TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/24 S8 402103-1/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2008
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Spruch

S8 402.103-1/2008/3E

 

S8 402.104-1/2008/3E

 

S8 402.105-1/2008/3E

 

S8 402.106-1/2008/3E

 

S8 402.107-1/2008/3E

 

S8 402.108-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde

 

1. des T.I., geb. 00.00.1973,

 

2. der K.V., geb. 00.00.1977,

 

3. des mj. T.A., geb. 00.00.1995,

 

4. des mj. T.H., geb. 00.00.1997,

 

5. des mj. T.L., geb. 00.00.1998,

 

6. des mj. T.S., geb. 00.00.2005,

 

alle StA. Russische Föderation, 3. bis 6. gesetzlich vertreten durch K.V., alle p. A. European Homecare, Betreuungsstelle Traiskirchen in 2514 Traiskirchen, Otto Glöckelstraße 24, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes, Zahlen: 08 07.986-EAST Ost, 08.07.987-EAST Ost, 08 07.988-EAST Ost, 08 07.989-EAST Ost, 08 07.990-EAST Ost und 08 07.991-EAST Ost, jeweils vom 07.10.2008, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBL. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, ist Ende August 2008 gemeinsam mit seiner Ehegattin (Zweitbeschwerdeführerin) und seinen vier minderjährigen Söhnen (Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer) illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Sie haben jeweils am 01.09.2008 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.

 

2.1. Bei der Erstbefragung am 02.09.2008 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für Russisch gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe am 25.08.2008 mit seiner Familie N. mit dem Zug über Moskau nach Kiew verlassen. Die Grenze zu Europäischen Union hätten sie zu Fuß überschritten; er wisse allerdings nicht welches Land es gewesen sei. Sie seien per Autostopp mit dem PKW weiter nach Bratislava gefahren. Am 30.08.2008 seien sie wieder per Autostopp von Bratislava nach Österreich gefahren. Auf den Eurodac-Treffer in Polen hingewesen, meinte der Erstbeschwerdeführer, er sei nie in Polen gewesen und habe daher auch nie einen Asylantrag in Polen gestellt.

 

Der Erstbeschwerdeführer gab an, er habe eine Blutfehde mit islamischen Fundamentalisten. Er habe Polizisten befördert, welche Operationen gegen Personen, die von der Behörde gesucht werden würden, durchgeführt hätten. Dies habe sich am 00.00.2008 zugetragen; seit dieser Zeit würden täglich Polizisten von den Fundamentalisten umgebracht werden. Deshalb sei er mehrmals von den Terroristen angerufen und telefonisch bedroht worden, unter anderem, dass sie seine Kinder umbringen würden. Der Polizei habe er das jedoch nicht gemeldet.

 

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Befragung am 02.09.2008 an, sie seien mit dem Zug über Moskau nach Kiew gereist. Sie seien von dort mit einem LKW auf der Ladefläche nach Bratislava gefahren; wann sie dort angekommen seien, wisse sie nicht mehr. Von dort seien sie weiter mit einem PKW nach Wien gereist.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie alle Angst vor einer Blutrache hätten, da ihr Mann als Fahrer bei der Polizei gearbeitet habe.

 

3. Am 04.09.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage der Eurodac-Treffer ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß § 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige polnische Behörde für alle sechs Beschwerdeführer. Am 09.09.2008 wurde den Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass mit Polen Konsultationen nach der Dublin-Verordnung geführt werden und aus diesem Grund die im § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 normierte 20-Tagesfrist nicht gelte; es sei beabsichtigt, ihre Asylanträge wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Am 11.09.2008 (bzw. 12.09.2008 bzgl. der Zweitbeschwerdeführerin bis Sechstbeschwerdeführer) langte ein Schreiben der polnischen Behörde vom 10.09.2008 (bzw. 11.09.2008) beim Bundesasylamt ein, worin die Zuständigkeit Polens gemäß § 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung für alle sechs Beschwerdeführer bestätigt wurde.

 

4. Am 11.09.2008 fand eine Untersuchung in der EAST-Ost des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin statt und übermittelte Dr. H. auf der Grundlage dieser Untersuchung am 12.09.2008 eine Gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren.

 

Die Ärztin kam zu dem Schluss, dass sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störungen leiden würden. Eine Überstellung nach Polen sei allerdings nicht unzumutbar und würde keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken.

