TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/27 C1 227412-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2008
beobachten
merken
Spruch

C1 227.412-0/2008/11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.T., geb. 00.00.1962, StA. Serbien, vom 28.03.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2002, FZ. 01 14.027-BAL, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt II zu lauten hat:

 

"Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien ist gemäß § 8 AsylG zulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des Berufungswerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die BR Jugoslawien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

 

Hiegegen wurde das Rechtsmittel der Berufung eingebracht.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vom 31.5.2005 vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gab der Berufungswerber Folgendes zu Protokoll:

 

"Verlesen wird das Ergebnis der Anfrage vom 22.07.2004, Österreichische Botschaft Belgrad, 14.10.2004.

 

BW: Bezüglich der Strafsache, es gab noch einen zweiten Beteiligten, es war ein Freund von mir, ich wurde als Unschuldig erklärt. Ich wurde befreit. Ich war 15 Monate in Untersuchungshaft.

 

VL: Wurden Sie verurteilt oder waren Sie lediglich in Untersuchungshaft?

 

BW: In Untersuchungshaft, bis die Sache sich aufgeklärt hat.

 

VL: Also verurteilt wurden Sie nicht?

 

BW: Ich wurde für diese 15 Monate für schuldig erklärt, sonst hätte ich sehr viel Geld bezahlen müssen, deshalb habe ich mich darauf eingelassen.

 

VL: Haben Sie darüber irgendwelche schriftlichen Unterlagen?

 

BW: Ja, aber als ich aus Bulgarien ausgereist und in Serbien und Montenegro eingereist bin, wurden mir diese Dokumente abgenommen.

 

VL: Sie wurden also zu 15 Monat Freiheitsstrafe verurteilt, jedoch wurde Ihnen die Untersuchungshaft (15 Monate) angerechnet, ist das richtig?

 

BW: Ja, das war so.

 

VL: Wieso sagen Sie dann, sie wurden für unschuldig erklärt?

 

BW: Für diese 15 Monate Untersuchungshaft wurden wir für schuldig erklärt.

 

Möglichkeit an den BWV sich zu den Erhebungen durch die ÖB Belgrad sich zu äußern.

 

BWV: Die ÖB Belgrad schließt zwar die Auslieferung des BW an die Türkei aus, nicht aber die Einleitung eines eigenen Strafverfahrens durch die Justizbehören von Serbien und Montenegro. Der Heimatort des BW ist ein berüchtigter Umschlagplatz für Drogen auf der Balkanroute. Der BW steht daher im Falle seiner Rückkehr im Blickpunkt polizeilicher Erhebungen, zumal er als Goldschmied über erhebliches Vermögen verfügt, dass er auch durch Drogengeschäfte erlangt haben könnte. Überdies war er Angehöriger der mittlerweile aufgelösten UCPMB. Laut telefonischen Auskünften des Vaters des BW erkundigen sich die serbischen Sicherheitsbehörden regelmäßig über den Verbleib des BW. Mit einem menschenrechtskonformen Ermittlungsverfahren durch die serbischen Sicherheitsbehörden kann der BW im Hinblick auf seine Vergangenheit nicht rechnen.

 

VL: Aus welchem Grund sollte dem BW in Serbien und Montengro ein Strafverfahren drohen?

 

BWV: Wegen versuchter Einfuhr von Heroin. Wegen einer Straftat die er im Ausland begangen hat.

 

VL: Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt zu Ihrem Vater?

 

BW: Vor einer Woche und zwar telefonisch.

 

VL: Wie geht es Ihrem Vater?

 

BW: Gut.

 

VL: Ihr Vertreter hat gerade angegeben, dass laut Auskunft Ihres Vaters, serbische Sicherheitsbehörden sich nach Ihnen erkundigen, wissen Sie warum?

