B13 242.131-0/2008/9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Maga. EIGELSBERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. KRACHER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Auguste LOIMAIR über die Beschwerde der M.R., geboren 00.00.1964, StA. Kosovo, vom 22. 9. 2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. 9. 2003, Zl 03 06.647-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. 10. 2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und M.R. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass M.R. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Beschwerdeführerin brachte am 17. 2. 2003 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein.
Bei der am 10. 9. 2003 beim Bundesasylamt stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme
wurde die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt. Dabei führte sie aus, dass sie bis zum Tod ihrer erblindeten Mutter für diese gesorgt habe. Sie habe zwar eine Wirtschaftsschule besucht, aber in weiterer Folge keinen Arbeitsplatz erhalten. Sie habe sich der Bettelei bedienen müssen, um ihren Unterhalt zu sichern. Sie sei während des Krieges im März 1999 von serbischen Polizisten missbraucht und vergewaltigt worden. Seither werde sie in ihrer Heimat als "Freiwild" betrachtet und von der Gesellschaft verstoßen. Sie sei nur aus Rücksicht auf ihre Mutter im Kosovo geblieben. Ihr Vater habe ihre Familie bereits vor Jahren verlassen.
Mit Bescheid vom 11. 9. 2003, Zl 03 06.647-BAG, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro (Kosovo) gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. 9. 2003 Beschwerde.
Der Asylgerichtshof führte am 13. 10. 2008 eine mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesasylamt als Partei des Verfahrens nicht teilgenommen hat.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Kosovo, Angehörige der albanischen Volksgruppe und stammt aus dem Dorf D. in der Gemeinde T.. Sie absolvierte im Kosovo das Gymnasium. Da sich die Beschwerdeführerin um ihre erblindete Mutter kümmerte, ist sie im Kosovo keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Während des Kosovokrieges wurde die Beschwerdeführerin mehrmals von serbischen Soldaten vergewaltigt. Diese Geschehnisse führten zu einer Stigmatisierung der Beschwerdeführerin seitens der albanischen Bevölkerung, sodass sie nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 2003 aus dem Kosovo flüchtete. Die Beschwerdeführerin besitzt im Kosovo keine Verwandten, die ihr Unterkunft gewähren könnten. Die Beschwerdeführerin befürchtet bei einer Rückkehr in den Kosovo als allein stehende Frau keine Lebengrundlage vorzufinden.
Zur Situation im Herkunftsland der Beschwerdeführerin:
Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.
Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATO-Soldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung
einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.
UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.
Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.
Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations
Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo. http://www.gazetazyrtare.com/egov/index.php?option=com_content&task=view&id=130&Itemid=54]
Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als "rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.
Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.
Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein ]
Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security
Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]
Bedeutung der Tradition im Kosovo:
Der Kanun ist das mündlich überlieferte Gewohnheitsrecht des albanischen Volks, für das es verschiedenen Quellen je nach Region gab. Im Kanun sind alle Gesetze, Verbote, Gebote, Richtersprüche und Verhaltensregeln, wie sie über die Jahrhunderte ungeschrieben gültig waren, als gesellschaftlicher Ordnungs- und Organisationsrahmen festgesetzt. Die bekannteste Variation, der Kanun des Lekë Dukagjini, wurde erstmals 1913 von einem Franziskanermönch aufgezeichnet und war im Gebiet von Kosovo gebräuchlich. Die im Kanun schriftlich niedergelegten albanischen Traditionen gehen von einer traditionellen patriarchalen Struktur innerhalb der erweiterten Familie und von großen Haushalten aus. Geregelt werden wichtige Bereiche des Alltagslebens, Rituale und Feste, Hochzeiten, Begräbnisse, die Familienhierarchie, Erbschaft, Gastfreundschaft und der Umgang mit Freund und Feind. Wohl keine andere europäische Bevölkerung hat bis vor wenigen Jahrzehnten ihre zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Probleme so stark nach Gewohnheitsrecht geregelt und tut das teilweise auch noch heute. Wichtige Bereiche des Alltaglebens wie Heirat, Trennung, Erbschaft, Gastfreundschaft, aber auch die Lösung gewalttätiger Konflikte richten sich noch immer nach der Tradition.
