D10 300627-2/2008/2E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas SCHÄRF als Einzelrichter über die Beschwerde des R.K., geb. 00.00. 1984, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Oktober 2008, FZ. 08 09.080-EAST-Ost, beschlossen:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsbürger aus S. und nach eigenen Angaben der abchasischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 22. August 2004 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 26. August 2004 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei am 00.00. 1984 geboren und trage den Namen R.K.. Sein Vater habe im abchasisch-georgischen Sezessionskrieg für das abchasische Militär gekämpft und sei 1992 getötet worden. Seine Mutter, eine Georgierin, habe im georgischen Staatsarchiv gearbeitet. Sie sei 1994 ermordet worden. Der Beschwerdeführer sei dann in weiterer Folge bei seiner väterlichen Großmutter aufgewachsen, welche einer einflussreichen Familie entstammt haben soll. Seit deren Tod im Jahre 2003 sei er von ihm namentlich nicht bekannten Abchasiern verfolgt und bedroht worden, da er nach deren Annahme gesehen haben soll, wer seine Mutter ermordet habe.
Mit Bescheid vom 15. März 2006, GZ. 04 16.838-BAL, wies die Asylbehörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF. BGBl. I Nr. 126/2002 ab und erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien für zulässig. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführer mangle es an Glaubwürdigkeit, zudem stünde ihm im Falle der Verfolgung durch Angehörige der abchasischen Volksgruppe eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2006, GZ. 300.627-C1/E1-XVIII/58/06, wies der Unabhängige Bundesasylsenat das gegen diese Entscheidung fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel als unbegründet ab. Die Berufung des Beschwerdeführers sei lediglich allgemein gehalten und habe keinen neuen Sachverhalt dargelegt. Dem erstinstanzlichen Bescheid sei somit nicht substantiiert entgegengetreten worden. Eine Beschwerde gegen diese - ihm am 8. Mai 2006 zugestellte - Erledigung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wurde vom Beschwerdeführer nicht erhoben.
Am 25. September 2008 schließlich stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Gelegentlich seiner niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Beschwerdeführer aus, seine im Erstverfahren geltend gemachten Asylgründe blieben weiterhin aufrecht, er "habe keine neuen" Gründe. Im Februar 2005 habe er sich für einen Monat in Frankreich aufgehalten und habe in Straßburg um Asyl angesucht. Er fürchte im Falle einer Rückkehr nach Georgien um sein Leben, da er Abchase sei und ihm von staatlicher Seite die Ermordung drohe.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2008, FZ. 08 09.080-EAST-Ost, zugestellt am 10. Oktober 2008, wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, idgF wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 nach Georgien aus. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keinen nach Rechtskraft des Bescheides aus dem Erstverfahren entstandenen Sachverhalt vorgebracht. Eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts in der Herkunftsgegend des Beschwerdeführers sei nicht erkennbar.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete, am 17. Oktober 2008 fristgerecht erhobene und am 22. Oktober 2008 beim Asylgerichtshof eingelangte Beschwerde begehrt unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 und führt begründend insbesondere aus, die belangte Behörde habe im bekämpften Bescheid die aktuelle Lage in Georgien, welche sich seit Ergehen der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren wesentlich geändert habe, völlig verkannt. Als Angehöriger der abchasischen Volksgruppe drohe dem Beschwerdeführer in Georgien nunmehr asylrelevante Verfolgung. Als Familienmitglied eines abchasischen Militärangehörigen sei er in Folge Sippenhaftung zudem Racheakten der georgischen Behörden ausgesetzt.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird, keine aufschiebende Wirkung zu. Einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer solchen Entscheidung verbunden ist, kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie "vom unabhängigen Bundesasylsenat" (nunmehr im Sinne des Gesetzgebers des 3. Fremdenrechtpaktes wohl: vom Asylgerichtshof) zuerkannt wird.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof sofern gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen wird, dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 237/03, zu den Bestimmungen der §§ 5a 2. Satz sowie 32 Abs. 2 2. Satz AsylG 1997 ausgesprochen hat, können den öffentlichen Interessen an der Raschheit der Durchführung der Ausweisung mögliche Nachteile des Berufungswerbers entgegen stehen, wie etwa die faktische Schwierigkeit, vom Ausland aus ein Berufungsverfahren zu führen, oder Beeinträchtigungen, die sogar in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK fallen können. Der ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Falle des Ausspruches der Ausweisung verstößt daher gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil er selbst in jenen besonderen Fällen eine Interessensabwägung zu Gunsten des Asylwerbers unmöglich macht und damit den Berufungswerber in verfassungsrechtlich verbotener Weise einseitig mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung belastet.