 

BW: Ich werde gesucht, ich weiß aber nicht warum. Um ehrlich zu sein, dass ist der Grund warum ich meine Heimat verlassen habe. Ich wurde nie in Ruhe gelassen, Jedesmal wenn ich nach B. gefahren bin, wurde ich von den serbischen Sicherheitskräften angehalten, mein Auto wurde genauestens kontrolliert. Sie bereiteten mir ständig Probleme, mit einem Wort, ich hatte nie Ruhe von denen. Wirtschafltich ging es mir gut, deshalb musste ich nicht flüchten. Jedoch bedanke ich mich beim Österreichischen Staat für die Aufnahme.

 

VL: Wann war das, dass Ihr Auto immer genauestens kontrolliert wurde?

 

BW: Es ist oft passiert. Ich kann kein genaues Datum angeben. Es war im Jahr 1999/2000 aber auch 2001 vor der Ausreise. Kurz vor der Ausreise, war es sogar verstärkt.

 

VL: Wurden auch andere aufgehalten oder waren es nur Sie?

 

BW: Das weiß ich nicht, oft war ich auch mit meiner Frau aufgehalten, ebenso in Begleitung meines Sohnes.

 

VL: Was hat man in Ihrem Auto gesucht?

 

BW: Das haben sie nicht gesagt.

 

VL: Gab es noch andere Sachen, außer diesen Fahrzeugkontrollen?

 

BW: Sie sind gekommen um das Haus zu durchsuchen.

 

VL: Wie oft?

 

BW: Wenn ich mich nicht täusche, war es am 08.03.2000 oder 2001, das weiß ich nicht mehr genau. Es war aber mehrere Male. Aber damals am 08.03. sind sie um 22:30 Uhr gekommen und haben mich mitgenommen. Diese Nacht haben sie an der Tür meines Hofes geklopft. Die Türe war zugesperrt, ich habe geglaubt, dass es sich um meine Freunde handelt und habe die Türe aufgemacht. Es war die Polizei, zwei in Uniform und drei in Zivil.

 

VL: Wissen Sie warum man zu Ihnen gekommen ist?

 

BW: Sie haben mir im Auto gesagt, dass werde ich auf der Polizeistation erfahren.

 

VL: Hat man Ihnen dann auf der Polizeistation gesagt, warum Sie von der Polizei heimgesucht würden?

 

BW: Der Fahrer hat mich gleich geschlagen, nach dem ich das gefragt habe. Mir wurde gesagt, dass man nach Gold gesucht habe. Während ich auf der Polizeistation war, durchsuchte man mein Haus, das erzählte mir meine Frau. Das Haus wurde durchsucht, man konnte aber nichts finden, da ich nichts ungesetzliches zu Hause habe. Von 23.00 - 01:00 Uhr wurde ich ununterbrochen geschlagen. Sie sagten, auch, bei geöffnetem Fenster, man würde mich rauswerfen und dann sagen, ich habe das freiwillig gemacht.

 

VL: Warum hat man das gemacht?

 

BW: Sie haben gesagt, dass sie Gold suchen.

 

VL: Wie lange waren Sie auf der Polizeistation?

 

BW: Gegen zwei Uhr Morgens wurde ich wieder entlassen.

 

VL: Was passierte nach dem 08.03.2000 oder 2001?

 

BW: Danach formierte sich die UCPMB und habe ich mich ihnen angeschlossen.

 

VL: Freiwillig?

 

BW: Hauptsächlich freiwillig.

 

VL: Wissen Sie noch wann das war, als Sie sich angeschlossen haben?

 

BW: Vielleicht im März ich weiß es nicht mehr.

 

Vorgehalten wird, dass nach erstinstanzlichen Verfahren der Vorfall im Oktober 2000 war und Sie sich nicht freiwillig gemeldet haben, sondern vom Militär mobilisiert wurden.

 

BW: Ich sagte auch vorher, dass ich mich hauptsächlich freiwillig angeschlossen haben, aber ich musste mich anschließen.