Der Status der Frau ist nach Tradition niedriger als der des Mannes. Sie gehört lebenslang der Herkunftsfamilie. Dorthin kehrt sie auch zurück, wenn sie kinderlose Witwe wurde, geschieden wurde oder sich nicht entsprechend der von der Tradition vorgesehenen Rolle benimmt. Das Gebären von Söhnen und die Arbeit im Haushalt des Ehemannes verschaffen der Frau die grundsätzliche Berechtigung, im fremden Haushalt zu leben. Der Kanun drückt das unverblümt folgendermaßen aus: Sie ist Shakull (Schlauch), in dem die Ware transportiert wird, d. h. sie ist dazu bestimmt, die Kinder eines fremden Mannes (d.h. eines nicht Blutverwandten) zu tragen, sonst aber, dem Blute nach, gehört sie ihrem Elternhaus, wohin sie als (kinderlose) Witwe wieder zurückkehrt. Männer entscheiden in Haushaltsangelegenheiten und sind für das Familienbudget verantwortlich. Nach den Normen des Gewohnheitsrechts sind die Mädchen vollständig von ihren Eltern und die Frauen von ihren Männern abhängig. Selbst erwerbstätige und als emanzipiert geltende Frauen halten zuhause die Rollenteilung und die traditionellen Verhaltensregeln für die weiblichen Familienmitglieder ein. Ein sicherlich heute verglichen mit früher größeres Mitspracherecht wird nach außen wenig sichtbar. Region und Urbanitätsgrad, Größe und soziale Stellung der Familie, Besitz und Wohlstand, Bildungsgrad und Verwandte in der Diaspora mögen Einfluss auf die Position der Frau haben. In den ländlichen und schwer zugänglichen Regionen ist die Analphabetismusquote unter den Frauen noch immer hoch. Die wenigsten Frauen haben dort eine Berufsausbildung. Den Einschränkungen, denen Frauen innerhalb des patriarchalen Systems unterworfen sind, stehen umgekehrt Solidarität und Unterstützung durch die eigene Familie gegenüber. Diese beinhaltet zum Beispiel das Recht, notfalls in den Haushalt der Eltern zurückkehren zu dürfen. Die Unterstützung der Herkunftsfamilie gilt, solange sich die Frauen innerhalb der für sie vorgesehenen Rolle bewegen. Ist das nicht mehr der Fall, droht Statuslosigkeit (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Bedeutung der Tradition im heutigen Kosovo, 24. 11. 2004).
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist im Kosovo in der Praxis noch nicht verwirklicht, obwohl rechtlich verankert. Bedingt durch Tradition, Religion und soziokulturelle Eigenheiten sowie wirtschaftlichen Abhängigkeiten ist die Frau in der kosovarischen Gesellschaft schlechter gestellt als der Mann. So sind Frauen z.B. entgegen den gesetzlichen Bestimmungen im Familienrecht und Erbrecht gegenüber den männlichen Einwohnern in der Praxis benachteiligt. Misshandlungen und sexuelle Gewalt sind weit verbreitet, werden aber gesellschaftlich tabuisiert und nur selten durch die Betroffenen aus Angst vor Repressalien oder fehlender sozialer Unterstützung durch Familie und Gesellschaft zur Anzeige gebracht. In diesem Bereich wurde die rechtliche Stellung der Frau z.B. durch UNMIK Regulation 2003/12 "On Protection against domestic violence", die Einrichtung von Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache
sowie Anlaufstellen bei Gericht und einer Reihe von NROen gestärkt (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo), 15.02.2007 [AA] II.3. Stellung der Frau, Seite 16).
Alleinstehende oder allein erziehende Frauen: Personen, die keine Unterstützung durch innerhalb und/oder außerhalb des Kosovo lebende Angehörige erhalten, geraten wegen der hohen Arbeitslosigkeit zumeist unmittelbar in Abhängigkeit von Sozialhilfe beziehungsweise von mildtätigen NROen und damit in eine untergeordnete soziale Stellung. Wenngleich selten, können Frauen auch trotz vorhandener Familienangehöriger in diese
Situation kommen, wenn sie aus einer der wenigen Familien mit solchen Traditionsvorstellungen stammen, nach denen sie nach Ehescheidung oder Geburt eines unehelichen Kindes "verstoßen" werden. Anwendung häuslicher Gewalt ist strafbewehrt. Diese wird von offiziellen Stellen weder geduldet noch gefördert. Ein effektiver
Schutz der Betroffenen ist aber auch im Kosovo kaum auszugestalten oder gar zu garantieren. Die Möglichkeiten der Frauenorganisationen im Kosovo, hilfebedürftige Frauen
unterzubringen, sind sehr begrenzt. So ist die Unterbringung in Prishtinë/Pri¿tina auf drei Wochen, in Gjakovë/Dakovica und Pejë/Pec auf drei Monate beschränkt. Dennoch kann die
Unterbringung in Einzelfällen auch über diesen Zeitraum hinaus erfolgen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo), 15.02.2007 [AA] IV.2.d. Alleinstehende oder allein erziehende Frauen, Seite 16).
