D2 309283-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Feßl als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stracker als Beisitzer über die Beschwerde der mj. M.M., geb. 00.00.1997, StA. d. Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.01.2007, FZ. 05 16.295-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
Der Vater der (nunmehrigen) minderjährigen Beschwerdeführerin, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste zusammen mit seinen Angehörigen am 03.10.2005 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte gemeinsam mit der Mutter der Beschwerdeführerin und den drei Töchtern am selben Tag einen Antrag auf die Gewährung von Asyl.
Das Bundesasylamt trat in die inhaltliche Behandlung dieses Asylantrages ein und brachte der Vater der Beschwerdeführerin in den vor dem Bundesasylamt durchgeführten Einvernahmen - kurz zusammengefasst - folgenden Sachverhalt vor:
Er habe am 10.06.2005 gemeinsam mit seiner Familie seine Heimatadresse verlassen. Über Teraspol seien sie am 13.06.2005 illegal in Polen eingereist, wo sie ca. 40 Tage im Lager Chervoni Bor aufhältig gewesen seien und auch um Asyl angesucht hätten. Im Juli 2005 seien sie dann illegal nach Deutschland gereist und zehn Tage später mit der Bahn und der Fähre nach Schweden gefahren, wo sie am 04.08.2005 um Asyl angesucht hätten. Da sie die schwedischen Behörden, so wie zuvor schon die deutschen Behörden, nach Polen abschieben hätten wollen, seien sie illegal per Bahn und Pkw über Dänemark und Deutschland nach Österreich gereist, wo sie dann am 03.10.2005 angekommen seien. Sein Heimatland habe er verlassen, weil er wegen seiner tschetschenischen Abstammung verdächtigt worden sei, tschetschenischen Kämpfern geholfen zu haben. Dies deshalb, weil sich im Jahr 1999 B.S. bei ihm aufgehalten habe. Gemeinsam mit der örtlichen Polizei sei er von russischen Soldaten drei Mal angehalten worden. Dabei sei ihm vorgeworfen worden, dass er ein Helfer der Terroristen und des B.S. sei. Er sei zur Polizeiabteilung und dort in den Keller gebracht worden, wo man ihn aufgefordert habe, den Aufenthaltsort der Rebellen bekannt zu geben. Im Jahr 1999 sei er für eine Woche, im Mai 2004 für zehn Tage und im März 2005 für drei Tage angehalten worden, wobei man ihn bei der ersten und bei der zweiten Anhaltung auch geschlagen habe. Für seine Freilassung sei jedes Mal Geld bezahlt worden. Zuletzt sei er nach drei Tagen von seinen Eltern freigekauft worden. Nachdem er sein Haus verkauft habe, sei er geflüchtet, wobei der Zug, mit dem er gefahren sei, ca. 150 km vor Moskau einem Sprengstoffattentat zum Opfer gefallen wäre. Er habe fünf umgekippte Waggons gesehen, sein Waggon sei aber nicht getroffen worden, jedoch habe die Ehegattin dabei einen Schock erlitten. Bei einer Rückkehr würde er befürchten, dass man ihn verschwinden lassen würde.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 10.01.2007 den Asylantrag des Vaters der Beschwerdeführerin in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 ab; in Spruchteil II stellte es fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 zulässig ist und wies ihn gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde dazu aus, dass das Vorbringen des Antragstellers unglaubwürdig sei und dass daher auch keine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen könne.
Gegen diesen am 11.01.2007 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 24.01.2006 [richtig wohl: 2007] fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) erhoben.
Die nunmehrige mj. Beschwerdeführerin ist die Tochter des oben angeführten Beschwerdeführers und ist mit diesem gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich eingereist. Der gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerin beantragte am 03.10.2005 die Gewährung von Asyl, unter dem Hinweis, dass diese an epileptischen Anfällen leide und dass für diese keine eigenen Fluchtgründe vorliegen würden (AS 81).
Mit dem nunmehr angefochten Bescheid wurde der Antrag gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation verfügt.
Mit der fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) wird die Asylgewährung beantragt, dies im Wesentlichen unter Hinweis darauf, dass auf das Vorbringen des Vaters der Beschwerdeführerin und auf die in einzelnen Landesteilen Tschetscheniens fortdauernde Bürgerkriegssituation und die allgemeine Menschenrechtssituation verwiesen werde.
Der Asylgerichtshof hat über die nunmehr entscheidungsgegenständliche Beschwerde der M.M. erwogen wie folgt:
Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (in der Folge: AsylG 1997) zu Ende zu führen, wobei die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr.101/2003 gilt. Danach werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 126/2002 geführt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.
Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Die Asylgewährung wurde vom Bundesasylamt hinsichtlich der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass eine Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht vorliege. Da sich die Verfolgungsbehauptungen letztlich nur auf den Vater beziehen und den Verfolgungsbehauptungen des Vaters vom Bundesasylamt kein Glaube geschenkt wurde, kann dieser Argumentation im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.
Das Bundesasylamt ist demnach zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin in eigener Person die Voraussetzungen der Asylgewährung (§ 7 AsylG iVm Art. 1 Abschn. A Z 2 der GFK) nicht erfüllt.
Doch hat der zuständige Senat des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis vom 22.10.2008, GZ. D2 309287-1/2008/6E, den Bescheid des Vaters der nunmehrigen Beschwerdeführerin behoben und gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Da es sich im vorliegenden Fall um ein sog. Familienverfahren im Sinne von § 10 AsylG idF BGBl I 101/2003 handelt, in welchem hinsichtlich aller Familienangehörigen (im Sinne von § 1 Z 6 AsylG) einheitliche Entscheidungen zu treffen sind, war auch der die mj. Tochter betreffende Bescheid zu beheben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.