TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/27 E9 266866-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2008
beobachten
merken
Spruch

E9 266.866-0/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Reinhard Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. Hermann Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Mayer über die Beschwerde des A.K., geb.00.00.1969, StA Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.12.2005, FZ. 05 10.758-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs 1 u. 2 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (BF), seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte am 19.07.2005 einen Asylantrag.

 

Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Armenien brachte er im erstinstanzlichen Verfahren (zusammengefasst dargestellt) vor, dass er einen Auftrag bekommen habe in der Nacht vom 00. auf den 00.00.2005 bei einer Hochzeit in einem Restaurant zu fotografieren. Anlässlich einer Zigarettenpause habe er sich mit seinem Fotoapparat vor dem Gebäude an eine Personengruppe "herangezoomt". Er habe einen Streit beobachten wollen, welcher sich steigerte. Plötzlich habe er eine Waffe gesehen. Als ein Schuss gefallen sei, habe er ein Foto geschossen. Er habe jedoch vergessen, dass der Blitz eingeschaltet war. Er sei von den Personen entdeckt und verfolgt worden. Er sei zu einem Freund geflüchtet, wo er bis zu seiner Ausreise aufhältig gewesen sein soll. Bei dieser Personengruppe habe es sich um Mitarbeiter eines Ministers gehandelt. Diese würden ihn nun verfolgen, da er von dieser Tat ein Foto als Beweismittel "geschossen" habe.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das ausreisekausale Vorbringen als glaubhaft, ohne aber dazuzulegen wie sie zu dieser Auffassung kommen konnte.

 

Das BAA hat den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshof berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltenen Niederschriften werden hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

Auf Grund dieser Beschwerde wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Beschwerdeführer und das Bundesasylamt als Parteien ordnungsgemäß geladen wurden. Das Bundesasylamt blieb der Verhandlung am 21.10.2008 entschuldigt fern.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

1.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er leidet unter keiner behandlungsbedürftigen Krankheit. Der Beschwerdeführer verfügt im Heimatstaat noch über Familienangehörige.

 

1.2. Es konnten keine Bereichte betreffend der Person des BF und der von ihm geschilderten Ereignisse gefunden werden. Sein diesbezügliches Vorbringen blieb im Verfahren beider Instanzen bescheinigungslos. Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen sein als ausreisekausal dargelegtes Ereignis glaubhaft zu machen. Damit ist auch nicht glaubhaft, dass er daraus resultierend einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist. Ein relevantes Abschiebungshindernis liegt nicht vor. Ein relevantes Privat- und Familienleben steht einer Ausweisung nicht entgegen.

 

2. Zum Herkunftsstaat Armenien:

 

Quellen:

 

The Functioning of Democratic Institutions in Armenia (Council of Europe, Parliamantary Assembly, Doc. 11579, 15.2.2008)

 

Special Mission to Armenia, Council of Europe Comissioner for Human Rights Thomas Hamarberg (20.3.2008)

 

Armenia International Religious Freedom Report 2007 (U.S. Department of State, September 14, 2007)

 

Republik Armenien (Schweizer Flüchtlingshilfe, Stand Februar 2005)

 

Overview of the Office activities in 2006 (Organization for Security and Co-operation in Europe, OSCE Office in Yerevan, January 2007)

 

Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 02.02.2006, 20.3.2007, sowie 18.6.2008)

 

Refugees and displaced persons in Armenia, Azerbaijan and Georgia (Council of Europe, Parliamentary Assembly Doc. 10835 06 February 2006)

 

Armenia Country Report on Human Rights Practices 2007 (U.S. Department of State, March 11, 2008)

 

Evaluation Report on Armenia, Joint First and Second Evaluation Round (Council of Europe, Group of States against Corruption, Strasbourg 10 March, 2006)

 

Amnesty International Report Armenia 2008

 

Auswärtiges Amt Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ.