Bezüglich der Problematik und sozialen Stellung von Frauen, die während des Krieges vergewaltigt worden seien, stellt die Leiterin des WWC, Frau D. Folgendes fest:
Die ursprüngliche Idee, die zur Gründung des WWC geführt habe, sei es gewesen, Frauen, die während des Krieges vergewaltigt wurden, Hilfe und Unterstützung zu bieten. Dieses ursprüngliche Ansinnen habe sich jedoch als sehr schwierig erwiesen. Trotz der sehr hohen Anzahl von Frauen, die im Kosovo während des Krieges vergewaltigt worden seinen, hätten in der ersten Projektphase nur fünf Frauen das Angebot des WWC wahrgenommen. Frau D. führt dies sowohl auf die gesellschaftliche Stigmatisierung, die mit
einer Vergewaltigung einhergehe, als auch auf kulturell verankerte Problemlösungsstrategien zurück.Vergewaltigte Frauen würden im Kosovo an einem sehr hohen Ausmaß an Stigmatisierung leiden. Dies führe dazu, dass die meisten betroffenen Frauen und Mädchen aus Scham nicht um Hilfe bitten würden. Vielmehr würde versucht, das Problem innerhalb der Familie mit der Unterstützung eines oder mehrerer Verwandter zu lösen. Um die Schande der Vergewaltigung zu überdecken, seien junge Mädchen und Frauen oft mit älteren Männern verheiratet, bzw. zu Familienangehörigen ins Ausland verschickt worden. Im
Falle einer - aus einer Vergewaltigung entstanden - Schwangerschaft hätten Familienangehörige der Frau die Möglichkeit einer Abtreibung vermittelt. Sei dies nicht möglich gewesen, hätten manche betroffene Frauen ihre Kinder zwar zur Welt gebracht, diese jedoch nach der Geburt getötet. Generell sei Unterstützung für im Krieg vergewaltigte Frauen nur innerhalb des Familienverbandes möglich gewesen. Suizidäre Tendenzen seien unter betroffenen Frauen häufig gewesen. Während Männer, die im Krieg gekämpft hätten, allgemein zu Helden stilisiert worden seien, seinen weibliche Opfer des Krieges ins gesellschaftliche Abseits und in die Isolation gedrängt worden. Die beschriebenen "Unterstützungsmaßnahmen" seitens der Familien hätten laut Frau D. auch in dem Bestreben gegründet, die gesellschaftliche Schande, die auf dem gesamten Familienverband gelastet habe, zu tilgen. Frau D. stellt auch fest, dass sich Frauen, die vergewaltigt
worden seien, eher an internationale Hilfsorganisationen gewendet hätten, als an die kosovarische Organisation WWC. Wahrscheinlich sei es ihnen - so Frau D. - leichter gefallen, mit externen Personen über die Problematik zu sprechen (ACCORD, Kosovo: Information über das Women¿s Center (WWC) in Peja und seine Arbeitsweise; Auskunft des Women¿s Wellness Center (WWC) zum Thema häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt im Kosovo, Anfragebeantwortung a-4943, 26. 6. 2006).
Die häusliche Gewalt im Kosovo ist nach wie vor ein Problem. Es gibt im ganzen Kosovo Sozialarbeiter mit dem Schwerpunkt "häusliche Gewalt". Bei der Polizei gibt es eine eigene Gruppe, die ausschließlich auf "domestic violence" spezialisiert ist. Bei einer Anzeige wird eine entsprechende Untersuchung eingeleitet. Die Polizei steht in regelmäßigem Kontakt zum "Centre for Social Work". Es gibt im Kosovo 4 Frauenhäuser, unter anderem in Peja und Pristina. Trotz all diesen positiven Entwicklungen gibt es noch Probleme. Vor allem in ländlichen Gegenden ist die Stellung der Frau nicht zufriedenstellend und schon aus Traditionsgründen haben Frauen keine Aufstiegschancen. Die UNMIK Regulation 2003/12 verbietet ausdrücklich häusliche Gewalt und formuliert klare Definitionen für den Bereich der häuslichen Gewalt. Frauenhäuser und sonstige Unterbringungsmöglichkeiten für Frauen bieten vielfach Schutz für betroffene Personen. In einigen Gebieten ist die Lage jedoch eine andere wie etwa in Mitrovica, wo es für Opfer von häuslichern Gewalt sehr schwierig ist, Schutz zu finden. Grundsätzlich gibt es ein funktionierendes Schutzsystem für Frauen, jedoch sind nach wie vor viele Fälle undokumentiert und Frauen haben oft nicht den Mut, sich an die Polizei oder eine Betreuungseinrichtung zu wenden. Bezüglich der Opfer von Menschenhandel gibt es im Kosovo drei Einrichtungen, wo betroffene Frauen unterkommen und geschützt werden können. Zwangsehen sind nicht Teil der kosovarischen Kultur und die
Eltern haben grundsätzlich nur einen geringen Einfluss auf die Auswahl der Ehepartner. Nur in Roma Familien kann es vorkommen, dass bei der Partnerwahl Druck ausgeübt wird.
[...]