 

VL: Wie lange blieben Sie bei der UCPMB?

 

BW: Bis kurz vor meiner Flucht.

 

VL: Warum haben Sie die UCPMB verlassen?

 

BW: Die Serben hatten schon begonnen ins Dorf einzudringen, ich konnte dort nicht länger bleiben.

 

VL: Und warum haben Sie Ihr Dorf verlassen?

 

BW: Wegen den Serben.

 

VL: Dem erstinstanzlichen Akt entnehme ich, dass Sie ein eigenes Geschäft hatten?

 

BW: Ja, ich war Goldschmied.

 

VL: Was ist mit dem Geschäft?

 

BW: Es ist geschlossen bzw. musste ich es schließen, weil die Serben öfters gekommen sind und sich Ware ohne zu bezahlen genommen haben, so ging das nicht weiter und ich musste das Geschäft schließen.

 

VL: Können Sie die Schließung des Geschäftes zeitlich einordnen?

 

BW: Es war vor meiner Mobilisierung.

 

VL: Wissen Sie was jetzt mit dem Geschäft ist?

 

BW: Nein.

 

VL: Gehört es noch Ihnen?

 

BW: Nein, ich hatte es in Miete.

 

VL: Und die Ware?

 

BW: Die Polizisten haben etwas davon genommen, ich hatte ca. 950 Gramm bearbeitetes Gold. Die Polizisten haben alles genommen, ich habe keine Bestätigung bekommen.

 

VL: Wann haben das die Polizisten genommen, bevor Sie das Geschäft geschlossen haben oder danach?

 

BW: Das wurde dann von zu Hause genommen.

 

VL: Warum können Sie nicht in Ihr Heimatgebiet zurückkehren?

 

BW: Wegen der mangelnden Sicherheit, also es gibt keine Sicherheit.

 

VL: Was befürchten Sie persönlich?

 

BW: Ich persönlich fürchte mich vor den Serben. Die Serben haben die Macht.

 

VL: Was glauben Sie, was die Serben Ihnen tun würden?

 

BW: Das Schlimmste.

 

VL: Ich entnehme hier dem Bericht des Home Office Country Report April 2005, dass in dem Gebiet, woher Sie stammen, die Albaner in der Mehrheit sind. Genauso ist es schon seit längeren zu keinen Übergriffen durch die Serben gekommen sondern umgekehrt, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen der Albaner gegen die Serben, insbesondere die Polizeistationen, darüber hinaus, wird gerade im Süden mit Erfolg auf eine Mischung der Kulturen hingearbeitet, insbesondere, dass pro Polizeistation mindestens ein albanischer Polizist arbeiten soll. Diese Angaben decken sich auch mit dem Bericht des AA-Berlin vom März 2005.

 

BW: Sie sprechen zwar darüber, getan wird aber etwas anderes. Im Jänner 2005 wurde ein albanisches Kind in der Nachbarortschaft von den Serben getötet. Die Medien haben darüber berichtete. Das ist keine Sicherheit.

 

VL: Befürchten Sie persönlich etwas?

 

BW: Ich habe Angst um meine Familie, meine Kinder. Sie sind der Grund, warum ich mich zur Flucht entschlossen habe.

 

Verlesen wird der Bericht des AA-Berlin vom März 2005, betreffend Pkt. 3.3.

 

BWV: Unbestreitbar gibt es eine Anklageschrift aus der Türkei und eine Verurteilung in Bulgarien, wegen eines Drogendeliktes. Da derartigen Delikten eine hohe Wiederholungsgefahr inne wohnt, liegt es aus ermittlungstaktischen Gründen nahe, den BW zu überwachen. Ein Verdacht ist zumindest nach wie vor gegeben, zumindest ist das Heimatdorf für Drogenhandel bekannt und liegt es im Interesse des Staates den Drogenhandel zu unterbinden oder zumindest zu steuern.

