C5 251.069-0/2008/25E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn J.D., geb. 00.00.1976, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.6.2004, 04 05.502-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7.6.2005 und am 3.6.2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 und § 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt:
"Gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 wird J.D. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen."
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1.1. Der Beschwerdeführer reiste am 24.3.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Er gab an, Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein und der ethnischen Gruppe der Tschetschenen anzugehören. Er werde von den Russen bedroht, sein Leben sei in Gefahr.
Am 16.4.2004 wurde er vom Bundesasylamt (Außenstelle Innsbruck) mit Hilfe einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich vernommen. Dabei gab er - kurz zusammengefasst - an, er sei Muslim und gehöre der ethnischen Gruppe der Tschetschenen an. Er habe Ende November 2003 von einem entfernten Verwandten, der im russischen Innenministeriums beschäftigt ist, erfahren, dass er auf einer Liste von Personen stehe, die festgenommen werden sollten. Er habe sodann bis zu seiner Ausreise bei Verwandten und Freunden übernachtet. Auf diese Liste sei er vermutlich geraten, weil er von Dezember 1995 bis März 1996, während seiner Studienzeit, gemeinsam mit zwei anderen Studenten auf russische Soldaten geschossen habe, die bei Straßensperren in G. Dienst versahen. Anfang März 1996, als tschetschenische Kämpfer nach G. eindrangen, habe er gemeinsam mit seinen Kameraden Granaten auf ein russisches Militärfahrzeug geworfen und es damit in Brand gesetzt. Davon habe er seinen Freunden und Verwandten erzählt.
1.2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG) idF BG BGBl. I 126/2002 (und der Kundmachung BGBl. I 105/2003) ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF der AsylGNov. 2003 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen seiner Ausreise nicht als glaubwürdig. Es ging weiters davon aus, dass der Beschwerdeführer auch nicht iSd § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) gefährdet oder bedroht sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14.6.2004 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.
1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. Pt. 2.3.1.2) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung vom 28.6.2004. Der Beschwerdeführer wendet sich ua. gegen die Annahme des Bundesasylamtes, sein Vorbringen sei nicht glaubwürdig.
1.3. Am 7.6.2005 und am 3.6.2008 führte der unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm und der Dolmetscherinnen für die tschetschenische Sprache beigezogen wurden. Das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme verzichtet. Die Verhandlung war geboten, weil die Beschwerde die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides substantiiert bekämpft.
1.4. Der unabhängige Bundesasylsenat erhob Beweis, indem er den Beschwerdeführer in der Verhandlung vernahm und - außer den Akten des erstinstanzlichen Verfahrens - folgende Unterlagen einsah, die auch in der Verhandlung erörtert wurden:
Verfassung der Russischen Föderation vom 12. Dezember 1993 (http://www.verfassungen.de/rus/russland93-index.htm)
Verfassung der Tschetschenischen Republik (Chechnya - Constitution) von 2003 (http://www.servat.unibe.ch/icl/cc00000_.html)
Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 18.8.2006, Stand Juli 2006
Stephan Hille, Moskau zieht Truppen aus Tschetschenien ab. NZZ 12.8.2006 (APA vom 16.8.2006)
Stephan Hille, Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grosny. NZZ 6.1.2007 (APA vom 8.1.2007)
Klaus Ammann, Nordkaukasus. Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien. SFH (Jänner 2007)
US State Department, Country Report on Human Rights Practices 2006:
Russia (6.3.2007)
Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 17.3.2007, Stand Januar 2007
Kadyrov Named Acting Chechen President. Chechnya Weekly 15.2.2007
Kadyrov Wants Federal Troops Out. Chechnya Weekly 29.3.2007
Kadyrov Sworn In as Chechnya's President. Chechnya Weekly 5.4.2007
Mairbek Vatchagaev, Zakaev Takes on the Emirate. Chechnya Weekly 8.11.2007
Kadyrov Delivers the Vote ... . Chechnya Weekly 6.12.2007
Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung vom 7.6.2005 die Kopie eines sowjetischen Passes vor, die er sich - wie er angab - aus seiner Heimat per Telefax hatte zuschicken lassen. Am 8.11.2007 legte er Kopien von Diplomen, eines Führerscheins und eines Reisepasses vor.
2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Zur Lage in Tschetschenien und zur Lage der Tschetschenen in der Russischen Föderation:
2.1.1.1. Allgemeine Entwicklung
Die Russische Föderation besteht nach Art. 5 Abs. 2 ihrer Verfassung (von 1993) aus Republiken, Regionen, Gebieten, bundesbedeutsamen Städten, einem autonomen Gebiet und autonomen Bezirken als den gleichberechtigten Subjekten der Russischen Föderation. Zu diesen Republiken gehört nach Art. 65 Abs. 1 dieser Verfassung die - im Nordkaukasus gelegene - Tschetschenische Republik, ebenso wie ihre Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Nordossetien (seit 1996 "Republik Nordossetien und Alania").
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erklärte sich Tschetschenien 1991 für unabhängig; das führte 1994 zum Ersten Tschetschenienkrieg, der 1996 mit der De-facto-Unabhängigkeit endete. Danach tobten in Tschetschenien heftige Machtkämpfe, die Kriminalität war hoch und strahlte über die Grenzen aus, und Banden aus Tschetschenien verübten Übergriffe auf Nachbarrepubliken. Gegen Ende 1999 begann der Zweite Tschetschenienkrieg, als - nach Bombenanschlägen in verschiedenen russischen Städten - russische Truppen (dh. Truppen der Russischen Föderation) wieder in Tschetschenien einmarschierten. Russische und tschetschenische Sicherheitskräfte sowie tschetschenische Rebellen begehen schwere Menschenrechtsverletzungen. In jüngster Zeit entspannt sich die Lage aber etwas.
