E3 316.337-1/2008-4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. MITTERMAYR über die Beschwerde des D. N., geb. 00.00.1972, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.11.2007, FZ. 06 09.683-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und D. N. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass D. N. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und SACHVERHALT
1. Der Beschwerdeführer (vormals Berufungswerber), ein der kurdischen Volksgruppe zugehöriger Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 13.09.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG.
Er wurde hiezu am selben Tag einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen sowie am 18.09.2006, 17.10.2006 und 05.06.2007 niederschriftlich einvernommen.
Der Beschwerdeführer brachte im erstinstanzlichen Verfahren zusammengefasst vor, am 19.09.2001 aus politischen Gründen festgenommen und zunächst bis 27.09.2001 bei der Polizei in Haft gewesen zu sein, wo er auch gefoltert worden sei. Im Anschluss daran sei er bis 28.08.2003 in einem Gefangenhaus in Istanbul in Untersuchungshaft gewesen, ehe er bedingt entlassen worden sei. Man habe ihm die Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation namens Y. vorgeworfen und sei das Verfahren nach wie vor anhängig. Zu seiner Hauptverhandlung sei er nicht erschienen und werde er auch deshalb gesucht, weil er den Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe. Mehrere seiner Geschwister seien Mitglieder bzw. Unterstützer der PKK sowie deswegen auch - zum Teil über viele Jahre - in Haft gewesen und stehe seine gesamte Familie unter polizeilicher Beobachtung. Seine Frau und sein 2002 geborener Sohn hielten sich in Deutschland auf, deren Asylverfahren befinde sich im Berufungsstadium.
Zur Untermauerung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer diverse Dokumente vor, darunter ein Protokoll einer Strafverhandlung gegen den Beschwerdeführer, eine Klage (unter anderem) des Beschwerdeführers gegen die Behandlung während der Haft und das darüber ergangene Urteil, mit welchem der Klage nicht stattgegeben wurde, eine Ladung für den 04.04.2005, ein von der Staatsanwaltschaft erhobenes Rechtsmittel sowie ein Schreiben des Verteidigungsministeriums, wonach der Beschwerdeführer seiner Einberufung nicht Folge geleistet habe und somit als Wehrdienstverweigerer gelte.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.11.2007, FZ. 06 09.683-BAI wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG abgelehnt und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.) Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und wurde dieser unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Begründend wird zu Spruchpunkt I. zusammengefasst ausgeführt, dass zwar feststehe, dass der Beschwerdeführer zwei Jahre lang wegen des Verdachts der Mitgliedschaft bei einer illegalen Organisation in Untersuchungshaft gewesen und aufgrund eines Amnestiegesetzes freigelassen worden sei. Dabei handle es sich jedoch um keine Verfolgung, sondern um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Delikts. Die vorgebrachten Misshandlungen seien schon längere Zeit vor der Ausreise des Beschwerdeführers erfolgt und sei darüber auch ein Verfahren eingeleitet worden. Dass der Beschwerdeführer wegen seiner Wehrdienstverweigerung eine Bestrafung zu erwarten habe, könne ebenfalls nicht zur Asylgewährung führen.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten), welche dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 17.12.2007 vorgelegt wurde. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
4. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Akt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.
5. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 weiterzuführen.
Gemäß § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl I Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF, sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
Anzuwenden waren das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.
Gemäß § 9 Abs 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Festgestellt wird:
Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:
Bereits die Erstbehörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers für glaubhaft erachtetet und ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, weshalb dieses Vorbringen auch im gegenständlichen Erkenntnis zum Sachverhalt erhoben wird.
Demnach ist der Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Türkei sowie Angehöriger der kurdischen Volksgruppe.
Der Beschwerdeführer wurde am 19.09.2001 festgenommen und war rund zwei Jahre lang wegen des Verdachts der Mitgliedschaft zu einer illegalen Organisation in Untersuchungshaft, ehe er aufgrund eines Amnestiegesetzes freigelassen wurde. Ihm wird ein Naheverhältnis zur PKK vorgeworfen bzw. unterstellt.
Bei nahen Familienangehörige, insbesondere seinen Geschwistern, handelt es sich um Mitglieder bzw. Unterstützer der PKK und ist die gesamte Familie des Beschwerdeführers dadurch ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten und steht unter polizeilicher Beobachtung. Er hat seine Heimat aus Angst verhaftet und verurteilt zu werden verlassen.
Der Beschwerdeführer hat seiner Einberufung zum Militär nicht Folge geleistet und gilt somit als Wehrdienstverweigerer. Ihm droht eine Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung sowie im Falle der Ableistung des Wehrdienstes auf Grund des Umstandes, dass er und die gesamte Familie bereits seit Jahren ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten sind und ihm eine gewisse Nähe zur PKK unterstellt wird, diskriminierende Behandlung oder sogar Folter.