Scheidungen sind nach dem Krieg angestiegen, wobei Zwangsehen nicht mehr vorkommen. Im Rahmen der Gesetzgebung existiert keine geschlechtsspezifische "Diskriminierung", eher eine "Positivdiskriminierung", z. B. Parteien haben 30%ige Frauenquote per Gesetz einzuhalten
[...]
KPS reagiert in Fällen häuslicher Gewalt adäquat, so ist KPS auch im Falle eines bekannten Politikers eingeschritten. Besondere Probleme stellen sich für allein erziehende Frauen, (und für Frauen allgemein) einen Arbeitsplatz zu finden. Private Kindergärten sind sehr teuer, es existieren nur wenige öffentliche Kindergärten, weshalb eine Frau, die niemanden zur
Kinderbetreuung (z.b. Verwandte) hat, sich diese Plätze nicht leisten kann. Probleme gibt es auch beim Eigentumsrecht. Vor dem Krieg wurde Eigentum nicht auf Frauen registriert, respektive auch Verkäufe nicht registriert und teilweise die Katasterbücher nach Serbien verbracht. So ist es fast unmöglich nachzuweisen, dass eine Frau Eigentum besitzt. Mit dem Law on Gender Equality wurde dieser Missstand behoben, es müssen nunmehr beide Ehegatten im Grundbuch aufscheinen. NORMA vertritt Frauen in Zivilprozessen, vornehmlich in Scheidungsfällen und Eigentumsfragen. Insgesamt arbeiten 6 AnwältInnen für NORMA, davon 5 albanischer Volkszugehörigkeit und 1 Bosniakin. Kostenlos unterstützt werden nur Frauen, die den Bezug von Sozialhilfe nachweisen können (ACCORD, Kosovo: Rückkehr einer von ihrem Ehemann verlassenen Frau mit Kleinkind; Hilfseinrichtungen und staatliche Unterstützung; Sorgerecht, Anfragebeantwortung a-5332, 06.03.2007 [a-5332]
BAA, Bericht zur Fact Finding Mission in den Kosovo, 14. - 19. Mai 2006 [FFM]).
Soziale Situation und Rückkehrmöglichkeit
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. Sie reicht damit als alleinige
Einkommensquelle unter Berücksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten kaum zum Leben aus (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo), 15.02.2007 [AA] IV.2.d. Alleinstehende oder allein erziehende Frauen, Seite 18).
Die Beschäftigungsaussichten für Frauen mit Kindern oder ein beruflicher Wiedereinstieg sind sehr ungewiss. Sie hängen vom Wohnort, den anfallenden familiären (Betreuungs)Pflichten, der beruflichen Ausbildung, der Berufserfahrung und einem allenfalls vorliegenden sozialen Beziehungsnetz ab. Dieses kann selbst für die Vergabe kleinerer Auftragsarbeiten wichtig sein. Selbst wenn eine Berufsausbildung vorhanden ist, können die Chancen mangels Jobangeboten gering sein. Eine Frau ohne jegliche familiäre
Unterstützung hat erhebliche Probleme ihre Existenz zu sichern. Hingegen können berufstätige Frauen selbst in ländlichen Regionen ohne Mann zurechtkommen. [...]
Die bisherigen Strukturen der sozialen Wohlfahrt können mit der großen Anzahl an Bedürftigen nicht Schritt halten. Die Richtlinien für die Vergabe von Sozialhilfe werden vielfach - aufgrund des knappen allgemeinen Kosovo-Budgets - relativ restriktiv ausgelegt. Die Ausrichtung von Sozialhilfe muss unter Umständen aufwändig erkämpft werden, was nicht allen Frauen zum vorneherein gegeben ist. Die Höhe der ausgerichteten Sozialhilfe
ist abhängig von der Anzahl der Familienmitglieder. Oftmals reicht sie jedoch nur äusserst knapp für die täglichen Bedürfnisse. So erhält beispielsweise eine Frau mit zwei Kindern
unter zehn Jahren ca. 55¿ im Monat. Wenn ein Kind behindert ist, wird ein unbedeutend höherer Betrag ausbezahlt, ca. 65¿ monatlich (Bundesamt für Migration BFM, Kosovo, Lage der Frauen - Verschiedene Frauengruppen, Allein stehende und allein erziehende Frauen, Seite 4 - 5).
