B3 261.069-0/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von B. K., geboren am 00.00. 1978, aserbaidschanischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Mai 2005, Zl. 04 23.069-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11. April 2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und B. K. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BG BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass B. K. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 12. November 2004 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I.), erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchteil III.).
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, die nunmehr als Beschwerde zu werten ist (vgl. dazu weiter unten). Am 11. April 2008 führte die Rechtsmittelbehörde in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde der Beschwerdeführer ergänzend einvernommen. Weiters wurden die Berichte des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 24. April 2006 (Beilage I. zur VS) und vom 11. Juni 2004 (Beilage II. zur VS) sowie die ACCORD Anfragebeantwortung vom 5. Juli 2006 zum Thema "Demonstrationen der Partei Musavat auf dem Platz der Freiheit in Baku am 16. Oktober 2003; gewaltsame Auflösung der Demonstration durch die Polizei; wie viele Personen wurden getötet? Gab es auch Opfer auf Seite der Polizei und des Militärs? Verhaftung von Tatverdächtigen?" (Beilage III. zur VS), verlesen und erörtert.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur hier relevanten Situation in Aserbaidschan:
1.1.1. Allgemeines
De facto dominiert der Staatspräsident das politische Leben im Lande. Gestützt auf die Präsidialverwaltung, trifft er im Wesentlichen alle politisch bedeutenden Entscheidungen selbst. Das Ministerkabinett, in dem neben dem Staatspräsidenten der Premierminister, alle Minister und weitere Regierungsmitglieder zusammengefasst sind, trifft nicht regelmäßig zusammen, sondern erfährt in teilweise im Fernsehen übertragenen Sitzungen die Instruktionen des Staatspräsidenten. Auch die Nationalversammlung ist im Wesentlichen dazu berufen, bereits vorher gefasste Entscheidungen des Staatspräsidenten in Gesetzesform zu gießen. Ein Meinungsaustausch findet im Parlament so gut wie nicht statt.
Dies liegt nicht zuletzt auch an der Zusammensetzung der "Milli Medschlis", wie sie sich aus den letzten Parlamentswahlen vom 6. November 2005 ergab. Danach kommt die Regierungspartei "Neues Aserbaidschan", deren Vorsitzender der Staatspräsident ist, auf eine knappe absolute Mehrheit. Daneben sind aber auch zahlreiche "unabhängige" Abgeordnete und Abgeordnete anderer Parteien letztlich zum Regierungslager zu zählen. Nur die vier Abgeordneten der Müsawat-Partei gehören klar zur Opposition. Die im Oppositionsblock "Azadliq" (=Freiheit) zusammengeschlossenen Parteien Volksfront, ADP (Demokratische Partei Aserbaidschans) und Liberale Partei haben die von ihnen gewonnenen Mandate nicht angetreten, um gegen Wahlrechtsverletzungen zu protestieren.
Die Parlamentswahlen vom 6. November 2005 und die Nachwahlen vom 13. Mai 2006 entsprachen nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachtungsmission von OSZE und ODIHR in vielerlei Hinsicht nicht den internationalen Standards von OSZE und Europarat. Dies galt auch für alle weiteren, bisher in Aserbaidschan durchgeführten Wahlen, darunter auch die Präsidentschaftswahlen vom 16. November 2003, in denen der derzeitige Staatspräsident Ilham Aliyev als Nachfolger seines Vaters Heydar Aliyev zum Staatsoberhaupt gewählt wurde. Im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom November 2005 war offenkundig, dass von der Regierung unterstützte Kandidaten es leichter hatten, in das Parlament einzuziehen. Oppositionelle Kandidaten sahen zahlreichen Nachteilen ausgesetzt, insbesondere außerhalb Bakus, wo Kundgebungen entweder nicht genehmigt wurden, oder weit außerhalb geschlossener Ortschaften stattfinden mussten. Es sind auch Fälle bekannt geworden, in denen durch Straßensperrungen oder kurzfristige Baustellen Personen an der Teilnahme an solchen Veranstaltungen gehindert wurden.
