt III.) stelle mangels eines Familienbezuges in Österreich keinen Eingriff in Art 8 EMRK dar.

 

Der erstinstanzliche Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 20.10.2004 mittels Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

 

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht am 28.10.2004 per Telefax durch den nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter RA Mag. Dr. M.E. (schriftliche Vollmacht vom 22.10.2004) gegen sämtliche Spruchpunkte erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften. Beantragt wurde die Abänderung des bekämpften Bescheides im Sinne einer Asylgewährung und Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei und die ersatzlose Behebung hinsichtlich der ausgesprochenen Ausweisung sowie die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

 

In dieser wird zusammengefasst ausgeführt, dass die erstinstanzliche Behörde den vom BF vorgetragenen Sachverhalt nicht gehörig hinterfragt habe und somit seine tatsächlichen Fluchtgründe keiner entsprechender Würdigung zuführen habe können. Sein Schwager namens Z.B. sei Mitglied der "DEHAS KPC" (gemeint wohl: der DHKP-C, einer im politischen Sinne als links-extremistisch charakterisierten Organisation in der Türkei) und durch seine politische Tätigkeit asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen. Nachdem sein Schwager nach GB geflohen sei, wo ihm schließlich Asyl zugebilligt worden sei, hätten die türkischen Sicherheitskräfte begonnen intensiv nach diesem zu suchen und zu diesem Zwecke auch die Schwester des BF mehrmals einvernommen.

 

Auch der BF sei in diesem Zusammenhang zwei Mal durch die Polizei einvernommen worden und sei er im Zuge dieser Befragungen "bedroht und massiv unter Druck gesetzt worden" um über den Verbleib und Aufenthalt seines Schwagers Auskunft zu geben. Zur Bestätigung seiner ihm drohenden Verfolgungsmaßnahmen durch die türkische Polizei werde er der Berufungsinstanz die Zustelladressen seines Schwagers und seiner Schwester zum Zwecke der Zeugeneinvernahme zukommen lassen.

 

Weiters führte der BF aus, dass nun auch er selbst Zielscheibe der Aktivitäten der türkischen Polizei bei der Suche nach seinem Schwager geworden sei, da ihm seitens der türkischen Exekutive und des türkischen Staatssicherheitsdienstes unterstellt werde, dass er ebenfalls ein Mitglied der "DEHAS KPC" sei und seinem Schwager und schließlich auch seiner Schwester zur Flucht verholfen habe. Da der BF seiner Schwester die Ausreise aus der Türkei ermöglicht und erleichtert habe und somit eine wichtige Zeugin für die Polizei für das Ausfindigmachen ihres Ehegatten abhanden gekommen sei, sei er entsprechenden Repressalien in der Türkei im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt. Über die Aktivitäten seines Schwagers sei er erst im Zuge der nach ihm gestarteten Suche durch die türkische Exekutive informiert worden.

 

Da gegen den BF in der Türkei bereits ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet worden sei und er dies auch durch Vorlage der Gerichtsladung im erstinstanzlichen Verfahren bestätigt habe, hätte er im Falle einer Verurteilung und Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe keinerlei Chance sich zu resozialisieren und keine Möglichkeit mehr in der Türkei eine sozial abgesicherte und funktionierende Existenz zu begründen. Diese Tatsache würde im Falle seiner Rückverbringung in die Türkei eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen.

 

Der BF sei somit in der Türkei einer ungerechtfertigten strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt, der entgegen der Ansicht der Erstbehörde Asylrelevanz zukäme.

 

Die Erstbehörde habe keine Ermittlungen durchgeführt, insbesondere nicht zur Frage, inwieweit Familienmitgliedern von Personen, die für eine staatlich nicht erwünschte Kurdenpartei wie die "DEHAS KPC" gearbeitet hätten, asylrelevante Verfolgung drohe und seien auch weder Feststellungen über das Wesen und Wirken bzw die Stellung dieser Partei in der Türkei noch über die staatliche Verfolgung von jenen Parteimitgliedern getroffen worden. Der BF habe aufgrund der Mitgliedschaft seines Schwagers zu dieser Partei mit einer Anklage wegen Hochverrats und Verletzung der türkischen Staatsicherheitsinteressen zu rechnen.

 

Ferner wurde in der Berufungsschrift gerügt, dass die vom Bundesasylamt herangezogenen abstrakten Länderfeststellungen nicht geeignet gewesen seien, entsprechende Rückschlüsse auf die dem BF in der Türkei drohenden Verfolgungsmaßnahmen und bestehenden Zukunftsaussichten einer realistischen Beurteilung zu unterziehen. Zudem sei dem BF keine Gelegenheit geboten worden zu diesen Länderfeststellungen Stellung zu nehmen.

 

Abschließend beantragte der BF zum Beweis seiner Glaubwürdigkeit und Richtigkeit seines Vorbringens die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sowie die Einholung eines Ländersachverständigengutachtens zum Fluchtvorbringen.

 

6. Das gegenständliche Verfahren wurde nach Ausscheiden des ursprünglich zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Bundesasylsenates mit Verfügung vom 24.01.2006 dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter des Asylgerichtshofs zugeteilt. 7. Am 28.06.2007 langte beim Unabhängigen Bundesasylsenat (nunmehr: Asylgerichtshof) ein Schreiben des BF ein, in welchem er um die Ausfolgung seines Reisepasses ersuchte.

 

Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 04.07.2007 wurde dem BF mitgeteilt, dass seinem Ersuchen nicht nachgekommen werden könne, da der erkennenden Behörde sein Reisepass nicht vorliege.

 

8. Am 11.06.2008 führte der entscheidende Richter (noch als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates als der bis 30.06.2008 bestehenden Berufungsbehörde) eine mündliche Verhandlung in der Sache des Beschwerdeführers durch, an welcher der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter teilnahm, von deren Teilnahme sich die Erstbehörde jedoch entschuldigen ließ.

 

Der BF gab einleitend an, bei seinem bisherigen Vorbringen zu bleiben und seine Berufung (Beschwerde) ausdrücklich aufrecht zu halten.

 

Beginnend wurde vom Verhandlungsleiter festgehalten, dass einer Eingabe vom 26.06.2007 folgend der BF Vater eines Kindes geworden ist, mit einer Lebensgefährtin zusammenlebt und eine Heirat beabsichtigt hat. Zu seinem Reisepass befragt gab der BF an, dass er diesen noch immer nicht erhalten habe und er vermute, dass sich dieser bei den deutschen Behörden befinde, da er im Jahre 2003 am Flughafen Mönchengladbach von der Polizei aufgegriffen wurde und ihm sein Pass abgenommen und nicht mehr ausgehändigt worden sei.

 

Folgende Urkunden wurden vom Rechtsvertreter des BF an diesem Punkt der Verhandlung als Beweismittel zur Thematik der Ausweisung vorgelegt, welche in Kopie zum Akt genommen wurden:

 

Staatsbürgerschaftsnachweis der Lebensgefährtin namens P.C. vom 10.10.1989, Stadtamt T.

 

Meldebestätigung vom 25.02.2008 den BF betreffend für die Adresse T.

 

Geburtsurkunde des am 00.00.2007 geborenen Sohnes namens P.D., Standesamt I.

 

Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft vom 23.04.2007, Standesamtes I.

 

Unterhaltsvereinbarung vom 14.02.2008, Bezirkshauptmannschaft I.

 

Teilnahmebescheinigung über den Besuch eines Ausbildungskurses zum Schweißer von Juni bis Dezember 2007, BFI OÖ

 

Beschäftigungsbewilligung des AMS T. vom 21.12.2007 für die Tätigkeit als Schweißerhelfer bei der Firma V. (Gültigkeit von Dezember 2007 bis Dezember 2008), einschließlich Dienstzettel

 

zwei ÖNorm-Zertifikate als Schweißer vom 00.00.2007 und 00.00.2007,

WIFI

 

Zertifikate über die Teilnahme an Deutsch-Integrationskursen in den Stufen 2 bis 4, BFI OÖ

 

Der BF gab an, er führe mit seiner Lebensgefährtin seit etwa drei Jahren eine Beziehung, teile mit ihr jedoch keinen gemeinsamen Wohnsitz, da deren zwölfjährige Tochter dies nicht wünsche. Die Wohnungen befänden sich jedoch nicht weit voneinander entfernt, weshalb er seine Lebensgefährtin täglich sehe.

 

Auf die Frage, ob es über die vorgelegten Nachweise hinaus weitere zu berücksichtigende Integrationsaspekte gäbe, verwies der rechtsfreundliche Vertreter auf die gänzliche Unbescholtenheit des BF in Österreich sowie darauf, dass dieser in einem aufrechten Dienstverhältnis stehe und monatlich EUR 1.500,- verdiene.

 

Im Sommer 2004 habe er sich - in Abwesenheit - von seiner in der Türkei lebenden Ehegattin scheiden lassen und sei dabei von einem Anwalt und seinem Bruder unterstützt worden. Aus dieser Ehe würden ein Sohn und eine Tochter stammen, wobei die Tochter im Jahre 2005 an einem Gehirntumor verstorben sei. Über die erfolgte Scheidung könne er eine Bestätigung vorlegen. Seit dem Tod seiner Tochter habe er nur noch selten Kontakt mit seiner Exgattin, zu seinem Sohn bestünde jedoch telefonischer Kontakt.

 

Der BF gab weiters an, dass seine Eltern nach wie vor im Dorf K. in A. in einem eigenen Haus leben würden und sich sein Vater mit der Tierzucht und Landwirtschaft beschäftige. Sein ebenfalls in A. wohnhafter Bruder namens H. führe gemeinsam mit einem Partner ein Kaffeehaus und sein anderer Bruder namens R. wohne in B. und arbeite als Beamter für eine landwirtschaftliche Behörde. Der Bruder M. sei in S. aufhältig und arbeite dort in einer Fabrik und seine Schwester G. lebe in A., und sei Hausfrau. Seine zweite Schwester namens D. lebe nun in England mit ihrem Mann.

