TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/20 2000/19/0151

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Veröffentlicht am 20.04.2001
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Index

L41003 Fremdenrecht Grundversorgung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
FrG 1997 §88 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs4;
FrGVollziehungsV NÖ 1997 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des am 4. Jänner 1950 geborenen LP, vertreten durch Mag. Dr. Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Martinstraße 34-36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 2000, Zl. 126.948/2- III/11/00, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Slowakei, ersuchte mit einem am 14. Februar 2000 unterfertigten formularmäßigen Antrag um die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "privater Besuch ohne Beschäftigungsverhältnis bei Herrn Generalkonsul Mag. Dr. H.E.". Auch im Inneren des Antragsformulares findet sich als Aufenthaltszweck der des privaten Aufenthaltes, damit sich sein Gastgeber "laufend weiterbilden und die tschechische und slowakische Sprache als zertifizierter Gerichtsdolmetsch vervollkommnen" könne. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers auf die Dauer des Aufenthaltes sei deshalb gesichert, weil die Deckung aller Aufenthaltsbedürfnisse, wie Wohnung, Unterhalt und Verpflegung durch den Gastgeber zur Verfügung gestellt werde.

Mit Schreiben vom 6. März 2000 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, sein Antrag sei als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "privat" zu werten; gemäß § 10 Abs. 3 FrG sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung, wie vom Beschwerdeführer vorgelegt, aber unzulässig. Ein Nachweis der Verfügungsmöglichkeit über ausreichende eigene finanzielle Mittel sei vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsatz vom 22. März 2000 und brachte vor, er verfüge über eigene finanzielle Mittel in der Höhe eines Betrages von S 40.000,--. Er ersuche nunmehr dem gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "privat" zu entsprechen.

Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung wies mit Bescheid vom 31. März 2000 im Namen des Landeshauptmannes von Niederösterreich den als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten Antrag gemäß den §§ 19 Abs. 5, 10 Abs. 1 Z. 3 und 10 Abs. 2 Z. 1 sowie 10 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), ab; ihre Zuständigkeit stützte sie auf die Verordnung über die Vollziehung des Fremdengesetzes, LGBl. 4020/1-0. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass der Unterhalt des Beschwerdeführers ausschließlich aus den Mitteln des Gastgebers bestritten werden solle. Der Hinweis betreffend die finanziellen Mittel in Höhe von S 40.000,-- stelle keinen Nachweis dar, dass der Beschwerdeführer über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfüge. Der Beschwerdeführer sei ausschließlich in der Lage, seinen Unterhalt aus den Mitteln seines Verpflichters zu bestreiten, weshalb der Antrag mangels eigener ausreichender Mittel abgewiesen werden müsse. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer seit 23. März 2000 in Klosterneuburg gemeldet. Dadurch lägen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG Sichtvermerksversagungsgründe vor und sei auch aus diesem Grund der Antrag abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er darauf hinwies, er habe ausdrücklich und eindeutig einen Antrag auf Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis (vorübergehend) gestellt. Er habe daher nicht die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, sondern gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 FrG eine Aufenthaltserlaubnis mit dem geschilderten Aufenthaltszweck eines vorübergehenden Besuches als "Selbstständiger ohne Niederlassung" (gemäß § 4 Abs. 1 Z. 12 der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz) beantragt. In Stattgebung seiner Berufung beantrage er daher den Bescheid der Behörde erster Instanz über eine nicht beantragte Niederlassungsbewilligung zu beheben und über den von ihm gestellten Antrag auf Erteilung einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis für den im gegenständlichen Antrag als "Selbstständiger ohne Niederlassung" angeführten privaten Besuchszweck bei seinem Gastgeber im Sinne einer Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 10 Abs. 2 Z. 1, 10 Abs. 3 und 12 Abs. 1 FrG 1997 ab. Die belangte Behörde begründete die Abweisung damit, dass dem Beschwerdeführer unverändert Unterhaltsmittel nur auf Grund einer Verpflichtungserklärung im Sinn des § 10 Abs. 3 FrG 1997 zur Verfügung stünden, was aber nicht ausreiche, und dass darüber hinaus auch kein Nachweis eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Beschwerdeführer bestehe. Die vom Beschwerdeführer genannten Mittel in der Höhe von S 40.000,-- seien durch seinen Gastgeber aufgebracht worden, um die gesetzliche Bestimmung bezüglich des Unterhaltsnachweises zu umgehen. Schließlich ergebe auch die Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen unter Anwendung des Art. 8 EMRK gemäß § 37 FrG 1997, dass im Falle des Nichtausreichens der finanziellen Mittel der Sozialhilfeträger bei Zuzug des Beschwerdeführers Geldmittel zuschießen müsse, was nicht im Sinne des Gesetzes liege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§§ 7, 88, 89 und 94 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1.

Aufenthaltserlaubnis oder

2.

Niederlassungsbewilligung

erteilt.

(2) Aufenthaltstitel berechtigen zum Aufenthalt für einen bestimmten Zweck oder zum dauernden Aufenthalt sowie zu den mit diesen Aufenthalten verbundenen Einreisen.

(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die

1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder

2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,

brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.

(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn

1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;

2. sie unselbständig erwerbstätig sind und ihr Arbeitsvertrag mit ihrem international tätigen Dienstgeber sie entweder

a) als leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, oder

b) als der Unternehmensleitung zugeteilte qualifizierte Mitarbeiter, die zur innerbetrieblichen Aus- oder Weiterbildung (Führungskräftenachwuchs) verpflichtet sind, oder

c) als Vertreter repräsentativer ausländischer Interessenvertretungen ausweist

und Rotationen im Hinblick auf den Dienstort vorsieht;

3. sie Ehegatten oder minderjährige unverheiratete Kinder der in Z 1 und 2 genannten Fremden sind, sofern sie nicht erwerbstätig sein wollen;

4. sie in Österreich erwerbstätig sind, ohne an einem Wohnsitz niedergelassen zu sein.

...

§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.

...

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

...

§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.

...

(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres."

§ 1 der Verordnung über die Vollziehung des Fremdengesetzes 1997, LGBl. 4020/1-0, ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Niederösterreich mit Ausnahme des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten und des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt, alle in die sachliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes in erster Instanz fallende Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen im Namen des Landeshauptmannes zu treffen.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (zum Zweck eines näher umschriebenen Privatbesuches) gestellt; die Behörde erster Instanz brachte dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. März 2000 ihre - nicht näher begründete und auf keinen konkreten Sachverhaltsannahmen fußende - Wertung als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Kenntnis, ohne dass der Beschwerdeführer darauf antwortete. Die Behörde erster Instanz qualifizierte den ihr vorliegenden Antrag des Beschwerdeführers als einen solchen zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung und wies den so verstandenen Antrag als Niederlassungsbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 31. März 2000 ab.

Der belangten Behörde kam daher als der im Instanzenzug zuständigen Berufungsbehörde jedenfalls die funktionelle Zuständigkeit zur Überprüfung der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung auf ihre Zulässigkeit zu.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Umstand, wonach der Beschwerdeführer, der seinen Antrag ausdrücklich als solchen auf Erteilung einer Aufenthalterlaubnis bezeichnet hatte, der - wie in der Folge dargelegt wird - unrichtigen rechtlichen Qualifikation desselben durch die erstinstanzliche Behörde in ihrem Vorhalt vom 6. März 2000 nicht ausdrücklich entgegengetreten ist, nicht dazu zu führen vermag, dass dieser Antrag schon allein deshalb als solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu behandeln wäre. In der Berufung verwies der Beschwerdeführer nun darauf, bereits ursprünglich eine Aufenthaltserlaubnis und keine Niederlassungsbewilligung angestrebt zu haben und beantragte die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und eine Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde (richtig wohl: als Fremdenpolizeibehörde) über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die belangte Behörde hatte daher davon auszugehen, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers um einen solchen auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis handelte. Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 14. Februar 2000 ließ eine solche Interpretation nicht nur zu, sondern legte diese sogar nahe, wurde doch ausdrücklich die Rubrik "Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis" angekreuzt und dort die (getippte) Beifügung des Aufenthaltszweckes vorgenommen, die Rubrik "Erteilung einer Niederlassungsbewilligung" hingegen unberührt gelassen.

Die belangte Behörde ging über das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers aber ohne jegliche Begründung hinweg und bestätigte die Abweisung der Niederlassungsbewilligung. Damit belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Zuständige Behörde zur Entscheidung über einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis ist die Bezirksverwaltungsbehörde als Fremdenpolizeibehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese. Über den verfahrensgegenständlichen, auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Antrag entschied zwar die Bezirksverwaltungsbehörde, aber ausdrücklich als Niederlassungsbehörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG 1997 in Verbindung mit der Verordnung über die Vollziehung des Fremdengesetzes 1997, LGBl 4020/1-0. Über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung im Namen des Landeshauptmannes von Niederösterreich - somit als Niederlassungsbehörde - aber nicht entscheiden dürfen. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, von Amts wegen die aufgezeigte Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde zur Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers als Niederlassungsbehörde aufzugreifen und den Bescheid der Behörde erster Instanz ersatzlos zu beheben. Anschließend wäre es Sache der Behörde erster Instanz gewesen, über den unerledigten Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als zuständige Fremdenpolizeibehörde zu entscheiden (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 97/19/1670).

Indem die belangte Behörde als hiefür zuständige Berufungsbehörde die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides unterließ und eine meritorische Entscheidung über den von der Fremdenpolizeibehörde zu beurteilenden Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis traf, belastete sie ihren eigenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Hierdurch verletzte sie auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht des Beschwerdeführers auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. I Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens

betrifft den Ersatz von Umsatzsteuer, die mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits abgegolten ist.

Wien, am 20. April 2001

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000190151.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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