Im Vorfeld der Parlamentswahlen wurde ebenfalls deutlich, dass Oppositionsparteien über nur unzureichenden Zugang zu elektronischen Medien verfügen. Die von der Regierung kontrollierten oder dieser nahe stehenden Fernsehsender berichten fast ausschließlich über die Aktivitäten der Regierung. Sofern über die Opposition berichtet wird, dann i.d.R. in einem bewusst kritischen Ton.
Die Rechtsprechung in Aserbaidschan wird durch den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, Berufungsgerichte, erstinstanzliche Bezirksgerichte und Gerichte mit Sonderzuständigkeiten ausgeübt. Das Verfassungsgericht wurde am 4. Juli 1998 errichtet. Es besteht aus neun Richtern, die von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Staatspräsidenten ernannt werden. Das Verfassungsgericht kann vom Staatspräsidenten, der Nationalversammlung, dem Obersten Gerichtshof, dem Generalstaatsanwalt, dem Ombudsmann und der Hohen Versammlung der Autonomen Republik Nachitschewan angerufen werde und entscheidet in diesen Fällen über die Verfassungskonformität von Gesetzen oder untergesetzlichen Normen im Wege eines Normenkontrollverfahrens oder im Wege eines Organstreitverfahrens. Jeder Staatsbürger kann sich an das Verfassungsgericht im Wege einer Individualbeschwerde wenden, wenn er sich von einem Akt hoheitlicher Gewalt in seinen Grundfreiheiten verletzt fühlt
Die Rechtswirklichkeit im Lande bleibt weiterhin hinter den Standards eines Mitgliedstaats des Europarats zurück. Dies betrifft insbesondere die Rechtsprechung, die zwar formell unabhängig ist, aber unter dem Einfluss der Regierungsgewalt steht. Insbesondere Verfahren, die von politischer Bedeutung sind (wie z.B. der Prozess gegen Mitglieder der Jugendorganisation "Yeni Fikir" oder Strafverfahren gegen Journalisten), lassen den Schluss zu, dass die Gerichte bewusst auf ein vorgegebenes Ergebnis hinarbeiten. Schlussendlich kann der Bürger nicht darauf vertrauen, durch die Justiz vor Willkür ausreichend geschützt zu sein. Die Auswahl neuer Richter erfolgt mittlerweile nach einem transparenten Verfahren. Dennoch ist zweifelhaft, ob die neu zu ernennenden Richter in genügendem Maße vor Einflussnahme durch die Exekutive geschützt sind. Unabhängige Beobachter, die auf dem Gebiet der Rechtsform tätig sind, beklagen zudem, dass die universitäre Ausbildung junge Juristen nur ungenügend auf eine zukünftige Tätigkeit insbesondere in der Justiz vorbereitet. Oft stehen dem Richter auch nur ungenügende oder veraltete Hilfsmittel zur Verfügung, wie beispielsweise Lehrwerke aus der Zeit der Sowjetunion.
Trotz eines am 4. August 2004 in Kraft getretenen Gesetzes über die Anwaltschaft ist die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte immer noch unzureichend. Dieses Gesetz sollte eine erweiterte Zulassung von lizenzierten Rechtsbeiständen zur Rechtsanwaltskammer herbeiführen. Bei der im November 2005 durchgeführten Ersten Sitzung des neu gegründeten Rechtsanwaltskollegs wurden jedoch lediglich 36 neue Rechtsanwälte zugelassen. ...