Am 23.3.2003 fand ein Verfassungsreferendum und am 29.8.2004 die Wahl des Präsidenten statt. Die neue tschetschenische Verfassung schreibt die Zugehörigkeit Tschetscheniens zur Russischen Föderation fest (Art. 1 Abs. 2); die vorgesehenen Autonomieregelungen sind eng begrenzt. Der russische Präsident Putin erklärte bei seiner Jahrespressekonferenz am 31.1.2006 die "antiterroristische Operation" (dh. den Krieg) zum wiederholten Male für beendet. Mit der Wahl eines tschetschenischen Parlaments am 27.11.2005 ist für Moskau der 2003 begonnene "politische Prozess" zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts und damit die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen. Die Mehrheit der Sitze errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland". Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest, ua. die anhaltende Gewaltausübung und den Druck der "Kadyrovzy" (s. Pt. 2.1.1.2) gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt des tschetschenischen Ministerpräsidenten Sergej Abramov am 28.2.2006 ernannte der tschetschenische Präsident Alu Alkhanov am 2.3.2006 den bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Ramzan Kadyrov zum neuen Regierungschef. Das Parlament bestätigte die Ernennung zwei Tage später. Nach längeren Spannungen zwischen Alkhanov und Kadyrov ernannte Präsident Putin am 15.2.2007 Alkhanov zum Stellvertretenden Justizminister der Russischen Föderation und Kadyrov zum geschäftsführenden Präsidenten Tschetscheniens. Kadyrov forderte in der Folge den Abzug "überflüssiger" föderaler Truppen aus Tschetschenien. Am 5.5.2007 wurde er in Gudermes als tschetschenischer Präsident angelobt. Kadyrovs Machtfülle ist freilich nicht wenigen im Kreml ein Dorn im Auge, die fürchten, er könnte irgendwann zu stark und unkontrollierbar werden. Der frühere Sekretär des Tschetschenischen Sicherheitsrates, German Vok, - der von Alkhanov ernannt worden war - wies noch im Feber 2007 darauf hin, dass viele Kadyrovzy im Ersten Tschetschenienkrieg für die Unabhängigkeit Tschetscheniens gekämpft hatten und dieses Ziel noch immer verfolgten; auch andere Beobachter ziehen Vergleiche mit der Vorgeschichte des Ersten Tschetschenienkrieges.
Am 2.12.2007 fanden in der Russischen Föderation Wahlen in die Duma - das Parlament - statt. Während die Partei Putins föderationsweit mehr als 64 % der Stimmen errang, betrug der Anteil ihrer Stimmen in Tschetschenien 99,36 % der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung 99,21 %). Kritiker halten diese Zahlen für Fälschungen. Gleichzeitig mit der Wahl zur Duma wurde eine Volksabstimmung über Änderungen der tschetschenischen Verfassung abgehalten, bei der mehr als 50 Artikel geändert wurden; auch diese Änderungen wurden mit großer Mehrheit (96,88 %) angenommen. Durch die Änderungen wird die Stellung des Präsidenten Kadyrov gestärkt.
Dennoch bleibt der Konflikt ungelöst, wenngleich auch Zeichen der Normalisierung festzustellen sind, wie eine verstärkte Bautätigkeit auf dem Lande und damit zusammenhängend die Rückkehr von Flüchtlingen.
Tschetschenen werden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, wurden aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige wurden auf Befehl des russischen Verteidigungsministers von 2005 nicht einberufen.
2.1.1.2. Sicherheitslage
Der Sicherheitsdienst Ramzan Kadyrovs, des jetzigen Präsidenten und Sohnes des 2004 ermordeten moskautreuen Präsidenten Akhmat Kadyrov, ist inzwischen die stärkste Kraft in Tschetschenien. Die "Kadyrovzy" liefern sich regelmäßig kleinere Kämpfe mit den nach wie vor aktiven Rebellen. Ursprünglich die Privatmiliz Akhmat Kadyrovs unter der Führung Ramzan Kadyrovs, wurden sie schließlich in offizielle Streitkräfte des Innenministeriums umgewandelt. Unter den russischen Militärs herrscht ihnen gegenüber durchaus ein erhebliches Misstrauen. Diese mehrere Tausend Mann starke Truppe besteht zum Großteil aus ehemaligen Widerstandskämpfern, die durch Argumente, Geld und auch Gewalt - zB durch die Entführung von Angehörigen - zum Überlaufen bewogen worden sind. Immer wieder werden Familienangehörige mutmaßlicher Rebellen als Geiseln genommen, um sie zur Aufgabe zu zwingen, so auch nahe Angehörige des Rebellenführers Umarov. Ramzan Kadyrov hat sich öffentlich für gesetzliche Regelungen ausgesprochen, welche die Strafverfolgung von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen ermöglichen sollen.
Seit dem Tod ihres Führers Aslan Maskhadov bei einer Operation des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB am 8.3.2005 führte Abdelkhalim Saidullaev die Separatisten; am 17.6.2006 wurde auch er getötet. Sein Nachfolger wurde Doku Umarov. In der Nacht vom 9. auf den 10.7.2006 gelang es dem FSB überdies, Shamil Basaev zu töten, der als eigentlicher Chef der tschetschenischen Separatisten galt. Seit Oktober 2006 gibt es wieder vermehrt Aktivitäten der Rebellen; ihre Zahl soll seit Sommer 2006 wieder gestiegen sein.
Der Anführer der Rebellen, Doku Umarov, ist zunehmend unter den Einfluss der sogenannten Salafiten oder Wahhabiten geraten, die von Maskhadov und Saidullaev noch abgelehnt worden waren. Im Oktober 2007 proklamierte Umarov die Idee eines "Kaukausischen Emirates", also eines islamischen Staates, der über Tschetschenien hinaus andere Länder umfassen soll. Der damalige Außenminister der separatistischen Regierung, Ahmed Zakaev, wandte sich scharf gegen diese Idee und bezeichnete sie als ein Verbrechen an der tschetschenischen Staatlichkeit. Er wurde von anderen Rebellenführern unterstützt, die sich wie er im Exil aufhalten.
