B2 230.957-13/2008/27E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. MAGELE als Einzelrichter über die Beschwerde des C.H., geb. 00.00.1962, StA.:
Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2004, FZ. 03 28.484-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.04.2008 und am 18.06.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde von C.H. vom 25.10.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2004, Zahl: 03 28.484-BAI wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, ist am 27.04.2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 29.04.2002 beim Bundesasylamt einen Antrag gemäß § 3 AsylG eingebracht. Daraufhin wurde er am 09.08.2002 vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die türkische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich befragt.
Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 14.08.2002, Zahl: 02 11.237-BAI, in seinen wesentlichen Teilen zusammengefasst wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben wird.
2. Das Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, hat mit Bescheid vom 14.08.2002, Zahl: 02 11.237-BAI, den Antrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die Türkei gemäß § 8 AsylG zulässig ist.
3. Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht berufen und vorgebracht, dass die angeblichen Widersprüche in seinen Angaben das Ergebnis von Sprachschwierigkeiten, Übersetzungsfehlern, interkulturellen oder psychologischen Kommunikationsproblemen bzw. schlichten Missverständnissen seien. Außerdem führte er aus, dass er im November 2000 mit einem Gewehrkolben geschlagen und mit einem Bajonett oberhalb seines linken Knies verletzt worden sei. Auch verwies er nochmals auf den aufrechten Haftbefehl und darauf, dass er sich in der Türkei nur deshalb solange unbehelligt aufhalten habe können, da er sich versteckt bzw. mehrmals seinen Aufenthalt gewechselt hätte.
4. Da die Berufung vom Asylwerber nicht unterschrieben war, wurde dieser mit Schreiben vom 20.09.2002 vom Unabhängigen Bundesasylsenat im Sinne des § 13 Abs. 4 AVG aufgefordert, binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens die Berufung eigenhändig unterschrieben wieder zu retournieren.
5. Da die aufgetragene Unterschrift binnen gesetzlicher Frist nicht vorgelegt wurde, stellte der Unabhängige Bundesasylsenat das anhängige Berufungsverfahren mit Aktenvermerk vom 26.06.2003 ein.
6. Mit einem am 05.11.2003 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Asylwerber mit der Begründung, er habe dem Auftrag zur Unterfertigung seiner Berufung entsprochen und die unterschriebene Berufung sei dem Bundesasylamt innerhalb der einwöchigen Frist zugekommen, von diesem aber rechtswidriger Weise nicht an den Unabhängigen Bundesasylsenat weitergeleitet worden, sowohl einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens als auch (in eventu) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
7. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies den Wiedereinsetzungsantrag mit Bescheid vom 08.09.2004, Zahl: 230.957/11-XIV/16/04, gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab und den Fortsetzungsantrag mit Bescheid vom 09.09.2004, Zahl: 230.957/12-XIV/16/04, gemäß § 13 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.
8. Am 19.09.2003 brachte der nunmehrige Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag ein und wurde dieser mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2004, Zahl: 03 28.484-BAI, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
9. Dagegen hat der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.
10. Am 21.04.2005 entschied der Verwaltungsgerichtshof über die am 03.12.2004 bei ihm eingelangte Beschwerde des Berufungswerbers gegen die Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.09.2004 sowie vom 09.09.2004. Mit Erkenntnis vom 21.04.2005, Zahl:
2004/20/0435, 0436-6, hob der Verwaltungsgerichtshof die beiden angefochtenen Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.09.2004 sowie vom 09.09.2004, Zahlen: 230.957/11-XIV/16/04 und 230.957/12-XIV/16/04, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, weshalb das gegenständliche Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat wieder im Stande der Berufung anhängig war.
11. Am 16.04.2008 sowie am 18.06.2008 führte der Unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine rechtsfreundliche Vertreterin sowie der Ländersachverständige für die Türkei, O.M., teilgenommen haben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
2.1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
2.2. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 01. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 01. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
2.3. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl.
I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden.
2.4. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als
unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 30.10.1991, Zl. 91/09/0069; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
Im gegenständlichen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.04.2005, Zahl: 2004/20/0435, 0436-6, die angefochtenen Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.09.2004 sowie vom 09.09.2004, Zahlen: 230.957/11-XIV/16/04 und 230.957/12-XIV/16/04, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weshalb das gegenständliche Asylverfahren wieder beim Asylgerichtshof anhängig ist.
Folglich ist die Rechtsansicht der Erstbehörde, dass bereits ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorliegt, und sohin der zweite Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, nicht zu folgen.
Da, wie oben festgestellt, das erste Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann im vorliegenden Fall auch keine entschiedene Sache iSd § 68 AVG vorliegen, weshalb der gegenständlichen Beschwerde stattzugeben war und der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben ist.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.