TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/27 C2 245369-0/2008

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Veröffentlicht am 27.10.2008
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Spruch

C2 245369-0/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Geiger Anja über die Beschwerde des A.R., geb. 00.00.1984, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2003, FZ. 01 13.003-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

I. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 4.6.2001 einen Asylantrag gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 28.11.2003, erlassen am 3.12.2003, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei nach Afghanistan nicht zulässig sei, der berufenden Partei wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

 

Mit am 16.12.2003 zur Post gegebener Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen.

 

Im Verfahren vor dem Bundesasylamt und vor dem Asylgerichtshof wurden darüber hinaus keine Beweismittel vorgelegt oder von Amts wegen beigeschafft.

 

II.

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs 1 AVG hat die Berufungsbehörde - das ist im vorliegenden Fall bei sinngemäßer Anwendung des leg. cit. der Asylgerichtshof - notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde - also im vorliegenden Fall durch das Bundesasylamt - durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat der Asylgerichtshof, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. etwa VwSlg. 14.945/A und dazu Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f). In einer sinngemäßen Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG, die sich aus § 23 AsylGHG ergibt, kann der Asylgerichtshof den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverweisen, wenn der dem Asylgerichtshof vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist. Bei der Auslegung des § 66 Abs. 3 kommt es jedoch nicht auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die konkrete Amtshandlung an. So wird etwa auch auf den Wohnort des Berufungswerbers bedacht zu nehmen sein (in diesem Sinne etwa VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084), vor allem aber der Umstand des förmlicheren Verfahrens vor dem Asylgerichtshof, der etwa nur die Möglichkeit hat, Verhandlungen durch zwei Richter durchführen zu lassen. Weiters muss auch berücksichtigt werden, dass ein Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der den Asylgerichtshof als besonderen Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. Art. 129 B-VG). Die verfassungsrechtlich normierte Funktion des Asylgerichtshofs als Beschwerdegericht, das zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eingerichtet ist, wird aber ausgehöhlt und die Einräumung des Beschwerdeverfahrens zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor dem Asylgerichtshof nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in das Verfahren einzuführen (vgl. hiezu zum Unabhängigen Bundesasylsenat VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

 

Was die Ausübung des der Berufungsbehörde durch § 66 Abs. 2 AVG eingeräumten Ermessens angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Gesetzgeber in Asylsachen ein Beschwerdeverfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch den VfGH) eingerichtet hat, in welchem dem Asylgerichtshof die die Sicherung der Rechtmäßigkeit der Verwaltung zukommt (Art. 129 B-VG), wobei in diesem Verfahren bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln hat, da es nicht im Sinne des Gesetzes ist, wenn der Asylgerichtshof, statt seine (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Stelle ist, die erstmals den entscheidungsrelevanten Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es das Bundesasylamt unterlässt, sich in die Fluchtgeschichte des Antragstellers einzulassen und ohne - wie dies dem Normzweck des § 28 AsylG entspräche - darauf hinzuwirken, dass alle für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrags geltend gemachten Umstände vervollständigt werden oder die zur Begründung des Antrags notwendigen Bescheinigungsmittel bezeichnet, vervollständigt oder von Amts wegen beigeschafft werden.

 

Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber, der zum Zeitpunkt des Beginns der geschilderten Verfolgungen im Herkunftsstaat 12 Jahre alt war, in seiner einzigen Einvernahme dargetan, dass er von verschiedenen Personen, die zum Teil in Afghanistan noch an der Macht wären, wegen der Tätigkeit seines Vaters für die "Wahdate Eslami" verfolgt werden würde. Auch sei sein Vater in Afghanistan nach dem Ende der Talibanzeit von staatlichen Organen gefangen genommen worden und man hätte ihn gefoltert. Weiters gab der Berufungswerber an, dass er keine Beweismittel hätte und sein Vorbringen nicht zu verifizieren sei.

 

Diese Angaben hätten die belangte Behörde aber - im Hinblick auf § 28 AsylG - nicht daran hindern dürfen, amtswegige Ermittlungen zu machen. So lange ein Vorbringen in sich schlüssig und nicht widersprüchlich ist, hat die Behörde entweder durch eine gezielte Befragung des Berufungswerbers oder durch andere Mittel - etwa ein Sachverständigengutachten - das Vorbringen des Berufungswerbers, das auch nach der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht widersprüchlich war, zu verifizieren. Dass das Vorbringen vage wäre, rechtfertigt die Bewertung als unglaubhaft auch nur dann, wenn das Bundesasylamt in Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des § 28 AsylG den Asylwerber durch darauf hingerichtete Fragen angeleitet hätte, die notwendigen Angaben zu machen und er trotzdem vage geblieben wäre.

 

Das Bundesasylamt wird daher den Berufungswerber abermals einzuvernehmen haben. Wenn seine Aussage weiterhin widerspruchsfrei bleibt und er auf gezielte Fragen hinreichend antwortet, so wird ein Sachverständiger jedenfalls zur Frage zu befassen sein, ob der Vater des Berufungswerbers in Afghanistan in der vom Berufungswerber beschriebenen Art tätig war.

 

Schon aus den unter vii. dargestellten Gründen ist die mit einer Vornahme der Amtshandlung durch den Asylgerichtshof keine Ersparnis an Kosten und Zeit verbunden; darüber hinaus ist in Fällen, in denen es das Bundesasylamt unterlässt, die wesentlichen Verfahrensvorschriften und -garantien zu beachten, im Hinblick auf die Sicherung der Rechtmäßigkeit der Verwaltung eine Behebung des betreffenden Bescheides mit dem Auftrag das Verwaltungsverfahren zu wiederholen, unumgänglich, um eine entsprechende Verfahrensführung des Bundesasylamtes in der Zukunft sicherzustellen.

 

II.2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
28.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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