Nicht-Regierungsorganisationen, internationale Organisationen und Presse berichten, dass es, auch nachdem der "politische Prozess" begonnen hatte, zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen russischer und pro-russischer tschetschenischer Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung komme, dabei insbesondere zu willkürlichen Festnahmen, zu Entführungen, zum "Verschwindenlassen" und zur Ermordung von Menschen, zu Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen und Diebstählen. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass das eigentliche Ziel der in Tschetschenien eingesetzten Zeitsoldaten, Milizionäre und Geheimdienstangehörigen Geldbeschaffung und Karriere sei. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen internationaler Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen durch russische Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien. Auch amnesty international berichtet weiterhin von Vergewaltigungen und extralegalen Tötungen der Zivilbevölkerung während Operationen der Sicherheitskräfte. 2006 ging jedoch die Zahl der Verschleppungen gegenüber früheren Jahren zurück; offizielle tschetschenische Stellen führen das auf behördliche Anordnungen und Maßnahmen zurück, Menschenrechtsorganisationen meinen, dass zumindest ein Teil des Rückganges nur scheinbar ist und ein zurückhaltenderes Anzeigeverhalten widerspiegle. Den Kadyrovzy werden von Menschenrechtsorganisationen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Nach Human Rights Watch haben sie 2004/05 die föderalen Truppen als Hauptverantwortliche für Verschleppungen abgelöst.
Seit Beginn 2005 verstärkten die tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte wieder ihre Aktivitäten gegen die Rebellen, insbesondere in den Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken. Diese Aktivitäten wurden auch im ersten Halbjahr 2006 vor allem von den Einheiten des tschetschenischen Innenministeriums fortgesetzt. Ergänzt wird dieses Vorgehen durch gezielte Spezialoperationen, wie sie zum Tod der Rebellenführer Maskhadov, Saidullaev und Basaev geführt haben.
2006 verschoben sich die Aktivitäten der pro-russischen Seite weg von Operationen des föderalen Militärs und hin zu solchen von paramilitärischen und Polizeieinheiten der Republik Tschetschenien und anderer tschetschenischer Einheiten, die dem Verteidigungs- oder dem Innenministerium zuzuordnen sind. Es gab weniger "Säuberungen" als in früheren Jahren, obwohl gezielte Aktionen anhielten. Die russische Nicht-Regierungsorganisation Memorial stellte fest, dass diese Säuberungen oft ohne ernsthafte Menschenrechtsverletzungen abliefen, aber in manchen Fällen von Entführungen, Plünderungen und Schlägereien begleitet waren. Die tschetschenischen Sicherheitskräfte unterstanden formal den Zivilbehörden der Republik Tschetschenien, unternahmen aber Operationen oft gemeinsam mit föderalen Kräften. Tatsächlich unterstanden sie dem Ministerpräsidenten (Ramzan Kadyrov) und agierten verhältnismäßig unabhängig.
Im August 2006 kündigte Präsident Putin an, in den kommenden beiden Jahren die Stärke der russischen Truppen in Tschetschenien (etwa 50.000 Soldaten) halbieren zu wollen. Für die Sicherheit in Tschetschenien sollten vor allem die rund 20.000 Soldaten des tschetschenischen Innenministeriums sorgen ("Tschetschenisierung" des Konflikts). Die russischen Soldaten in Tschetschenien haben sich weitgehend in ihre Garnisonen und Kontrollposten zurückgezogen.
Der willkürliche Gewaltgebrauch durch Regierungstruppen, der während des Konfliktes zahllose zivile Opfer gefordert und zu massenhafter Vertreibung und der Zerstörung von Eigentum und der Infrastruktur geführt hat, ging 2006 wie schon seit 2004 - im Vergleich zu 2001/02 - weiter zurück, kommt aber vor allem im Süden der Republik weiter vor; dorthin haben sich die Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Widerstandskämpfern verlegt, daher verlassen immer mehr Menschen die Bergregion. Der Wiederaufbau von Wohnraum und Infrastruktur ging weiter voran, ist aber zT nur kosmetischer Natur. Dennoch werden in Grozny überall wieder Geschäfte eröffnet; an der Universität studieren 14.000 Studenten.
Auch den tschetschenischen Rebellen werden Exekutionen und Geiselnahmen von Zivilisten in den Gebieten und Ortschaften vorgeworfen, die sie beherrschen. Neben den Aufsehen erregenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung werden auch bei vielen Aktionen gegen russische Sicherheitskräfte Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. Außerdem verüben die Rebellen gezielt Anschläge gegen Tschetschenen, die mit den russischen Behörden zusammenarbeiten.
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen bleibt weit hinter ihrem Ausmaß zurück. Bisher gibt es nur sehr wenige Fälle schwerer Verurteilungen. Am 6.4.2006 entschied das russische Verfassungsgericht, dass in Tschetschenien von Militärangehörigen begangene Verbrechen bis zur Einführung von Geschworenengerichten (sie ist inzwischen für 2010 vorgesehen) von Militärgerichten entschieden werden.
Nach dem Ende des Ersten Tschetschenienkrieges, dem Abzug der föderalen Truppen aus Tschetschenien und der Wahl Aslan Maskhadovs zum Präsidenten der "Republik Itschkeria" am 12.3.1997 wurde die erste sechs Monate gültige Amnestie erlassen. Etwa 5000 Personen wurden amnestiert. Nach dem Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges wurde am 13.12.1999 eine weitere Amnestie verkündet, von der nach Angaben des russischen Generalstabs 750 Kämpfer erfasst worden sein sollen. Sie galt bis zum 15.5.2000. Auf die dritte Amnestieregelung vom 12.5.2003 bis zum 1.9.2003 gingen weniger als 200 Rebellen ein, doch haben nach Angaben Taus Dzhabrailovs, des Vorsitzenden des tschetschenischen Staatsrates, auch 2004 weitere 600 bis 700 Kämpfer freiwillig die Waffen niedergelegt. Der damalige Präsident Alkhanov nannte eine Zahl von etwa 7000 ehemaligen Rebellen, die in den vergangenen Jahren die Waffen niedergelegt hätten. Das russische Innenministerium gab im Jänner 2006 an, es gebe noch 730 tschetschenische Kämpfer, die in viele kleine Gruppen aufgeteilt seien, und 40 - nach anderen Berichten 200 bis 300 - ausländische Söldner. Am 22.9.2006 beschloss die Duma eine neue Amnestieverordnung. Sie gilt für Rebellen ("Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen", sofern sie bis zum 15.1.2007 die Waffen niederlegen) ebenso wie für Soldaten und erfasst Vergehen, die zwischen dem 13.12.1999 und dem 23.9.2006 im Nordkaukasus begangen wurden, nicht aber schwere Verbrechen (ua. nicht Mord, Vergewaltigung, Entführung, Geiselnahme, schwere Misshandlung, schweren Raub; für Soldaten: Verkauf von Waffen an Rebellen). Nach Mitteilung des Nationalen Antiterror-Komitees haben sich bis zum Stichtag insgesamt 546 Rebellen gestellt. Etwa 200 Rebellen waren angeblich an Sabotage und Terroraktionen beteiligt, nahezu alle sollen einer illegalen bewaffneten Gruppe angehört haben.