 

VL: Möchten Sie noch irgendetwas angeben?

 

BW: Nein."

 

Im Rahmen des Berufungsverfahrens legte der Berufungswerber eine Anklageschrift wegen des Vorwurfs des organisierten Heroinhandels - zwischen den Staaten Bulgarien und Türkei - vor. Wegen dieses Vorwurfes sei er in Bulgarien 1997 zu 15 Monaten Haft verurteilt worden.

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Berufungswerber ist Angehöriger der Volksgruppe der Albaner und stammt aus dem Ort B., welcher im Staatsgebiet Serbiens liegt. Er ist in Österreich illegal eingereist und hat am 15.6.2001 gegenständlichen Asylantrag gestellt. In Österreich aufhältig sind seine Gattin und zwei Kinder; deren Asylanträge sind anhängig.

 

Bezugnehmend auf das Vorbringen im Zusammenhang mit dem Drogendelikt wurde durch die erkennende Behörde eine Anfrage betreffend Auslieferungsabkommen gestellt. Laut offizieller Auskunft des serbischen Justizministeriums besteht kein Auslieferungsabkommen zwischen Serbien und der Türkei. Eine Übernahme im Zuge der Rechtshilfe und daraus resultierenden Folgen im eigenen Staat können jedoch nicht ausgeschlossen werden.

 

Insbesondere im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung haben sich im Vorbringen des Berufungswerbers einige Ungereimtheiten und im Verhältnis zu seinen Angaben im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt auch Widersprüche ergeben.

 

Hatte der Berufungswerber in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17.9.2001 angegeben, es sei im Oktober 2000 zu einem Vorfall gekommen, bei dem er von Polizeibeamten festgenommen und in Haft geschlagen worden sei, so gab er in der mündlichen Berufungsverhandlung das Datum des Vorfalles mit 8.3.2000 oder 2001 an. Nach seinen Angaben in der Einvernahme sei er um 9.00 Uhr abends aufgesucht worden und von 21.00 bis 23.00 Uhr geschlagen worden. Nach der Rückkehr in das Haus des Berufungswerbers und dessen Durchsuchung sei er wieder mitgenommen und weiter bis 1.30 Uhr geschlagen worden. In der mündlichen Verhandlung gab er an, die Polizisten seien um 22.30 Uhr gekommen, er sei dann von 23.00 bis 01.00 Uhr durchgehend geschlagen worden. Wenn der Berufungswerber zu seinem Vorbringen genaue Uhrzeiten angibt, so ist nicht nachvollziehbar, dass er sich in der Berufungsverhandlung des Jahres, in dem der Vorfall stattgefunden hat, nicht mehr sicher war. Hinzu kommt, dass er den Zeitpunkt des Vorfalles einmal im März und einmal im Oktober ansetzt, wobei davon auszugehen wäre, dass der Berufungswerber ein so einschneidendes Erlebnis, wie er es beschreibt, wenigstens der Jahreszeit nach zuordnen hätte können.

 

Widersprüche ergaben sich auch im Vorbringen des Berufungswerbers zu den Abläufen seiner Festnahme und der Hausdurchsuchung. Zu diesem Vorfall gab er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt an, er sei mitgenommen und misshandelt worden, da man bei ihm Waffen suchte und Gold haben wollte. Da aber nichts gefunden worden sei, sei der Berufungswerber nach Hause gebracht worden, wo das Haus durchsucht und der Garten umgegraben worden sei. Man habe das bei ihm gelagerte Gold mitgenommen und er sei danach wieder mitgenommen und auf der Polizeistation weiter verprügelt worden. In der mündlichen Berufungsverhandlung gab er dagegen an, er sei in der Nacht aufgesucht worden und mitgenommen worden, weil man bei ihm nach Gold gesucht habe. Während er auf der Polizeistation gewesen sei, wo er ununterbrochen geschlagen worden sei, sei das Haus durchsucht worden. Dass er dazwischen nach Hause verbracht worden sei und bei der Hausdurchsuchung anwesend gewesen sei, brachte der Berufungswerber im Widerspruch zu seinem Vorbringen bei der Einvernahme jedoch nicht mehr vor. Weiters gab er im Gegensatz zu seiner Einvernahme an, es sei bei ihm nichts gefunden worden.

