A5 226.278-2/2008/12E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Frau LACHMAYER über die Beschwerde des E. Em., geb. 00.00.1986, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.5.2002, Zl. 01 22.307-BAS/1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang
I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 25.9.2001 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg.cit. für zulässig erklärt.
I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).
I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.
I.4. Der Asylgerichtshof führte am 16.10.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der Beschwerdeangelegenheit durch, zu der der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und persönlich erschienen ist. Er wurde von einem Rechtsvertreter begleitet.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Sein Name und sein Geburtsdatum konnten nicht verifiziert werden. Er reiste am 25.9.2001 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
II.1.2. In seinem schriftlichen Asylbegehren führte der Genannte zu seinen Fluchtgründen aus, dass in seinem Dorf das Orakel der Vorväter verehrt würde. Alle drei Jahre würde ein Blutopfer erbracht. Nachdem der Vater des Beschwerdeführers deshalb bereits getötet worden sei, habe man ihm gesagt, dass nun er an der Reihe sei. Sein Vater sei ihm ständig in seinen Träumen erschienen. Deshalb sei er davon gelaufen und habe in einer Kirche um Hilfe ersucht.
Am 24.1.2002 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei nannte er den 00.00.1986 als sein Geburtsdatum. Über Vorhalt der belangten Behörde, dass er aufgrund seines Äußeren auf mindestens 25 Jahre geschätzt würde, meinte der Genannte, dass ihn viele Menschen für älter hielten. Zu seinen Fluchtgründen gab der nunmehrige Beschwerdeführer an, sein Vater habe dem Familien-Orakl namens "AGHARA" gedient. Was er dabei genau gemacht habe, könne der Genannte nicht angeben, da er damals noch gar nicht auf der Welt gewesen sei. Sein Vater sei vor seinem Tod aufgefordert worden, einen Nachfolger für das Orakel namhaft zu machen, habe sich aber geweigert, den nunmehrigen Beschwerdeführer als seinen einzigen Sohn einzusetzen. Aufgrund seiner Weigerung sei der Vater des Genannten auch von anderen Familienangehörigen umgebracht worden. Zum Orakel selbst könne der nunmehrige Beschwerdeführer keine Angaben machen, es solle, so wisse er aus Erzählungen, geschnitzt sein. Er selbst habe es nur aus der Ferne gesehen, seine Mutter habe ihn davor gewarnt, da man dem Orakel dann für immer dienen müsse. Seine Mutter sei es auch gewesen, die gemeint hätte, dass die Situation für den nunmehrigen Beschwerdeführer gefährlich sei, wenn er sich weigere, die Nachfolge seines Vaters anzutreten.
II.1.3. Die belangte Behörde wies den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit seiner Angaben.
II.1. 4. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
II.2. Zur Lage in Nigeria
Nigeria ist eine föderale Republik in Westafrika, bestehend aus 36 Bundesstaaten und mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 140 Millionen Menschen. 1960 wurde in Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Die nachfolgenden Jahre waren von interkulturellen sowie politischen Unruhen und Gewaltausbrüchen geprägt, als schließlich das Militär (durch Igbo- Offiziere) 1966 die Macht übernahm und die erste Republik beendete. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen - abgesehen von 1979 bis 1983, als Shehu Shagari mit der Hilfe von General Obasanjo die zivile Regierungsmacht übertragen bekam - fanden erst wieder im Jahr 1999 statt, bei denen Olusegun Obasanjo als Sieger hervorging und anlässlich der Wahlen 2003 als solcher bestätigt wurde. (1+2)
Gemäß der nach amerikanischem Vorbild entworfenen Verfassung von 1999, die am 29. Mai 1999 in Kraft trat, verfügt Nigeria über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Darüber hinaus gewährleistet die Verfassung ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre stattfindende Wahlen. Der Präsident verfügt generell über weit reichende Vollmachten und ist sowohl Staatsoberhaupt, Regierungschef als auch Oberbefehlshaber der Armee. (3)
Am 14. und 21. April 2007 fanden die letzten Wahlen statt, bei denen die amtierende "People's Democratic Party (PDP) überlegen als Sieger hervorging, und Umaru Yar'Adua zum Präsidenten gewählt wurde. Damit erfolgte erstmals seit der Unabhängigkeit Nigerias die Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf die nächste. (4)
(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2008 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).