Der Kommandierende der vereinigten Streitkräftegruppe im Nordkaukasus, General Baryaev, sprach im November 2006 von 700 Kämpfern, Kadyrov von 150 bis 200.
2.1.1.3. Versorgungssituation
Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen in letzter Zeit etwas gebessert. Der zivile Wiederaufbau der völlig zerstörten Republik konzentriert sich auf die Hauptstadt Grozny. Nach Angaben Alkhanovs wurden bisher zwei Milliarden Rubel an Kompensationszahlungen geleistet. Nicht-Regierungsorganisationen berichten jedoch, dass nur rund ein Drittel der Vertriebenen eine Bestätigung für die Kompensationsberechtigung erhalte. Viele Rückkehrer bekämen bei ihrer Ankunft in Grozny keine Entschädigung, weil die Behörden sich weigerten, ihre Dokumente zu bearbeiten, oder weil ihre Namen von der Liste der Berechtigten verschwunden seien. Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass 30 bis 50 % der Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen.
In Tschetschenien wurden für Flüchtlinge provisorische Unterkünfte errichtet, die nach offiziellen Angaben besser eingerichtet sein sollen als die früheren Lager in Inguschetien. Die Kapazitäten der inzwischen fertig gestellten zeitweiligen Unterkünfte reichen jedoch nicht für alle Flüchtlinge. Außerdem berichten UNICEF und andere Organisationen der Vereinten Nationen von desolaten sanitären Verhältnissen und von schlechten Lebensbedingungen in großen Teilen der von ihnen betreuten Übergangsunterkünfte in Grozny (Mangel an Medikamenten und Nahrungsmitteln, unbefriedigende Sicherheitslage).
Die tschetschenische Bevölkerung lebt unter sehr schweren Bedingungen. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist mangelhaft, besonders in Grozny. Internationalen Hilfsorganisationen ist es nur sehr begrenzt und punktuell möglich, Nahrungsmittel in das Krisengebiet zu liefern. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser usw.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die geleisteten Kompensationszahlungen erste Erfolge. Sie sind nicht nur auf die Gelder zurückzuführen, die Moskau überweist und von denen nach wie vor große Summen veruntreut werden, sondern auch auf die "freiwilligen" Spenden, die Ramzan Kadyrov wohlhabenden Geschäftsleuten und den Staatsbediensteten abpresst und die in den "Kadyrov-Fonds" fließen, aus dem wiederum der Aufbau von Schulen, Sportstätten und anderen öffentlichen Einrichtungen finanziert wird. Dadurch hat Kadyrov seinen ehemals schlechteren Ruf in Tschetschenien erfolgreich "aufpoliert". Etwa 50 % des Wohnraums ist seit dem ersten Krieg (1994 - 1996) in Tschetschenien zerstört. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach der offiziellen Statistik 80 % (russischer Durchschnitt: 7,6 %).
Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist unzureichend. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grozny - waren medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Der Wiederaufbau verläuft zwar schleppend, doch gibt es dank internationaler Hilfe Fortschritte bei der personellen, technischen und materiellen Ausstattung in einigen Krankenhäusern, die eine bessere medizinische Grundversorgung gewährleisten.
2.1.1.4. Rückkehrfragen
Solange der Tschetschenienkonflikt anhält, ist davon auszugehen, dass abgeschobenen Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden gewidmet wird. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen.
2.1.1.5. Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens
Fremdenfeindliche Ressentiments nahmen in der Bevölkerung der Russischen Föderation in den letzten Jahren zu; sie richten sich insbesondere gegen Tschetschenen und andere Kaukasier, so genannte "Tschornyje" ("Schwarze"). Der Tschetschenienkonflikt und die Angst vor Terroranschlägen verstärken diese Tendenz. Im Zusammenhang mit der intensiven Fahndung nach den Drahtziehern und Teilnehmern von Terrorakten hat sich der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen in Moskau und anderen Teilen Russlands deutlich erhöht. Die Bevölkerung begegnet Tschetschenen größtenteils mit Misstrauen.
Besonders seit Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges Ende 1999 werden auch die in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen - allein in Moskau gibt es etwa 200.000, davon jedoch laut Volkszählung von 2002 lediglich 14.465 offiziell registrierte - Ziel benachteiligender Praktiken der Behörden. Menschenrechtsorganisationen berichten über verstärkte Personenkontrollen und Wohnungsdurchsuchungen, zT ohne rechtliche Begründung, Festnahmen, Strafverfahren auf Grund fingierter Beweise und Kündigungsdruck auf Arbeitgeber und Vermieter. Offensichtliche Diskriminierungen, wie das Fälschen von Beweismitteln oder die Verfolgung durch die Miliz, sind im Vergleich zum Ersten Tschetschenienkrieg seltener geworden. Subtile Formen der Diskriminierung bestehen fort.
Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird in der Praxis an vielen Orten (ua. in großen Städten, wie zB Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen gelten unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit der anti-kaukasischen Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zur Sozialhilfe, zu staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem. Voraussetzung für eine Registrierung ist ein nachweisbarer Wohnraum und die Vorlage des Inlandspasses. Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an. Daher haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen berichten, dass vielen Tschetschenen, besonders in Moskau, die Registrierung verweigert werde. Nach Moskau zurückgeführte Tschetschenen haben deshalb in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie genügend Geld haben oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Nach der Moskauer Geiselnahme im Oktober 2002 haben sich administrative Schwierigkeiten und Behördenwillkür gegenüber Tschetschenen im Allgemeinen und rückgeführten Tschetschenen im Besonderen verstärkt. Angesichts der Terrorgefahr dürfte sich hieran in absehbarer Zeit nichts ändern. Eine verschärfte Neufassung des Aufenthaltsrechts spezifisch für Tschetschenen wird von der Moskauer Stadtverwaltung und von Abgeordneten des Stadtparlaments gefordert.
Tschetschenische Flüchtlinge können grundsätzlich in andere Teile der Russischen Föderation weiterreisen, dies trifft aber auf Transportprobleme und auf fehlende Aufnahmekapazitäten. Soweit zur Weiterreise die Hilfe russischer Regierungsstellen in Anspruch genommen werden muss, kann sie bürokratischen Hemmnissen und Behördenwillkür begegnen. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Menschenrechtler beklagen eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierungen oder auf Grund manipulierter Ermittlungsverfahren. Eine Registrierung als Binnenflüchtling und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen (Wohnung, Schule, medizinische Fürsorge, Arbeitsmöglichkeit) wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge regelmäßig verwehrt.
Tschetschenen leben außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens neben Moskau vor allem in Südrussland (Regionen Krasnodar, Stavropol). Dort ist eine Registrierung auch grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, ua. weil Wohnraum (eine Registrierungsvoraussetzung) dort erheblich billiger ist als in Moskau, wo die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt ausgesprochen hoch sind. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen oft erst nach Intervention von Nicht-Regierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung möglich.
Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl - Kontrollposten der föderalen Truppen oder der Kadyrovzy, die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel 10 Rubel, also ungefähr 30 (Euro-)Cent; für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher.
2.1.2. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.1.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Muslim und gehört der ethnischen Gruppe der Tschetschenen an.
2.1.2.2. Die Fluchtgründe, die der Beschwerdeführer vorgebracht hat, werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt: dass er nämlich - wie er zunächst angab - verfolgt werde, weil er während des Ersten Tschetschenienkrieges gemeinsam mit anderen einen russischen Kontrollposten und im März 1996 während eines Angriffes tschetschenischer Rebellen auf Grozny ein russisches Militärfahrzeug in Brand gesteckt habe bzw. - wie er erst später ausführte - dass er bei einer Säuberung festgenommen worden sei, damit er die Namen anderer Personen bekannt gebe.
2.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
2.2.1. Die Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und zur Lage der Tschetschenen in der Russischen Föderation gründen sich auf die oben (Pt. 1.4) erwähnten Länderberichte, va. auf die beiden Berichte des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 18.8.2006 (Stand Juli 2006) und vom 17.3.2007 (Stand Jänner 2007). Sie werden durch den Bericht des US State Department, Country Report on Human Rights Practices 2006:
Russia vom 6.3.2007 und jenen der Schweizer Flüchtlingshilfe "Nordkaukasus. Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien" vom Jänner 2007 (verfasst von Klaus Ammann) ergänzt und gestützt. Der ältere Bericht des Außenamtes wurde herangezogen, weil er einzelne Daten enthält, die für das Gesamtverständnis der Situation zweckmäßig sind (so zur politischen und zur verfassungsrechtlichen Entwicklung in Tschetschenien).
2.2.1.1. Die Feststellungen zum Inhalt der Verfassung der Russischen Föderation und zu jenem der Verfassung der Tschetschenischen Republik stützen sich auf die Texte dieser Verfassungen. Die Feststellungen über die allgemeine Entwicklung in Tschetschenien ab der Bestellung Ramzan Kadyrovs zum geschäftsführenden Präsidenten - sie ist (auch) im jüngeren Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes noch nicht dargestellt, der den Stand Jänner 2007 wiedergibt - stützen sich auf die drei Artikel aus "Chechnya Weekly" vom 15.2.2007, vom 29.3.2007 und vom 5.4.2007. Die darauffolgende Einschätzung, wie Kadyrovs Macht im Kreml gesehen wird, stützt sich auf die beiden Artikel Stephan Hilles in der Neuen Zürcher Zeitung. Der Hinweis auf die Äußerung German Voks beruht auf dem Artikel "Kadyrov Named Acting Chechen President" in Chechnya Weekly vom 15.2.2007; jener auf andere Beobachter auf dem Bericht Ammanns (S 3). Die Feststellungen zur Wahl zur Duma am 2.12.2007 und zu den Änderungen der tschetschenischen Verfassung stützen sich auf den Artikel "Kadyrov Delivers the Vote" in Chechnya Weekly vom 6.12.2007.
Die Feststellungen zu den Kadyrovzy stützen sich zT auf den Artikel Hilles vom 12.8.2006. Die Feststellung, dass Familienangehörige des Rebellenführers Umarov als Geiseln genommen wurden, stützt sich auf den Bericht des US State Department (section 1, g). Die Feststellung, dass die Zahl der Verschleppungen 2006 zurückgegangen ist, und die Einschätzungen dazu stützen sich gleichfalls auf den Bericht des US State Department (section 1, g), der auch die Feststellung bestätigt, dass die Kadyrovzy die föderalen Truppen als Hauptverantwortliche für Verschleppungen abgelöst haben. Die Feststellungen zu den Aktivitäten der pro-russischen Seite 2006 stützen sich auf den Bericht des US State Department (section 1, g). Die Feststellung zur Ankündigung Putins im August 2006 ("Tschetschenisierung") stützt sich auf den Artikel Hilles vom 12.8.2006, die darauffolgende über den Rückzug der russischen Truppen in Garnisonen und Kontrollposten auf seinen Artikel vom 6.1.2007.