 

Zudem führte der Berufungswerber in der Berufungsverhandlung erstmals aus, sein Haus sei mehrmals durchsucht worden, während er in der Einvernahme lediglich von einer Hausdurchsuchung gesprochen hatte, bei der er zudem anwesend gewesen sei.

 

Insgesamt gesehen hat sich somit der Eindruck ergeben, dass der Berufungswerber ein konstruiertes Vorbringen erstattet hat, und war daher sein gesamtes Vorbringen als unglaubwürdig zu werten. Somit war nicht davon auszugehen, dass er in Serbien einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war bzw. ist.

 

Zu der allgemeinen Situation in Serbien wird Folgendes festgestellt:

 

Die Jahre des Milosevic Regime brachten eine jahrelange, weitgehende Isolation Jugoslawiens mit sich. Der Machtwechsel im Oktober 2000 hat Jugoslawien und seine beiden Teilrepubliken weitgehend wieder aus der Isolation herausgeführt.

 

Die politische Landschaft in Serbien ist weiterhin tief gespalten. Die ehemaligen Oppositionsparteien der Milosevic Zeit sind tief zerstritten und arbeiten zum Teil mit fragwürdigen Methoden um den Gegner zu diskreditieren und werfen den jeweils anderen Parteien undemokratische Maßnahmen vor.

 

Die Demokratische Partei Serbien (DSS) des Premier Kostunica und die G17 Partei von Miroslav Labus bilden zur Zeit zusammen mit der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) unter Vuk Draskovic und Neues Serbien (NS) unter Velimir Ilic eine Minderheitsregierung, während die Demokratische Partei sich in der Opposition befindet. Am extremen (rechten) Rand hat sich die Serbische Radikale Partei (SRS) zur inzwischen stärksten Partei in Serbien entwickelt, obwohl (oder gerade weil) ihr ehemaliger langjähriger Parteivorsitzender Vojislav Seselj in Den Haag inhaftiert ist. Die Sozialistische Partei Serbiens (SPS), die jahrelang von Slobodan Milosevic geführt wurde, findet zur Zeit nur wenig Anhänger, spielt zur Zeit aber eine nicht unbedeutende Rolle, da sie der Minderheitsregierung von Premier Kostunica im Parlament die benötigte Mehrheit bei Abstimmungen beschaffen kann.. Des Weiteren sind weitere kleine Parteien im Parlament vertreten.

 

Im zweiten Wahlgang zu den Präsidentschaftswahlen im Juni 2004, konnte sich allerdings der Kandidat der oppositionellen Demokratischen Partei, Boris Tadic gegen den Kandidaten der SRS Nikolic durchsetzen. Der Kandidat der Regierungspartei DSS, Marsicanin, hatte schon im ersten Wahldurchgang keine Chance.

 

Das Interesse der internationalen Staatengemeinschaft an einer Beruhigung des Krisenherdes Ex-Jugoslawien, nicht zuletzt durch die Präsenz zahlreicher Organisationen bezeugt, und das Interesse der jetzigen politischen Führung an einer weiteren Annäherung an Europa lassen allerdings das Aufbrechen neuer gewalttätiger Auseinandersetzungen - mit der Ausnahme der Unabhängigkeit des Kosovo - als unwahrscheinlich erscheinen.

