TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/28 B7 307767-2/2008

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Veröffentlicht am 28.10.2008
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Spruch

B7 307.767-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des M.S. geb. 00.1982, StA.: Republik Kosovo, vom 20.10.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.10.2008, Zahl: 08 08.383-EWEST, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von M.S. wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Aus dem Akteninhalt ergeben sich folgender Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer bringt vor, Staatsangehöriger der Republik Kosovo zu sein, der albanischen Volksgruppe anzugehören und den im Spruch angeführten Namen zu führen.

 

Er reiste seinem eigenen Vorbringen zu Folge am 21.03.2006 illegal in das das österreichische Bundesgebiet ein und stellte ebenfalls am 21.03.2006 in Österreich einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen dieses ersten Asylverfahrens gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, maskierte Räuber seien etwa ein Monat vor der Ausreise aus dem Kosovo nahezu täglich in das Haus, in welchem er und seine Schwester gewohnt hätten, gekommen und hätten Geld gesucht, aber niemals welches gefunden. Sie hätten ihn geschlagen und mit dem Umbringen bedroht und seine Schwester vergewaltigt. Da der Beschwerdeführer und seine Schwester nicht gewusst hätten, wohin sie gehen sollten, seien sie nach Österreich gekommen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.11.2006, Zl. 06 03.246-BAE wurde dieser erste Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 21.03.2006 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, Provinz Kosovo, ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.01.2008, Zl. 307.767-C1/6E-XX/25/06, wurde die dagegen gerichtete Berufung in allen Spruchpunkten abgewiesen. Begründend wurde in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Vielzahl von Widersprüchen und Unzulänglichkeiten in den eigenen Angaben des Beschwerdeführers sowie im Bezug auf die Schilderungen dessen Schwester, welche völlig divergierende Angaben zu den Fluchtgründen getätigt habe, komme dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keinerlei Glaubwürdigkeit zu. Selbst im Falle unterstellter Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers komme dem Vorbringen in Bezug auf das mehrmalige, offensichtlich in räuberischer Absicht erfolgte Aufsuchen des Beschwerdeführers durch unbekannte Männer kurz vor der Ausreise, keine Asylrelevanz zu. Diesem Vorbringen sei kein Bezug zu einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zu entnehmen. Darüber hinaus sei entsprechend den getroffenen Feststellungen sowie auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Anzeige bei den Sicherheitsbehörden im Kosovo erstattet habe, von der Schutzgewährungsfähigkeit- und Willigkeit der Sicherheitsbehörden im Kosovo auszugehen.

 

Selbige Ausführungen würden auch im Bezug auf Spruchpunkt II. (die Entscheidung über den subsidiären Schutz) getätigt.

 

In Bezug auf die Ausweisungsentscheidung (Spruchpunkt III. dieses Bescheides) tätigte der Unabhängige Bundesasylsenat in diesem Bescheid vom 08.01.2008 folgende Ausführungen:

 

"2.2.4.1. Die Behörde erster Instanz verfügte hinsichtlich der BW die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet. Im Ergebnis kann der Erstbehörde diesbezüglich aus Sicht des Unabhängigen Bundesasylsenates auf Grund der zum ho. Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sachlage im Lichte des Artikel 8 Absatz 1 EMRK nicht entgegengetreten werden.

 

2.2.4.2.1. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern - im Falle von minderjährigen Kindern selbst dann, wenn kein Zusammenleben vorliegt (VfGH 28.06.2003, G 78/00 mit Hinweisen auf die EGMR-Judikatur) -, sondern auch zB Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus. Die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander anhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981,118; EKMR 14.3.1980, 8986/80 EuGRZ 1982,311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1).

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof führt beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 21.01.2006, Zahl 2002/20/0423, aus, dass die Beantwortung Frage, "ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, [...] nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab[hängt], wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (Hinweis Entscheidung EGMR 13. Juni 1979, Marckx gegen Belgien; Entscheidung EGMR 12. Juli 2001, K. und T. gegen Finnland; E VfGH 15. Oktober 2004, G 237/03; E VfGH 1. März 2005, B 1242/04)." Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof jüngst in seinen Erkenntnissen VwGH 08.06.2006, Zahl 2003/01/0600 und VwGH 29.03.2007, Zahl 2005/20/0040 bis 0042, hervor, dass die Aufnahme oder auch die finanzielle Unterstützung eines (volljährigen) Asylwerbers durch einen in Österreich lebenden Cousin oder eine Schwester für sich genommen noch kein schützenswertes Familienleben begründen vermögen, wenn ein solches nicht auch zum Zeitpunkt der Ausreise des Asylwerbers aus dem Heimatland dort bestanden habe.

