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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §245 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des (der) RE in B, SE in F, VE in B, und XE in F, sämtliche vertreten durch Dr. Harald Humer, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Stadtplatz 26, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 15. Februar 1999, RV223/1-7/98, betreffend Erklärung der Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Ausgehend von einer im Betriebsprüfungsverfahren gewonnenen Annahme, dass die Beschwerdeführer Personentransporte durchführten, erließ das Finanzamt am 28. April 1998 Bescheide gemäß § 188 BAO über die Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1996 und 1997 und Umsatzsteuer für das Jahr 1997. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Dieser zufolge werde "der Bescheid vom 28.4.1998" dem gesamten Inhalt nach angefochten; es würden die Anträge auf Vorlage an die Berufungsbehörde, Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Aussetzung der Einhebung gestellt; und es werde der materielle Berufungsinhalt nachgereicht, weil ausländische Urkunden im gegenständlichen Berufungsverfahren von wesentlicher Bedeutung seien. Am 12. Juni 1998 trug das Finanzamt den Beschwerdeführern eine Mängelbehebung des Umfangs auf, dass 1. die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden, 2. die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und 3. eine Begründung nachzuholen seien. Dafür wurde eine Frist bis 1. Juli 1998 gesetzt.
Am 1. Juli 1998 langte ein Fristerstreckungsantrag der Beschwerdeführer mit dem Inhalt ein, dass infolge der Bürgerkriegsereignisse im Kosovo die Beschaffung von Urkunden schwierig sei und der Ordnung halber darauf verwiesen werde, dass sich die Berufung gegen "sämtliche bescheidmäßigen Feststellungen" vom 28. April 1998 richte. Im Mängelbehebungsauftrag sei nur "Umsatzsteuer 1997, Bescheid über die Feststellung der Einkünfte 1997" im Betreff genannt, der Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1996 hingegen nicht gesondert angeführt. Auf Grund dieses Antrages erstreckte das Finanzamt die Frist zur Mängelbehebung (ausdrücklich: für die Berufung vom 4. Juni 1998 gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 sowie gegen die Bescheide über die Feststellung der Einkünfte 1996 und 1997) bis zum 31. Juli 1998.
Am 30. Juli 1998 langte ein (weiterer) Fristerstreckungsantrag vom 29. Juli 1998 ein, in dem wieder auf den Bürgerkrieg im Kosovo verwiesen und Folgendes festgehalten wurde:
"Der Schriftenverfasser hat bereits mit Schreiben vom 4.5.1998, gerichtet an das Finanzamt Grieskirchen Unterlagen vorgelegt, die beweisen sollen, dass die Berufungswerber keiner selbständigen Tätigkeit nachgehen bzw. nachgegangen sind, sondern dass die Firma 'El-Tours' als der tatsächliche gewerbliche Reiseveranstalter mit Sitz im Kosovo aufgetreten ist und die Berufungswerber ausschließlich im Namen der Firma 'EL-Tours' bei Busfahrten das Fahrtentgelt für 'EL-Tours' auf Rechnung von 'EL-Tours' vereinnahmt haben."
Mit Bescheid vom 4. August 1998 wies das Finanzamt den Fristverlängerungsantrag ab. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 6. August 1998 zugestellt, an welchem Tag eine "Ausführung der Berufung" zur Post gegeben wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 1999 stellte die belangte Behörde fest, dass die Berufung vom 4. Juni 1998 gegen die genannten Bescheide vom 28. April 1998 gemäß § 275 iVm §§ 279 Abs. 1 und 282 Abs. 1 und 2 BAO als zurückgenommen gelte. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass einem Verlängerungsantrag keine fristhemmende Wirkung zukomme und solche Anträge auch nach erfolgter Mängelbehebung abgewiesen werden könnten. Die Abweisung des Fristverlängerungsansuchens erscheine angebracht, weil es zur Mängelbehebung keinesfalls der Beibringung von Urkunden aus dem Kosovo bedürfe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss die Berufung a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, und d) eine Begründung enthalten.
Gemäß § 275 BAO ist, wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen entspricht, die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Der Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes bezog sich auf die Berufungserfordernisse des § 250 Abs. 1 lit. b, c und d BAO.
In der Beschwerde wird u.a. darauf verwiesen, dass der Fristerstreckungsantrag "materiell-rechtliche Ausführungen zur Berufung" enthalten habe. Damit zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Da mit der Berufung der "Bescheid vom 28. April 1998 ... seinem gesamten Inhalte nach" angefochten wurde und die Beschwerdeführer im Fristerstreckungsantrag vom 1. Juli 1998 nochmals darauf verwiesen haben, dass sich die Berufung nicht nur wie im Mängelbehebungsauftrag angeführt gegen die Vorschreibung der Umsatzsteuer 1997 und die Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1997, sondern auch gegen die Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1996 richtet, kann kein Zweifel am Anfechtungsgegenstand bestehen.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist dem Vorbringen der Beschwerdeführer aber auch die Erklärung zu entnehmen, welche Änderungen beantragt werden. Durch das im § 250 Abs. 1 lit. c BAO vorgesehene Erfordernis der Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzt werden, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Berufungswerber dem Bescheid zuschreiben will. Hiebei kommt es (hier wie bei Anbringen ganz allgemein) nicht auf förmliche Bezeichnungen und verbale äußere Formen der Parteienerklärungen an, sondern auf den Inhalt, also auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes. Der Berufungsantrag muss jedenfalls bestimmten, zumindest aber bestimmbaren Inhaltes sein (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, Seite 2574, mit Hinweis auf die hg. Rechtsprechung).
Im Fristerstreckungsantrag vom 29. Juli 1998 - dessen Inhalt nicht unberücksichtigt bleiben darf, weil er innerhalb der Mängelbehebungsfrist eingereicht worden ist - verwiesen die Beschwerdeführer (wie dargelegt) darauf, dass sie keiner selbständigen Tätigkeit nachgehen bzw. nachgegangen seien. Bei verständiger Würdigung dieses Vorbringens kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie daher nicht mit den steuerlichen Folgen von Einkünften aus Gewerbebetrieb und mit Umsatzsteuer aus einer gewerblichen Tätigkeit belastet werden wollen. Da dieses Ziel nur mit einer ersatzlosen Behebung der in Berufung gezogenen Steuerbescheide erreicht werden kann, ist aus der genannten Erklärung (gerade noch) ein Berufungsbegehren ableitbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, 93/15/0137).
In einer Berufungsbegründung muss erkennbar sein, was die Partei anstrebt und "womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt" (vgl. Stoll, aaO, Seite 2575, mwN). Von einem gänzlichen Fehlen einer Begründung ist erst dann auszugehen, wenn eine Berufung keine Hinweise darauf enthält und keine Ansatzpunkte dafür erkennen lässt, worin die Unrichtigkeiten des bekämpften Bescheides gelegen sein sollen (Stoll, aaO, Seite 2576). Dem Fehlen einer Begründung ist nicht gleichzuhalten, dass eine Begründung allenfalls unschlüssig oder inhaltlich unzutreffend ist (Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 17 zu § 250, mit Hinweisen auf hg. Rechtsprechung). Dem bereits genannten Schriftsatz vom 29. Juli 1998 ist die Behauptung der Beschwerdeführer zu entnehmen, dass sie keiner selbständigen Tätigkeit nachgegangen seien, sondern lediglich bei Busfahrten das Fahrtentgelt auf Rechnung des Reiseveranstalters vereinnahmt hätten. Dieses Vorbringen stellt eine Berufungsbegründung dar, wobei - dies sei nochmals erwähnt - die Erfolgsaussichten einer derartigen Berufung nicht zu prüfen sind.
Da somit der Berufungspunkt (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO) klar dargestellt wurde und die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO) und die Berufungsbegründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO) in zumindest erschließbarer Weise nachgebracht wurden, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem die Berufung als zurückgenommen erklärt wurde, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Bestimmungen über den Aufwandersatz einen Streitgenossenzuschlag nicht vorsehen. Die Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag bereits enthalten.
Wien, am 23. April 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999140104.X00Im RIS seit
26.09.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013