 

Der Erstbeschwerdeführer leide an einer Angststörung, die auf dem Boden einer realen Gefahr entstanden sein dürfte. Für eine posttraumatische Belastungsstörung würden keine sicheren Hinweise bestehen; die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung würden fehlen.

 

Bei der Zweitbeschwerdeführerin sei eine Neurasthenie zu diagnostizieren, weil im Vordergrund die Müdigkeit und Erschöpftheit neben der Unfähigkeit sich zu entspannen und den Schlafstörungen stehen würden, F.48.0. Für eine posttraumatische Belastungsstörung würden keine Anhaltspunkte bestehen; keine Gewalt am eigenen Leib explorierbar. Es würden keine Hinweise auf eine Vernachlässigung der eigenen Interessen oder auf Suizidgefährdung bestehen.

 

5. Am 24.09.2008 wurden der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters und eines geeigneten Dolmetschers für Russische jeweils getrennt niederschriftlich einvernommen. Sie gaben dabei im Wesentlichen an, dass sie körperlich und geistig in der Lage seien, die Einvernahme durchzuführen.

 

Der Erstbeschwerdeführer gab im Wesentlichen zusammengefasst an, es würden keine Verwandten in Österreich oder in der Europäischen Union leben. Seine Schwiegermutter lebe in Österreich. Er habe im Rahmen der Erstbefragung nicht angegeben, in Polen gewesen zu sein, weil er Angst gehabt habe, nach Polen zurückgeschoben zu werden. Nachgefragt gab er an, dass er mit seiner Familie etwas mehr als zehn Tage in Polen gewesen sei. Sie hätten sich in einer Privatwohnung aufgehalten. Sie hätten Polen verlassen, weil viele Inguschen in Polen gewesen seien. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass beabsichtigt sei, seine Ausweisung nach Polen zu veranlassen, gab der Erstbeschwerdeführer an, sein Asylantrag solle in Österreich behandelt werden. Für die Kinder sei es in Österreich auch besser und könne ihre Großmutter auf sie aufpassen.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, ihre Mutter und ihre zwei Halbbrüder würden seit 2003 in Österreich leben. Bis zu ihrem 18. Geburtstag habe sie mit ihnen in gemeinsamen Haushalt gelebt; dann habe sie geheiratet und sei zu ihrem Ehegatten nach Inguschetien gezogen. Sie habe sie jede Woche besucht. 2000 sei ihre Mutter vorübergehend nach N. gezogen. Sie sei wieder nach Tschetschenien zurückgefahren. Da ich Haus zerstört worden sei, sei sie wieder zurückgekommen. Seit ihre Mutter in Österreich sei, hätten sie ein- bis zweimal pro Woche telefonischen Kontakt. Zur geplanten Ausweisung nach Polen brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, sie wolle hier bleiben. Sie fühle sich in Österreich sicher; ihre Mutter lebe hier und könne ihr helfen. Ihre Angaben würden auch für ihre minderjährigen Kinder gelten; ihre Kinder hätten außerdem keine eigenen Gründe.

 

6. Mit den beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheiden hat das Bundesasylamt jeweils die Asylanträge aller sechs Beschwerdeführer ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Polen zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurden die Beschwerdeführer jeweils aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aller Beschwerdeführer nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren und zur Versorgung von Flüchtlingen. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese konkret Gefahr liefen, in Polen verfolgt zu werden. Es drohe den Beschwerdeführer jeweils keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte; ein Selbsteintritt Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung sei daher jeweils nicht geboten.

 

7. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Asylgerichtshof und brachten im Wesentlichen vor, dass eine Ausweisung nach Polen sowohl Art. 3 als auch Art. 8 EMRK verletzen würde.

 

Die Mutter und die Halbbrüder der Zweitbeschwerdeführerin würden in Österreich leben. Eine Ausweisung nach Polen greife daher in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familien- und Privatleben ein. Sie sei vor dem Bundesasylamt auch nicht hinsichtlich einer möglichen Gefährdung ihres Privat- und Familienlebens befragt worden und habe sich die Befragung lediglich auf den Kontakt zu ihrer Mutter in den letzten Jahren beschränkt.

 

Sowohl beim Erst- als auch bei der Zweitbeschwerdeführerin sei eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung diagnostiziert worden. Sie würden beiden unter Depressionen leiden. Auch die minderjährigen Kinder würden unter diesen Krankheiten leiden und müssten dringend behandelt werden. Daher benötige man auch die persönliche Unterstützung und den Rückhalt der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin.