 

508.516.80/44613

 

APA vom 21.2.2007: "Azimov: Armenien wird Berg-Karabach nicht

 

bekommen"

 

APA vom 11.1.2007: "Gericht rügt Armenien wegen Verletzung der Versammlungsfreiheit"

 

BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007

 

APA vom 4.7.2008: "Tausende Armenier protestieren gegen Präsident Sarkisain

 

APA vom 13.3.2008: "Berg Karabach: Armenien signalisiert Aserbaidschan Dialogbereitschaft"

 

Aufgrund der genannten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Armenien hat seit seiner Aufnahme in den Europarat wichtige Reformvorhaben im gesetzgeberischen Bereich verwirklicht und insofern Fortschritte bei der Erfüllung seiner Europaratsverpflichtungen gemacht. Die praktische Umsetzung dieser Rechtsvorschriften geht aber nur langsam voran. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Gehälter der Staatsbediensteten gibt es häufig Korruption. Seit der Amtsübernahme von Präsident Kotscharian wird diese aber verstärkt strafrechtlich verfolgt. Es wurde mit finanzieller Unterstützung von Weltbank und der USA eine Kommission beim Präsidenten zur Bekämpfung der Korruption eingerichtet. Ende 2003 wurde ein Korruptionsbekämpfungsprogramm verabschiedet, das mit Hilfe internationaler Experten und der OSZE erarbeitet worden war. (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 6, ähnlich BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

Der Präsident Armeniens ist seit 9.4.2008 Serge Sarkisian.

 

Bisher wurden alle Wahlen in Armenien wegen zahlreicher Manipulationen und Wahlfälschungen von der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Die Präsidentenwahl 2008 wurde trotz positiven Tenors ("mostly in line") deutlich kritischer bewertet als die Parlamentswahl 2007.

 

Am Tag nach der Wahl fand eine angemeldete Demonstration des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Levon Ter-Petrosian statt. Weitere unangemeldete Kundgebungen wurden bis zum 1.3.2008 weitergeführt. An diesem Tag wurden frühmorgens die Demonstrationen sowie Zeltlager durch die Sicherheitskräfte aufgelöst.

 

Die Demonstranten regruppierten sich im Laufe des Tages am Shahumyanplatz. Von dort wurden sie mit exzessiver Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte vertrieben. Insgesamt 10 Menschen kamen dabei zu Tode. In der Nacht vom 1. auf den 2.2. wurde für Jerewan der Ausnahmezustand bis zum 20.3.2008, 24.00 Uhr, verhängt. In diesem Zeitraum wurden mehrere Dutzend Oppositionspolitiker und Anhänger Ter-Petrosyans verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Politische Motive können hier nicht ausgeschlossen werden. Ferner kam es zu exzessiven vorläufigen Festnahmen. Festgenommene berichteten, sie hätten sich verpflichten sollen, in Zukunft nicht mehr an Domnstrationen teilzunehmen. Nach nicht verifizierten Gerüchten wäre Druck ausgeübt wurden, Oppositionelle strafrechtlich zu belasten.

 

Folterähnliche Übergriffe sind seit der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Die Todesstafe wurde abgeschafft. (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, Seiten 12)

 

Sippenhaft, d.h. die Anwendung staatlicher Repressionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen eines Beschuldigten oder Gesuchten, gibt es in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, S 9, BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Trotz der Blockade durch die Türkei und Aserbaidschan gelangen Lebensmittelimporte über Georgien und den Iran nach Armenien. Auch die umfangreichen Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Rund 100.000 Personen werden noch vom World Food Programme der Vereinten Nationen versorgt.

 

Die Energieversorgung ist weitgehend in russischer Hand. Armenien ist abhängig von russischen Gaslieferungen über Georgien. Elektrizität steht ganzjährig zur Verfügung. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten zwar täglich, aber meist nur stundenweise zur Verfügung. In vielen Wohnungen wurden Wassertanks installiert. Im Rahmen eines Weltbank-Projektes wird die Wasserversorgung in Eriwan rehabilitiert, Projekte anderer Geber konzentrieren sich auf weitere Städte und die Regionen. Auf dem Land erfolgt die Versorgung über eigene Brunnen, Gewässer oder Tankwagen.