 

Der Regimewechsel zu einem demokratischen System brachte der serbischen Bevölkerung im Allgemeinen keine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Nach zehn Jahren Krieg und Korruption lag die Wirtschaft Serbien und Montenegros danieder. Das Auseinanderfallen Jugoslawiens hat alte Rohstoff- und Absatzmärkte verschwinden lassen. Korruption ist weit verbreitet und zu einem Teil des Alltags geworden. Mafiöse Strukturen kontrollieren große Teile der Wirtschaft. Die alten Seilschaften aus Politik, Militär und Geheimdienst üben immer noch großen Einfluss aus. Entweder blockieren sie Reformbestrebungen in Polizei, Justiz und Militär wie auch in der Wirtschaft und in der Verwaltung oder sie profitieren von den wirtschaftlichen Veränderungen. Die Ermordung von Premier Djindjic verdeutlichte den Einfluss und die Gewaltbereitschaft dieser Seilschaften.

 

In Serbien herrscht weiterhin große Arbeitslosigkeit; allerdings existiert parallel eine weit verbreitete Schattenwirtschaft. Die Schattenwirtschaft kann zwar für temporäre, auch längerfristige Einkünfte sorgen, allerdings sind damit in den seltensten Fällen Sozial- und Krankenversicherung verbunden. Das Durchschnittsgehalt lag Ende 2004 in Serbien bei ca. 190 ¿, was angesichts der Mietpreise und allgemeinen Lebenshaltungskosten kaum für die Deckung der täglichen Kosten ausreichen dürfte.

 

Die Verfassungen von Jugoslawien (bzw. Serbien und Montenegro) und Serbiens sehen eine verpflichtende Sozialversicherung für alle angestellte Personen sowie für Selbständige und Landwirte vor (Art. 58, Föderale Verfassung; Art. 40, Serbische Verfassung). Die Leistungen der Pflichtversicherung können in Anspruch genommen werden im Falle von Krankheit, Mutterschaft, Behinderung, Rentenalter, Arbeitslosigkeit oder Tod des Familienernährers bzw. des Familienangehörigen mit permanenten Einkommen. Sie betrifft dementsprechend Pensionen, Arbeitsunfähigkeit (Behinderung) und Versicherung im Krankheitsfalle.

 

Das grundlegende Recht in Serbien Sozialhilfe zu beziehen, bezieht sich auf Personen oder Familien, deren Einkommen unterhalb des Existenzminimums liegt. Die Entscheidung über den Bezug von Sozialhilfe wird von den zuständigen Sozialämtern getroffen.

 

Alle Personen, die nicht erwerbstätig sind, haben das Anrecht auf Krankenversicherung, wobei Personen, die niemals erwerbstätig waren, nur krankenversichert sind, und Personen, die erwerbstätig waren und ohne ihr Mitverschulden arbeitslos wurden, zusätzlich berechtigt sind, Unterstützung in Form von Sach- oder Geldleistungen zu erhalten.

 

Die rückgeführten Serben und Montenegriner können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure, noch de facto.

 

Sofern die Betroffenen nicht über Reisepässe, sondern nur über ein provisorisches Reisedokument (Putni List) verfügen, wird dieses von den serbisch-montenegrinischen Behörden bei Einreise eingezogen. Die Inhaber werden aufgefordert, zur Ausstellung eines neuen Ausweises bei der örtlichen zuständigen Polizei vorzusprechen. Dazu erfolgt ggf. auch eine Ladung durch die Polizei.

 

Dies wird von manchen Betroffenen als Diskriminierung empfunden, entspricht aber dem üblichen Verfahren, denn die Reisedokumente berechtigen nur zur Rückreise nach Serbien und Montenegro.