Die Betätigungsmöglichkeiten für eine politische Opposition sind spürbar eingeschränkt. Am 24. November 2006 entschied das Wirtschaftsgericht, dass die oppositionelle Volksfrontpartei ihr Parteihauptquartier im Zentrum Bakus verlassen müsse, da sie dieses ohne Rechtsgrundlage nutze. Die Volksfront nutzte das betreffende Gebäude kostenfrei seit 1992, als unter einer Volksfrontregierung dieser Partei das betreffende Grundstück überlassen worden war. Die Nutzer dieses Gebäudes (neben der Partei auch die Parteizeitung "Azadliq", die Nachrichtenagentur Turan und weitere Nichtregierungsorganisationen) hatten sich mehrfach um den formellen Abschluss eines Mietvertrages bemüht und hatten ebenfalls ihre Bereitschaft bekundet, Miete zu zahlen. Im Januar 2007 verfügte die Volksfrontpartei immer noch nicht über eine eigene Parteizentrale, da die ihr von der Regierung zugewiesene Immobilie weit außerhalb der Stadt in einem nur schwer zugänglichen Gebiet liegt. Unter ähnlichen Umständen hatten bereits 1998 die Oppositionspartei ADP und 2003 die ebenfalls oppositionelle Müsawat ihre in der Innenstadt Bakus gelegenen Parteizentralen räumen müssen.
Sympathisanten zahlreicher Oppositionsparteien (insbesondere der nicht genehmen, von der Regierung nur als "radikale Opposition" bezeichneten Parteien wie Volksfront, ADP und Müsawat) können im täglichen Leben Benachteiligungen ausgesetzt sein. In Einzelfällen erreichen derartige Nachteile ein solches Maß, dass von staatlicher Repression gesprochen werden kann. Dies betrifft insbesondere solche Sympathisanten, die sich öffentlich - so z.B. bei nicht genehmigten Kundgebungen oder in von den Oppositionsparteien herausgegebenen Zeitungen - zu oppositionellen Parteien oder regierungskritischen Positionen bekennen.
Gerade in derartigen Fällen zeigt sich, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung, den die aserbaidschanische Verfassung in Art. 63 garantiert, in der Praxis nicht beachtet wird. Viele Erklärungen der Staatsanwaltschaft und des Innenministeriums enthalten in zahlreichen Einzelfällen Vorverurteilungen.
Natiq Effendiyev von der Oppositionspartei ADP wurde wegen illegalen Waffenbesitzes am 7. September 2006 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine Verhaftung erfolgte am 19. Oktober 2005 im Zusammenhang mit einem angeblichen Putschversuch, an dem Rasul Guliyev, im Exil befindlicher Vorsitzender der ADP, die ehemaligen Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Farhad Aliyev, und für Gesundheit, Ali Insanov, sowie weitere Regierungsfunktionäre beteiligt gewesen sein sollen.
Die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der gescheiterten Rückkehr des Exilpolitikers Rasul Guliyev gegen Ex-Minister Farhad Aliyev erhoben wurden, legen den Schluss nahe, dass die aserbaidschanische Regierung durch die vorgenommenen Verhaftungen sich vermeintlicher Widersacher entledigen will. Einer gleichlautenden Erklärung von Generalstaatsanwalt und Innenminister zufolge wird Farhad Aliyev zur Last gelegt, die "radikale Opposition" finanziell unterstützt zu haben, was als Beteiligung an einem versuchten Staatsstreich ausgelegt wird. Farhad Aliyev befindet sich immer noch in Untersuchungshaft. Auch die Ermittlungen gegen Ali Insanov und Fikret Jusifov sind noch nicht abgeschlossen; letzterer wurde allerdings am 2. August 2006 wegen illegalen Waffenbesitzes bereits zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Zeitweise waren im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Umsturzversuch vom Oktober 2006 bis zu 12 Personen in Haft.
Am 28. September 2006 bestätigte das Berufungsgericht hohe Haftstrafen für drei Mitglieder der Jugendorganisation "Yeni Fikir", die im Sommer 2005 verhaftet und am 13. Juli 2006 wegen Umsturzversuches zu sieben Jahren (Ruslan Baschirli), zu vier Jahren (Ramin Tagiyev) und zu einer Bewährungsstrafe von fünf Jahren (Said Nuri) verurteilt worden waren. Die OSZE hatte im Hinblick auf das erstinstanzliche Urteil kritisiert, dass der Strafprozess nicht internationalen Standards entsprach und unabhängige Prozessbeobachter an einigen Verhandlungstagen vom Prozess ausgeschlossen worden waren.