Aufgrund der ihm unterstellten Nähe zur PKK sowie aufgrund seiner mehrjährigen Verhaftung ist der Beschwerdeführers ins Blickfeld der türkischen Sicherheitsbehörden geraten und kann im Falle einer Rückkehr zum Entscheidungszeitpunkt, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht wiederum Opfer von belastenden Übergriffen von dem türkischen Staat zurechenbaren Organen, wie bereits geschehen, insbesondere auch in Konnex mit seiner Wehrdienstpflicht, wird.
Zur Situation in der Türkei wird festgestellt:
Auch diesbezüglich wird auf die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen verwiesen und werden diese zum Inhalt dieser Entscheidung erhoben.
Beweiswürdigung
Bereits die Erstbehörde ist von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen und ergibt sich auch für den erkennenden Senat kein Anlass, von dieser Beurteilung abzuweichen.
In einer Gesamtschau der vom Beschwerdeführer vorgelegten unbedenklichen Dokumente, seinen detaillierten Angaben in den verschiedenen Einvernahmen, sieht der erkennende Senat daher keinen Anlass an der Richtigkeit der Kernaussage des Beschwerdeführers über die ihm in der Türkei drohende Gefahr zu zweifeln, zumal die dagegen stehenden Argumente der Erstbehörde (bei den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen handle es sich lediglich um Vermutungen bzw. subjektive Befürchtungen) rein spekulativ sind.
Ausgehend vom - auch durch Vorlage entsprechender Urkunden untermauerten - Vorbringen des Beschwerdeführers, ist dieser wegen des Verdachts der Mitgliedschaft bei einer verbotenen Gruppierung festgenommen und während der polizeilichen Anhaltung auch gefoltert worden. Im Anschluss daran hat der Beschwerdeführer nahezu zwei Jahre lang in Untersuchungshaft verbracht.
Wenn die Erstbehörde zu den Misshandlungen des Beschwerdeführers während seiner Anhaltung im Jahre 2001 ausführt, dass über die diesbezügliche Beschwerde ohnedies ein Verfahren eingeleitet worden sei, der Klage jedoch wegen Beweismängeln nicht stattgegeben werden konnte, so sind ihr die von ihr selbst auf den Seiten 22 ff des angefochtenen Bescheids getroffenen Feststellungen entgegenzuhalten. Demnach kommt es bei Folterungen und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte selten zu Verurteilungen und Schuldsprüchen der Angeklagten und verhindert das nach wie vor bestehende Naheverhältnis von Staatsanwälten und Richtern einen fairen Prozess und ist folglich die Schlussfolgerung, dass keine asylrelevanten Eingriffe erfolgt seien, da der Klage nicht stattgegeben worden sei, schlichtweg verfehlt.
Die Erstbehörde verneint weiters einen Zusammenhang des gegen den Beschwerdeführer angestrengten Gerichtsverfahren mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, zumal es sich dabei - so die Erstbehörde weiter - lediglich um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Delikts handle.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Mitgliedschaft zu einer verbotenen Organisation zunächst gefoltert und dann fast zwei Jahre lang in Untersuchungshaft angehalten wurde. Wie die Erstbehörde weiters feststellte, ist er aufgrund eines Amnestiegesetzes freigelassen worden; dies setzt auch eine Verurteilung des Beschwerdeführers voraus.
Da das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren laut den vorgelegten Urkunden in Zusammenhang der Mitgliedschaft zu einer (verbotenen) Partei stand, ist entgegen der Rechtsansicht der Erstbehörde sehr wohl der Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich jenem der politischen Gesinnung, gegeben. Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung reicht es nämlich aus, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung einer solchen Unterstellung nicht zu erwarten ist (vgl. VwGH 12.09.2002, 2001/20/0310).
Das wesentliche Abgrenzungskriterium zwischen asylrechtlich relevanter Verfolgung und legitimer Strafverfolgung liegt in der Beurteilung der (Un-)Verhältnismäßigkeit der Strafe. Nach der Judikatur des VwGH kann auch eine auch eine allen gleichermaßen drohende Bestrafung zur Asylgewährung führen, wenn den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter, welche auch gegenständlich vorlag - jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. Putzer / Rohrböck, Leitfaden Asylrecht, Rz 56).
Wenn die Erstbehörde in weiterer Folge offenbar darauf abstellt, dass dem Beschwerdeführer in Zukunft keine Verfolgung mehr drohe, weil zum einen über die von ihm erhobenen Vorwürfe wegen der Behandlung durch die Polizei ohnedies ein Verfahren anhängig war sowie weil er zum anderen aufgrund eines Amnestiegesetzes entlassen wurde, so übersieht das Bundesasylamt einen wesentlichen Umstand, nämlich jenen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes durch den Beschwerdeführers. Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie den getroffenen Länderfeststellungen sind kurdischstämmige Wehrdienstleistende zwar aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit keinen Nachteilen ausgesetzt.
Dabei übersieht die Erstbehörde jedoch, dass der Beschwerdeführer durch sein eigenes Strafverfahren, in welchem ihm ein Naheverhältnis zur PKK vorgeworfen wurde, einerseits sowie durch seine Familienangehörigen, welche zum Teil Mitglieder der PKK sind bzw. waren, andererseits bereits ins Blickfeld der Behörden geraten ist. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass ihm eine unverhältnismäßige Bestrafung droht und/oder er bei Ableistung des Wehrdienstes einer entsprechenden unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein wird.
Der erkennende Senat vertritt keinesfalls die Auffassung, dass es in der Türkei zu systematischen Menschenrechtsverletzungen von Kurden und systematischer ethnischer bzw. politischer Verfolgung gegen bestimmte Personengruppen kommt sowie das ethnischen Kurden aufgrund ihrer Wehrdienstpflicht Asyl zu gewähren ist, doch liegt im konkreten Fall eine ganz spezielle, individuelle Ausnahmesituation vor, die eine Asylgewährung in Österreich erforderlich macht.
4. Rechtliche Beurteilung:
4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
4.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Aktenlage, bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, entgegen der Ansicht der Erstbehörde, das Vorliegen einer aktuellen Verfolgungsgefahr aufgrund politischer (unterstellte, staatsfeindliche Haltung) und ethnischer Elemente; dies unter Berücksichtigung aller zu 2. und 3. getroffenen Ausführungen.
Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers geht eindeutig eine substantiierte Verfolgungsbefürchtung in der Gegenwart hervor. Es ist schlüssig, dass bestimmte türkische Sicherheitsbehörden den Beschwerdeführer, aufgrund seiner ihm und seiner Familie unterstellten Nähe zur PKK sowie seiner Mitgliedschaft bei einer verbotenen Partei, in der von ihm glaubwürdig dargestellten Weise behandelt (Misshandlungen, Festnahmen) haben. Auch wenn der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keiner gezielten staatlichen Verfolgung ausgesetzt sein mag, so tritt doch erschwerend hinzu, dass er seinen Wehrdienst noch nicht geleistet hat, er folglich nach Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls als Wehrdienstverweigerer gilt und aufgrund des Umstandes, dass er bereits ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten ist, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass ihm eine unverhältnismäßige Bestrafung droht (bei Abbüßung der Strafe ist der Beschwerdeführer aufgrund og. Umstände mit dem erheblichen Risiko konfrontiert, Opfer von unmenschlicher oder grausamer Behandlung zu werden) und/oder er bei Ableistung des Wehrdienstes einer entsprechenden unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein wird. Die dem Beschwerdeführer individuell wegen Wehrdienstentzuges drohende Behandlung oder Bestrafung steht daher sowohl auf Grund ihrer Unverhältnismäßigkeit als auch auf Grund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen exponierten Zugehörigen der kurdischen Volksgruppe handelt im kausalen Zusammenhang zu seiner ethnischen Zugehörigkeit und zu seiner politischen Gesinnung.
Im konkreten Fall kann auch nicht angenommen werden, dass sich der Beschwerdeführer der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; die Gebiets- und Hoheitsgewalt der türkischen Regierung erstreckt sich auf das gesamte türkische Staatsgebiet und der Beschwerdeführer wird landesweit wegen Fahnenflucht gesucht. Es wäre dem Beschwerdeführer daher nicht möglich, sich dauerhaft verborgen zu halten und sich der Suche zu entziehen.
Aus den genannten Gründen droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatland asylrelevante Verfolgung und war daher in einer Gesamtschau Asyl zu gewähren.
Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akt keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit des § 6 AsylG, etwa im Sinne der Begehung von Kriegsverbrechen oder sonstiger besonders schwerer Verbrechen durch den Beschwerdeführer, ergeben haben.
Somit befindet sich zusammengefasst der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb der Türkei und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren. Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, weshalb von einer mündlichen Verhandlung abzusehen war. Wie ausgeführt, ergaben sich aus der Aktenlage erkennbarerweise keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer getätigten Angaben. Die von der erkennenden Behörde getroffenen Ausführungen unter 2. und 3. stellen eine Konkretisierung der von der Erstbehörde allgemein getroffenen Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers für das gegenständliche Verfahren, bezogen auf dessen entscheidungsrelevante Teile, dar.