 

Die mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Grenzregion Südserbiens zum Kosovo Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Pre¿evo, Medvedja) war bis zum Frühjahr 2001 Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen albanischen Rebellen und serbischen bzw. jugoslawischen Sicherheitskräften. Nachdem unter Vermittlung der NATO und der Europäischen Union eine Verhandlungslösung gefunden worden war und die serbischen und jugoslawischen Sicherheitskräfte in die Pufferzone entlang der administrativen Grenze zwischen Kosovo und Südserbien zurückgekehrt waren, hat sich die Lage jedoch zunächst weitgehend beruhigt. Seit Februar 2003 kam es wieder zu vereinzelten Gewaltakten albanischer Extremisten gegen Angehörige serbischer Sicherheitsorgane, seit August 2003 auch gegen (von ethnischen Albanern geleitete) kommunale Einrichtungen mit bisher insgesamt vier Todesfällen (je 2 auf beiden Seiten). Die Grenzen zwischen politischer Gewalt (worauf u.a. das angebliche Auftreten von Angehörigen einer 'Albanischen Nationalarmee' hindeutet) und Allgemeinkriminalität sind dabei nicht immer leicht zu ziehen. Nicht verifizierbaren Berichten zufolge soll es bei Durchsuchungsaktionen serbischer Sicherheitskräfte vor Ort auch zu Beeinträchtigungen der Zivilbevölkerung (Beleidigungen, Diebstähle) gekommen sein. A.I. berichtete in früheren Veröffentlichungen regelmässig von Übergriffen ("ill-treatment") der Polizei auf ethnische Albaner. Dem Auswärtigen Amt sind solche Vorfälle in den Jahre 2003 und 2004 nicht bekannt geworden, wohl aber wurde über rüden Umgangston und Diebstähle bei Hausdurchsuchungen berichtet. Zu vermehrten interethnischen Spannungen kam es auch in Südserbien nach den Unruhen im Kosovo im März 2004. U.a. wurden ethnisch-albanische Patienten im klinischen Zentrum Vranje belästigt und bedroht.

 

Da die albanischen Extremisten nach der Aufhebung der Pufferzone nicht mehr aus einem sicheren Rückzugsraum heraus operieren können und den gut ausgerüsteten serbischen Sicherheitskräften kein auch nur annähernd vergleichbares Potential entgegensetzen können, ist mit bewaffneten Auseinandersetzungen größeren Ausmaßen nicht zu rechnen. Hingegen führen politische Rivalitäten innerhalb der albanischen Minderheit zunehmend auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wobei die Abgrenzung zu allgemeiner Kriminalität nicht immer leicht fällt. Die weitere Entwicklung wird v. a. von der Umsetzung der von Belgrad zugesagten Aufbaumaßnahmen abhängen, die vor allem auf die politische und wirtschaftliche Integration der albanischen Minderheiten abzielen. Als vertrauensbildende Maßnahme wurde im Juli 2002 ein Amnestiegesetz für jugoslawische Bürger, die in Südserbien 'Terrorakte' begingen oder staatsfeindliche Aktivitäten planten, oder im Verdacht stehen, diese begangen oder geplant zu haben, verabschiedet (in Kraft seit 11.07.2002). Der bisher wichtigste Schritt zur Integration der Albaner waren die vorgezogenen Kommunalwahlen am 28.07.2002, aufgrund derer die ethnischen Albaner künftig weitaus stärker in den Gemeindeorganen vertreten sind als vorher und u.a. die Bürgermeister der beiden größten Ortschaften der Region, Bujanovac und Pre¿evo, stellen. Potenziell bleibt die Region weiterhin ein Konfliktherd. Sie steht aber unter ständiger Beobachtung internationaler Organisationen. Insgesamt ist die Entwicklung seit Mai 2001 so positiv, dass Rückkehrprogramme für Albaner, die aus Südserbien in den Kosovo geflohen waren, durchgeführt werden konnten. Schon der Zeit vom 31.05. bis 16.09.2001 waren 8.763 der 12.500 geflohenen Albaner zurückgekehrt. Das Programm des UNHCR für freiwillige Rückkehrer ist mittlerweile abgeschlossen. Nach Aussage des UNHCR haben die Albaner, die nicht aus dem Kosovo nach Südserbien zurückkehren wollten, diese Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen getroffen.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Quellen: Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 29.03.2005, Stand Februar 2005; Gutachten von Stephan Müller vom 21.02.2005; Verwaltungsgericht München vom 22.12.2004.

