TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 A4 222205-0/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

A4 222.205-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. LAMMER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des O.T., geb. 00.00.1983, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.04.2001, FZ. 01 01.856-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2008 zu Recht erkannt:

 

A. Die Beschwerde des O.T. wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen

 

B. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 50 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 wird festgestellte, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des O.T. nach Nigeria zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 27.01.2001 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 31.01.2001 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er am 05.04.2001 im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er im Wesentlichen an, dass sein Vater Mitglied des Geheimbundes der "Oghidiannoyasuon" (phonetisch) gewesen sei und hätte dieser gewollt, dass er selbst diesem Bund beitrete. Da der Beschwerdeführer Christ sei, habe er dies aber verweigert. Nach dem Tode des Vaters hätten sieben Männer die Leiche des Vaters geholt. Nachdem er in der Folge den Beitritt zu dieser Organisation verweigert hätte, begannen die Leute dieser Sekte ihn durch magische Kräfte zu terrorisieren. Er habe in der Nacht Albträume gehabt, woran - nach seinem Vorbringen - sicher die Leute dieser Gruppierung verantwortlich gewesen wären. Er hätte diese Qualen nicht länger aushalten können und sei daher nach Lagos geflüchtet. Dort habe er sich an einen Priester einer Baptistenkirche gewandt, der ihm die Flucht ermöglichte. Wäre er weiterhin in Nigeria geblieben, hätten ihn die Angehörigen der Organisation wegen seiner Weigerung, sich ihnen anzuschließen, getötet. Da die Polizei diese Gesellschaft unterstütze und diese untereinander in Verbindung stünden, habe er diese Bedrohung den Behörden nicht gemeldet. Nach Vorhalt, dass der nigerianische Staat eine Verfolgung durch Private nicht dulde, brachte er vor, dass es überall in Nigeria diese Geheimgesellschaft gäbe. Diese würden sich gegenseitig unterstützen und Fotos der gesuchten Personen austauschen. Aus diesem Grunde würde er überall in Nigeria gefunden werden und würden diese Fotos bei Generalsversammlungen weitergegeben.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.04.2001, FZ. 01 01.856-BAW, wurde der am 31.01.2001 gestellte Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 8 Asylgesetz 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II). Das Bundesasylamt führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer zum einen keine Verfolgung durch den nigerianischen Staat, sondern lediglich eine Verfolgung durch Angehörige einer Geheimsekte, sohin durch eine private Vereinigung, geltend gemacht hätte.

 

Zum anderen sei darauf zu verweisen, dass er keinesfalls auf Grund eines bei ihm vorliegenden asylrelevanten Merkmales von den Mitgliedern dieser Geheimsekte bedroht worden wäre. Der aus seiner Schilderung allein ableitbare Umstand, dass er mangels seiner Bereitschaft, dem Geheimbund beizutreten, Nachteile zu befürchten hätte, sei für sich nicht ausreichend, eine Verfolgung auf Grund der Konvention geltend zu machen. Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergäbe sich im Übrigen kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nigerianische Staat grundsätzlich außer Stande oder nicht Willens sei, dem Beschwerdeführer Schutz vor allfälligen Übergriffen durch Sekten zu gewähren. Der Staat Nigeria sei - im Einklang mit einschlägigen Berichten - willens und fähig, seinen Bürgern Schutz zugewähren und dulde keine Verfolgungshandlungen vor Bedrohung durch Sekten und Geheimbünde.

 

Es stünde dem Beschwerdeführer im Übrigen eine inländische Fluchtvariante offen. Das Bundesasylamt kam zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe und wäre der Asylantrag abzuweisen gewesen.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der damals noch minderjährige Beschwerdeführer durch seinen gesetzlichen Vertreter fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde). Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass der weitere Verbleib des Beschwerdeführers in seinem Heimatland aus den bekannten Vorgängen unerträglich sei. Aus den vorliegenden Aussagen des Beschwerdeführers ergäben sich daher stichhaltige Gründe für die Annahme, dass er im Heimatland einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen wäre. Weiters wäre er wegen seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und wegen seiner politischen Ansichten verfolgt. Die Gefährdungssituation sei im gesamten Staatsgebiet gegeben und treffe dies auf den Beschwerdeführer zu, da der Geheimbund der "Oghidiannoyasuon" im gesamten Staatsgebiet verbreitet sei. Die Mitglieder dieses Kultes hätten nicht abgelassen ihn zu verfolgen und zu den aktuellen Drohungen gegen Leib und Leben wären jene des Mentalterrors (mit magischen Kräften) hinzugekommen.

 

II. Am 01.10.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt. Im Zuge der Verhandlung wurde Beweis erhoben durch ergänzende Parteieinvernahme des Beschwerdeführers sowie durch Verlesung und Erörterung folgender vom Verhandlungsleiter beigeschaffter Berichte zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Nigeria.

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Auswärtiges Amt Berlin, 06.November 2007 (Beilage A);

 

Bericht des US Department of State, Nigeria, 11. März 2008 (Beilage B);

 

Bericht des Home Office, Nigeria, 13. November 2007 (Beilage C);

 

ACCORD, Länderbericht vom August 2004, Nigeria (Beilage D);

 

Bericht des Home Office, Nigeria, Jänner 2007 (Beilage E).

 

Auf Grundlage der vom Bundesasylamt durchgeführten Ermittlungen und des dargestellten ergänzenden Ermittlungsverfahrens des Asylgerichtshofes wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Das Asylgerichtshof geht davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Nigeria ist. Seine Identität und familiäre Situation kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, wo er vor seiner Ausreise gelebt hat. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, Verfolgung durch die Geheimorganisation der "Ohidiannoyasuon" - auch Ogboni-Sekte genannt - wegen seiner Weigerung sich dieser nach dem Tode seines Vaters anzuschließen, werden der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt. Es kann weiters nicht festgestellt werden, wie der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen hat.

 

Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z.B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen.

 

In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu Unruhen, es herrscht jedoch kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diese zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Bundesstaaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z.B. Verhaftung( von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleitstet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegebnen. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

Grundsätzlich kann örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedung in einen anderen Ladesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegen begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten"§ können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Zu traditionellen Religionen und Geheimkulten werden folgende Feststellungen getroffen:

 

In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt werden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wird, bestätigt. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.

 

In Nigeria existieren Geheimkulte, deren bekanntester die Ogboni-Gesellschaft ist. Die Bedeutung der Geheimkulte liegt darin, dass die Mitgliedschaft häufig Recourcen, Einfluss und Arbeit sichert und Bestandteil der sozialen Integration ist und damit über Leben und Status der jeweiligen Familie bestimmt. Normalerweise liegt keine Zwangsmitgliedschaft vor, doch fühlen sich viele Personen - in der Regel von der eigenen Familie - auf Grund der Vorteile, die ein Beitritt zu einem Geheimkult mit sch bringt, unter Druck gesetzt. Die Geheimgesellschaften akzeptieren nicht jedermann, sondern laden Mitglieder angesehener Familien zum Beitritt ein. Auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder wird in der Regel kein Wert gelegt. Allenfalls kann derjenige, der sich weigert beizutreten, sein Eigentum und Erbe verlieren, muss aber nicht um sein Leben fürchten. Verfolgung durch einen Geheimkult ist allerdings dann zu befürchten, wenn jemand seine Geheimnisse preisgibt. Diese Geheimnisse sollen sich nicht auf die Namen der Mitglieder beziehen, da diese in der Regel ohnehin allgemein bekannt sind, sondern auf die Entscheidungen und Interna der Geheimgesellschaft. Wenn ein Mitglied des Geheimkultes diesen verlassen will, dann führt dies nicht zu zwangsläufig nachteiligen Auswirkungen oder einer Verfolgung, Geheimkulte beziehen einen Teil ihrer Macht aus dem verbreiteten Glauben daran, dass ihnen übernatürliche Kräfte zukommen.

 

Der Kult mit der Bezeichnung Ogboni wird der Volksgruppe der Yoruba zugeordnet, deren Siedlungsgebiet in den Bundesstaaten Oyo, Ogun, Ondo, Osun, Kwara und Lagos sowie im westlichen Teil von Kogi Stat gelegen ist. Auch Unterstämme der Yoruba können involviert sein. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kult der Ogboni bei anderen nigerianischen Volksgruppen, etwa bei den Edo, der Volksgruppe des Beschwerdeführers, praktiziert wird. Zu unterscheiden ist zwischen der so genannten "Reformed Ogboni Fraternity (ROF)", die im Jahr 1914 gegründet wurde und sonstigen Vereinigungen mit der Bezeichnung "Ogboni". Hinsichtlich der ROF liegen keine Berichte vor, dass diese an Verbrechen oder sonstigen gesetzwidrigen Handlungen beteiligt wären. Diese Vereinigung hat Vereinscharakter; es ist öffentlich bekannt, wer Mitglied dieser Vereinigung ist, deren statutenmäßiger Zweck in der wechselseitigen Unterstützung der Mitglieder gelegen ist. Hinsichtlich der sonstigen Vereinigungen mit der Bezeichnung "Ogboni" können - u.a. wegen des Charakters als Geheimgesellschaften - kaum verlässliche Informationen erlangt werden. Nach vorliegenden Berichten können nur ältere Gemeindemitglieder der Ogboni angehören und sollen diese nach wie vor über gesellschaftlichen Einfluss verfügen. Es bestehen Gerüchte, dass der Verrat von Geheimnissen der Ogboni-Gesellschaft mit dem Tod bestraft werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, dass Personen zum Beitritt zu den Ogboni gezwungen werden.

 

Die Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Das Vorbringen zu den Fluchtgründen war den Feststellungen aus folgenden Erwägungen nicht zu Grunde zu legen:

 

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in entscheidungswesentlichen Punkten nur unbestimmte bzw. allgemein gehaltene Angaben zu der Bedrohungssituation bzw. der ihn angeblich bedrohenden Geheimgesellschaft, gemacht hat.

 

So war er nicht im Stande, den genauen Weg von seinem Heimatdorf nach Lagos anzugeben, als auch den Ort und die Dauer seines Aufenthaltes in dieser Stadt. Auch war ihm das Datum seiner Ausreise aus Lagos per Schiff nicht mehr erinnerlich.

 

Die Kenntnisse des Beschwerdeführers über die Ogboni-Gesellschaft beschränken sich lediglich darauf, dass es sich um Leute handle, die eine Bibel hätten, die aber keine Bibel sei. Sie würden Götter anbeten und könne er im Verlauf nur den "Gott der Gewitter" angeben.

 

Im Übrigen beschränkte sich sein Vorbringen betreffend die Ogboni-Gesellschaft auf Wissen, das überall im Internet abrufbar ist. Abgesehen von der pauschalen Berufung auf seinen christlichen Glauben war der Beschwerdeführer nicht in der Lage konkret auszuführen, warum er den Beitritt zu der Geheimgesellschaft ablehne. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes müsste der Beschwerdeführer jedoch, da sein Vater Mitglied dieser Geheimgesellschaft gewesen sein soll, über gewisse Mindestkenntnisse der seinem Vorbringen nach weit verbreiteten Geheimgesellschaft verfügen.

 

Was das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, wonach er in Nigeria überall gefunden werden könne, da Fotos von ihm weitergegeben wurden, handelt es sich - unbeschadet allfälliger Befürchtungen und Ängste des Beschwerdeführers - um realitätsfremde Behauptungen. Ebenso die Befürchtung, durch magische Kräft psychisch beeinträchtigt zu werden. Laut den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attesten litt der Beschwerdeführer an Helicopacter Pylori. Dieser Befund ist nunmehr in Ordnung (siehe Befund der Wiener Gebietskrankenkasse vom 26.02.20087, 1100 Wien, Wienerbergstraße 13, der Niederschrift vom 01.10.2008 als Beilage 1 angeschlossen).

 

Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die angebliche Ogboni-Gesellschaft in ganz Nigeria verbreitet ist. Aus den h.o. Unterlagen ergibt sich nämlich, dass die Ogboni-Gesellschaft nur im Südosten Nigerias (Yorouba-Gebiet) verbreitet ist.

 

Im Übrigen deuten die Feststellungen zu traditionellen Religionsgemeinschaften und Geheimgesellschaften in Nigeria darauf hin, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen. Aus diesen Feststellungen ergibt sich nämlich, dass traditionelle Religionsgemeinschaften bzw. Geheimgesellschaften in der Regel keinen Zwang zum Beitritt ausüben und die Verweigerung des Beitrittes keine lebensbedrohenden Folgen hat.

 

Zusammenfassend ist die erkennende Behöre zur Auffassung gelangt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur behaupteten Verfolgung und drohenden Ermordung durch Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft die Glaubwürdigkeit zu versagen ist.

 

Zu der vom Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme darf festgehalten werden, dass die Bezug nehmenden Länderberichte nicht mehr aktuell sind.

 

Aus den dargestellten Gründen war dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen. Der Beschwerdeführer, der keinerlei Identitätsdokumente vorlegen kann, macht zu seiner Situation in Nigeria offensichtlich unrichtige Angaben, weshalb davon auszugehen ist, dass auch die Angaben zur familiären Situation nicht zutreffen. Der Reiseweg von Nigeria nach Österreich konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, weil der Beschwerdeführer diesbezüglich nur unbestimmte nicht verifizierbare Angaben macht.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria gründen sich auf die Berichte Beilagen A bis E. Aus den Beilagen A, B und C ergibt sich, dass die nigerianische Staatsgewalt - abgesehen von zeitlich und lokal begrenzten gewalttätigen Auseinandersetzungen verfeindeter ethnischer oder religiöser Gruppen - grundsätzlich funktionsfähig ist. Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung und zur Lebensmittelversorgung, wonach die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet ist, gründet sich auf den Bericht Beilage A. Die Feststellung, wonach abgelehnte Asylwerber bei Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land keine staatlichen Repressionen zu befürchten haben, gründen sich ebenfalls auf den Bericht Beilage A.

 

Die Feststellungen zu internen Fluchtmöglichkeiten innerhalb Nigerias gründen sich auf Beilage A, Abschnitt II. 3. sowie auf Beilage E. In Beilage E wird im Einzelnen ausgeführt, dass es grundsätzlich möglich ist, in anderen Landesteilen vor Verfolgungsmaßnahmen Zuflucht zu suchen, wobei Betreffende Unterstützung und Solidarität von Personen z.B. desselben Glaubensbekenntnisses oder derselben Ethnie erlangen kann.

 

Die Feststellungen zu den in Nigeria verbreiteten Kultgemeinschaften und Geheimgesellschaften gründen sich auf die von Accord verfassten Länderberichte Nigeria Beilage E. Auch im Bericht E, Seite 60, wird unter Berufung auf ein Länderinformationsseminar des UNHCR ausgeführt, dass Geheimgesellschaften keinen Wert auf unwillige Mitglieder legen, Sanktionen für den Fall des Nichtbeitritts nicht bestehen und strenge Nachfolgeregelungen für Erstgeborene ebenfalls nicht bestehen.

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

 

A. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer5 aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element dieses Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Unter Verfolgung ist eine Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in diesen Staat zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, nämlich Verfolgung und drohende Ermordung durch Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft wegen der Weigerung nach dem Tod des Vaters dessen Position einzunehmen, nicht glaubhaft machen konnte.

 

Demnach war der Berufung (nunmehr Beschwerde) hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages der Erfolg zu versagen.

 

B. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspaketes BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG( das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regeklungshalte beider Vorschriften (§ 58 FrG und ¿§ 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG(, es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § Abs. 1 AsylG iVm 3 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung durch den Herkunftsstaat Nigeria im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG vor. Der Beschwerdeführer konnte die vorgebrachten Fluchtgründe (Verfolgung durch die Ogboni-Geheimgesellschaft wegen der Weigerung beizutreten) nicht glaubhaft machen.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 Abs. 1 FPG unzulässig machen könnten. Zu verweisen ist diesbezüglich auch auf die Feststellung, wonach in Nigeria keine Bürgerkriegssituation herrscht, es vielmehr nur zu örtlich und zeitlich begrenzten Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen kommt und die Staatsgewalt funktionsfähig ist. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass die religiös oder ethnisch bedingten Unruhen zeitlich und lokal auf einzelne Städte Nigerias begrenzt sind. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen könnte. Da die Grundversorgung mit Lebensmitteln im städtischen Bereich im Allgemeinen gewährleistet ist, besteht auch kein sonstiger Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtlose Situation geraten könnte. Anzumerken ist im übrigen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich unrichtige Angaben macht und seine Angaben zum Herkunftsort und zur Wohnadresse auf Grund mangelnder Mitwirkung völlig unbestimmt und nicht überprüfbar sind.

 

Die Berufung (nunmehr Beschwerde) erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria als nicht berechtigt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 war dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Identität, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
04.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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