TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/24 S5 402124-1/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2008
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Spruch

S5 402.124-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des K.J., geb. 00.00.1990, StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.10.2008, Zahl: 08 04.212-EASt Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan und ist eigenen Angaben zufolge im Herbst 2007 über Pakistan, den Iran und die Türkei in Griechenland eingereist, wo er am 13.10.2007 erkennungsdienstlich behandelt wurde (vgl Eurodac-Treffer Aktenseite 17 u. seine eigenen Angaben, Aktenseite 7). In der Folge reiste nach Österreich weiter, wo er sodann am 13.3.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (Aktenseite 5).

 

Mit E-mail vom 17.7.2008 ersuchte Österreich Griechenland um Aufnahme des Asylwerbers. Griechenland hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) iSd Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen.

 

Eine am 16.9.2008 von Dr. med. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, durchgeführte ärztliche Untersuchung des Asylwerbers hatte zum Ergebnis, dass bei diesem zwar aus aktueller Sicht eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegen würde, seiner Überstellung nach Polen allerdings keine schwere psychische Störung entgegenstünde, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würde (Aktenseite 163).

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.9.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Griechenland zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei: "Ich will dort nicht hin. Man wird dort unmenschlich behandelt, vor allem die Asylwerber. Die ganze Zeit war ich im Lager, nein nicht in einem Lager, ich lebte in Zelten und habe immer Essen von der Kirche geholt. Ich habe auch Leute gesehen, die anerkannt worden sind und die haben sich auch das Essen von der Kirche geholt. Sie haben auch keine Arbeit gehabt." (Aktenseite 173)

 

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.10.2008, Zahl: 08 04.212-EASt Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei u. a. geltend gemacht, dass in Griechenland vielfach kein Zugang zum Asylverfahren gegeben sei, die Gefahr von Folter und Misslanden bestünde, kein adäquates Aufnahmesystem vorhanden sei und inhaftierte Asylwerber teilweise unter unmenschlichen Aufnahmebedingungen zu leiden hätten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 41 (3) AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Gemäß der - mittlerweile ständigen - Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (VfGH vom 8.3.2001, G 117/00 u. a., VfSlG 16.122; VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2000/01/0498) ist auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, Bedacht zu nehmen.

 

Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Griechenland gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Es wird nicht verkannt, dass der Asylgerichtshof zum Entscheidungszeitpunkt und im Einklang mit der Ansicht der Europäischen Kommission (siehe Pressemitteilung vom 09.04.2008) und dem englischen Court of Appeal (EWCA Civ 464) zwar weiterhin nicht die Ansicht vertritt, dass die derzeitige Erkenntnislage den Schluss rechtfertigt, dass in allen Dublin II-Fällen in Bezug auf Griechenland pauschal das Selbsteintrittsrecht ausgeübt werden muss. Jedoch ist es Aufgabe des Bundesasylamtes, sich ein ständig aktualisiertes Bild von der Situation zu machen, wobei in concreto die letzte Aktualisierung der Berichtslage offenbar aus Juli 2008 stammt (vgl. Seite 12 ff. des angefochtenen Bescheides). Dies kann jedoch im Fall Griechenlands nicht genügen, als etwa in aktuellen dem AsylGH notorischen Pressetexten (Bezug nehmend auf Ausführungen eines UNHCR-Vertreters in Athen) von einer Verweigerung der Entgegennahme von Asylanträgen die Rede ist, was zumindest einer näheren Prüfung in Hinblick auf Relevanz in Verfahren nach der Dublin II VO bedarf.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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