 

Ein Teil der Bevölkerung ist allerdings finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch internationale humanitäre Organisationen sicherzustellen. Durch die traditionellen Familienbande werden Versorgungsschwierigkeiten weitgehend überwunden. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen durch Verwandte im Ausland unterstützt.

 

Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 25.000 Dram im Monat (derzeit ca. 52 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist gegenwärtig nur schwer einzuschätzen. Aus Veröffentlichungen der Presse war zu entnehmen, dass Staatsbedienstete je nach Funktion 30 - 200 US-Dollar verdienen. Die anlässlich von Privatisierungen angegebenen Löhne in der Privatwirtschaft schwanken zwischen 20 und 500 US-Dollar für Arbeiter und Angestellte, wobei die Mehrheit der Beschäftigten im unteren Bereich anzusiedeln ist. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach und ist überwiegend im privaten Dienstleistungsbereich tätig, da eine staatliche oder private Industrieproduktion kaum vorhanden ist. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen.

 

Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Es sollen seit dem Zerfall der Sowjetunion bereits mindestens 600.000 Armenier ihr Land verlassen haben. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zahl der Emigranten noch wesentlich höher liegt; eine Schätzung geht von bis zu 1,9 Mio. Personen aus.

 

Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend grundsätzlich gewährleistet. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle gängigen Erkrankungen, ausgenommen etwa komplizierte Transplationen, behandelbar sind (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)

 

Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten, sowie zusätzlich auch für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u. a.) und gilt (außer bzgl. der Flüchtlinge) ausschließlich für armenische Staatsangehörige. Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt.

 

Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Im Einzelfall kann deswegen Bereicherung seitens des Klinikpersonals nicht ausgeschlossen werden - ist aber wohl nicht die Regel.

 

Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf ihrem Recht auf kostenlose Behandlung.

 

Es besteht die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Der Großteil der armenischen Bevölkerung macht hiervon jedoch keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Die Versicherungen arbeiten nur mit bestimmten Kliniken zusammen, und trotz Versicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.

 

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät ist zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie und Computertomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der armenischen Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken. In der Republik Armenien gibt es psychiatrischen Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung.

 

Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer dieselben Präparate vorhanden. Die gängigen Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter (Ungarn), Solvay (Belgien), sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 23f, dieselbe Quelle vom 20.3.2007, S 12 f).

 

Zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des armenischen Staates schildert das Auswärtige Amt Berlin im genannten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom Februar 2006 Fälle, in denen der Staat nicht willens war, Schutz zu gewähren. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613 geht dieses jedoch nicht von einer generellen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des armenischen Staates aus. USDOS berichtet im Country Report on Human Rights Practices 2006 vom März 2007 von Modernisierungen innerhalb des Polizeiapparates, berichtet jedoch ebenfalls über Fälle, in denen der Staat nicht den erforderlichen Schutz bot. Im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom März 2007, wird berichtet, dass in jüngerer Zeit keine von staatlicher Seite geduldeten Repressalien Dritter beobachtet wurden. Im jüngsten Bericht räumt das Auswärtige Amt wiederum ein, dass im Rahmen von Demonstrationen oppositioneller Gruppen die Ordnungskräfte gegen Übergriffe auf die Demonstranten nicht energisch genug vorgingen. Übereinstimmend wird in den Quellen die kursierende Korruption als ein erhebliches Problem genannt. Im Rahmen der genannten FFM, an der Beisitzer des erkennenden Senats persönlich teilnahm, konnte festgestellt werden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass in Armenien seitens der Sicherheitsbehörden ein genereller Unwille herrscht, keinen Schutz zu gewähren. Die Fähigkeit, Schutz zu gewähren ist grundsätzlich gegeben.

 

Gegen Verfehlungen staatlicher Organe existiert ein breites Spektrum an Rechtsschutz- und Beschwerdemöglichkeiten. Auch hier kann nicht per se festgestellt werden, dass diese Rechtsbehelfe generell ineffektiv sind. Das armenische Rechtssystem kennt das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe (Bericht FFM vom 1.11.2007). Der Ombudsmann, welcher zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beitrug, genießt das Vertrauen der Bevölkerung (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, Seiten 12)

 

Die öffentliche Sicherheit ist gegeben.