 

Die Provinz Kosovo hat am 17.02.2008 ihre Unabhängigkeit erklärt, steht jedoch weiterhin unter internationaler Verwaltung. Die Sicherheitszone in Südserbien gehört weiterhin zum Staatsgebiet Serbiens. Aufgrund der fortdauernden Verwaltungsstruktur im Kosovo und der Zugehörigkeit der südserbischen Gebiete zum serbischen Staatsgebiet sind daher bis zum Entscheidungsdatum keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation eingetreten.

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht) und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obige Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999. Zl.99/01/0279, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH vom 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH vom 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).

 

Mit Rücksicht auf die aktuelle Lage in Serbien ist nicht davon auszugehen, dass Angehörige der albanischen Volksgruppe in Südserbien weiterhin einer Gefährdung durch serbische Volksgruppenzugehörige unterliegen. Selbst wenn das Vorbringen des Berufungswerbers, wonach serbische Personen bei dem Berufungswerber Waren mitgenommen hätten ohne zu bezahlen, den Tatsachen entspricht, so ist hierzu anzuführen, dass nunmehr für den Berufungswerber jedenfalls die Möglichkeit besteht, derartige Vorfälle bei den serbischen Sicherheitsbehörden oder allenfalls bei den internationalen Beobachtern anzuzeigen, und zu erwarten ist, dass ihm von Seiten der staatlichen Behörden hinreichender Schutz gegenüber solchen Übergriffen gewährt wird.

 

Nach offizieller Auskunft des Justizministeriums besteht kein Auslieferungsabkommen zwischen Serbien und der Türkei, sodass nicht davon auszugehen ist, dass sich der Berufungswerber wegen des von ihm begangenen Drogendeliktes in der Türkei einem Strafverfahren zu unterziehen hätte. Eine Übernahme im Zuge der Rechtshilfe und daraus resultierenden Folgen im eigenen Staat können jedoch nicht ausgeschlossen werden, sodass möglicherweise ein Strafverfahren in Serbien durchgeführt werden könnte. In beiden Fällen wäre die Verfolgung des Berufungswerbers durch staatliche Strafverfolgungsbehörden jedenfalls nicht asylrelevant, sondern handelt es sich um reguläre Maßnahmen der Strafrechtspflege.

 

Soweit der Berufungswerber in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebracht hat, ihm drohe aufgrund seiner Verurteilung die ständige Überwachung durch staatliche oder internationale Sicherheitskräfte, weil ihm möglicherweise weiterer Drogenhandel unterstellt werde, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Hintanhaltung von Straftaten wie dem Drogenhandel und damit auch die Überwachung potentieller Straftäter im Interesse des Staates gelegen ist und damit keine asylrelevante Verfolgung darstellt.

 

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die Lage in Serbien im Hinblick auf die oben getätigten Feststellungen seit der mündlichen Verhandlung bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht in einer Weise verändert haben, die sich relevant auf das Verfahren auswirkt, sodass diese Feststellungen der gegenwärtigen Entscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

 

Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Berufungswerber asylrelevante Verfolgung in Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, ZI. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, ZI. 94/20/0798).

 

Zumal sich im gesamten Vorbringen des Berufungswerbers auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 FrG ergeben haben und - wie oben bereits festgestellt - der Berufungswerber aufgrund der Tatsache, dass er einen Asylantrag gestellt hat, keine Sanktionen zu erwarten hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

 

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass auf die Bestimmung des § 124 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, nicht näher einzugehen war, zumal sich der Regelungsinhalt beider Bestimmungen nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, kriminelle Delikte, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, staatlicher Schutz, strafrechtliche Verfolgung, Straftatbestand, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten