TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/24 C7 312049-1/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2008
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Spruch

C7 312049-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Filzwieser-Hat als Vorsitzende und den Richter Mag. Felseisen als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde der L.J., geb. 00.00.1968, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2007, FZ. 06 07.922-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBL I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste im Mai 2004 unter Umgehung der Grenzbestimmungen in die Bundesrepublik Österreich ein und stellte am 28.07.2006 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme durch die BPD Wien am selben Tag brachte die Beschwerdeführerin zu ihren Asylgründen vor, dass sie in China eine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten habe, da sie dort eine Auseinandersetzung mit einer Frau gehabt habe, welche böse ausgegangen sei. Genaueres wolle sie dazu nicht angeben.

 

In der auch am gleichen Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Fluchtgründe an, dass sie aus Wut gegen einen Besitzer einer Baufirma dessen Wohnhaus in Brand gesteckt habe und im Zuge dieser Brandstiftung eine ältere Frau ums Leben gekommen sei.

 

In einer am 25.10.2006 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie seit 1992 einfaches Mitglied der Falun Gong-Bewegung sei und das Amt für öffentliche Sicherheit nach ihr fahnde. Anfang 2004 hätte sie gemeinsam mit anderen Falun Gong-Mitgliedern Propagandablätter gedruckt und sie seien zur Stadtregierung von Fengcheng gegangen, um dort mit Transparenten zu demonstrieren. Daraufhin seien einige der Teilnehmer verhaftet worden und die Beschwerdeführerin sei geflohen.

 

In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.03.2007 wurde die Beschwerdeführerin genauer hinsichtlich ihrer behaupteten Falun Gong-Mitgliedschaft befragt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status der subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat nicht zuerkannt. In Spruchpunkt III wurde sie gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach China ausgewiesen.

 

Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben (u.a. AA, Oktober 2006; UK Home Office, Country of Origin Report China, August 2006 sowie Operational Guidance Note, November 2006; Asylbericht ÖB, September 2006; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, September 2006) zur allgemeinen Lage in China. Die Aussagen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen wurden als nicht glaubwürdig gewertet (Seiten 35 bis 36 des Erstbescheides): Sie habe bei ihrer Erstbefragung und bei ihren beiden Einvernahmen vor dem Bundesasylamt jeweils verschiedene Fluchtgründe genannt und somit könne nicht von einer persönlichen Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Weiters habe die Beschwerdeführerin keinerlei Grundkenntnisse über Falun Gong, weshalb das Vorbringen schon allein aus diesem Grund nicht glaubhaft sei.

 

Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass aufgrund der mangelnden Glaubhaftmachung der Fluchtgründe auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG 2005 ausgegangen werden könne.

 

Zu Spruchpunkt III legte die Erstbehörde dar, dass die Beschwerdeführerin über keine familiären Beziehungen in Österreich verfügt und auch sonst keine Umstände ersichtlich sind vorliegen, welche gegen eine Ausweisung der Beschwerdeführerin sprechen würden.

 

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde).

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

II. Über diese Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:

 

1. Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es hat insgesamt zwei Einvernahmen der Beschwerdeführerin durchgeführt und sie konkret und ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes, insbesondere in Bezug auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Vorbringens, keine konkreten Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen der Beschwerdeinstanz geboten hätte. So beschränken sich der Beschwerdeschriftsatz und die Stellungnahme zur Verfahrensanordnung vom 30.05.2007 auf allgemeine Erwägungen zur Genfer Flüchtlingskonvention und zur Menschenrechtslage in China sowie auf eine kursorische Wiederholung des Fluchtvorbringens, welche nicht vermögen, die schlüssige Beweiswürdigung der Erstbehörde gesamthaft in Zweifel zu ziehen und eine nochmalige Erörterung erforderlich erscheinen zu lassen. Der Sachverhalt stellt sich somit auch unter Berücksichtigung des Beschwerdeschriftsatzes weiterhin als geklärt dar. Ferner sind nach Ansicht des Asylgerichtshofs die von der Erstbehörde getroffenen Länderfeststellungen für den konkreten Fall, insbesondere im Hinblick auf die schlüssig begründete mangelnde Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens, ausreichend.

 

3. Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Fluchtgrund nicht glaubhaft ist, dies zum einen aufgrund der widersprüchlichen Darstellung der Fluchtgründe in den einzelnen Befragungen und Einvernahmen. Erst in der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt erwähnte die Beschwerdeführerin ihre Falun Gong-Mitgliedschaft, wobei sie in ihrer Befragung vor der BPD Wien dezidiert jede politische Verfolgung ausgeschlossen hat. Auf die unterschiedlichen Angaben in ihren Einvernahmen aufmerksam gemacht, brachte die Beschwerdeführerin lediglich vor, dass sie immer das Gleiche und auch immer die Wahrheit gesagt habe, wodurch sie die Widersprüche jedoch keineswegs aufklären konnte.

 

Zum anderen schließt sich der Asylgerichtshof den Ausführungen des Bundesasylamtes, wonach das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft bei der Falun Gong-Bewegung aufgrund ihrer gravierenden Wissenslücken über Falun Gong schon allein aus diesem Grund nicht glaubwürdig ist, an. So ist es nicht plausibel, dass die Beschwerdeführerin, welche ihren Angaben nach von 1992 bis zu ihrer Ausreise im März 2004, also ca. 12 Jahre lang, Mitglied der Falun Gong Bewegung gewesen sein soll und regelmäßig Falun Gong praktiziert haben will, nicht einmal über Basiswissen zu Falun Gong verfügt und konkret weder die Grundübungen nennen noch das Symbol von Falun Gong darstellen konnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin niemals mit Falun Gong in der geschilderten Art und Weise in Berührung gekommen ist und daher auch keiner Verfolgung durch die Polizei ausgesetzt war bzw. keine Verfolgung durch die Behörden droht.

 

Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass Falun Gong Anhängern Verfolgung in China drohen kann, und geht dies auch aus den der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichten hervor, jedoch wurde im konkreten Fall dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer angeblichen Nähe zu Falun Gong, wie eben ausgeführt, die Glaubwürdigkeit versagt.

 

Schließlich tritt noch hinzu, dass sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz schon über zwei Jahre illegal in Österreich aufgehalten hat und den Antrag erst aus dem Stande der Schubhaft eingebracht hat.

 

4. Auch die Erwägungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II. sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführerin eine Existenzsicherung in China nicht möglich und zumutbar sein sollte, wie es ihr auch vor ihrer Ausreise möglich war. Gegenteiliges konnte die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft darlegen und kann auch von Amts wegen nicht davon ausgegangen werden, lassen doch die Länderberichte keinesfalls den Schluss zu, dass Staatsangehörigen der Volksrepublik China generell in China die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die Beschwerdeführerin hat gemäß eigenen Angaben 11 Jahre die Schule besucht und etwa 5 Jahre in einer Papierfabrik gearbeitet. Auch verfügt sie durch ihre Familienangehörigen (Eltern, Kind, Geschwister) über ein soziales Netz in China. Zudem hat sie selbst angegeben und wird diese Aussage nicht in Zweifel gezogen, dass sie schon vor ihrer Ausreise von ihren Eltern unterstützt wurde.

 

Was die behaupteten gesundheitlichen Probleme anbelangt, so wurden diese lediglich zu Beginn der ersten Einvernahme vage in den Raum gestellt und später weder im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht bzw. näher konkretisiert; auch wurden diesbezüglich - abgesehen von einer ärztlichen Bestätigung über Schmerzen in der linken Lendenwirbelsäule als Entschuldigung für die Nichtteilnahme an der erstinstanzlichen Einvernahme vom 03.10.2006 - keine medizinischen Befunde oder sonstige Bescheinigungsmittel vorgelegt. Aus der Schubhaft wurde die Beschwerdeführerin wegen eines Hungerstreiks entlassen.

 

Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität der Beschwerdeführerin sind im Asylverfahren somit nicht hervorgekommen.

 

5. Dass sich seit der Erlassung des Erstbescheides in China allgemein eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden und stellt sich die Lage in China seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage, u.a. durch Einschau in die Folgeberichte des AA (zuletzt Februar 2008) und des UK Home Office (zuletzt Juni 2008), - im Interesse der Beschwerdeführerin - versichert hat.

 

6. Ebenso ist die Ausweisungsentscheidung in Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides zu bestätigen. Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. Ihre Familie lebt in China. Eine nähere Prüfung des Privatlebens der Beschwerdeführerin als Asylwerberin ist nach der jüngsten EGMR Judikatur in der Regel nicht erforderlich, da das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher zu bewerten ist und die Ausweisung keinen unverhältnismäßigen Eingriff begründen kann (vgl. zur Interessensabwägung zwischen Privatleben und öffentlichem Interesse EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06). Selbst bei Prüfung des Vorliegens eines Privatlebens im Sinne der bisherigen Judikatur der österreichischen Höchstgerichte (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07, VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07) würde nach Ansicht des Asylgerichtshofes die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung im vorliegenden Fall zu Lasten der Beschwerdeführerin ausfallen. Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich, lebte hier zwei Jahre illegal und stellte dann in der Schubhaft einen unbegründeten Asylantrag mit einer unrichtigen Verfolgungsbehauptung. Hinweise auf eine außergewöhnliche schützenswerte Integration in Österreich sind nicht erkennbar, dies selbst unter Berücksichtigung einer zum Entscheidungszeitpunkt mehr als vierjährigen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin, in welcher sie aber niemals einen anderen als einen vorübergehenden, asylrechtlichen Aufenthaltstitel hatte und davon überdies zwei Jahre lang illegal im Bundesgebiet aufhältig war. Zudem wurde gegen die Beschwerdeführerin am 28.07.2006 von der Fremdenpolizei ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot wegen Schwarzarbeit erlassen, welches am 28.07.2006 auch in Rechtskraft erwuchs.

 

7. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
04.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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