 

Die Stellung eines Asylantrages im Ausland ist nicht strafbar. Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Wegen der steigenden Auswandererzahlen haben sie relativ gute Chancen, Arbeit zu finden. Die Schweiz und Dänemark bieten unterschiedliche Rückkehrerprogramme für aus diesen Ländern freiwillig ausreisende Armenier an.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie durch Anfrage bei der Staatendokumentation betreffend des Beschwerdeführers und des von ihm geschilderten Ereignisses sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Ad I.1.1. Die Identität ergibt sich glaubhaft aus den vorgelegten Identitätsdokumenten. Die übrigen Umstände ergeben sich glaubhaft aus seinen persönlichen Angaben.

 

Ad I.1.2. Der Asylwerber hat im Verfahren "glaubhaft" zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht (§7 AsylG 1997). Der dem Asylverfahren zu Grunde liegende Maßstab der "Glaubhaftmachung" findet auch in Bezug auf Gründe für die Geltendmachung von subsidiärem Schutz Anwendung (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293; 17.7.1997, 97/18/0336; siehe auch: Putzer/Rohrböck, Asylrecht Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005, Rz 154 mwN).

 

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, Zahl 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Auch bei Asylverfahren nach dem AsylG 1997 ist eine mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

 

Dabei darf in diesem Zusammenhang aber nicht übersehen werden, dass auf Grund der Spezifika eines Asylverfahrens, unbeschadet dessen, dass es als antragsgebundenes Verwaltungsverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz abgeführt wird, die Anforderungen an einen Asylwerber auf Grund von fluchttypischen Sachzwängen nicht überzogen werden dürfen. Dennoch sieht der das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habende § 28 Asylgesetz 1997 keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Bestimmung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 28 Asylgesetz nicht (VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494).

 

Der Beschwerdeführer, dessen ausreisekausales Vorbringen im Verfahren beider Instanzen, trotz Aufforderung geeignete Bescheinigungsmittel zur Glaubhaftmachung zu besorgen bzw. vorzulegen, unbescheinigt blieb, vermochte im Ergebnis den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Prämissen für die Glaubhaftmachung einer "Fluchtgeschichte" insbesondere aus nachfolgenden Gründen nicht gerecht zu werden.

 

Ein zentrales Beweisthema im Vorbringen des Beschwerdeführers ist unzweifelhaft das Foto das er von diesem Vorfall gemacht haben soll und welches der Auslöser für die Verfolgung gewesen sei. Dazu hat er im erstinstanzlichen Verfahren widersprüchliche Angaben gemacht. Behauptete er im Rahmen der ersten Einvernahme beim BAA noch, dass er den "Chip (auf dem das Foto abgespeichert gewesen sein soll) zerstört" habe, so brachte er davon abweichend in der ergänzenden Einvernahme beim BAA vor, dass er lediglich "das Foto auf dem Chip gelöscht" habe.

 

Er brachte im Verfahren weiters vor, dass er unmittelbar nach dem Ereignis vor dem Restaurant zu seinen Freund gelaufen wäre und dort habe er sich bis zu seiner Ausreise am 14.07.2005 versteckt. Davon abweichend und mit einem "Verstecken in einer Wohnung" kaum vereinbar, brachte er in der zweiten Einvernahme vor, dass er "geheime Treffen" und mit anderen Personen gehabt hätte.

 

Auch hinsichtlich dieser Treffen brachte er im Verfahren vor beiden Instanzen Unterschiedliches vor. Sagte er beim BAA noch aus, dass er sich im Geheimen mit Arbeitskollegen und mehrmals mit seinem Arbeitgeber sowie seinen Eltern getroffen habe, so behauptete er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass er sich lediglich mit zwei Arbeitskollegen und sonst keinen Personen getroffen habe. Also weder mit seinem Arbeitgeber noch mit seinen Eltern.