(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).
(3) IDMC, "Nigeria: Institutional mechanisms fail to address recurrent violence and displacement", S. 1-4, von 29.10.2007 (www.internal-displacement.org).
(4) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, and September 2007, S. 5-7, von 06.11.2007
Generelle Menschenrechtslage
Die Menschen- und Bürgerrechte sind im Grundrechtskatalog der Verfassung gewährleistet. Die Realität sieht allerdings anders aus; schlechte Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit, Korruption sowie die größtenteils mangelnde Ausbildung, Ausrüstung und Bezahlung der staatlichen Organe führen zu regelmäßigen Verletzungen der verfassungsrechtlich garantierten Rechte. (1)
In der nigerianischen Gesellschaft ist Gewalt ein alltägliches Phänomen, welche zumeist auch von Politikern zur Zielerreichung bewusst eingesetzt wird. Willkürliche Verhaftungen und Folter, sowie politisch motivierte Auftragsmorde durch Polizei und Militär sind keine Seltenheit. Die harschen Haftbedingungen und die schlechten Zustände in den Gefängnissen können lebensbedrohende Ausmaße annehmen. Selbstjustiz stellt daher in verschiedenen Landesteilen ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Zweck wird hauptsächlich auf sog. "Vigilante Groups" (private Milizen, oft auch ethnisch motiviert) zurückgegriffen, welche durch die Regierungen einiger Bundesstaaten toleriert oder sogar aktiv unterstützt werden. (3)
Obwohl eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinsichtlich ziviler und politischer Rechte seit 1999 festzustellen ist, wird nach wie vor von willkürlichen Ausschreitungen und Gesetzesverletzungen ausgehend von den nigerianischen Sicherheitskräften berichtet. Die Beschneidung essentieller Grundrechte, häusliche Gewalt, Diskriminierung der Frauen, Kindesmissbrauch sowie ethnisch, regionale und religiöse Diskriminierungen stellen in Nigeria wohl die signifikantesten und bislang sanktionslosen Rechtsverletzungen dar. (2)
(1) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5., von 06.11.2007.
(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2007
(www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).
(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007
(www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.
II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.
II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
II.3.6. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
II.3.7. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.
II.3.8. Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden.
II.3.9. Gemäß § 124 Abs.2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
II.3.10. Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde am 25.9.2001 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. Nr. 126/2002 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.
II.3.11. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974 ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Gemäß § 8 Abs.1 AsylG hat die Behörde, im Fall einer Abweisung des Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.
II.3.12. § 8 AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.
Gemäß § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Gemäß § 50 Abs.3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs.1 oder Abs.2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.
Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs.1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits geprüft und verneint.
Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).
Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).
II.4. Beweiswürdigung
Der Asylgerichthof gelangt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im oben beschriebenen Sinne nicht vorliegen, zumal die Angaben des Genannten als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.
Der Asylgerichtshof übersieht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit keineswegs, dass die geschilderten Ereignisse nunmehr schon mehrere Jahre zurückliegen und dem Beschwerdeführer daher zugestanden werden muss, sich nicht mehr an sämtliche Details erinnern zu können. Es ist allerdings in Beweis würdigender Hinsicht ein bedeutsamer Unterschied, ob sich der Antragsteller infolge Zeitablaufs an bestimmte Abläufe nicht mehr genau erinnern kann und dies auch angibt, oder aber, wie im Falle des Beschwerdeführers, zu ein und demselben Sachverhaltselement völlig unterschiedliche Versionen schildert.
Vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer behauptet, sein Vater sei vor seinem Tod aufgefordert worden, ihn als Nachfolger für das Orakel namhaft zu machen. Nachdem er dies abgelehnt habe, sei auch der Beschwerdeführer selbst aufgefordert worden, die Position des Vaters einzunehmen. Da auch er sich geweigert habe, sei der Vater umgebracht worden.
Zusammengefasst stellte der Beschwerdeführer die Abläufe vor dem Bundesasylamt somit in einer Art und Weise dar, die den Schluss nahe legen, er habe das Geschilderte selbst durch eigene Wahrnehmung erlebt und sei in das Geschehen direkt eingebunden gewesen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab der Genannte demgegenüber zu Protokoll, sein Vater sei gestorben, als der nunmehrige Beschwerdeführer ein kleines Kind gewesen sei. Befragt nach dem genauen Todeszeitpunkt, meinte der Beschwerdeführer, sich daran nicht erinnern zu können. Ebenso vermochte er zu den näheren Umständen des Todes lediglich anzugeben, dass sein Vater, nach Informationen der Mutter, keines natürlichen Todes gestorben sei. Seine Angaben divergierten bei der Frage, ob sein Vater nun seine Nachfolge befürwortet oder abgelehnt habe. So behauptete er einmal, sein Vater habe sterben müssen, weil er dagegen gewesen sei, dass der Beschwerdeführer dem Orakel dienen sollte. Kurz darauf behauptete er aber dann, sein Vater habe den anderen Familienmitgliedern versprochen, dass der Beschwerdeführer seine Funktion übernehmen würde.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers waren aber in den Kernelementen des geschilderten Sachverhaltes nicht nur widersprüchlich, sondern auch völlig unschlüssig. Wenn etwa der Beschwerdeführer meint, sein Vater sei gestorben, als er selbst noch ein kleines Kind gewesen sei und weiters zu Protokoll gibt, im Jahr 1999 von seiner Mutter darüber informiert worden zu sein, dass er die Nachfolge übernehmen solle, so stellt sich die Frage, wer in der Zwischenzeit dem Orakel als Oberster gedient hat. Dies konnte der Beschwerdeführer ebenso wenig beantworten wie die Frage nach den Namen und dem Verwandtschaftsgrad der "anderen Familienmitglieder", die dem Orakel angeblich gedient hätten.
Sobald dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung konkrete Fragen zum Orakel gestellt wurden, verwies er unentwegt darauf, alle Informationen nur von seiner Mutter bekommen zu haben. Es erscheint allerdings völlig denkunmöglich, dass der Beschwerdeführer zwar eine bestimmte Funktion einnehmen sollte, letztlich aber nicht einmal angeben kann, worin diese genau besteht. Gerade aber weil der Beschwerdeführer bzw. dessen Mutter die Übernahme der nicht näher beschriebenen Aufgabe abgelehnt haben, wäre zu erwarten, dass der Genannte nähere Details zu jener Position nennen kann. Der Beschwerdeführer begründete seine ablehnende Haltung lapidar mit dem Hinweis, Christ zu sein, vermochte dem Asylgerichtshof allerdings nicht auseinanderzusetzen, warum sein Glaube nicht in Einklang mit der nicht näher beschriebenen Funktion eines Dieners eines Orakels zu bringen sei. Soweit er darauf verweist, dass auch seine Mutter Christin sei, ist wiederum nicht verständlich, dass diese zwar für den eigenen Sohn die Position eines Orakel- Dieners aus Glaubensgründen ablehnt, jedoch jahrelang mit einem - offensichtlich andersgläubigen- Mann verheiratet gewesen sein soll, der genau diese Funktion inne gehabt hatte, ohne dass dies der Mutter religiöse Probleme bereitet hat.
Fragen nach einer konkreten Bedrohung und dem genauen Zeitpunkt allfälliger Verfolgungshandlungen begegnete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausweichend und sprach immer nur allgemein von den "anderen Familienmitgliedern". Nach wiederholter Nachfrage seitens des Asylgerichtshofes führte der Genannte einen gewissen "Okute" ins Treffen, vermochte aber letztlich wiederum keine zweckdienlichen Angaben zu diesem Mann zu tätigen. Es ist nicht glaubwürdig, dass Familienmitglieder den Vater umgebracht und in weiterer Folge - in nicht näher beschriebener Form - auch den Sohn bedroht haben sollen, ohne dass dieser die Namen dieser Verwandten angeben kann.
Soweit der Beschwerdeführer über Vorhalt, dass er seit 1999 davon gewusst habe, die Nachfolge antreten zu müssen, aber erst 2001 ausgereist sei und während dieses längeren Zeitraums scheinbar unbehelligt habe leben können, darauf hinwies, nicht mehr zu Hause, sondern bei seinem Onkel gelebt zu haben, führt er dieses Argument selbst ad absurdum, wenn er an anderer Stelle betont, sein Onkel habe in unmittelbarer Nähe von seinem Elternhaus gewohnt.
Befragt nach einem konkreten Ereignis, das zu seiner Ausreise geführt habe, schwankte der Beschwerdeführer zwischen bösen Träumen, in denen er von seinem Vater gewarnt worden sei und - erstmalig in der mündlichen Verhandlung - von einer Bedrohung durch Okute mit einer Machete. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, diesen Vorfall nicht der Polizei gemeldet zu haben, "weil es sich um etwas Spirituelles gehandelt habe", ist er darauf hinzuweisen, dass dem Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar erscheint, was an einer körperlichen Bedrohung mit einer Waffe spirituell sein sollte. Dass die nigerianischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, ihre Bürger vor solchen Übergriffen zu schützen, kann nicht festgestellt werden.
Dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu tätigen, nicht nachgekommen ist, zeigt sich für den Asylgerichtshof noch an einem weiteren Punkt, nämlich im Zusammenhang mit dem Reisepass, den sich der Genannte aus Anlass seiner Eheschließung im Jahr 2004 beschafft hat. Aus dem entsprechenden Bericht des Gendarmeriepostens Zell am See ergibt sich, dass der Betreffende seine Mutter für die Beibringung dieses Dokumentes bevollmächtigt habe. In krassem Widerspruch dazu behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof jedoch, mit seinen Verwandten, insbesondere mit seiner Mutter, seit seiner Ausreise aus Nigeria keinen Kontakt mehr gehabt zu haben. Seinen Reisepass habe er über einen Bekannten namens Felice erhalten, über dessen nähere Daten der Betreffende aber keine Angaben zu machen vermochte. Über Vorhalt der aktenkundigen Bevollmächtigung seiner Mutter meinte der Beschwerdeführer, er sei überrascht.
Soweit der Asylgerichtshof somit aus den dargelegten Erwägungen unzweifelhaft davon ausgeht, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen, erübrigt sich die Einholung von Zusatzinformationen vor Ort bzw. eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszügen eines ACCORD-Berichts aus dem Jahr 2004 betreffend Ritualmorde.
Zur Frage des Refoulementschutzes wird auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Die Sachlage hat sich nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes zwischenzeitlich nicht nachteilig verändert, vielmehr haben die politischen Entwicklungen seit dem Jahr 2001 weitgehend zu einer Stabilisierung der Verhältnisse geführt und wurden seitens der Regierung große Anstrengungen in Richtung eines Demokratisierungsprozesses und Schaffung eines Rechtsstaates unternommen.
Es sind somit während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die auf die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK oder darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in eine auswegslose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden.
Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung des Beschwerdeführers aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt. Zu beachten ist insbesondere, dass dem Beschwerdeführer im Lichte der begründet angenommenen Unglaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe eine jederzeitige Rückkehr in seinen Familienverband möglich ist und davon ausgegangen werden kann, dass er als junger und gesunder Mann eine neue Existenz aufzubauen in der Lage ist. Soweit der Beschwerdeführer selbst ins Treffen führt, dass seine Mutter eine Landwirtschaft betrieben habe, ergeben sich für den Asylgerichtshof keine Anhaltspunkte, die gegen eine Fortsetzung seiner früheren Tätigkeit auf der elterlichen Farm sprechen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.