Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 23. Mai 1977 geborenen D O in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. April 1998, Zl. SD 1289/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. April 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit August 1992 im Bundesgebiet aufhalte, sei am 19. November 1996 vom Jugendgerichtshof Wien wegen des Verbrechens des Raubes (§ 142 Abs. 1 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer und weitere vier Angeklagte am 2. Juli 1996 in Wien in einverständlichem Zusammenwirken einen Mann umringt, geschlagen, gegen ein Geländer gedrückt, ihm Tritte versetzt und ihm in weiterer Folge eine Geldbörse geraubt hätten.
Es liege somit zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor, weil auf Grund dieser Verurteilung das in der genannten Gesetzesstelle normierte Strafausmaß beträchtlich überstritten worden sei. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, das zu der Verurteilung geführt habe, lasse eine erhebliche Geringschätzung der körperlichen Integrität anderer sowie fremden Eigentums erkennen und gefährde solcherart die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - erforderlich und gerechtfertigt. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer im Alter von 15 Jahren im August 1992 in das Bundesgebiet gekommen, seine ganze Familie hier aufhältig sei und er in Österreich eine Berufsschule sowie eine Lehre absolviert habe, könne kein Zweifel bestehen, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot für den Beschwerdeführer einen gravierenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstelle. Dessen ungeachtet sei aber die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten. Immerhin sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes rechtskräftig verurteilt worden. Angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Missachtung der körperlichen Sicherheit anderer Menschen sei das Aufenthaltsverbot gegen ihn zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten und daher zulässig. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 leg. cit. gebotenen Interessenabwägung sei auf den etwa fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen gewesen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Auch die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Familie erfahre durch den Umstand, dass er erwachsen sei, eine Relativierung. Besonders verwerflich erscheine der belangten Behörde vor allem auch noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer, dem als Bosnienflüchtling Schutz und Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt worden sei, nicht bereit gewesen sei, die Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten.
Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen seien die hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interessen gegenüber zu stellen gewesen. Bei Abwägung dieser Interessenslagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin erweise sich das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.
Was das Vorbringen des Beschwerdeführers anlange, dass der Jugendgerichtshof Wien von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen wäre, weil er über den Beschwerdeführer lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt hätte, so sei dem entgegenzuhalten, dass auch bedingte Verurteilungen entsprechenden Ausmaßes einer Aufenthaltsbeendigung nicht entgegenstünden (vgl. § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG) und die Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und somit unabhängig von Erwägungen, die für das Gericht bezüglich der Strafbemessung ausschlaggebend gewesen sein mögen, zu treffen habe.
Mit seinem Vorbringen, dass sich sein Heimatort noch immer unter serbischer Okkupation befände und eine Rückkehr für ihn mit der Gefahr der politischen Verfolgung verbunden wäre, verkenne der Beschwerdeführer, dass mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht (auch) ausgesprochen werde, dass der betroffene Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.
Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, könne nicht vor Ablauf des festgesetzten Frist angenommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde gemäß § 37 FrG vorgenommene Beurteilung und bringt vor, angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat bestehe zweifellos ein öffentliches Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe jedoch irrigerweise ausgeführt, dass auf das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nicht Bedacht genommen werden müste, weil die "erforderliche soziale Komponente" durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert worden wäre. Die belangte Behörde übersehe jedoch, dass einerseits der Beschwerdeführer bis zu der gegenständlichen Straftat gerichtlich unbescholten und andererseits das Ausmaß seiner sozialen Integration auch anhand anderer Komponenten zu überprüfen gewesen sei. In diesem Zusammenhang werde ausdrücklich auf die familiäre Bindung, die Berufstätigkeit, den Schulabschluss und auch den Freundeskreis des Beschwerdeführers in Österreich verwiesen.
2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers von etwa fünf Jahren, den Abschluss einer Berufsschule und einer Lehre und die daraus ableitbare Integration des Beschwerdeführers in Österreich zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese Interessenlage - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei. Dieser Beurteilung ist beizupflichten, hat doch der Beschwerdeführer durch die Art der ihm zur Last liegenden Straftat - Raub (siehe I.1.) - deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum anderer sowie die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.
Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass - von der belangten Behörde richtig gesehen - die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein besagtes Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde. Von daher gesehen hat die belangte Behörde - auch unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer bereits seit rund fünf Jahren in Österreich aufhältig ist - zu Recht der durch sein Fehlverhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Diese Auswirkungen sind vom Beschwerdeführer jedenfalls im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Das Vorbringen, zwischen Eltern und minderjährigen Kindern sei ein "räumliches Naheverhältnis" notwendig, welches im vorliegenden Fall infolge des Aufenthaltsverbotes nicht mehr gewährleistet wäre, geht schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer - unstrittig - bereits volljährig ist (und im Übrigen bereits im Zeitpunkt der Begehung der ihm zur Last liegenden Straftat volljährig war). Wenn die Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung - vorgenommen hat, so ist dies - entgegen der Beschwerde - gleichfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dem weiteren Beschwerdeeinwand, es sei nicht unerheblich, dass sich die Heimat des Beschwerdeführers noch immer unter serbischer Okkupation befinde, und es bestehe für den Beschwerdeführer faktisch keine andere Möglichkeit, als in seine Heimat zurückzukehren, ist - mit der Behörde - zu erwidern, dass mit dem Aufenthaltsverbot weder ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe, noch dass er (allenfalls) abgeschoben werde.
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten besondere, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180189.X00Im RIS seit
20.09.2001