 

Nicht plausibel ist, dass er einerseits behauptet, dass er sich verstecken musste, weil er Verfolgung befürchtete, er sich aber andererseits mehrmals in einem öffentlichen Park mit Arbeitskollegen getroffen hätte. Dies ist der allgemeinen Lebenserfahrung nach kaum mit jemandem vereinbar, welcher sich angeblich vor seinen Verfolgern versteckt halten muss.

 

Nicht plausibel ist auch, dass er sich genau mit jenen Kollegen trifft, die seinen Angaben nach selbst von seinen "Verfolgern" kontaktiert wurden. Der allgemeinen Lebenserfahrung nach musste er damit rechnen, dass diese potenziellen Kontaktpersonen aus seinem persönlichen Umfeld von den Verfolgern observiert werden um an ihn heranzukommen. Es ist daher nicht einleuchtend, dass er dessen ungeachtet dieses Risiko einging und sich mit ihnen, noch dazu wiederholt auf einen öffentlichen Platz, traf.

 

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass er sich sofort nach dem Ereignis beim Restaurant entschlossen habe das Land zu verlassen um Schutz zu suchen. Nicht plausibel ist in diesem Zusammenhang, dass er zwar sorgfältig Dokumente zum Beweis seiner Identität und beruflichen Ausbildung besorgt - Letzteres ließ er sogar nach dem Ereignis (sofern man es als wahr erachten würde) noch in Armenien beglaubigt in die deutsche Sprache übersetzen - aber insbesondere das wichtigste Beweismittel zur Glaubhaftmachung seiner Fluchtgeschichte, nämlich das Foto vernichtet, obwohl er zu dem Zeitpunkt schon gewusst haben soll, dass er im Ausland Schutz suchen wolle.

 

Aus der Chronologie der vorgebrachten Ereignisse und der Zeitpunkte der Ausstellung der vorgelegten Dokumente wird der Eindruck erweckt, dass er schon vor dem Zeitpunkt des ausreisekausalen Ereignisses die Ausreisevorbereitungen einleitete. Das vorgebrachte auslösende Ereignis fand seinen Angaben nach in der Nacht vom 00. auf den 00.00..2005 statt. Dem vorgelegten Führerschein ist zu entnehmen, dass noch am 00.00.2005 einen solchen neu ausstellen ließ. Bereits am 06.07.2005 also rund 3 Tage nach dem Ereignis wurde von einem Notar eine deutsche Übersetzung des Diploms über seine berufliche Qualifikation beglaubigt. Der allgemeinen Lebenserfahrung nach kann davon ausgegangen werden, dass die Übersetzung doch einige Tage vor der Beglaubigung in die Wege geleitet wurde.

 

Weiters ergeben sich auch gravierende Widersprüche betreffend des Diploms. In der Beschwerdeverhandlung gab er an, dass er "nach" der Asylantragstellung in Österreich "einen Bekannten, welcher nach Armenien gereist sei, mit der Übersetzung und Beglaubigung beauftragt habe". Ein Bekannter habe ihm das dann aus Armenien wieder mitgenommen. Es ist jedoch aktenkundig, dass er dieses Dokument bereits am 19.07.2005 anlässlich seiner Asylantragstellung bei sich hatte und bei der Erstbehörde vorlegte. Aus dem Dokument geht auch eindeutig hervor, dass die Beglaubigung der Übersetzung in Armenien schon am 06.07.2005 erfolgte und nicht zu einem Zeitpunkt nach der Asylantragstellung, wie er im Beschwerdeverfahren unbescheinigt behauptete.

 

Beim Bundesasylamt brachte er vor, dass er nicht wisse, ob bei diesem Vorfall vor dem Restaurant jemand getötet wurde. In der Verhandlung behauptete er jedoch, dass dabei jemand getötet wurde. Erst auf Nachfrage und Vorhalt seiner diesbezüglichen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren räumte er ein, dass er dies doch nicht genau wisse.

