S4 402.123-1/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des H.M., geb. angeblich 1992, StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.10.2008, Zahl: 08 07.178, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan und eigenen Angaben zufolge über den Iran und die Türkei zunächst nach Griechenland gereist, wo er am 17.5.2008 erkennungsdienstlich behandelt wurde und in der Folge über Italien ins Bundesgebiet gelangte (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 13 u. Aktenseite 25). Am 13.8.2008 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit E-mail vom 4.9.2008 ersuchte Österreich Griechenland um Aufnahme des Asylwerbers (vgl. Aktenseite 7 des Dublin-Aktes).
Griechenland hat sich mit Schreiben vom 17.9.2008, bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) aufzunehmen (Aktenseite 167).
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am 13.8.2008 erklärte der Asylwerber hinsichtlich seines Alters, am 00.00.1992 geboren zu sein (Aktenseite 21).
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 20.8.2008 erklärte der Antragsteller bezüglich seines Alters divergierend, er sei sich eigentlich nicht sicher, ob er 16 Jahre alt sei. Es könne auch sein, das er ein bisschen jünger oder älter sei. Eventuell sei er auch 17 Jahre, sicher aber nicht 18 oder 19 Jahre. Er habe (auch in seinem Heimatland) keine Dokumente, die sein Altern belegen könnten (Aktenseite 49).
In der Folge beauftragte das Bundesasylamt Med. Rat. Dr. K. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers.
In dem sodann erstellten Gutachten (Aktenseite 57 ff.) kommt Dr. K. zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:
"Aufgrund der äußeren Inspektion, des äußeren Eindruckes, sowie der somatischen Messgrößen und der Befragung durch den Sachverständigen über den Dolmetscher wird das Alter von Herrn H.M. auf 20 bis 22 Jahre, jedoch deutlich über dem 18. Lebensjahr eingeschätzt. Unterstützt wird diese Befundung durch die sonographischen Messgrößen von Nieren und Schilddrüse, welche sämtliche innerhalb der Erwachsenennorm liegen."
Dieses Gutachtensergebnis wurde dem Asylwerber im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 3.9.2008 vorgehalten und bekräftigte dieser im Wesentlichen erneut, 16 Jahre alt zu sein (Aktenseite 79).
Das Bundesasylamt ging in der Folge von der Volljährigkeit des Asylwerbers aus.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.10.2008, Zahl: 08 07.178, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 41 (3) AsylG ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See-, oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Das Bundesasylamt hat die Zuständigkeit Griechenlands zur Prüfung des Asylantrages damit begründet, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 Dublin II erfüllt seien. Damit geht das Bundesasylamt implizit davon aus, dass der Asylwerber, der erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, jedenfalls kein Minderjähriger ist, da diesfalls gem. Art 5 Abs. 1 leg.cit, die dem Art. 10 leg.cit vorangehenden Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates Anwendung zu finden hätten, in casu insbesondere Art. 6 letzter Satz.
Das Bundesasylamt begründet die von ihm festgestellte Volljährigkeit des Asylwerbers zunächst einerseits mit den von diesem im Hinblick auf sein Alter getätigten widersprüchlichen Angaben bzw. damit, dass der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, sein genaues Alter nicht zu kennen und auch bis dato kein sein Alter belegendes Dokument vorgelegt hat (vgl. Seite 23 des angefochtenen Bescheides).
Insbesondere stützt das Bundesasylamt seine Annahme bezüglich des Vorliegens der Volljährigkeit des Asylwerbers jedoch auf das Sachverständigengutachten Dris. K. (Aktenseite 57 ff.).
Zu einem derartigen Gutachten hat der der AsylGH mit Erkenntnis vom 14.7.2008 (GZ S1 400.131-1/2008/2E) wie folgt judiziert:
"Das Gutachten ist kursorisch gehalten, Angaben über die Qualifikation des Gutachters und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten Methoden, sowie die Gewichtung der verschiedenen Methoden untereinander fehlen. Sonstige Umstände, die den Befund der Volljährigkeit decken könnten (zB widersprüchliche Aussagen zu Lebensgeschichte) sind ebenso nicht ersichtlich. Unter diesen Prämissen kann aber der Kritik in der Beschwerde hinsichtlich vermeintlicher Unschlüssigkeit des Gutachtens und Ungeeignetheit der Untersuchungsergebnisse auf Basis der Aktenlage nicht hinreichend begegnet werden. Es muss von Amts wegen Aufgabe der Erstbehörde sein, gerade in einem sensiblen und wissenschaftlich notorischerweise sensiblen Bereich wie den der "Altersfeststellung" vor Befassung eines Gutachters Erhebungen zu dessen Untersuchungsmethodik und Reputation (sofern diese nicht als notorische anzusehen ist) zu machen."
An dieser Einschätzung vermag auch die Stellungnahme von Dr. K. (Aktenseite 63 ff.) nichts zu ändern, in der er die von ihm angewandte Methode zur Altersfeststellung mittels Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse zu untermauern versucht. In dieser Stellungnahme wird nämlich einerseits keinerlei spezifische ausgewiesene Expertise Dris. K. zur Altersfeststellung dargelegt und andererseits bestätigt, dass für die Feststellung des Alters einer Person die Methode der Vermessung von Niere und Schilddrüse lediglich als Unterstützung des subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata und der persönlichen Einschätzung dienen könne. Zudem gesteht die Stellungnahme zu, dass Überschneidungen der Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem Erwachsenenalter möglich seien und eine genaue Feststellung des chronologischen Alters mit der Methode der Vermessung von Nieren- und Schilddrüsenvolumen nicht möglich seien. Dies sei nach Ansicht Dris. K. nur mittels eines Handwurzelröntgens und Bestimmung des Knochenalters möglich.
Das Gutachten erschöpft sich im Bereich des Befundes zur Körperbehaarung in bloßen (nicht näher ausgeführten" Schlagworten und gerade einmal 1 1/2 Zeilen, zum Zahnstatus auf die Anzahl der Zähne (28) und im Bereich des Befundes der Nägel auf "rosig"; im Übrigen auf sonographische Daten zu inneren Organen, die jedoch etwa auch nach einhelliger Meinung einer Expertenrunde, die auf Einladung des BM für Inneres im September dieses Jahres zusammentraf, keine taugliche Grundlage für Alterseingrenzung bilden.
Das Gutachten im engeren Sinne (als "Zusammenfassung" bezeichnet) ergibt sich lapidar aus der "äußeren Inspektion" dem "äußeren Eindruck" und der "Befragung durch den SV", wobei hiebei notwendigerweise ein Dolmetsch zwischengeschaltet ist. Objektiv nachvollziehbar ist dieses "Gutachten" damit in keinster Weise, es ist somit unschlüssig und unbrauchbar.
Es können somit ohne weitergehende Ermittlungen keine schlüssig begründeten Feststellungen zum tatsächlichen Alter des Asylwerbers getroffen werden. Die Feststellung, ob es sich beim Antragsteller um eine (unbegleitete) minderjährige Person handelt (hinsichtlich derer Art. 6 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates anwendbar wäre) oder aber um eine volljährige Person (hinsichtlich derer Art. 10 Abs. 1 leg.cit. zur Anwendung käme) ist zur Lösung der Rechtsfrage, welcher Mitgliedstaat der Dublin II-VO zur Prüfung seines Asylantrages zuständig ist, unabdingbar.
Der vorliegende Sachverhalt ist somit so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen zum Alter des Antragstellers und folglich im Sinne des § 41 (3) AsylG die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheinen, sodass der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben ist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.