In Aserbaidschan gibt es immer noch politische Gefangene, die vor dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat verurteilt und die von den unabhängigen Experten Trechsel und Alkema in einem Gutachten im Auftrag des Europarates als "politische Gefangene" bezeichnet worden waren. Nachdem der Staatspräsident Ilham Aliyev zahlreiche politische Gefangene begnadigt hatte, hat sich die Zahl der von den Experten des Europarates anerkannten politischen Gefangenen auf drei reduziert. Auch im Jahre 2006 erließ der Staatspräsident zwei Dekrete zur Begnadigung von Häftlingen, unter denen sich auch Personen befanden, die nach Meinung von Menschenrechtsverteidigern als politische Gefangene gelten müssen. Derzeit befinden sich nach Ansicht von Menschenrechtsverteidigern noch ca. 75 "Altfälle" politischer Gefangener in Haft. Nach Ansicht der aserbaidschanischen Regierung handelt es sich hierbei aber um gewöhnliche Straftäter.
...
Es lässt sich grundsätzlich keine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungsspraxis feststellen, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe diskriminiert. Personen, die des Umsturzversuches bezichtigt werden, müssen sich aber im besonderen Maße auf langjährige Haftstrafen gefasst machen.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass politisch motivierte Strafverfahren betrieben werden. Am 4. Oktober 2006 wurde der Journalist und Satiriker der Zeitung "Azadliq", Mirza Sakit, wegen angeblichen Drogenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Nach eigenen Aussagen haben ihm Polizeibeamte die Betäubungsmittel untergeschoben. Diese Aussagen halten unabhängige Beobachter für glaubhaft. Es sind weitere Fälle bekannt, in denen Oppositionelle wegen Waffenbesitzes oder ähnlicher Delikte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch in diesen Fällen die Waffen bei den betroffenen Personen zum Zwecke der Strafverfolgung platziert wurden.
Die aserbaidschanische Strafprozessordnung ermöglicht eine Untersuchungshaft bis zu einer Dauer von 18 Monaten. Die gegen den ehemaligen Minister Farhad Aliyev am 19. Oktober 2005 verhängte Untersuchungshaft wurde am 12. Oktober 2006 um weitere sechs Monate verlängert. Außer Farhad Aliyev sind noch weitere Personen wegen des Vorwurfs der Vorbereitung eines Umsturzversuches für einen ähnlich langen Zeitraum in Untersuchungshaft.
Die Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes sind weiterhin schlecht. Es fehlt insbesondere an einer ordnungsgemäßen Versorgung der Häftlinge mit Lebensmitteln und Medikamenten. Der Zugang von Besuchern zu Strafgefangenen wird oftmals willkürlich geregelt; vielfach können Besucher ihre Verwandten nur nach Zahlung eines Bestechungsgeldes besuchen. Im Allgemeinen haben Strafgefangene nur unzureichend Gelegenheit, sich über ihre Haftbedingungen zu beschweren. Es ist nicht feststellbar, dass Haftbedingungen für politische Straftäter auffallend härter sind als die für andere Straftäter.
Auch Familienangehörige von Mitgliedern der Oppositionsparteien sind aufgrund des politischen Engagements ihres Verwandten oftmals Nachteilen ausgesetzt. So wurde Anfang Januar 2007 berichtet, dass der Ehefrau des wegen angeblichen Drogenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Satirikers der Oppositionszeitung "Azadliq" Mirza Sakit die Ausstellung eines Personalausweises verweigert wurde. ...
Die beschriebenen Maßnahmen werden landesweit unterschiedslos praktiziert. ...
Folter ist in Aserbaidschan unzulässig. Ein durch Folter erlangter Beweis darf vor Gericht nicht verwendet werden. Aserbaidschan ist seit 1996 Vertragsstaat der Antifolterkonvention. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Hinweise darauf, dass in Aserbaidschan verhaftete Personen im Polizeigewahrsam misshandelt worden sind. In einem Bericht des Komitees zur Verhütung von Folter des Europarates vom 7. November 2004 heißt es beispielsweise, dass von der Polizei verhaftete Personen misshandelt werden. Unabhängigen Beobachtern zufolge wird insbesondere die so genannte "falaka" praktiziert, die in Schlägen auf die Fußsohlen besteht und dazu führt, dass die so misshandelte Person ohne Hilfe für einen gewissen Zeitraum nicht mehr gehen kann. Auch die im Hinblick auf die Unruhen am 15. Oktober 2003 festgenommenen Oppositionellen haben bestätigt, dass sie in der Haft misshandelt worden seien. Auf die Klage von Sardar Jalaloglu, dem Vorsitzenden der ADP, verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Aserbaidschan zu einer Zahlung von 10.000 Euro Schadensersatz (Entscheidung veröffentlicht am 11. Jänner 2007). Das Gericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass der Kläger in Haft misshandelt worden sei und dass die aserbaidschanischen Behörden es unterlassen haben, die von ihm behaupteten Misshandlungen zu untersuchen. Der am 19. Oktober 2005 verhaftete und der oppositionellen ADP nahe stehende Natiq Effendiyev ist nach Angaben seines Rechtsanwaltes, der ihn in Haft aufgesucht hat, misshandelt worden. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die Sicherheitsbehörden auch weiterhin in ihrer Gewalt befindliche Personen misshandeln. ...
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, (Beilage I. zur VS)
1.1.2. Zu den Ereignissen um die Präsidentschaftswahl vom 16. Oktober 2003:
Im August 2003 ernannte Präsident Alijew seinen Sohn, Ilham Alijew, zum Ministerpräsidenten. Zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen zog er seine Kandidatur zugunsten der seines Sohnes zurück, der mit großer Mehrheit als Kandidat der Regierungspartei Yeni Azerbaijan (Neues Aserbaidschan) gewählt wurde. Im Dezember starb Hejdar Alijew im Alter von 80 Jahren.
Die Wahlkampagne war von Einschüchterungsversuchen gegenüber Anhängern der Opposition und exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei bei der Auflösung von friedlichen Massenkundgebungen der Opposition gekennzeichnet. Zu den weit verbreiteten Wahlunregelmäßigkeiten gehörten Manipulationen an den Wahlurnen, mehrfache Stimmabgaben und Einschüchterungsversuche gegenüber Wählern und Wahlbeobachtern. Zahlreiche offizielle Wahlhelfer, die sich weigerten, gefälschte Wahlprotokolle bei der Auszählung zu unterschreiben, wurden Berichten zufolge bedroht und in Haft genommen. Internationale Beobachter wurden daran gehindert, die Zentrale Wahlkommission bei der Zusammenstellung der Ergebnisse der Endauszählung zu überwachen.
Zahlreiche Anhänger der Opposition und deren Angehörige wurden dem Vernehmen nach eingeschüchtert und verloren nach den Wahlen ihren Arbeitsplatz. Die staatliche Druckerei weigerte sich, Zeitungen der Opposition zu drucken, und die Behörden zwangen die Oppositionszeitung Yeni Musavat, ihr Erscheinen einzustellen.
Am 16. Oktober kam es in der Hauptstadt Baku zwischen oppositionellen Aktivisten, die gegen die Wahlunregelmäßigkeiten protestierten, und Beamten der Polizei sowie der Spezialeinheiten des Innenministeriums zu Zusammenstößen, bei denen mehrere hundert Demonstranten und zahlreiche Polizisten teilweise schwere Verletzungen davontrugen. Mindestens eine Person soll zu Tode gekommen sein. Mehr als 50 Journalisten wurden Berichten zufolge von der Polizei mit Schlägen traktiert und einige von ihnen zusammen mit einer Vielzahl von Demonstranten festgenommen.
