S2 400.134-2/2008/2Z
B E S C H L U S S
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde der O.J., geb. 00.00.1984, StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Nikolaus Rast, Schmerlingplatz 3, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2008, Zahl: 08 02.192-BAL, beschlossen:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Absatz 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG
I.1. Die Beschwerdeführerin brachte am 03.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt ein. Aufgrund der Aussagen des Asylwerbers U. auch O.U. alias N.O. auch C.J. (AIS- Zahl 08 03.116- EAST OST) in seiner Einvernahme, wonach dieser mit der Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem rumänischen Visum in die EU eingereist sei, wurde seitens des Bundesasylamtes am 28.05.2008 ein Konsultationsverfahren mit Rumänien eingeleitet (AS 59), worüber die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme am 17.06.2008 informiert wurde (AS 87ff). Am 06.06.2008 langte die Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführerin durch die rumänische Behörde ein (AS 67).
Am 17.06.2008 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, ihre bisherigen Angaben seien richtig. Konfrontiert mit den Aussagen des U. auch O.U. alias N.O. auch C.J., bzw. auf Vorhalt, sie sei in Rumänien aufhältig gewesen und habe entgegen ihren Angaben auch ein Visum für Rumänien erhalten, vermeinte die Beschwerdeführerin lediglich, dazu nichts zu sagen zu haben. Österreich sei das erste Land, in dem sie einen Asylantrag gestellt habe, gefragt, ob sie etwas gegen die Zustimmungserklärung Rumäniens vorbringen wolle, erwiderte sie, sie könne dazu keine Angaben machen.
Im ersten Rechtsgang hat das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Rumänien zulässig sei. Der dagegen gerichteten Beschwerde wurde vom AsylGH mit Erkenntnis vom 09.09.2008, S2 400.134-1/2008/3E, gemäß § 41 Absatz 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Im zweiten Rechtsgang hat die Erstinstanz nach Einholung ergänzender Ermittlungen aus Rumänien und einer ergänzenden Einvernahme der Beschwerdeführerin neuerlich den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.
2. In der dagegen gerichteten Beschwerde wurden Verfahrensmängeln, nämlich die nicht ordnungsgemäße Ladung der Beschwerdeführerin zH ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters, vorgebracht.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz im März 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung verbundenen Ausweisung binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach herrschender Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs. 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, "Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).
Das Verfahren über die Frage der Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist ein Provisorialverfahren, für das grundsätzlich nur sieben Tage zur Verfügung stehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 37 Abs. 1 AsylG: "wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung [...] eine reale Gefahr" einer Grundrechtsverletzung bedeuten würde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon dann ermöglicht, wenn es (bloß) Hinweise darauf gibt, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen der Beschwerdeführerin beeinträchtigt werden könnten. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Berufung schon entschieden wäre.
Nach § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung über die Frage der aufschiebenden Wirkung "auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin II-VO und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftrechts Bedacht zu nehmen". Die angeführten Bestimmungen der Dublin II-VO sehen vor, dass ein "gegen die[se] Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf [...] keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung [hat], es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist". Zum Gemeinschaftsrecht, auf die Notwendigkeit von dessen effektiver Umsetzung Bedacht zu nehmen ist, gehört jedenfalls auch das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO. Diese Kriterien sind also nicht sehr aussagekräftig. Im Übrigen ist der Asylgerichtshof, falls er die aufschiebende Wirkung zuerkennt, gemäß § 37 Abs. 3 AsylG gehalten, seine Entscheidung in der Sache binnen zweier Wochen (anstatt der ansonsten vorgeschriebenen acht Wochen: § 41 Abs. 2 AsylG) zu treffen, sodass die allfällige Beeinträchtigung der in § 37 Abs. 2 AsylG angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze in engen Grenzen bleibt.
Dass der Maßstab kein allzu enger sein darf, ergibt sich auch aus der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes, der bei der Bekämpfung verfahrensbeendender Bescheide in Asylsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkennt, obwohl dem bereits die (negativen) Entscheidungen zweier Instanzen vorausgegangen sind. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem Verfahren nach § 5 AsylG 1997 - ausgesprochen, es sei, um Grundrechtswidrigkeiten zu vermeiden, "erforderlich, dass das Verfahren, in dem in Österreich geprüft wird, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, den Anforderungen des Art. 13 EMRK entspricht. Wird vertretbar behauptet, die Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 3 EMRK, so muss dem Betroffenen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, der zu einer unabhängigen und gründlichen Prüfung führt. Für die Wirksamkeit der Beschwerde im Sinne der Anforderungen des Art. 13 EMRK bedarf es auch der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung [...]" (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582). Schließlich erkennt der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide, die nach § 5 AsylG 2005 ergehen, regelmäßig die aufschiebende Wirkung zu.
2. Die unter I.2. genannten Aspekte sind noch nicht hinreichend geklärt; bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit der Beschwerdeführerin in Österreich für den Fall der Notwendigkeit weiterer Befragungen ihrer Person vorteilhaft. Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.
Der Asylgerichtshof war im Ergebnis jedenfalls zwingend gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen. Auf § 37 Abs. 4 AsylG ist hinzuweisen; die Einhaltung der Frist des § 37 Abs. 1 AsylG war ausnahmsweise nicht möglich.