Bezüglich einer Rückkehr alleinstehender weiblicher Personen ohne Unterstützung in den Kosovo warnt die UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) in ihrer Stellungnahme vom 9. August 2005 vor sozialer und wirtschaftlicher Isolation: "Im Kosovo stellt weiterhin die Großfamilie die wichtigste soziale Institution dar. Sie gewährt Schutz und Unterstützung in
wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Generell wird von Frauen erwartet, dass sie entweder in die Familie ihres Mannes oder die Herkunftsfamilie zurückkehren. Sollte dies nicht möglich sein, etwa weil die Frau nicht verheiratet ist oder weil ihre Herkunftsfamilie sie verstoßen hat, dann besteht für se kaum ein anderer Zufluchtsort. Daher droht alleinstehenden Frauen im Falle der Rückkehr in das Kosovo ohne den Rückhalt durch den Familienverbund soziale und wirtschaftliche Isolation. Staatliche oder gesellschaftliche Institutionen, die dies auffangen könnten, gibt es im Kosovo praktisch nicht. Weiterhin ist zu bedenken, dass Frauen im Kosovo traditionell nicht erwerbstätig waren. Auch heute noch sind die wenigen regulären Arbeitsplätze, einschließlich beispielsweise in der Gastronomie, fast ausschließlich von Männern besetzt. Im Übrigen hängt der Erfolg bei der Suche nach einem Arbeitsplatz in aller Regel von Beziehungen ab. Auf dem informellen Arbeitsmarkt (der gegenüber dem regulären Arbeitsmarkt praktisch von wesentlich größerer Bedeutung ist) herrscht das Gesetz des Stärkeren. Hierdurch sind Frauen, aber auch Rückkehrer ohne ein ausgeprägtes Beziehungsgeflecht ohnehin spürbar benachteiligt. Alleinstehende Frauen können sich auf dem informellen Arbeitsmarkt faktisch überhaupt nicht durchsetzen." (UNHCR, 9. August 2005).
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) geht in ihrem Bericht zur Bedeutung der Tradition im heutigen Kosovo vom November 2004 auch auf den Themenkomplex Frauen in der kosovarischen Gesellschaft ein, wobei explizit darauf verwiesen wird, dass alleinstehende/alleinerziehende Frauen keine Lebensbasis hätten:
"Aktuelle Situation alleinstehender Frauen:
Nach Einschätzung der beiden befragten Frauenorganisationen sind die grössten Probleme der Frauen ökonomische Fragen und soziale
Fragen. Die Wirtschaft hat noch nicht zu funktionieren begonnen. In Gjakove zum Beispiel liegt die Arbeitslosenquote bei 85 Prozent. Von den 15 Prozent, die Arbeit haben, sind fünf Prozent Frauen. 40 Prozent aller Arbeitsstellen konzentrieren sich in Prishtina. Die psychosoziale Situation ist das zweite grosse Problem. Es gibt ein grosses Mass an Traumatisierung, von dem vor allem Frauen und Kinder betroffen sind. Sie haben die Ermordungen ihrer Männer oder Eltern miterlebt oder selbst Misshandlungen und Vergewaltigungen erfahren. Allein in Gjakove gibt es 1750 alleinstehende Frauen, Kriegswitwen, andere Witwen und sonst alleinstehende Frauen. Die Position dieser Frauen ist selbst dann schwierig, wenn sie mit ihrer Herkunftsfamilie oder der Schwiegerfamilie leben können, besonders im ruralen Bereich. Die Frauen können viele Entscheidungen nicht selbst treffen, sondern müssen andere Familienmitglieder um Zustimmung fragen, selbst wenn es sich bei diesen um männliche Kinder handelt. Alleinstehende/alleinerziehende Frauen haben keine ausreichende Lebensbasis. Sie erhalten wenig Sozialhilfe (30 bis 60 Euro pro Monat pro Haushalt, je nach Zahl der Familienmitglieder). Die Arbeitslosigkeit ist im Zunehmen begriffen und ist für Frauen ohnehin höher als für Männer. Arbeitslosenunterstützung gibt es in Kosovo keine. Die Frauen sind oft nicht ausgebildet. Es fehlt an Wohnraum, die Eigentumsrechte liegen ohnehin bei den männlichen Angehörigen. Alimente der Väter sind wegen deren Arbeitslosigkeit nicht realisierbar, die Gerichte überlastet. In der Nachkriegsperiode haben - mit der Präsenz internationaler Truppen und Organisationen - in Kosovo Frauenhandel und Prostitution zugenommen. Während anfangs vor allem junge Frauen aus Osteuropa der Prostitution zugeführt wurden, sind es inzwischen viele Mädchen und Frauen aus Kosovo, die vom Frauenhandel betroffen sind. Sie stammen zumeist aus ländlichen Regionen, sind oft zwischen elf und 18 Jahren alt, nicht oder schlecht ausgebildet. In einer kleinen und überschaubaren Region wie Kosovo bleibt das nicht verborgen. Frauen ohne familiäre Unterstützung sind besonders gefährdet, Opfer von Zwangsprostitution zu werden. Die Gewährung physischer und psychischer Sicherheit für diese Frauen, gesellschaftliche Rehabilitation, die Rückkehr in die Schule oder zu den Familien sind Aufgaben, für die es derzeit noch keine geeigneten Institutionen gibt."
(SFH, 24. November 2004, S. 13-14)
Es bestehen zahlreiche lokale Frauenorganisationen. Viele dieser Organisationen gründeten sich offiziell erst während oder kurz nach dem Krieg, um mit verschiedenen Projekten die Position von Mädchen und Frauen zu stärken. Ein Zusammenschluss mehrerer Frauenorganisationen ist das von Igballe Rogova präsidierte KWN. Die 1993 gegründete Frauenorganisation 'Zentrum zum Schutz von Frauen und Kindern' (CPWC) mit Hauptsitz in Pristina und neuen Regionalbüros in Gjakove/Dakovica, Kosovska Mitovica, Peje/Pec, Suhareke/Suva Reka, Decan, Kacanik, Malisheve/Malisevo, Rahovec/Orahovac und Skenderaj/Srbica verfügt über Möglichkeiten, von Gewalt bedrohte Frauen temporär aufzunehmen. Jedes dieser Büros verfügt über eine Hotline und gewährt neben Schutz und Unterkunft auch Rechtsbeistand und nimmt Kontakte zu Behörden wahr (Kontakte, Institutionen und Strukturen siehe Anhang), ((Bundesamt für Migration BFM, Kosovo, Lage der Frauen - Verschiedene Frauengruppen, Allein stehende und allein erziehende Frauen, Seite 4 - 5).
Bezüglich staatlicher Unterstützungen für alleinstehende Frauen sowie vorhandener Hilfseinrichtungen finden sich folgende Informationen im Bericht von UNHCR vom August 2005: "Das chronisch unterfinanzierte Sozialhilfesystem im Kosovo kann nur Grundleistungen erbringen, die für sich alleine zur Existenzsicherung nicht ausreichen. Der derzeitige Sozialhilfesatz beträgt für eine Person 32,5 Euro/Monat, für 2 Personen 45 Euro/Monat. Dies reicht nicht einmal für den Erwerb von Grundnahrungsmitteln.
Weitergehende finanzielle Hilfen werden auch alleinstehenden Frauen nicht gewährt. Es muss davon ausgegangen werden, dass alleinstehende Frauen auch bei der Wohnungssuche benachteiligt sind. Vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten stehen allenfalls für Gewaltopfer, nicht jedoch generell für alleinstehende Frauen zur Verfügung. Diese Einrichtungen, wie beispielsweise das "Center for Protection of Women and Children" (in Pristina und Prizren), die psychosozialen und rechtlichen Beistand für Opfer häuslicher Gewalt organisieren, sind jedoch hoffnungslos überlastet. Darüber hinaus gibt es verschiedene Organisationen und Initiativen, u.a. die von UNHCR unterstützte "Kosovo Women's Initiative", die sich zum Ziel gesetzt haben, Frauen im Kosovo in praktischer Hinsicht und auf institutioneller Ebene zu unterstützen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass zwar eine flächendeckende Unterstützung von Frauen angestrebt wird, das alleinige Vorhandensein dieser Initiativen und Projekte allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass effektive Hilfe und Unterstützung überall und jederzeit verfügbar sind."
(UNHCR, 9. August 2005)
In einem Gutachten zu Sorgerechtsregelung und Rückkehrperspektive für eine alleinerziehende Frau aus dem Kosovo vom August 2004 geht die SFH detailliert auf die wirtschaftlichen Probleme ein, die sich alleinstehenden Frauen im Kosovo stellen. Auch erwähnt das Gutachten die maximalen Sozialhilfesätze und nichtstaatliche Einrichtungen für Frauen: "In der Frage wirtschaftlicher Unterstützung einer alleinstehenden Frau ohne verwandtschaftliches Beziehungsnetz hätten die staatlichen Institutionen einzuspringen, jedoch gibt es kein soziales staatliches Auffangnetz in Kosovo, das diesen Namen verdienen würde. Hilfe bei der Wohnungssuche kann sie nicht erwarten. Die UN Übergangsverwaltung betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, Rückkehrerlnnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Internationale Organisationen, die in diesem Punkt helfen könnten, gibt es nicht mehr. Wie wir bei mehreren Recherchen festgestellt haben, fühlen sich die örtlichen Behörden in aller Regel ausserstande, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen zu finden, die nicht in ein intaktes Haus zurückkehren können. Nur über Private, d.h. über ein verwandtschaftliches Beziehungsnetz, wäre eine Unterbringung aussichtsreich. Die Gewährung von Sozialhilfe wird äusserst restriktiv gehandhabt, ein grosser Teil der Bedürftigen erhält keine Sozialhilfe. Der Höhe nach liegen die maximalen Sätze zwischen 32, 50 Euro und 60 Euro pro Monat. Diese Sozialhilfesätze sind bei den heutigen Lebenshaltungskosten in Kosovo in keiner Weise
existenzsichernd und werden nur einem Teil der tatsächlich bedürftigen Personen ausgezahlt. Die Bedingungen für die Gewährung von Sozialhilfe sind die folgenden: Keine Person im