Politisch motivierte Festnahmen: Den Zusammenstößen nach den Wahlen folgten landesweite Festnahmen, denen über 600 oppositionelle Aktivisten - hauptsächlich Anhänger der Partei Musavat (Gleichheit) - zum Opfer fielen. Die meisten von ihnen wurden der "Organisation und Beteiligung an gewalttätigen Aktivitäten" für schuldig befunden und zu kurzen Verwaltungshaftstrafen verurteilt. Gegen Ende des Berichtzeitraums warteten mehr als 100 Inhaftierte immer noch auf ihre Gerichtsverhandlung. Beamte der Spezialeinheiten des Innenministeriums sollen einige Oppositionsführer gefoltert haben, um sie zur Denunzierung von Isa Gambar, dem Vorsitzenden der Partei Musavat, zu zwingen. Isa Gambar wurde später unter Hausarrest gestellt.
Am 27. Oktober ordnete ein Gericht in Baku gegen Rauf Arifoglu, den stellvertretenden Parteivorsitzenden von Musavat und Herausgeber der Zeitung Yeni Musavat, drei Monate Untersuchungshaft an. Ihm wurde vorgeworfen, Gewalt organisiert und in den Büroräumen der Zeitung Yeni Musavat Waffen gelagert zu haben. Berichten zufolge musste er 32 Tage in Einzelhaft und 18 Tage auf dem Boden einer unbeheizten Zelle schlafen. Rauf Arifoglu und zahlreiche andere inhaftierte Oppositionelle traten am 1. Dezember in den Hungerstreik, um gegen ihre Festnahme zu protestieren. ...
Weiters haben Angestellte des Innenministeriums nach den gewaltsamen Unruhen in Baku am 16. Oktober etliche AnführerInnen von Oppositionsparteien festgenommen und gefoltert. Sicherheitskräfte haben Iqbal Agazade, den Vorsitzenden der "Hope Party", Sardar Jalaloglu, den Generalsekretär der Demokratischen Partei Aserbaidschans und den Wahlbeauftragten (election secretary) der "Azerbaijan Party", Natiq Jabiyev geschlagen und gefoltert. Zahlreiche Fälle wurden dokumentiert, in denen Mitglieder der Abteilung für Organisiertes Verbrechen des Innenministeriums Gefangene mit Elektroschocks, heftigen Schläge und Androhungen von Vergewaltigungen gefoltert haben. Auch verwendete die Polizei heftige Schläge und Folter dazu, Geständnisse zu erpressen und Häftlinge dazu zu zwingen, Falschaussagen zu unterzeichnen, mit welchen sie Oppositionsmitglieder denunziert und AnführerInnen der Opposition mit den Ausschreitungen nach den Wahlen in Zusammenhang gebracht wurden. ...
Mitglieder der Exekutivorgane, die an dem gewaltsamen Vorgehen gegen die DemonstrantInnen beteiligt gewesen sind und die Gewalt geschürt haben, wurden nicht zur Verantwortung gezogen. ...