 

Es ist nicht plausibel, dass die Verfolger, nämlich immerhin ein Minister bzw. die für ihn arbeitenden Personen, wenn tatsächlich ein derartiges Interesse am Beschwerdeführer bzw. dem Foto als Beweismittel bestünde, dann nicht mehr Druck auf die dem BF nahestehenden Personen in seinem Umfeld, insbesondere seine Eltern, ausüben um den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Erfahrung zu bringen.

 

Nicht plausibel ist auch, dass der Beschwerdeführer behauptetermaßen im Wesentlichen tatsächlich davon ausgegangen sein könnte, dass im Asylverfahren ein schlechtes Fotos als Beweismittel weniger Wert sei als gar kein Foto von diesem Vorfall. Diese Behauptung weist der allgemeinen Lebenserfahrung viel mehr darauf hin, dass es dieses gegenständliche Foto gar nicht gab, zumal der BF in der Beschwerdeverhandlung auch grds. keinen unintelligenten Eindruck hinterließ und seine behauptete bisherige Tätigkeit und Ausbildung auch nicht einen solchen Hinweis nahe legen würde.

 

Der Beschwerdeführer brachte in der Beschwerdeverhandlung vor, dass er zuletzt vor ca. einem Monat mit seinen Eltern telefonisch Kontakt hatte. Der allgemeinen Lebenserfahrung nach wäre zu erwarten gewesen, dass er sich dabei auch nach seiner persönlichen Gefährdungslage in Armenien erkundigen würde. Nicht so der Beschwerdeführer, welcher in der Verhandlung angab, dass er lediglich über allgemeine Dinge mit seinen Eltern sprach.

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Staatendokumentation des Bundesasylamtes betreffend der Person des Beschwerdeführers und dem von ihm geschilderten Ereignis Recherchen durchführen lassen. Es konnten dabei keinerlei Informationen betreffend den Beschwerdeführer und diesem Ereignis gefunden werden.

 

Auch seitens des Beschwerdeführers blieb dieses Ereignis bzw. die drohende Verfolgung bescheinigungslos. Obwohl er auch nochmals ausdrücklich anlässlich der Zustellung der Ladung aufgefordert wurde Bemühungen anzustellen um Bescheinigungsmittel für die Glaubhaftmachung seines fluchtkausalen Ereignisses vorlegen zu können.

 

Der erkennende Senat konnte sich im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auch einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen. Er war während der Verhandlung im Wesentlichen ruhig und gefasst und erweckte auch in jenen Bereichen der Befragung, wo es um seine konkrete angebliche Gefährdung ging nicht den Eindruck, dass ihn dies emotional besonders berühren würde. Somit ist auch der persönliche Eindruck im Wesentlichen dergestalt bzw. ein weiters Indiz, dass sein fluchtkausales Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Dass es hier zur "Glaubhaftmachung" (der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein) quasi wegen der Offenkundigkeit einer Verfolgungsgefahr überhaupt keiner Bescheinigungsmittel bedurft hätte, bietet der gegenständliche Fall keinen Anhaltspunkt (vgl zB. auch VwGH 25.06.2003, Zahl 2000/04/0092). Abseits der nationalen Rechtsprechung sind für eine solche Schlussfolgerung auch die europarechtlichen Vorgaben von Bedeutung. So normiert die - nicht direkt anwendbare - Statusrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 als Ausfluss der Staatenpraxis in deren Artikel 4 Absatz 1 und 5 Folgendes: "Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

 

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substanziieren;

 

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

 

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

 

Wendet man im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung diese sekundärrechtliche Norm auf das gegenständliche Verfahren an, so führt auch dies für eine Glaubhaftmachung der dargelegten Verfolgungsgefahr nicht zum Verzicht auf die Beschaffung von Bescheinigungsmitteln (Nachweise) seitens des Beschwerdeführers, zumal unter Berücksichtigung aller Umstände im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF sich offenkundig bemüht hat seinen Antrag zu substantiieren. Viele seiner Aussagen zum Ausreisegrund waren nicht kohärent und plausibel. Auch konnte auf Grund der Widersprüchlichkeiten und Unplausibilitäten in seinen Angaben nicht die generelle Glaubwürdigkeit des BF festgestellt werden.

