S4 401.958-1/2008/3E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des A. N., geb. 00. 00.1974, StA. von Marokko, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.9.2008, Zahl: 08 05.528-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste eigenen Angaben zufolge am 25.12.2003 illegal nach Italien, wo er sich bis 6.6.2008 aufhielt. Von Italien aus reiste er sodann am 7.6.2008 nach Österreich weiter, wo er am 26.6.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Aktenseite 23).
Mit e-mail vom 2.7.2008 ersuchte Österreich Italien um Übernahme des Asylwerbers. Italien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) iSd Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen. Letztlich hat sich Italien mit Fax vom 13.10.2008 (ho. OZ 2) auch ausdrücklich bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zu übernehmen.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22.9.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er gern in Österreich bleiben wolle, da er in Italien Probleme gehabt habe. Er sei mit einer Italienerin liiert gewesen, deren Brüder ihn töten wollten (Aktenseite 87).
Mit Bescheid vom 23.9.2008, Zahl: 08 05.528-EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Italien gemäß Art. 18 Abs. 7 iVm Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihm in Italien seine Ermordung drohen würde. Außerdem müsse er in seinem Heimatland Marokko ins Gefängnis gehen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Italien hat auf Grundlage des Art. 18 Abs. 7 iVm Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen.
Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum italienischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass das Bundesasylamt zu Recht die Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz verneint hat:
Ausgehend davon, dass der Asylwerber eigenen Angaben zufolge am 25.12.2003 illegal in Italien eingereist ist und bis zu seiner am 7.6.2008 erfolgten Weiterreise nach Österreich Italien nicht verlassen hat, folgt aus dem seiner erstmaligen Asylantragstellung in Österreich vorangehenden - jedenfalls 5 Monate übersteigenden - Aufenthalt in Italien dessen Verpflichtung zur Übernahme des Asylwerbers gem. Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) und hat Italien seine Zuständigkeit letztlich ausdrücklich akzeptiert. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
Zu folgen ist dem Bundesasylamt weiters, wenn dieses im angefochtenen Bescheid ausführt, dass der Asylwerber keinerlei Umstände glaubhaft gemacht habe, die geeignet seien, seine persönliche Sicherheit im Rahmen seines Aufenthaltes in Italien bzw. die Sicherheit in Italien generell in Zweifel zu ziehen (vgl. Seite 18 des angefochtenen Bescheides):
Seine Behauptung, in Italien von den Brüdern seiner Freundin mit seiner Ermordung bedroht worden zu sein, erscheint schon deshalb unglaubwürdig, da der Asylwerber von einem derartigen konkreten Bedrohungsszenario im Rahmen seiner Erstbefragung am 27.6.2008 kein Wort erwähnt hatte, sondern in Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Italien lediglich pauschal angegeben hatte, dass in Italien "die Situation für Ausländer nicht gut" sei (Aktenseite 25) und er - hätte er Italien tatsächlich aus Angst vor Übergriffen durch Private fluchtartig verlassen - diese Umstände vor der österreichischen Sicherheitsbehörde zweifellos bei erster Gelegenheit vorgebracht hätte. Dass es sich bei der ins Treffen geführten Bedrohungssituation lediglich um eine frei erfundene Rahmengeschichte ohne Wahrheitsgehalt handelt, wird weiters dadurch erkennbar, dass der Asylwerber diesbezüglich keinerlei Details anzugeben wusste und so etwa nicht in der Lage war, das genaue Alter, die Adresse oder den Nachnamen (!) seiner (ehemaligen) Freundin, mit welcher er doch immerhin rund ein halbes Jahr eine Beziehung geführt haben will, zu nennen (Aktenseite 87). Auch verstrickte sich der Asylwerber in Bezug auf die vorgebrachte Bedrohungssituation insofern in massive zeitliche Widersprüche, als er einmal angab, dass ihn die Brüder des Mädchens vor 6 Monaten töten hätten wollen, wenig später auf die Frage, wann konkret er bedroht worden sei, erklärte, dass der Vorfall 2 Monate zurückliegen würde und letztlich anführte, dass er vor ca. 3 1/2 bis 4 Monaten bedroht worden wäre (Aktenseite 87 u. 89), sodass vollends klar ist, dass es sich bei den Angaben des Asylwerbers um ein bloßes Konstrukt handelt, das dieser missbräuchlich lediglich in der Absicht vorgebracht hat, um so die Durchführung seines Asylverfahrens in Österreich zu erzwingen. Letztlich bleibt auszuführen, dass Italien als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und auch willens ist, ihm vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach ihm in seinem Herkunftsstaat Marokko ein Gefängnisaufenthalt drohe, ist auszuführen, dass die Beurteilung der Gründe, die den Asylwerber dazu bewogen haben mögen, seinen Herkunftsstaat zu verlassen im Hinblick auf deren Asylrelevanz im gegenständlichen Verfahren, welches allein die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung der gegenständlichen Asylanträge auf der Grundlage der Dublin II VO zum Inhalt hat, außer acht zu bleiben hat.
Hinweise, dass sich der Asylwerber im Rahmen seines mehrjährigen Aufenthaltes in Italien jemals in existentiellen Schwierigkeiten befunden hätte, liegen ausgehend davon, dass er selbst angegeben hat, in Italien in der Landwirtschaft gearbeitet zu haben (Aktenseite 91), nicht vor und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es ihm im Falle einer Überstellung nach Italien nicht erneut möglich sein sollte, eine vergleichbare Arbeit aufzunehmen. Hierzu ist anzumerken, dass der Asylwerber in Italien nicht einmal versucht hat, einen Asylantrag zu stellen, wodurch er sich letztlich auch selbst jeglicher Möglichkeit begeben hat, ihm seitens der italienischen Behörden staatliche Hilfe und Unterstützung, wie sie Asylwerbern regulär gewährt wird (vgl. hierzu Seite 15 des angefochtenen Bescheides), zu teil werden zu lassen.
Schließlich ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Italien nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Italien nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Italien selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Italien entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde. Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Ausweisung nach Italien in seinen Rechten gem. Art. 8 EMRK verletzt werden könnte (der Asylwerber verfügt nach eigenen Angaben über keine Familienangehörige im Bundesgebiet), war die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gem. Art. § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates somit nicht in Betracht zu ziehen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.