Die Feststellungen zum Rückgang des Gewaltgebrauchs 2006 und zum Wiederaufbau von Wohnraum und Infrastruktur stützen sich auf den Bericht des US State Department (section 1, g), jene darüber, dass Menschen die Bergregion verlassen, auf den Bericht Ammanns (S 6). Die Feststellungen zur Eröffnung von Geschäften und zur Universität in Grozny beruhen auf dem Artikel Hilles vom 6.1.2007.
Die Zahl von angeblich 200 bis 300 ausländischen Söldnern stammt aus dem Bericht des US State Department (section 1, g). Die Feststellung zur Amnestie 2006/2007 stützt sich auf den Bericht des US State Department (section 1, d und g) und auf den Außenamtsbericht. Die Feststellungen zu den Zahlenangaben General Baryaevs und Kadyrovs beruhen auf dem Außenamtsbericht.
Die Feststellungen zur Proklamation der Idee eines "Kaukasischen Emirats" und zu Zakaevs Reaktion darauf beruhen auf dem Artikel Vatchagaevs.
Die Feststellung zu den Quellen der Erfolge des Wiederaufbauprogramms stützt sich auf die beiden Artikel Hilles; die Formulierung, Kadyrov habe dadurch seinen Ruf "aufpoliert", stammt von Ammann (S 3).
Die übrigen Feststellungen stützen sich auf die Berichte des (deutschen) Auswärtigen Amtes.
2.2.1.2. Die Sicherheitslage wird in den Berichten des (deutschen) Auswärtigen Amtes ungünstiger geschildert als im Bericht des US State Department. In den Berichten des Außenamtes heißt es nämlich (S 19 des älteren, S 22 f. des jüngeren Berichtes): "Die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien ist nicht gewährleistet. In den Gebieten, in denen sich russische Truppen aufhalten (sie umfassen mit Ausnahme schwer zugänglicher Gebirgsregionen das ganze Territorium der Teilrepublik), leidet die Bevölkerung einerseits unter den ständigen Razzien, ¿Säuberungsaktionen', Plünderungen und Übergriffen durch russische Soldaten und Angehörige der Truppe von Ramsan Kadyrow, andererseits unter Guerilla-Aktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen. Zwar hat auch nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen die Anzahl von Gewaltakten sowohl von Seiten der durch Fahndungserfolge der russischen und tschetschenischen Sicherheitskräfte geschwächten Rebellen als auch von Seiten der Sicherheitskräfte selbst zuletzt abgenommen, doch sind immer noch willkürliche Überfälle bewaffneter, nicht zuzuordnender Kämpfer, Festnahmen und Bombenanschläge an der Tagesordnung." (Die beiden Berichte sind wortgleich; der Bericht von 2007 setzt die Wortfolge "durch Fahndungserfolge der russischen und tschetschenischen Sicherheitskräfte" zwischen Gedankenstriche.)
Der Asylgerichtshof folgt, soweit die Einschätzungen voneinander abweichen, dem Bericht des US State Department. Er ist etwa gleich alt wie der jüngere der beiden Berichte des deutschen Außenamtes und wird durch die Artikel Hilles und - etwas zurückhaltender - durch den Bericht Ammanns bestätigt (der auch die Artikel Hilles verarbeitet, einen allerdings unter dem Autorennamen "Markus Ackeret" zitiert: S 1 FN 1). Der Grund für diese Entwicklung war offenbar der Wille der föderalen Machthaber zur "Tschetschenisierung" des Konfliktes, verbunden mit dem Rückzug der föderalen Truppen aus dem Alltag und mit dem weiteren Aufbau der Machtposition Ramzan Kadyrovs. Eine Verbesserung der Sicherheitslage - gegenüber früher - kommt aber auch in dem zuvor wiedergegebenen Zitat der Außenamtsberichte zum Ausdruck.
Alle Berichte schildern jedenfalls übereinstimmend einen Rückgang in der Zahl der Verschleppungen - die für die Sicherheitslage symptomatisch ist - und beziehen sich dabei regelmäßig auf die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial". So heißt es im älteren der beiden Außenamtsberichte (S 15):
"Menschenrechtsorganisationen berichten außerdem von zahlreichen Fällen von ¿Verschwindenlassen' von Zivilisten in Tschetschenien. Im Jahre 2005 wurden nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation ¿Memorial' 317 Menschen entführt, von denen 126 befreit, 23 getötet, 15 in Untersuchungshaft und 153 immer noch vermisst seien. Von Januar bis Mai 2006 wurden laut ¿Memorial' 103 Personen entführt, von denen 50 befreit und sechs getötet worden seien; 38 seien verschwunden, neun im Gefängnis. Da Memorial nur etwa 25 - 30 % des tschetschenischen Territoriums beobachtet, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein." Im jüngeren Bericht heißt es dazu (S 18): "2006 wurden laut ¿Memorial' 172 Personen entführt, von denen 86 befreit und neun getötet worden seien; 60 seien verschwunden, 17 im Gefängnis. Da Memorial nur etwa 25 - 30 % des tschetschenischen Territoriums beobachtet, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein." Auch der Vergleich dieser beiden Passagen deutet auf eine Verbesserung der Situation hin.
Hille schreibt am 12.8.2006: "Die Zahl der Morde und Verschleppungen sei im vergangenen Jahr um ein Drittel zurückgegangen, meldete die angesehene Menschenrechtsorganisation Memorial Anfang August. In ihrem Bericht dokumentiert Memorial 192 Morde und 316 Fälle von Verschwundenen seit August des vergangenen Jahres. Für das vorherige Jahr hatte Memorial noch 310 Morde und 418 Verschleppungen aufgelistet." (Auf die Skepsis gegenüber diesen Zahlen, die Hille weiter anführt, ist schon in den Feststellungen hingewiesen worden.)