 

Ad I.2. Der Asylgerichtshof hat durch die zitierten und als verlässlich anzusehenden Quellen Beweis erhoben und daraus Feststellungen getroffen. Soweit aus Berichten älteren Datums zitiert wurde, geben jüngere, ebenfalls genannte Quellen im Wesentlichen das gleiche Bild bzw. dienen diese dazu einen chronologischen Ablauf von relevanten Situationen darzustellen. Die Berichte wurden in der Verhandlung genannt und deren Inhalt erörtert sowie dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt dazu Stellung zu beziehen. Da er diesen Feststellungen im Wesentlichen nicht substanziiert entgegengetreten ist, wird die dargestellte Lage als erwiesen angesehen.

 

2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."

 

Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

(....).

 

Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb die vorgetragenen ausreisekausalen Angaben des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer keine ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr ableiten.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Gemäß § 1 Z 4 leg cit ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen und das ist nun § 50 FPG. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist demnach unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG 1997 iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG 1997), es sei denn, es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Wenn auch in Armenien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende "reale Gefahr" ("das ist. eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat"; vgl zB VwGH 19.2.2004, 99/20/0573 mwN) einer unmenschlichen Behandlung des Beschwerdeführers iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Der Beschwerdeführer leidet unter keiner behandlungsbedürftigen Krankheit. Es kam im Verfahren nicht hervor, dass er nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen könnte. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass er auch in Österreich beruflich im eingeschränkten (weil keine Beschäftigungsbewilligung vorhanden) Maße tätig ist, noch dazu in einem Bereich der nicht seiner bisherigen Tätigkeit im Herkunftsstaat entspricht. In Armenien verfügt er nach wie vor über ein familiäres Netz.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 40a AsylG 1997 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Armenien gewährt werden kann. Durch das vom Europäischen Flüchtlingsfonds und Bundesministerium für Inneres kofinanzierte System wird der Neubeginn zu Hause erleichtert. Es wird zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung gewährt, und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Herkunftsstaat unterstützt. (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/). Im Rahmen des Projekts ERSO (European Reintegration Support Organisations), einer Kooperation von zwölf europäischen NGOs, findet auch nach der Rückkehr ein entsprechendes Monitoring statt (www.project-erso.eu).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein subsidiärer Schutz zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt III.:

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerber, die bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung sich im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Der gegenständliche Asylantrag war abzuweisen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären (Spruchpunkt II.). Es liegt daher bei Erlassung dieses Bescheides - mangels anderweitigen Aufenthaltstitels für Österreich - kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

 

Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Familiäre Anknüpfungspunkte kamen im Verfahren nicht hervor, weshalb die Ausweisung auch nicht in dieses Grundrecht eingreift.

 

Der 39-jährige Beschwerdeführer befindet sich seit etwas mehr als 2 Jahren auf Grund der Asylantragstellung in Österreich. Die übrigen Jahre seines Lebens hat er in Armenien verbracht. In Österreich verrichtet er Gelegenheitsjobs. Es kann nicht festgestellt werden, dass durch die aktenkundigen privaten Anknüpfungspunkte ein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Privatleben (vgl. zB. EMRK im Fall NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich) entstanden wäre. Die Ausweisung stellt daher auch keinen relevanten Eingriff in das Recht auf Privatleben dar.

 

Selbst wenn man davon ausginge, dass durch die vorliegenden Umstände ein relevantes Privatleben gegeben wäre, so käme man im Rahmen der Abwägung im Ergebnis auch zu keinem anderen Resultat, wie in der nachfolgenden Eventualbegründung dargelegt wird.

 

Ob ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privatleben durch die asylrechtliche Ausweisung iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist, bedarf einer Abwägung der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden.

 

Art 8 Abs 2 EMRK lautet:

 

"Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Beschwerdeführers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN ) -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem BF bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Auslandsantragsstellungsgrundsatz ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten