TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 C2 318898-1/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

C2 318898-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Geiger Anja über die Beschwerde der A.Z., geb. 00.00.1976, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.05.2005, FZ. 04 20.277-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Berufung von A.Z. vom 17.04.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.04.2008, FZ. 04 20.277/2-BAG, wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

I.1. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 4.10.2004 einen Asylantrag gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit Bescheid vom 11.5.2005, erlassen am 15.5.2005, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei nach Afghanistan nicht zulässig sei. Der berufenden Partei wurde darüber hinaus eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Die berufende Partei verfügt derzeit über eine befristete Aufenthaltsbewilligung bis zum 18.10.2008.

 

Gegen den unter ii. bezeichneten Bescheid wurde keine Berufung erhoben. Der Bescheid erlangte sohin am 3.6.2005 Rechtskraft.

 

Mit am 8.2.2008 beim Bundesasylamt eingelangtem Antrag auf Wiederaufnahme des "Asylverfahrens (wegen § 7 Asylgesetz)" wurde die Einvernahme eines Zeugen (welcher seinen Wohnsitz im Iran hat) beantragt. Dieser Zeuge hätte im gleichen Dorf wie die Antragsstellerin gewohnt und könne daher die Angaben derselben bezüglich ihrer Fluchtgründe bestätigen. Begründend für die Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahme wurde ausgeführt: "Es wird daher unter Bezugnahme auf diesen Umstand, dass dieses Beweismittel erst nunmehr offensichtlich der Asylwerberin A.Z. zur Verfügung steht ausdrücklich der Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens ... beantragt."

 

Nach Aufforderung zur Verbesserung des unter iv. genannten Wiederaufnahmeantrags erging eine Stellungnahme der Antragstellerin, die jedoch lediglich den Inhalt des vorhergehenden Antrags wiederholte, nicht aber jene Umstände mitteilte, die allenfalls zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen könnten.

 

In der nunmehr erfolgten Stellungnahme der Antragstellerin wurde ausgeführt, welche Umstände der im Iran lebende Zeuge bezeugen könne. Zum Einen sei - nachdem der Mann der Antragstellerin das Dorf verlassen hatte - ein anderer Mann in das Dorf gekommen und hätte den Bruder der Antragstellerin offenbar mitgenommen; es sei nunmehr nicht bekannt, ob die "genannten Personen" (offenbar der andere Mann und der Bruder der Antragstellerin) am Leben seien. Weiters hätte der Zeuge "offenkundig" beobachtet, dass Soldaten die Antragstellerin mitgenommen hätten und könne auch über die der Antragstellerin drohenden Widrigkeiten für den Fall einer Rückkehr berichten.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes (Zahl: 04 20.277/2-BAG) vom 2.4.2008, erlassen am 7.4.2008 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens der berufenden Partei gemäß § 69 Absatz 1 Ziffer 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) abgewiesen. Begründend führt der Bescheid aus, dass sich keinerlei Hinweise aus den "übermittelten Akteninhalten" ergeben, dass der Zeuge neue Tatsachen oder Umstände, die die Ast nicht auch selbst bereits geschildert hat / schildern hätte können, ins Treffen führen könnte. Es handelt sich bei den angeführten, vom namhaft gemachten Zeugen zu bestätigenden Umständen, um Vorgänge, die sich allesamt, teilweise bereits Jahre, vor der Flucht der Ast aus ihrem Herkunftsstaat ereignet haben. Die normierten Voraussetzungen zur Stattgebung einer Wiederaufnahme liegen somit eindeutig nicht vor." Zur genauen Begründung siehe jenen Bescheid.

 

Mit am 17.4.2008 bei der Behörde eingebrachter Berufung wurde gegen den unter vii. bezeichneten Bescheid berufen. Zusammengefasst wird ausgeführt, dass der Zeuge Handlungen beobachtet hatte, die der Antragstellerin selber nicht bekannt waren bzw. von denen sie erst durch den namhaft gemachten Zeugen erfahren hätte. Auch könne der Zeuge die Verhaftung der Antragstellerin bezeugen und Beobachtungen rund um die Lebensumstände der Berufungswerberin darlegen. Daher liege ein neuer Sachverhalt vor. Die Antragstellerin hätte erst nunmehr von der Adresse des Zeugen Kenntnis erlangt.

 

II.

 

II.1.: Zur Berufung gegen den unter I.1.vii. genannten Bescheides

 

Anzuwenden war hier vorerst lediglich das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

§ 69 AVG regelt die Bestimmungen über die Wiederaufnahme eines Verfahrens und lautet wie folgt:

 

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

 

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

 

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

 

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

 

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

 

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

 

Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrags im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG lässt sowohl der Antrag vom 8.2.2008 als auch die Stellungnahme vom 2.4.2008 jegliche Anhaltspunkte vermissen, wann die Antragstellerin von der Existenz des Zeugen Kenntnis erlangt hat. Das im Antrag beiliegende Fax kam offensichtlich von der Antragstellerin und war an den Rechtsanwalt gerichtet (siehe hiezu insbesondere die Faxzeile am unteren Ende, aus der sich ergibt, dass das Fax von einer österreichischen Nummer - Vorwahl +43 - an den Rechtsanwalt versendet wurde). Daher ist aus diesem nicht ableitbar, seit wann der Antragstellerin der Umstand bekannt war. Das Schreiben des Bundesasylamtes an den Rechtsanwalt der Antragstellerin enthält allerdings diesbezüglich keinen Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG, da das Schreiben weder mit einer Frist versehen ist, noch erkennbar verlangt wurde, dass die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 AVG - also die Antragseinbringung binnen zwei Wochen nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes - eingebracht hatte. Wenn dies nicht der Fall ist, wäre der Antrag als verspätet zurückzuweisen. Da es nunmehr - seit der Novelle BGBl I Nr. 158/1998 - für die Frage der Verbesserbarkeit und der Notwendigkeit zu einer solchen aufgefordert zu werden, unerheblich ist, ob es sich um einen formalen oder materiellen Mangel handelt, hätte das Bundesasylamt vor der inhaltlichen Prüfung des Anbringens dessen Rechtzeitigkeit prüfen oder - nach fruchtloser Aufforderung, die Rechtzeitigkeit darzutun - den Antrag als unzulässig zurückweisen müssen. Eine solche Prüfung ist aber weder dem Akt noch dem Bescheid zu entnehmen, daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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