Haushalt, welche eine Arbeitsstelle hat oder arbeitsfähig ist. Ein Kind muss unter 5 Jahre alt sein. Weniger als 5000qm (0.5 Hektar) Arbeitsland stehen zur Verfügung. Kein Auto vorhanden. Die allgemeine Arbeitslosigkeit wird auf 70 Prozent geschätzt. Erwerbslosigkeit in Kosovo nimmt nicht ab, sondern steigt. Sie hat innerhalb der letzten zwei Jahre zugenommen. Zu den wenigen offenen Stellen haben eher Männer Zugang, sicher nicht alleinstehende weibliche Rückkehrerinnen, die sich um die kleine Kinder kümmern müssen. Frauen sind - ungeachtet aktueller Gleichstellungsbemühungen - aus kulturellen und sozialen Gründen bei der Arbeitssuche benachteiligt. [...] Alleinstehende Frauen zählen auch aus diesem Grund zu den verletzlichsten Gruppen in Kosovo. Es gibt nichtstaatliche Institutionen in Kosovo, die sich für die Interessen von Frauen wie der Gesuchstellerin einsetzen könnten, etwa das Zentrum für die Verteidigung von Frauen und Kindern, CPWC (Albanisch: Quendra pr Mbrojtjen e gruas dhe fmijs QMGF), das Büros in verschiedenen Städten Kosovos unterhält. Es gibt auch weitere Projekte mit ähnlicher Zielrichtung. Diese Organisationen engagieren sich in Gesundheitsfragen, humanitären Anliegen, und bieten psychologische, soziale und auch rechtliche Beratung an. Wir haben aufgrund von mehreren Recherchen Kenntnis von den Limiten der Arbeit dieser Nichtregierungsorganisationen. Die Grenzen liegen einerseits in spezifischen Schwerpunktsetzungen der Programme (z.B. primärer Einsatz für Frauen, die Opfer bei Vergewaltigung oder anderer Kriminalität wurden), vor allem aber darin, dass solche Frauenorganisationen alleine zu schwach sind, traditionelle Strukturen oder Verhaltensweisen zu ändern oder zu bekämpfen." (SFH, 24. November 2004 , S. 5-7)
Frauenhäuser (PEJA, GJILAN, PRISTINA, PRIZREN) befassen sich mit den Opfern von "familiärer Gewalt". Mit den Vertreterinnen der beiden Frauenhäuser in Peja und Gjilan wurde Rücksprache gehalten.
Das Frauenhaus in Peja - L.D. (Women Wellness Center) hatte einen Fall einer "abgeschobenen K.A.", jedoch sind die Kapazitäten für längere Aufnahmen nicht vorhanden. Das Frauenhaus in Gjilan - N.J. - hatte ebenfalls einen Fall einer aus Belgien abgeschobenen K.A., konnte aber nach einiger Zeit diese Frau nicht mehr länger aufnehmen (Anmerkung: dieses Haus wird von Austrian Development Association unterstützt). Generell sind in diesen Häusern nur kurzfristige Aufnahmen von Gewaltopfern vorgesehen (Bundesministerium für Inneres, Abteilung I/4 Internationale Angelegenheiten, Erhebungsersuchen; 14.02.2007 [BMI 02-2007] Punkt 2).
Diese Feststellungen resultieren aus der Einvernahme der Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt und beim Asylgerichtshof sowie aus den oben zitierten Quellen. Die Gründe für die Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Kosovo ergeben sich aus ihrem glaubwürdigen Vorbringen während des gesamten Verfahrens. Die von der Beschwerdeführerin dargelegten Befürchtungen bei einer Rückkehr in den Kosovo ergeben für den Asylgerichtshof - unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen - ein in sich stimmiges Bild der Situation einer allein stehenden Frau, die zudem wegen der ihr widerfahrenen Geschehnissen neuerlich Stigmatisierungen seitens der albanischen Bevölkerung bei einer Rückkehr in den Kosovo zu befürchten hätte.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. 100/2005, außer Kraft.
Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 (WV) idF BGBl. I 2 /2008, ab 01. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiter zu führen. An die Stelle des Begriffs "Berufung" tritt gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I 4/2008, mit Wirksamkeit ab 01. Juli 2008 der Begriff "Beschwerde". Der Asylgerichtshof tritt in sämtlichen Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 100/2005 in der Fassung BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 -VwGG, BGBl. 10, nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 126/2002 geführt.
Da gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBI I Nr 101/2003 auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen ist, war gegenständlich auch über die Berufung gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr 76/1997 idF BGBI I Nr 126/2002 abzusprechen.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zu der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).
