A3 215.887-0/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin LACHMAYER über die Beschwerde der W.Y., geb. 00.00.1973, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.02.2000, FZ. 99 14.824-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Äthiopiens, reiste am 17.09.1999 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte in weiterer Folge am 20.09.1999 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Sie wurde hiezu am 14.10.1999 niederschriftlich einvernommen.
2. Zur Begründung ihres Asylantrages brachte die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor, aufgrund ihrer eritreischen Abstammung Probleme in ihrem Heimatland Äthiopien zu haben. Konkret wären bereits ihre Eltern im November 1998 wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit nach Eritrea abgeschoben worden und habe man der im Betreff Genannten sowohl den Arbeitsplatz als auch die Wohnung weggenommen. Des Weiteren hätte man die Asylwerberin unter dem Vorwand, die eritreischen Machthaber zu unterstützen, für die Dauer von insgesamt vier Monaten inhaftiert und sei sie letztlich nur dank der Hilfe einer großen Zahl von Freunden aus dem Gefängnis entlassen worden. Diese hätten Geld gesammelt und die Wachen bestochen. Während ihres Aufenthalts im Gefangenenhaus in Woreda 3 in Addis Abeba wäre die Antragstellerin, ebenso wie auch eine Vielzahl weiterer Leidensgenossinnen, mehrmals vergewaltigt worden. Trotz dieser dramatischen Erlebnisse habe die Beschwerdeführerin keinen Augenblick daran gedacht freiwillig nach Eritrea auszuwandern, zumal "ich einfach nicht wollte (Seite 16 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Außerdem wäre der zwischenzeitlich tödlich verunglückte Vater ihrer Kinder Äthiopier und könne die im Betreff Genannte ihre Nachkommen deshalb auch nicht in dieses Land mitnehmen, da sie dort ebenfalls ein Problem aufgrund ihrer Abstammung hätten. Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien habe die Antragstellerin "Angst um mein Leben, Angst wieder vergewaltigt zu werden (Seite 17 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)."
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.02.2000, FZ. 99 14.824-BAW, wies die Erstinstanz den Asylantrag in Spruchpunkt I. gemäß gem. § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 82/2001 ab. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Eritrea gemäß § 8 leg. cit. für zulässig erklärt.
Die erstinstanzliche Behörde hat das Vorbringen der Asylwerberin als absolut unglaubwürdig eingestuft, zumal dieses auffallend allgemein und vage gehalten sei und zudem den behördlichen Feststellungen widerspreche.
4. Gegen diese Entscheidung erhob die im Betreff Genannte fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und wiederholte in ihrem Schriftsatz im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Zudem habe die belangte Behörde in ihrer Einvernahme der Beschwerdeführerin nicht die in § 28 AsylG 1997 geforderte besondere Manuduktionspflicht beachtet und gehe aus einer auszugsweise zitierten UNHCR - Stellungnahme vom August 1999 eindeutig hervor, dass eine problemlose Zuerkennung der Staatsangehörigkeit Eritreas im gegenständlichen Fall nicht zu erwarten sei.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 i. d. F. 126/2002 sind sämtliche am 01. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.
Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG i. d. F. der AsylG - Nov. 2003 ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden (vgl. auch Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Dem angefochtenen Bescheid liegt aus folgenden Gründen ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde:
Das Bundesasylamt qualifizierte die Angaben der Antragstellerin aufgrund deren als allgemein und vage qualifizierten Vorbringens vor dem Hintergrund anderslautender behördlicher Feststellungen als prinzipiell unglaubwürdig. Wie die belangte Behörde zu dieser Annahme gelangt, ist jedoch aus den getroffenen Feststellungen nicht schlüssig nachvollziehbar, zumal eine über die auszugsweise Zitierung des äthiopischen respektive eritreischen Staatsbürgerschaftsgesetzes hinausgehende Begründung für diese Einschätzung der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen ist. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die erstinstanzliche Behörde als Spezialbehörde dazu verpflichtet ist, sich auf jeweils zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Beweismittel zu stützen bzw. diese zu erheben (siehe VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).
Des Weiteren hat es die belangte Behörde unterlassen zu erklären, weshalb es als zwingend angesehen werden müsse, dass die Beschwerdeführerin definitiv eritreische Staatsbürgerin sei beziehungsweise es sich bei Eritrea jedenfalls um ihren Herkunftsstaat handeln müsse. Worauf diese Schlussfolgerung basieren soll, lässt das Bundesasylamt vor dem Hintergrund der in diesem Kontext in extrem kurzen Passagen partiell ins Treffen geführten und keineswegs eindeutigen Länderinformationen gänzlich unbeantwortet.
Insgesamt reduziert sich die Beweiswürdigung der Erstbehörde über weite Strecken auf eine Reihe abstrakt in den Raum gestellter Behauptungen und Mutmaßungen, welcher einer eingehenden Überprüfung nicht standzuhalten vermögen.
Darüber hinaus hat es das Bundesasylamt nicht für erforderlich erachtet, sich über die aktuelle Lage im Herkunftsland der Beschwerdeführerin in einem ausreichenden Maße sowie die konkrete Situation von Mitgliedern ihrer, wie auch deren nahen Angehörigen zu informieren. Um die Situation der Beschwerdeführerin korrekt zu beurteilen, müssen nicht nur detaillierte Feststellungen über die gegenwärtigen Verhältnisse in Äthiopien respektive Eritrea eingeführt, sondern darüber hinaus auch die ins Treffen geführten Behauptungen einer eingehenden Prüfung, allenfalls durch geeignete Ermittlungen der Österreichischen Botschaft vor Ort, unterzogen werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der erstinstanzlichen Behörde zugrundezulegen sein.
Es ist zudem nicht möglich, die Situation der Antragstellerin korrekt zu beurteilen, wenn nicht in ausreichendem Maße Feststellungen über ihre Möglichkeit, sich anderwärtig in Äthiopien beziehungsweise Eritrea niederzulassen, ins Verfahren eingeführt werden. Das Bundesasylamt ist - ebenso wie der Asylgerichtshof - als Spezialbehörde verpflichtet, sich über die Situation und die Entwicklungen in Äthiopien respektive Eritrea Kenntnis zu verschaffen und im Einzelfall entsprechende Feststellungen zu treffen. Nur anhand solcher Feststellungen ist es möglich zu beurteilen, ob die im Betreff Genannte - aus Gründen, die in der GFK genannt sind - verfolgt wird. Diese Feststellungen wären mit der Beschwerdeführerin zu erörtern; daraus könnte sich die Notwendigkeit ergeben, ihn neuerlich zu ihren persönlichen Umständen einzuvernehmen. Damit liegt aber eine der Voraussetzungen vor, die § 66 Abs. 2 AVG normiert: dass nämlich die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine; denn ob es sich um eine kontradiktorische Verhandlung oder um eine bloße Einvernahme handelt, macht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Unterschied (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084 mwN; VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315; VwGH v. 11.12.2003, Zl. 2003/07/0079).
Dass die Asylbehörden verpflichtet sind, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig und umfassend zu ermitteln, und die Ermittlungsergebnisse dem Akt anzuschließen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt. Dieser Verpflichtung ist das Bundesasylamt im konkreten Fall in keinster Weise nachgekommen, was an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben wird.
Da solcherart umfangreiche ergänzende Ermittlungen durchzuführen sind, hat der Asylgerichtshof von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, Abstand genommen und die Rechtssache gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.