 

Befragt, ob der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei von seinen Verwandten aufgenommen werden würde und bei diesen Unterkunft nehmen könne, antwortete der BF, dass dies lediglich für ein paar Wochen oder Monate möglich sei.

 

Weiters gab der BF an, dass er bis August 2001 als Schweißer in A. gearbeitet habe und danach - bis zu seiner Ausreise im Jahre 2003 - mit Tieren gehandelt habe.

 

Auf Vorhalt, dass der BF im Jahre 2003 eine Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erhalten hatte, er jedoch im erstinstanzlichen Verfahren stets angab sein Antrag sei abgewiesen worden, gab der BF an, dass ihm nach Übergabe von gefälschten Dokumenten an die österreichische Botschaft, in denen er als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin aufgeschienen sei, ein Visum ausgestellt worden sei. Der Schlepper habe ihm das Visum für eine Bezahlung von EUR 3.500,- organisiert. Auf diesem Wege hätten auch seine Schwester und ihre beiden Kinder Visa erhalten.

 

Weiters brachte der BF vor, dass sein Schwager im Jahre 1999 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C nach England geflohen sei und die türkischen Sicherheitskräfte seine Schwester deswegen nicht mehr in Ruhe gelassen hätten. Er habe seine Schwester zu seinem Schwager nach England bringen wollen und deshalb auch schon im Jahre 2000 daran gedacht, die Türkei zu verlassen.

 

Konkret befragt, ob er seine Schwester bei ihrer Ausreise lediglich unterstützen habe wollen und er deshalb die Türkei verlassen habe, bestätigte der BF, dass dies richtig sei. Zudem erklärte der BF, dass er seine Angaben wahrheitsgemäß machen möchte und gab ausdrücklich an, dass es vor seiner Ausreise lediglich zu Befragungen betreffend seinen Schwager gekommen sei, es darüber hinaus jedoch für ihn keinerlei Probleme mit den türkischen Behörden gegeben habe.

 

Befragt, was nun einer Rückkehr in die Türkei zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstünde, antwortete der BF, dass er seit etwa fünf Jahren in Europa lebe, viereinhalb davon in Österreich und er im Falle einer Rückkehr von den Sicherheitskräfte beschuldigt werden würde, ebenfalls ein Mitglied und Unterstützer der DHKP-C zu sein, da er seiner Schwester geholfen und sie nach Europa gebracht habe. Er sei dann ebenso wie seine Schwester Unterdrückungen ausgesetzt.

 

Auf Vorhalt, dass die vom BF behauptete Unterstellung der türkischen Behörden nur an seine gemeinsame Ausreise mit der Schwester knüpfen könne, da sein Schwager die Türkei bereits 1999 verlassen hat und er sich noch bis 2003 dort aufhielt und man ihn im Falle eines tatsächlich an ihn gerichteten Vorwurfs bereits in dieser Zeit verfolgen hätte können bzw auch die Ausstellung eines Reisepasses und die legale Ausreise kaum möglich gewesen wären, gab der BF an, dass er in der Türkei zwar keine Probleme mit den Sicherheitsbehörden gehabt habe, da er jedoch mit seiner Schwester geflüchtet ist, würden die Behörden dies (gemeint wohl: jetzt) als Grund für eine Verfolgung nehmen. Zudem führte der BF aus, dass er deshalb problemlos einen Pass ausstellen lassen habe können, da er damals eben noch keine Schwierigkeiten gehabt habe. Wenn er jedoch nun nach fünf Jahren wieder in die Türkei zurückkehre, würde man ihn über seine Schwester und seinen Schwager befragen und er würde verfolgt werden, da ihm deren Flucht zur Last fallen würde.

 

Auf weiteren Vorhalt, dass der BF zwischen 2000 und 2003 angeblich mehrfach behördlich befragt worden sei und es in dieser Zeit offenbar keine konkreten Anhaltspunkte für seine Zugehörigkeit zur oder Unterstützung der genannten Organisation gegeben habe, da dies bei jenen Gelegenheiten sonst wohl thematisiert worden wäre, gab der BF lediglich erneut an, dass er in der Türkei zuvor keine Schwierigkeiten mit den Sicherheitskräften gehabt habe, auch bei den behördlichen Befragungen habe es keine Vorwürfe gegeben, sein Problem sei erst aufgrund der gemeinsamen Flucht mit seiner Schwester entstanden, da er sie aus Sicht der türkischen Behörden ins Ausland verbracht habe.

 

Betreffend das vom BF im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte - angeblich von einem Gericht in A. ausgestellte - Schriftstück aus dem Jahre 2004 gab er an, dass dieses eine Aufforderung zur Aussage gewesen sei, er jedoch nicht wisse, in welcher Angelegenheit bzw ob er als Zeuge oder Beschuldigter einvernommen werden sollte. Der BF vermute aber, dass er zum Zwecke einer Befragung seine Schwester und seinen Schwager betreffend geladen worden wäre.

 

Auf Vorhalt, wonach von der Erstbehörde mangels bestimmter Formerfordernisse einer Ladung die Echtheit dieses Dokumentes in Zweifel gezogen wurde, erwiderte der BF lediglich, dass er sich mit Gerichtsdokumenten und deren Formerfordernissen nicht auskenne und er nicht sehr viel dazu sagen könne, da er zum Zeitpunkt der Zustellung des Schriftstückes an seine Heimatadresse im Ausland gewesen sei und ihm sein Bruder dieses nachgeschickt habe.

 

Des Weiteren führte der BF dazu aus, dass er seit jener Zustellung keine weiteren behördlichen Schriftstücke mehr erhalten habe, jedoch seine Eltern Ende 2004 von der Polizei über seinen Aufenthaltsort und den seiner Schwester befragt worden seien.

 

Auf Vorhalt, dass es aus Sicht der Berufungsinstanz plausibler wäre, den BF bei einem tatsächlichen Verdacht der Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen bzw extremistischen Organisation in der Türkei wie der DHKP-C auf andere Art und Weise als in Form einer gerichtlichen Ladung in Anspruch zu nehmen, gab der BF abermals an, dass er in der Türkei keine Probleme mit den Sicherheitskräften gehabt habe und er legal ausreisen habe können. Wenn er in der Türkei Probleme gehabt hätte, wäre er wohl am Flughafen verhaftet und seine Ausreise verhindert worden.

 

Der rechtsfreundliche Vertreter des BF beantragte die zeugenschaftliche Befragung von Frau P. zum Beweis der lang andauernden Lebensgemeinschaft mit dem BF, die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens zum Beweis der Richtigkeit der Vorbringen des BF sowie die Beischaffung des Gerichtsakts in A., durch einen Sachverständigen oder einen Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft (ÖB).

 

Als aktuelle länderkundliche Informationsquellen von Amts wegen dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt, mit dem Beschwerdeführer im Wesentlichen erörtert und zum Akt genommen wurde:

 

Dt. Auswärtiges Amt, Bericht zur aktuellen Lage in der Türkei vom 25.10.2007;

 

Dazu führte der Rechtsvertreter des BF aus, dass er sich eine schriftliche Stellungnahme zur aktuellen Lage in der Türkei vorbehalte. Eine Kopie des Berichtes wurde dem Rechtsvertreter ausgefolgt.

 

Abschließend brachte der BF vor, dass er sich in Österreich integriert habe und er mittlerweile ein kleines Kind mit seiner Lebensgefährtin habe. Seine Familie wolle er auf keinen Fall alleine lassen und sein Kind soll zudem nicht ohne Vater großgezogen werden.

 

9. Mit Datum vom 20.06.2008 wurden durch den Rechtsvertreter die Scheidungsunterlagen des BF beim Unabhängigen Bundesasylsenat in Vorlage gebracht und ausgeführt, dass es sich hierbei um das Urteil in der Ehescheidungssache handele. Diese Unterlagen wurden anschließend einer Übersetzung zugeführt.

 

10. Mit Schreiben vom 31.07.2008 richtete der Asylgerichtshof ein Erhebungsersuchen im Rahmen der Amtshilfe an die ÖB Ankara zur Überprüfung der Echtheit der vom BF vorgelegten Gerichtsladung.

 

Zugleich wurde der Rechtsanwalt des BF aufgefordert, der BF möge seinen Vater bzw andere Verwandte in A. dazu bevollmächtigen eine Aktenabschrift des Verfahrensaktes des Gerichtes in A. beizuschaffen und diese innerhalb einer dreiwöchigen Frist ab Zustellung dieses Schreibens dem Asylgerichtshof vorlegen.

 

Weiters richtete der Asylgerichtshof mit Schreiben vom 31.07.2008 ein Anfrageersuchen an das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Bitte um Übermittlung des türkischen Reisepasses des BF, da sich dieser wahrscheinlich bei den deutschen Behörden befinde, nachdem der BF im Jahre 2003 in die BRD eingereist war und am Flughafen Mönchengladbach festgenommen und im Rahmen des Dublin-Übereinkommens nach Österreich rücküberstellt wurde.

 

11. Am 14.08.2008 langte beim (nunmehr zuständigen) Asylgerichtshof ein Schreiben des Rechtsvertreters des BF ein, in welchem ohne weitere Begründung mitgeteilt wurde, dass eine Erlangung der gewünschten Aktenabschrift durch die Angehörigen des BF "nicht zu bewerkstelligen gewesen sei". Folglich werde der Antrag gestellt, ein Ländersachverständiger möge entsprechende Erhebungen im Heimatstaat des BF insbesondere am Gericht in A. anstellen und versuchen eine Aktenabschrift beizuschaffen.

 

12. Am 27.08.2008 langte beim Asylgerichtshof eine Anfragebeantwortung der ÖB Ankara vom 13.08.2008 ein. Den beigeschlossenen Erhebungsergebnissen des Vertrauensanwaltes der ÖB war die Feststellung zu entnehmen, dass die vom BF vorgelegte Gerichtsladung "eindeutig eine Fälschung darstellt, da es sich bei der verwendeten Sprache hinsichtlich der Gerichtsbezeichnung um keine Gerichtssprache handelt und zudem falsche Rechtsbegriffe und ein falsches Format verwendet wurde". Abschließend wurde ausgeführt, dass "kein Richter eine solche Ladung in so einer Art und Weise formulieren würde".