Es ist aus den in der mündlichen Verhandlung herangezogenen Materialien eindeutig ersichtlich, dass in der aktuellen Situation eine allein stehende Frau bei einer Rückkehr in den Kosovo nicht damit rechnen kann, ausreichende Unterkunft und Verpflegung zu finden. Sie kann ebenso wenig mit Sicherheit damit rechnen, einen Arbeitsplatz zu finden, wo sie ihre Existenzgrundlage verdienen könnte, wie durch einen Sozialhilfebeitrag unterstützt zu werden. Darüber hinaus kann sie bei der derzeitigen Überfüllung der Städte, den hohen Mietpreisen und aufgrund ihres sozialen Status auch nicht damit rechnen, eine adäquate Unterkunft an einem anderen als ihrem Herkunftsort zu finden. Dies bedeutet, dass eine allein stehende Frau außerhalb ihrer Herkunftsfamilie kaum eine Unterkunft und eine soziale Existenz finden kann. Dies gilt umso mehr für jene Frauen, wie die Beschwerdeführerin, die wegen der ihr widerfahrenen Geschehnisse weiterhin von der albanischen Bevölkerung - wie bereits vor ihrer Flucht - Stigmatisierungen zu befürchten haben wird.
Im Fall ihrer Rückkehr in den Kosovo droht der Beschwerdeführerin der völlige Verlust ihrer Existenzgrundlage. Eine solche Vernichtung der Existenzgrundlage ist nach der ständigen Judikatur der Verwaltungsgerichtshofes von ihrer Intensität her asylrelevant (z.B. Erkenntnis des VwGH vom 13.05.1998, Zahl: 97/01/0099).
Diese in den Feststellungen dargestellten massiven existentiellen Diskriminierungen von allein stehenden Frauen im Kosovo knüpfen allein an das Element der Geschlechtszugehörigkeit an und sind für sich genommen bereits ausreichend, um eine asylrelevante Bedrohungssituation der Gruppe der allein stehenden Frauen im Kosovo anzunehmen. Ausschlaggebend ist im Beschwerdefall somit die Tatsache, dass Frauen an sich allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe im Kosovo massive Einschränkungen und die Versagung ihrer in der EMRK verbrieften Rechte wegen der im Kosovo nach dem Kanun geregelten Gesellschaftsordnung erleiden müssen, wonach dabei jede soziale Norm für allein stehende Frauen gesprengt wird.
Der hier in seiner Intensität asylrelevante Eingriff in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Im Fall der Beschwerdeführerin kommt ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als Ursache des drohenden Eingriffs eine herausragende Bedeutung zu. Generell wird eine soziale Gruppe durch Merkmale konstituiert, die der Disposition der betreffenden Personen entzogen sind, beispielsweise das Geschlecht. Frauen stellen beispielsweise eine "besondere soziale Gruppe" im Sinne der GFK dar. (vgl. etwa Köfner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, II, 456).
Im "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art. 1 des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (abgedruckt bei Rohrböck a.a.O. RZ 407) wird zum Begriff der "sozialen Gruppe" ausgeführt: "Eine bestimmte soziale Gruppe umfasst in der Regel Personen mit ähnlichem Hintergrund, ähnlichen Gewohnheiten oder ähnlichem sozialen Status." Der kanadische Oberste Gerichtshof (Supreme Court) qualifizierte in den von Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2, 1996, S. 359f, dargestellten Entscheidungen Frauen aus China, die bereits (mehr als) ein Kind haben und deshalb mit zwangsweiser Sterilisierung rechnen müssen, als soziale Gruppe. Dieser Gerichtshof fand eine Definition des Begriffes der sozialen Gruppe, die drei Personenkreise umfasst, wobei einer dieser Kreise von Personen gebildet wird, die sich durch ein gemeinsames angeborenes oder unabänderliches Merkmal, wie z.B. Geschlecht, sprachliche Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung, auszeichnen. Das oberste Berufungsgericht in Großbritannien gewährte im Fall Islam/Shah vom 25. 3. 1999 zwei pakistanischen Frauen Asyl, weil sie der Ansicht des Gerichtshofes zu Folge einer "Sondergruppe der Gesellschaft" angehörten. Dies deshalb, weil in Pakistan das geltende Recht die Frauen nicht in gleichem Masse schütze wie Männer. Es wurde darin auch ausdrücklich festgehalten, dass dies für sämtliche "Sondergruppen der Gesellschaft" gelten würde, die auf Grund ihres Geschlechts und ihrer Sexualität verfolgt werden würden, also zum Beispiel auch für Homosexuelle.
Bei der Beschwerdeführerin liegt demnach ein als asylrelevant zu qualifizierender Entzug ihrer Lebensgrundlage wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Gruppe der allein stehenden Frauen im Kosovo) vor.