Quelle: ACCORD Anfragebeantwortung vom 5. Juli 2006 zum Thema "Demonstrationen der Partei Musavat auf dem Platz der Freiheit in Baku am 16. Oktober 2003; gewaltsame Auflösung der Demonstration durch die Polizei; wie viele Personen wurden getötet? Gab es auch Opfer auf Seite der Polizei und des Militärs? Verhaftung von Tatverdächtigen?" (Beilage III. zur VS)
1.2. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist ein aserbaidschanischer Staatsbürger, Angehöriger der aserischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Er wurde am 00.00. 1978 in N. geboren. Bereits als Jugendlicher schloss er sich der (Partei) Volksfront an. 1994 wurde er dessen einfaches Mitglied, setzte sich für die Ziele der Opposition ein und nahm an Demonstrationen teil. Dabei war er immer wieder Festnahmen und Misshandlungen seitens der aserbaidschanischen Sicherheitsorgane ausgesetzt. 2003 wurde er wegen seiner Teilnahme an den Demonstrationen 2003 verhaftet. Während seiner fünfwöchigen Haft wurde er mehrmals gefoltert. Als er schließlich mittels Bestechungsgeld seines Vaters freigelassen werden konnte, flüchtete er zunächst zu Freunden, wo er versteckt leben konnte und schließlich am 2. November 2004 aus Aserbeidschan.
2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan stützen sich auf die zitierten Quellen, die in den Verhandlungen erörtert wurden. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
2.2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen, seinem vorgelegten aserbaidschanischen Personalausweis (AS 33f) bzw. Militärausweis (OZ 1).
2.2.2. Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers basieren auf folgenden Überlegungen: Bei Einbeziehung des persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer, der im Rahmen der Verhandlungen gewonnen werden konnte, ist dessen Angaben zu den Geschehnissen in Aserbaidschan Glaubwürdigkeit zuzubilligen; die diesbezüglichen Angaben im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren erweisen sich als detailreich, frei von Widersprüchen und stellen sich - vor dem Hintergrund aserbaidschanischer Verhältnisse - auch als plausibel dar. Zusätzlich werden sie durch den vorgelegten Parteiausweis (Beilage A zur VS) untermauert. Das Bundesasylamt beurteilte das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig und führte dazu lediglich aus, es sei nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet der Beschwerdeführer wegen seiner Demonstrationsteilnahmen inhaftiert werden sollte; auch seien seine Angaben vage. Überdies stünde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dem ist entgegen zu halten, dass sich aus den Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan ergibt, dass insbesondere oppositionelle Aktivisten willkürlichen, behördlichen Übergriffen ausgesetzt sind. Genau dies traf auf den Beschwerdeführer zu. Dass seine Ausführungen vage seien, kann nicht nachvollzogen werden, weil der Beschwerdeführer - wie oben ausgeführt - bereits vor dem Bundesasylamt detailreich und durch Dokumente unterstützt, sein Vorbringen erstattete. Die vom Bundesasylamt ins Treffen geführten Argumente können daher die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht erschüttern. Weiters hat es das Bundesasylamt unterlassen, eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative zu prüfen. Vor dem Hintergrund, dass sich aus den Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan ergibt, dass die Maßnahmen gegen oppositionelle Aktivisten landesweit unterschiedslos praktiziert werden und auch der Beschwerdeführer vorbrachte, dass er nur versteckt in Aserbeidschan leben konnte, ist gerade nicht von einer innerstaatlichen Schutzalternative auszugehen.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.
3.1.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag nach dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 zu führen.
3.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
3.3.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
3.3.2. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
3.4.1. Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
3.4.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
3.4.3. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan besteht für den Beschwerdeführer angesichts des zu seinen Asylgründen festgestellten Sachverhalts eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr:
Der Beschwerdeführer gelangte in das Blickfeld aserbaidschanischer Sicherheitskräfte, weil er ein Mitglied der Volksfront war und sich für die Ziele der Opposition einsetzte (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0386; 16.6.1999, 98/01/0339; 6.7.1999, 99/01/0044; 8.9.1999, 98/01/0614; 16.2.2000, 98/01/0253). Aus diesem Grund ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die aserbaidschanischen Sicherheitskräfte dem Beschwerdeführer - sollte er rückgeführt werden - besondere Aufmerksamkeit widmen würden und er Gefahr liefe, wieder massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu werden.
Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, sich anderswo in Aserbaidschan niederzulassen. Dies wäre ihm aufgrund der erlittenen Übergriffe auch nicht zumutbar.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb Aserbaidschans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.