 

13. Mit Schreiben vom 10.09.2008 übermittelte der Asylgerichtshof dem Rechtsvertreter das Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen durch den Vertrauensanwalt der ÖB in Ankara mit der Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme binnen einer zweiwöchigen Frist ab Zustellung dieses Schreibens. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Asylgerichtshof im Lichte dieses Erhebungsergebnisses und der bereits von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Erwägungen zur Frage der Echtheit dieses Schriftstücks sowie der diesbezüglichen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung derzeit unpräjudiziell davon ausgehe, dass das betreffende Schriftstück nicht als authentisch bzw. echt anzusehen sei. Weiters wurde der BF aufgefordert, die vom Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung angekündigte abschließende Stellungnahme zur aktuellen allgemeinen Lage in der Türkei - ebenfalls binnen einer Frist von zwei Wochen - vorzulegen.

 

14. Am 26.09.2008 langte beim Asylgerichtshof eine Stellungnahme des Vertreters des BF zu den durchgeführten Erhebungen der ÖB Ankara ein. Ausgeführt wurde, dass es seinem Mandanten nicht nachvollziehbar bzw. unerklärlich sei, weshalb die vorgelegte Gerichtsladung eine Fälschung darstellen solle, und er nach wie vor von der Echtheit dieses Dokumentes ausgehe, welches geeignet sei die Richtigkeit seines Vorbringens zu beweisen. Weiters wurde die Ladung des BF zu einer weiteren mündlichen Verhandlung zum Zwecke einer abermaligen Befragung hinsichtlich seiner geschilderten Fluchtgründe beantragt. Ergänzend wurde sowohl auf die unveränderten familiären Verhältnisse des BF in Österreich als auch auf die abgesicherte finanzielle Situation des BF und seiner Familie hingewiesen.

 

Eine Stellungnahme zur aktuellen Lage in der Türkei ist unterblieben.

 

II. Der zur Entscheidung berufene Richter des Asylgerichtshofs hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist am 00.00.1972 geboren, Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der türkischen Volksgruppe und Moslem. Er stammt aus dem Dorf K. in A., wo auch die Eltern des BF nach wie vor leben. Seine drei Brüder und eine seiner beiden Schwester leben in A. und in E..

 

Der BF war in der Türkei verheiratet, ist jedoch seit 2004 geschieden. Seine ehemalige Gattin lebt mit dem aus dieser Ehe stammenden Sohn in der Türkei, die gemeinsame Tochter ist im Jahr 2005 verstorben. In Österreich führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin namens P.C., die auch die Mutter seines am 00.00.2007 in Österreich geborenen Sohnes, P.D., ist. Sie leben in T., teilen jedoch keinen gemeinsamen Wohnsitz.

 

Der BF absolvierte von 1979 bis 1984 die Volksschule in K. und von 1987 bis 1989 die Berufsschule in A.. Seinen Militärdienst leistete er von 1992 bis 1993 als Infanteriesoldat in C. ab. In den Jahren 1996 bis 2001 arbeitete der BF als Elektroschweißer bei der Firma M. und beschäftigte sich anschließend bis zu seiner Ausreise mit Tierhandel.

 

Der BF war in seinem Heimatstaat weder politisch tätig noch hatte er bis zur Ausreise aus in seiner eigenen Person gelegenen Gründen Probleme mit den türkischen Behörden oder mit Privatpersonen.

 

Im März 2003 reiste der BF legal mit einem gültigen Reisepass aus seinem Heimatland aus und mit einer erschlichenen österreichischen Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger (ausgestellt durch die BPD Wien, Gültigkeit von 00.00.2003 bis 00.00.2003) nach Österreich ein. Am 01.04.2003 stellte der BF in Düsseldorf einen Asylantrag. Am Flughafen Mönchengladbach wurde der BF im Zuge einer Sicherheitskontrolle von Sicherheitsorganen festgenommen und im Rahmen des Dublin-Übereinkommens am 21.11.2003 von der BRD nach Österreich rücküberstellt (Laissez-Passer am 00.00.2003 ausgestellt in Nürnberg). Am 24.11.2003 stellte der BF in Österreich gegenständlichen Asylantrag.

 

1.2. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Ausreisegründen wird festgestellt:

 

1.2.1. Nicht feststellbar war, dass der Schwager des BF aufgrund einer behaupteten Mitgliedschaft zur DHKP-C in der Türkei politisch verfolgt wurde und deswegen im Jahre 1999 nach GB geflohen war, wo er in der Folge Asyl erhalten haben soll. In diesem Zusammenhang war auch nicht feststellbar, dass die Schwester des BF wegen der Flucht ihres Ehegatten nach GB Probleme mit den türkischen Sicherheitskräften und folglich auch der BF aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses Schwierigkeiten mit den heimischen Behörden bekommen habe.

 

Vor diesem Hintergrund konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF, wie von ihm behauptet, im Jahre 200l und im Winter 2002 aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zu seinem Schwager von der Polizei in A. festgenommen und zu dessen Flucht bzw Aufenthalt befragt worden sei bzw es während dieser Befragungen - wie in der Berufungsschrift erstmalig ausgeführt - zu Bedrohungen des BF durch die türkische Polizei gekommen sei.

 

Ferner konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF im Jahre 2004 eine Ladung des Gerichts in A. an seine Heimatadresse zum Zwecke der Befragung über die Aufenthaltsorte seiner Schwester und seines Schwagers zugestellt worden sei.

 

Folglich konnte schon in der Gesamtsicht dieser Feststellungen nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei von den türkischen Sicherheitskräften aufgrund dieses Verwandtschaftsverhältnisses beschuldigt werden würde ein Mitglied oder Unterstützer der DHKP-C zu sein oder dass aus diesem Grunde eventuell ein behördliches oder gerichtliches Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde oder nach der Rückkehr eingeleitet werden würde.

 

1.2.2. Im Lichte dieser Feststellungen war insgesamt eine begründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung aus den von ihm behaupteten oder aus anderweitigen Gründen oder eine Gefährdung des Beschwerdeführers, die ein Abschiebehindernis darstellen würde, im Falle einer Rückkehr in die Türkei nicht feststellbar.

 

1.3. Der Beschwerdeführer kann sich im Falle der Rückkehr auf seine bereits vor der Ausreise gezeigte Selbsterhaltungsfähigkeit stützen. Darüber hinaus verfügen die verschiedenen Angehörigen des Beschwerdeführers, nämlich seine Eltern und seine Geschwister, in seiner Heimat über offenbar hinreichende Existenzmöglichkeiten. Allenfalls kann er bei anfänglichen materiellen Schwierigkeiten nach der Rückkehr auf die Unterstützung seiner Verwandten zurückgreifen. Er hat demnach, soweit es die notwendige Existenzgrundlage für sich angeht, in diesem Fall - auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in der Türkei - in materieller Hinsicht keine aussichtlose Lage zu gewärtigen.

 

1.4. Zur Lage in der Türkei:

 

1.4.1. Im Hinblick auf die aktuelle allgemeine Situation in der Türkei wird auf die Feststellungen im oben angeführten länderkundlichen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes verwiesen.

 

Im Hinblick auf die vom BF behauptete, wenn auch letztlich nicht feststellbare Mitgliedschaft seines Schwagers bei der sogen. DHKP-C wird diesbezüglich ergänzend festgestellt, dass es in der Türkei generell keine "Sippenhaft" in dem Sinne gibt, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft würden. Eventuelle Befragungen von Angehörigen oder Verwandten als Auskunftspersonen sind im Rahmen der Strafrechtspflege möglich.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Als Beweismittel wurden herangezogen:

 

das erstinstanzliche Verfahrensergebnis

 

die persönlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Berufungsbehörde und die von ihm vorgelegten Urkunden und Dokumente

 

die oben angeführten länderkundlichen Feststellungen anhand der angeführten Informationsquelle

 

die Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Ankara vom 13.08.2008

 

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich nach Maßgabe folgender Erwägungen:

 

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus den in Vorlage gebrachten Dokumenten, insbesondere aus dem vom Matrikelamt in A. am 00.00.1994 ausgestellten türkischen Personalausweis und dem am 00.00.1997 vom Verkehrsamt in A. ausgestellten türkischen Führerschein sowie aus dem am 00.00.2003 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg ausgestellten Rücküberstellungsdokument (Laissez-Passer).

 

Die Feststellungen zur ethnischen und regionalen Herkunft des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, ebenso die Feststellungen zu den genaueren Lebensumständen des Beschwerdeführers vor der Ausreise und denen seiner Angehörigen und Verwandten damals wie heute. Die Feststellung, dass der BF der türkischen Volksgruppe angehört, ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass er die türkische Sprache spricht.

 

2.1.2. Die Feststellungen zur Rückübernahme des BF gemäß dem Dubliner-Übereinkommen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

2.1.3. Die Feststellung zur Nichtausübung einer politischen Tätigkeit des BF im Herkunftsstaat vor der Ausreise stützt sich auf dessen in diesem Zusammenhang glaubwürdige und nachvollziehbare, weil konsistente Aussagen, in denen er unmissverständlich darlegte weder politisch tätig noch Mitglied einer politischen Partei in seinem Heimatland gewesen zu sein.

 

2.1.4. Die Feststellung, dass der BF bis zur Ausreise aus der Türkei zu keiner Zeit (asylrelevante) Probleme mit türkischen Behörden oder mit Privatpersonen hatte, ergibt sich schlüssig aus seinem Vorbringen. Er gab nämlich sowohl in den erstinstanzlichen Einvernahmen als auch in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde lediglich an, sein Heimatland verlassen zu haben um seine Schwester bei ihrer Ausreise zu unterstützen. Dass er persönlich keine Probleme aus in seiner eigenen Person gelegenen Gründen mit der Polizei gehabt habe, wurde von ihm persönlich ausdrücklich bekräftigt. Zudem sei es laut seinen eigenen Angaben vor der Ausreise lediglich zu behördlichen Befragungen betreffend seinen Schwager gekommen, darüber hinaus habe er jedoch zu keiner Zeit Probleme mit den heimischen Behörden gehabt bzw sei es seit der letzten Befragung im Jahre 2002 auch zu keinen Kontakten mehr mit der Polizei gekommen. In Widerspruch dazu stand lediglich die Behauptung im Berufungsschriftsatz des Vertreters des BF über darüber hinausgehende Bedrohungen durch die Polizei, die der BF auf Befragen in der Berufungsverhandlung korrigierte.

 

2.1.5. Die Negativfeststellung zur behaupteten Mitgliedschaft des Schwagers des BF bei der DHKP-C in der Türkei und dessen dadurch bedingte Flucht nach GB aufgrund einer diesbezüglichen politischen Verfolgung war deshalb zu treffen, da sich der BF in seinen erstinstanzlichen Einvernahmen gar nicht in dieser Form zu den Ausreisegründen seines Schwagers geäußert hatte. Er erwähnte im erstinstanzlichen Verfahren mit keinem Wort eine Mitgliedschaft seines Schwagers zu einer Partei oder Organisation, sondern gab stets bloß an, dass dieser im Jahre 1999 nach England geflohen sei und dort als Asylwerber lebe. Erstmalig in der Berufungsschrift führte der BF schließlich eine Verfolgung des Schwagers im Zusammenhang mit einer Mitgliedschaft bei der "DEHAS KPC" an, wobei auch anzumerken ist, dass schon die unrichtige Bezeichnung der schließlich vom Verhandlungsleiter selbst in der Berufungsverhandlung als der sogen. DHKP-C zugeordneten Organisation auffällig war.

 

In der Folge machte der BF aber auch keinerlei weitere bzw. genauere Angaben mehr, die dieses späte Vorbringen noch substantiiert hätten, noch brachte er (trotz rechtsfreundlicher Vertretung) irgendwelche Bescheinigungsmittel für diese Behauptung, etwa durch Dokumente den Schwager betreffend, in Vorlage.

 

Schließlich war auch die Behauptung des BF, es habe nach der Ausreise des Schwagers aus der Türkei im Jahre 1999 - von fallweisen polizeilichen Befragungen abgesehen - bis 2003 keine wesentlichen Probleme für ihn oder seine Schwester gegeben, als indirekter Hinweis auf die fehlende Plausibilität der Behauptung einer tatsächlichen Involvierung des Schwagers des BF in die Aktivitäten der DHKP-C zu werten.

 

Insoweit in diesem Zusammenhang der Rechtsvertreter des BF in seinem Berufungsschriftsatz die mangelnde Ermittlungstätigkeit der Erstbehörde bzw die nicht hinreichende Hinterfragung des vom BF vorgetragenen Sachverhalts rügte, ist auszuführen, dass der BF im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren gehalten ist, vorerst alle zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dienliche Informationen vorzubringen und darzulegen. Der BF wurde im Zuge seiner Einvernahmen mehrmals aufgefordert, vollständige und ausführliche Angaben zu seinen Ausreisegründen zu machen und auch stets gefragt, ob ihm ausreichend Zeit für eine ausführliche und vollständige Schilderung seiner Probleme eingeräumt wurde. Dies wurde von ihm stets bejaht. Dem BF wurde zudem bereits zu Beginn der Einvernahme vom 02.02.2004 zur Kenntnis gebracht wurde, dass seine Antworten die Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamtes sein würden. Auch erfolgten am Ende der Einvernahmen Rückübersetzungen, welchen er nichts mehr hinzuzufügen hatte. Im Lichte dessen ging auch die vom Rechtsvertreter im Berufungsschriftsatz gemachte Beanstandung, das Bundesasylamt habe weder Ermittlungen zur Frage, inwieweit Familienangehörige von (ehemaligen) Mitgliedern der "DEHAS KPC" asylrelevante Verfolgung drohe, durchgeführt noch habe es Feststellungen über das Wesen und Wirken bzw die Stellung dieser Partei in der Türkei getroffen, in Ermangelung eines diesbezüglichen Vorbringens des BF vor der Erstbehörde ins Leere.

 

Genauere Ermittlungen der Berufungsbehörde bzw. des Asylgerichtshofs schließlich zur genannten Organisation oder allfälliger mit dieser in Zusammenhang stehender asylrelevanter Umstände - über die Identifizierung derselben als politisch als links-extremistisch qualifizierte Organisation in der Türkei hinaus - waren im Lichte dieser fehlenden Feststellbarkeit der tatsächlichen Mitgliedschaft des Schwagers des BF bzw. der behaupteten Verfolgung desselben bis 1999 obsolet.

 

2.1.6. Folgerichtig war auch hinsichtlich der behaupteten "Festnahmen" des BF, die den Schilderungen nach eher als Mitnahmen bzw. Vorführungen zu qualifizieren wären, und der anschließenden Befragungen durch die türkische Polizei in den Jahren 2001 und 2002 eine Negativfeststellung zu treffen, zumal sich diese Behauptung wiederum auf die - wie oben dargestellt - nicht feststellbare Mitgliedschaft des Schwagers bei der DHKP-C und dessen behaupteter Weise dadurch bedingte Flucht nach GB bezog.

 

Dazu kommt, dass der BF in seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt lediglich anführte, er sei (bloß) zum Aufenthaltsort seines Schwagers auf dem Polizeirevier befragt worden und habe er nach dieser Befragung jeweils wieder nach Hause gehen dürfen. In seinem Berufungsschriftsatz wurde hingegen, wie bereits erwähnt, behauptet, dass er im Zuge dieser Befragungen von der Polizei "bedroht und massiv unter Druck gesetzt" worden sei, was jedoch wiederum in der Berufungsverhandlung vom BF in Abrede gestellt wurde. Diese Widersprüchlichkeit vermochte nicht zur Glaubwürdigkeit dieser Behauptungen beizutragen.

 

2.1.7. Insgesamt waren daher konkrete und gegen den BF gerichtete Verfahrensschritte der türkischen Behörden, die auf eine etwaige Verfolgung in asylrelevanter Form hinweisen würden, für den gesamten Zeitraum vor der Ausreise nicht feststellbar, und ließ sich daraus auch ein etwaiges Interesse der türkischen Behörden am BF wegen einer angeblichen politischen Tätigkeit seines Schwagers nicht ableiten.

 

Eben aus diesem Grund war es auch nicht nachvollziehbar und daher als unglaubwürdig zu bewerten, dass gegen den BF, wie von ihm sowohl in der zweiten Einvernahme vor dem Bundesasylamt als auch in der Berufungsschrift behauptet, in der Türkei bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden sei und er im Falle einer Rückverbringung eine Verurteilung und Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe zu erwarten hätte.

 

Zudem erwies sich die in diesem Zusammenhang vom BF als Beweismittel für diese Behauptung in Vorlage gebrachte Ladung eines Gerichts in A. als offenkundige Fälschung, wie oben unter I. wiedergegeben. Dass der BF in diesem Zusammenhang trotz Aufforderung durch den Asylgerichtshof - ohne nähere Begründung hierfür - nicht in der Lage war, mit Hilfe seiner Angehörigen in der Türkei dazugehörige gerichtliche Unterlagen in Kopie beizubringen, die diese Behauptung eines Verfahrens gegen den BF erhärten hätten können, fügte sich in das Gesamtbild.

 

2.1.8. Die Feststellungen oben zum Fehlen einer aktuellen Rückkehrgefährdung in Form einer eventuell nicht hinreichenden Lebensgrundlage stützen sich auf das eindeutige Ermittlungsergebnis in Form der persönlichen Darstellung des Beschwerdeführers.

 

2.1.9. Die Feststellungen zur Situation in der Türkei stützen sich auf den auszugsweise zitierten länderkundlichen Bericht. Angesichts der Seriosität dieser Quelle und der Plausibilität dieser Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

2.1.9.1. Hinsichtlich der behaupteten politischen Tätigkeit des Schwagers des BF und einer daraus resultierenden Verfolgung der Familienangehörige ist in eventu anzumerken, dass laut dem herangezogenen aktuellen Länderbericht eine sogen. "Sippenhaftung" in Form einer strafrechtlichen Beanspruchung von Verwandten eines Delinquenten in der Türkei generell nicht besteht.

 

Selbst bei einer hypothetischen Wahrunterstellung des Vorbringens des BF über seinen Schwager und angebliche Befragungen des BF und seiner Schwester zu dessen Verbleib wäre im Lichte dessen daher auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen bzw. darauf zu schließen, dass dem BF deshalb die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung in der Türkei drohen würde. In dieses Bild würde sich auch fügen, dass der BF immer wieder betonte er habe die Türkei lediglich verlassen um seine Schwester bei ihrer Ausreise nach GB, wo sich ihr Gatte aufhalte, zu unterstützen, und er in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat ausdrücklich erklärte lediglich zwei Mal behördlichen Befragungen zu seinem Schwager unterzogen worden zu sein, jedoch darüber hinaus keine Problemen mit den heimischen Behörden gehabt zu haben.

 

III. Rechtlich folgt:

 

1. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs 1 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.

 

Nachdem der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am 24.11.2003 gestellt hat, ist das gegenständliche Verfahren somit nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in den Fassungen BGBl. I Nr. 126/2002 sowie BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) zu führen.

 

Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entschied der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005, diesem hinzugefügt durch Art 2 Z 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation des § 75 Abs 7 AsylG 2005 ist iSd Art 151 Abs 39 Z 1 B-VG von einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen. Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ermannt wurden, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in den bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Im gegenständlichen Fall war daher vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensverlaufs der unten zeichnende Richter des Asylgerichtshofs als Einzelrichter zur Fortsetzung des vor dem 1. Juli 2008 begonnenen Verfahrens und zur Entscheidung über die gegenständlichen Anträge des Beschwerdeführers berufen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem B-VG, den AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 371 XXIII. GP) gilt dies auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).

 

2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde (der Asylgerichtshof), sofern die Berufung (Beschwerde) nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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