Am 6.1.2007 schreibt er: "Tatsächlich hat sich die Menschenrechtslage deutlich verbessert. Erstmals nähern sich die offiziellen Zahlen über Verschwundene und die Statistik von
Menschenrechtsgruppen weitgehend an: So beziffert das tschetschenische Innenministerium die Zahl der seit dem Jahr 2000 Verschleppten auf rund 2700. Laut der Moskauer Menschenrechtsgruppe Memorial sind 1246 tot oder verschollen. Im vergangenen Jahr wurden nach offiziellen Angaben 158 Menschen verschleppt, von denen 59 als verschollen gelten. Memorial hingegen zählt 184 Entführungsfälle, von 63 Menschen fehlt noch immer jede Spur. Die Zahlen sind rückläufig, doch die Dunkelziffer dürfte höher liegen, weil viele Fälle aus Angst vor Repressalien gar nicht erst angezeigt werden."
Ammann schreibt (S 6): "Vordergründig verbessert sich die Lage, die Menschenrechtsorganisationen melden einen deutlichen Rückgang der Gewaltverbrechen in Tschetschenien: Laut Memorial ist die Zahl der Morde und Verschleppungen zwischen Herbst 2005 und Herbst 2006 um ein Drittel auf 192 Morde und 316 Fälle von Verschwundenen zurückgegangen. Im Jahr zuvor waren es noch 310 Morde und 418 Verschleppungen."
Im Bericht des US State Department schließlich heißt es (section 1, b): "There were reports of government involvement in politically motivated disappearances in Chechnya and Ingushetiya, although the number of disappearances declined compared to 2005. In 2005 Memorial documented 316 'abduction' cases; 127 of these 'disappeared' without a trace and 23 were found dead. During the year Memorial documented 184 abductions. Of these, Memorial reported that 91 persons were released, 63 'disappeared,' 11 found dead, and 19 were under investigation by authorities." Zum Jahr 2006 heißt es weiter (section 1, g): "During the year, according to Memorial, 184 persons were abducted, of whom 91 were freed or ransomed, 11 were found killed, 19 were thought to be in detention, and 63 disappeared. Memorial attributed at least part of this decline to a climate of fear in which individuals were afraid to report abductions. In 2005, according to Memorial, 316 persons were abducted, of whom 151 were freed or ransomed, 23 were found dead, 15 were thought to be in detention, and 127 disappeared."
Zum Rückgang der "Säuberungen" schreibt derselbe Bericht: "There were fewer mopping-up operations, known as 'zachistki,' than in previous years, although more targeted operations, such as night raids, continued."
Das bedeutet - wie sich aus den genannten Zahlen ergibt - mitnichten, dass sich die Sicherheitslage völlig entspannt hätte, es besteht aber eine Situation, die bei der Einschätzung, ob Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, berücksichtigt werden muss. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Dabei geht der Asylgerichtshof davon aus, dass die Kadyrovzy - als derzeit Hauptverantwortliche - nicht in dem Ausmaß, wie dies für Übergriffe in der Vergangenheit (sei es russischer, sei es tschetschenischer Kräfte) möglicherweise anzunehmen war, wahllos vorgehen, sodass damals grundsätzlich jedermann Opfer solcher Übergriffe werden konnte, sondern dass sie, wie es im letzten Zitat des US-Berichts zum Ausdruck kommt, gezielter vorgehen.
2.2.1.3. Alle zitierten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen, stammen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und aus einer international angesehenen Qualitätszeitung (der Neuen Zürcher Zeitung), sodass keine Bedenken dagegen bestehen, sich darauf zu stützen.
2.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religion und zur ethnischen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf seinen insoweit glaubwürdigen Angaben, die auch durch die vorgelegten Dokumente gestützt werden. Dass der Beschwerdeführer Tschetschene aus Tschetschenien ist, wird auch durch die Aussagen der beiden Dolmetscherinnen - gebürtiger Tschetscheninnen, die jahrelang in Tschetschenien gelebt haben - erhärtet, wonach der Beschwerdeführer Tschetschenisch wie ein Tschetschene aus Tschetschenien spricht. (Auch das Bundesasylamt war im Übrigen, nachdem es einen Sprachtest durchgeführt hatte, bereits davon ausgegangen, dass er Tschetschene sei.)
Hingegen folgt der Asylgerichtshof den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe nicht, und zwar aus folgenden Gründen:
In der Verhandlung vom 7.6.2005 schilderte der Beschwerdeführer, er habe während des Ersten Tschetschenienkrieges gemeinsam mit zwei weiteren Tschetschenen mehrmals einen russischen Posten in G. beschossen und Anfang März 1996, während eines Angriffes tschetschenischer Rebellen auf G., ein russisches Militärfahrzeug mit Granaten in Brand geschossen. Er habe dabei jeweils mit der Absicht gehandelt, Menschen zu verletzen oder zu töten. Ob ihm dies gelungen sei, wisse er nicht.
Insoweit blieb der Beschwerdeführer grundsätzlich bei seinen Angaben vor dem Bundesasylamt. Ob diese Darstellung in sich stimmig und widerspruchsfrei ist, braucht nicht weiter untersucht zu werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 3.6.2008 selbst angegeben hat, er habe sich diese Geschichte während seiner Schubhaft (vor der Einvernahme durch das Bundesasylamt) ausgedacht, weil er gefürchtet habe, abgeschoben zu werden, wenn er sich nicht als Kämpfer bekenne. Unter diesen Umständen hat der Asylgerichtshof keinen Grund, dieser Darstellung Glauben zu schenken.
Darunter leidet aber auch die Glaubwürdigkeit jener Darstellung, die der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 3.6.2008 gegeben hat. Danach sei er im August 2003 bei einer Säuberung in seinem Heimatort K. festgenommen und vier Tage lang angehalten worden; dann sei er von seinen Verwandten freigekauft worden. Er sei gezwungen worden zuzugeben, dass er Kämpfer sei, und habe sagen sollen, mit wem er gekämpft habe. Man habe die Namen von Leuten wissen wollen, die auf bestimmten Videos zu sehen gewesen seien. Diese Videos hätten die Russen bei Hausdurchsuchungen gefunden. Der Beschwerdeführer habe nur die Namen bekannter Kämpfer genannt, die bereits in die Berge gegangen (und somit nicht unmittelbar gefährdet gewesen) seien. In der Verhandlung schilderte er den Vorgang so, dass ihn die Russen nach den Namen von Leuten gefragt hätten, die auf den Videos zu sehen seien, die Videos hätten sie ihm jedoch nicht gezeigt. Vielmehr hätten sie ihm nur geschildert, in welchem Zusammenhang er selbst auf den Videos zu sehen sei, so etwa bei einer Hochzeit. Sie hätten ihn gefragt, ob sie ihm die Videos zeigen sollten; er habe dies verneint und erklärt, er habe selbst ein solches Video. Auf die Frage des Verhandlungsleiters (di. des erkennenden Richters), wie es möglich gewesen sein solle, Personen auf den Videos zu identifizieren, wenn er die Videos nicht gesehen habe, gab der Beschwerdeführer an, man hätte ihm das Video ohnedies nicht gezeigt. Er habe den Russen gesagt, dass er die Personen auf dem Video nicht kenne, dass er ihnen aber die Namen anderer Personen sagen könne.
Der Asylgerichtshof folgt dieser Darstellung nicht. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die Behauptung, er sei Opfer einer Säuberung, zum ersten Mal in einem Schreiben an den unabhängigen Bundesasylsenat vom 22.2.2008 vorgebracht und im Detail - insbesondere was die Erwähnung der Videos betrifft - in der Verhandlung vom 3.6.2008 erzählt hat, erscheint die Geschichte nicht plausibel. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Entführer dem Beschwerdeführer die Videos nicht hätten zeigen sollen, wenn sie daran interessiert gewesen wären, dass er Personen auf den Videos identifiziere. Es liegt auf der Hand, dass dies leichter möglich ist, wenn er ein Video zu Gesicht bekommt. Der Beschwerdeführer verwickelte sich dabei auch in Widersprüche. So gab er einmal an, er habe nur allgemein bekannte Kämpfer genannt, nicht aber Personen, die auf dem Video zu sehen gewesen seien; er habe den Russen gesagt, dass er die Personen auf dem Video nicht kenne, ihnen aber die Namen anderer Personen nennen könne. Kurz darauf gab er dagegen an, er habe den Russen gesagt, dass er Leute auf dem Video kenne, nicht aber - auf dem Video sichtbare - uniformierte Bewaffnete.
Auf Grund all dieser Widersprüche geht die erkennende Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer keine der beiden vorgebrachten Fluchtgeschichten erlebt hat. Sie erscheinen somit insgesamt nicht als glaubwürdig. Den bisherigen Überlegungen steht nämlich nur die Beteuerung des Beschwerdeführers gegenüber, die Wahrheit zu sprechen. Die Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit sprechen, überwiegen bei weitem.
2.3. Rechtlich folgt daraus:
2.3.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005, in der Folge: AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen. Auf solche Verfahren ist jedoch gemäß § 44 Abs. 3 AsylG idF der AsylGNov. 2003 ua. § 8 AsylG idF der AsylGNov. 2003 anzuwenden.
Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen. § 8 AsylG ist jedoch in der Fassung der AsylGNov. 2003 anzuwenden; dementsprechend hat das Bundesasylamt, dessen Bescheid mit 7.6.2004 datiert und am 14.6.2004 zugestellt worden ist, die Absprüche über den subsidiären Schutz (Spruchpunkt II) und über die Ausweisung (Spruchpunkt III) zu Recht auf § 8 AsylG idF der AsylGNov. 2003 gestützt. Im Bescheid wird zwar nicht ausdrücklich auf diese Fassung Bezug genommen, sondern nur von § 8 Abs. 1 AsylG "idgF" und von § 8 Abs. 2 AsylG gesprochen; da § 8 AsylG bis dahin jedoch nicht in Absätze gegliedert war, ist es offenkundig, dass das Bundesasylamt § 8 AsylG idF der AsylGNov. 2003 anwenden wollte und angewandt hat.
Das Verfahren war am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig, es ist daher vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
2.3.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 [in der Folge: AsylGH-EinrichtungsG]) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG und auf § 38 AsylG. § 38 AsylG spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen.
Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005.
2.3.2.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
2.3.2.2. Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, nämlich die Verfolgung durch russische Kräfte in Tschetschenien - sei es wegen seiner Teilnahme am Ersten Tschetschenienkrieg, wo er auf russische Posten und auf ein russisches Militärfahrzeug geschossen habe, sei es, indem man von ihm bei einer Säuberung die Namen von Kämpfern habe erfahren wollen - nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.
Aus den Feststellungen zur Situation in Tschetschenien ergibt sich weiters, dass dort keine Situation besteht, in der alle Einwohner dieser Republik oder alle Angehörigen der tschetschenischen Ethnie allein auf Grund dieses Umstandes mit Verfolgung rechnen müssen. In Tschetschenien besteht auch keine solche Situation, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 MRK ausgesetzt wäre. Obwohl die Sicherheitslage noch immer zu wünschen übrig lässt, hat sie sich doch soweit entspannt, dass nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer solchen Gefährdung auszugehen ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht nur für bestimmte Gruppen von Einwohnern, etwa für Personen, denen ein Naheverhältnis zu tschetschenischen Separatisten unterstellt wird (vgl. zu einer ähnlichen Situation VwGH 24.3.1999, 98/01/0386;
16.6.1999, 98/01/0339; 6.7.1999, 99/01/0044; 8.9.1999, 98/01/0614;
16.2.2000, 98/01/0253); dass der Beschwerdeführer zu ihnen gehören würde, hat er nicht glaubhaft machen können. Es kann daher dahingestellt bleiben, welche Konsequenz eine solche Situation für die Entscheidung im Asylpunkt hätte.
2.3.3.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig (soweit dies nunmehr durch den Asylgerichtshof geschieht: im Rahmen des Erkenntnisses; § 17 Abs. 3 AsylGHG) festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di.
§ 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Schutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht.
Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge: MRK), Art. 3 MRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer Einschränkung, die im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freih