 

Die minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin haben keine darüber hinausgehenden Beschwerdegründe geltend gemacht.

 

8. Am 22.10.2008 langte beim Asylgerichtshof eine Nachreichung zur Beschwerdevorlage ein, in welcher eine weitere Beschwerde im Wesentlichen mit demselben Inhalt der ersten Beschwerde nachgereicht wurde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Die Beschwerdeführer, alle Staatsangehörige der Russischen Föderation, haben ihr Heimatland verlassen, sind Ende August oder Anfang September 2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und haben am selben Tag die gegenständlichen Asylanträge gestellt.

 

In Österreich leben seit 2003 die Mutter und die zwei Halbbrüder der Zweitbeschwerdeführerin als anerkannte Flüchtlinge.

 

1.2. Polen hat sich mit Schreiben vom 10.09.2008 (bzw. 11.09.2008 bzgl. der Zweitbeschwerdeführerin bis Sechstbeschwerdeführer) gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich für die Wiederaufnahme der Beschwerdeführer für zuständig erklärt.

 

Die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG 2005 ist nicht anwendbar, weil den Beschwerdeführern das Führen von Konsultationen gemäß Dublin-Verordnung binnen Frist mitgeteilt wurde; es ist somit zu keinem Zuständigkeitsübergang an Österreich wegen Fristüberschreitung gekommen.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten des Bundesasylamtes, insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführer bei ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.09.2008, aus den ärztlichen Untersuchungen durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, aus den niederschriftlichen Einvernahmen der Beschwerdeführer vom 24.09.2008 sowie aus der Zuständigkeitserklärungen Polens vom 10.09.2008 bzw. 11.09.2008.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (in der Folge: AsylG 2005) ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

§ 5 Abs. 3 AsylG 2005 lautet:

 

"(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

 

Mit dieser Regelung wurde eine teilweise Beweislastumkehr geschaffen. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, ihr Beschwerdevorbringen zu untermauern (wobei dem auch durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949); dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung in dieser Bestimmung überhaupt für unbeachtlich zu erklären.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger (eine Person, die nicht Bürgerin oder Bürger der Europäischen Union ist) an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.2. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden entweder im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.

 

3.3. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass die Beschwerdeführer bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hatten und, dass Polen einer Übernahme der Beschwerdeführer auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung am 10.09.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.

 

Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.

 

3.4. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen.

 

3.4.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Der Verfassungsgerichtshof sprach - noch zur Vorläuferbestimmung im AsylG 1997 - in seinem Erkenntnis VfSlg 16.122/2001, aus, dass § 5 AsylG 1997 nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 leg.cit. vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG 1997 sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden (diese Ausführungen wurden mit VfSlg. 17.340/2004 auf das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung übertragen). Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an.

 

Der Verfassungsgerichtshof ergänzte mit VfSlg. 17.586/2005 zur oben wiedergegebene Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die "entsprechende Vergewisserung" nicht durch die Mitgliedstaaten, sondern durch die Organe der Europäischen Union, im konkreten Fall durch den Rat bei der Erlassung der Dublin-Verordnung erfolgt sei. Die einzelnen Mitgliedstaaten hätten daher nicht nachzuprüfen, ob ein anderer generell sicher ist. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (das einen Bescheid zur Zuständigkeit Italiens auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommen zum Gegenstand hatte) sowie in dem (bereits zur Dublin-Verordnung) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Zuständigkeitsverfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist. Dabei sei zu prüfen, ob eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiierte reale Gefahr ("real risk") besteht, dass ein aufgrund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz berechtigtem Schutzbegehren, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wurde ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (kurz: EGMR) muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).

 

3.4.1.1. Zur Behauptung einer möglichen Bedrohung der Beschwerdeführer:

 

Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihnen durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Vielmehr bezieht sich der Erstbeschwerdeführer bei seiner Kritik an Polen darauf, dass sich in Polen viele Inguschen aufhalten würden, ohne dass daraus eine konkrete individuelle Bedrohungssituation ableitbar wäre.

 

3.4.1.2. Zu möglichen Bedrohungen des Beschwerdeführers in Polen ist weiters auszuführen:

 

Polen ist ein Rechtstaat mit funktionierender Staatsgewalt. Die Beschwerdeführer können sich im Falle eventueller Übergriffe gegen ihre Person bzw. ihre Familie - welche im Übrigen in jedem Land möglich wären - an die polnischen Behörden wenden und von diesen Schutz erwarten. Die Beschwerdeführer wären daher allfälligen Übergriffen nicht schutzlos ausgeliefert. Sie haben es aber unterlassen, sich an die polnischen Behörden mit der Bitte um Schutz zu wenden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass sich die Beschwerdeführer nicht an die polnischen Behörden hätte wenden können bzw. dass die polnischen Behörden nicht willens oder nicht in der Lage gewesen wären, Schutz zu gewähren.

 

3.4.1.3. Zur mangelnden Gesundheitsversorgung der Beschwerdeführer:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und in diesem Fall das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-Verordnung zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07) und die dort wiedergegebene aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK zu verweisen. Zusammenfassend führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass sich aus den Entscheidungen des EGMR ergäbe, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96).

 

Die jüngste Rechtsprechung des EGMR (N. v. UK, 27.05.2008, Appl. 26.565/05) und Literaturmeinungen (Premissl, migraLex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die RL 2003/9/EG vom 27.1.2003 (die sogenannte Aufnahme-RL) umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Im vorliegenden Fall konnten der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände belegen, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist auf die gutachterlichen Stellungnahmen im Zulassungsverfahren des Bundesasylamtes zu verweisen, wonach zwar eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege, eine Überstellung allerdings nicht unzumutbar sei bzw. ein Überstellung keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin bewirke.

 

Wenn die Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerdeschrift darauf hinweisen, dass sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen leiden, ist ebenfalls auf die Judikatur des EGMR hinzuweisen.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Auch anhand der Judikatur des EGMR zu Krankheiten stellt eine Überstellung nach Polen keine Verletzung dar. Es ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die untersuchende Ärztin zweifelsfrei trotz der diagnostizierten psychischen Krankheiten der Beschwerdeführer eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführer bescheinigt.

 

Des Weiteren ist auf die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der medizinischen Versorgung in Polen (wie in vielen anderen Staaten) Verbesserungsbedarf gibt. Ein außergewöhnlicher komplexer Krankheitszustand, der möglicherweise im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erscheinen ließe (vgl. die Entscheidung des UBAS vom 09.07.2007, Zl. 308.595-3/2E-XV/53/07), liegt hier jedenfalls nicht vor. In der Beschwerdeschrift wurde den Feststellungen des Bundesasylamtes zur medizinischen Versorgung in Polen auch nicht entgegen getreten.

 

3.4.1.4. Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung dar.

 

3.4.2. Zur möglichen Verletzung nach Art. 8 EMRK

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayr ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im vorliegenden Fall leben die Mutter und zwei Halbbrüder der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich. Hierzu ist zunächst auszuführen, dass weder die Beziehung zwischen Geschwistern noch die Beziehung zwischen Mutter und volljähriger Tochter von der oben zitierten Judikatur des EGMR grundsätzliche umfasst wird. Es ist daher zu prüfen, ob die vom EGMR geforderte Beziehungsintensität im gegenständlichen Fall vorliegt. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Mutter und die Halbbrüder der Zweitbeschwerdeführerin bereits seit 2003 in Österreich leben, während die Familie der Zweitbeschwerdeführerin selbst erst seit circa zwei Monaten in Österreich aufhältig ist und mit den Verwandten der Zweitbeschwerdeführerin nicht in gemeinsamen Haushalt lebt (siehe GVS-Auszug). Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis ist der Aktenlage ebenfalls nicht zu entnehmen, zumal die Beschwerdeführer in der Grundversorgung erfasst werden und sohin alle elementaren Grundbedürfnisse durch staatliche Zuwendungen abgedeckt sind (siehe GVS-Auszug). Der Vollständigkeit halber ist überdies darauf hinzuweisen, dass die Zweitbeschwerdeführerin auch im Herkunftsstaat seit 1995 nicht mit ihrer Mutter oder Halbbrüdern in gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

 

3.4.3. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung aufgrund einer drohenden Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte besteht.

 

3.5. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich sind, da ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht nicht aktenkundig ist. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ersichtlich.

 

Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.6. Von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienbegriff, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, Lebensgrundlage, medizinische Versorgung, real risk, Rechtsschutzstandard, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
04.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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