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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.160,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein am 14. Juni 2007 im Bundesgebiet geborener Sohn staatenloser Asylwerber, stellte durch seinen Vater am Tag seiner Geburt einen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Juli 2007 gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG), als unzulässig zurück und sprach ferner aus, dass für die Prüfung des Antrages Deutschland gemäß der Verordnung (EG) 343/2003 des Rates zuständig sei, wohin der Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG ausgewiesen wurde. Die Durchführung der Ausweisung wurde gemäß §10 Abs3 AsylG bis zum 14. September 2007 aufgeschoben.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat gemäß §§5 und 10 AsylG abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, in der die Verletzung von Art3 EMRK gerügt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2007, G179, 180/07, die Wortfolge "gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass" sowie das Wort "ist" am Satzende in §10 Abs3 des Asylgesetzes (Art2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005) als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 1. Oktober 2007. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 4. September 2006 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an, indem sie die Berufung gegen einen befristet gewährten Durchführungsaufschub, der mit einem (bis zur Entscheidung mit aufschiebender Wirkung verbundenen) Antrag nicht verlängert werden konnte, abwies. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1649.2007Dokumentnummer
JFT_09928871_07B01649_2_00