Dass der Gesetzgeber des Fremdenrechtspaketes 2005 diesen vom Verfassungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis aufgestellten Anforderungen bei der Formulierung des § 37 AsylG 2005 Rechnung tragen wollte, ist den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ohne Weiteres zu entnehmen. Diesen zufolge wurde mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein System vorgeschlagen, dass den Rechtsschutzwerber nicht mit allen Folgen einer potentiell negativen Entscheidung belastet. Die aufschiebende Wirkung könne nach den Determinanten des Abs. 1 ausgesprochen werden, um Einzelfälle, bei denen der Berufungswerber durch das Fehlen der aufschiebenden Wirkung über Gebühr belastet wird, aufzufangen (vgl. hiezu 952 BlgNR 22.GP 55).
Im Lichte der vorzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hegt der Asylgerichtshof daher keinerlei Zweifel, bei Entscheidungen über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005, bei verfassungskonformer Interpretation der zitierten Bestimmung, nicht nur die Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie durch das 6. und 13. ZPEMRK verbrieften, sondern auch anderer Grundrechte berücksichtigen zu müssen.
Dass der seitens des Asylgerichthofes auf Grund der Bestimmung des § 37 Abs. 1 AsylG 2005 vorzunehmenden Prüfung im Ergebnis nicht Gewissheit über das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung im Falle der Abschiebung abverlangt werden kann, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung, da mit "Gefahr" regelmäßig nur ein potentielles Risiko beschrieben wird, andererseits aber auch aus dem Umstand, dass andernfalls bereits im Rahmen des Provisorialverfahrens über das Schicksal der erhobenen Beschwerde zu entscheiden wäre.
Vom Vorliegen einer "realen" Gefahr im Sinne der zitierten Bestimmung wird in Anbetracht der dem Gerichtshof vom Gesetzgeber für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 eingeräumten Frist von nur einer Woche einerseits und der Massivität eines Grundrechteingriffes (und des damit verbundenen Rechtsschutzinteresses) andererseits davon ausgegangen werden können, wenn im konkreten Fall vertretbar Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung der in § 37 Abs. 1 angeführten Grundrechte sowie Art. 8 EMRK möglich erscheinen lassen. Nur bei Anlegung eines derartigen Maßstabes kann von einem wirksamen Rechtsbehelf gesprochen werden, der auch den Anforderungen des Art. 13 EMRK Genüge tut. (Vgl. in diesem Sinne zur damals geltenden Rechtslage des AsylG 1997 etwa E VwGH 31. März 2005, 2005/01/0087).
Im Übrigen sei an dieser Stelle auch auf die Praxis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, der in der Vergangenheit bei der Behandlung von Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen in Asylverfahren durchwegs regelmäßig aufschiebende Wirkung zuerkannt und damit die gemäß § 30 VwGG vorzunehmende Abwägung von Interessen zu Gunsten der Beschwerdeführer vorgenommen hat.
Im gegenständlichen Falle des der abchasischen Volksgruppe zugehörigen Beschwerdeführers liegen nach Ansicht des Asylgerichtshofes auf Grund der notorisch bekannten politischen Entwicklungen der letzten Monate - das heißt infolge der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Georgien und der russischen Föderation vom August 2008 betreffend die territoriale Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien - vertretbar Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung des Art 3 EMRK möglich erscheinen lassen..
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.