 

Im Lichte der dargestellten Judikatur reicht also die bloße Verwandtschaft zwischen Erwachsenen nicht aus, um von einem nach Artikel 8 EMRK geschützten Familienleben zu sprechen. Hiezu bedarf es der Existenz jener weitergehenden Bindungsfaktoren, wie sie die (restriktive) Rechtssprechung der Straßburger Instanzen und der nationalen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts berücksichtigt, und die über die normalen emotionalen Bindungen von erwachsenen Verwandten hinausgehen. Allerdings darf das Kriterium der "Abhängigkeit" nicht isoliert betrachtet oder zu eng ausgelegt werden, sondern bedarf es einer ganzheitlichen Bewertung (siehe hiezu ebenfalls VwGH 21.01.2006, Zahl 2002/20/0423; zur Reichweite von Artikel 8 EMRK vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse VwGH 08.06.2006, Zahl 2003/01/0600 und VwGH 29.03.2007, Zahl 2005/20/0040 bis 0042).

 

Erst jüngst hat der Verfassungsgerichtshof seinem Erkenntnis vom 29.09.2007, Zahl B 1150/07-9, unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR hervorgestrichen, dass etwa die Aufenthaltsdauer - die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird -, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden - der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert -, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und nicht zuletzt such die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, maßgebliche Parameter für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Ausweisung in Hinblick auf das durch Artikel 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben eines Fremden sind.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme allerdings die gesamte Familie betroffen, greift diese lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in deren Familienleben ein, sofern keine Hindernisse an der Fortsetzung des Familienlebens im Zielstaat erkennbar sind (vgl. dazu EGMR CRUZ VARAS u.a. gg. Schweden, 20.03.1991, Bs.Nr. 15576/89 [unter diesen Voraussetzungen liegt selbst dann kein Eingriff in das Familienleben vor, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen]; siehe auch EGMR GÜL gg. Schweiz, 19.02.1996, Bs.Nr. 23218/94).

 

2.2.4.2.2. Im gegenständlichen Fall halten sich aktuell die Schwester S. A. sowie der Bruder S. A. des BW in Österreich auf. In Bezug auf Erstgenannte ist zunächst zu gewärtigen, dass auch deren Asylverfahren mit Bescheid vom heutigen Tag (Zahl 307.771-C1/8E-XX/25/06) rechtskräftig negativ abgeschlossen und diese ebenfalls nach Serbien, Provinz Kosovo, ausgewiesen wurde. Diesfalls liegt im Lichte der obigen Judikatur a priori kein Eingriff in das durch Artikel 8 Absatz 1 EMRK geschützte Familienleben des BW vor, zumal nicht zu erkennen ist, warum dessen Familienleben zu seiner Schwester S. A. im Kosovo nicht fortgesetzt werden könnte. Im Übrigen sind keine über das normale Maß hinausgehende Bindungen, wie sie zwischen erwachsenen Geschwistern ohnehin üblicherweise bestehen, bei dem BW und seiner Schwester, die hier in Österreich nicht einmal in einem gemeinsamen Haushalt leben, wie eine aktuelle ZMR-Abfrage belegt, seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates erkennbar, weshalb auf dem Boden der zuvor dargestellten Rechtssprechung es im Grunde bereits an einem von

Artikel 8 Absatz 1 EMRK erfassten Familienleben mangelt.

 

Hinsichtlich des schon seit Jahren in Österreich lebenden Bruder S. A. kann aus zweierlei Gründen kein schützenswertes Familienleben im rechtlichen Sinne erblickt werden. Zum einen lag zwischen dem erwachsenen BW und seinem Bruder zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Kosovo bereits kein Familienleben mehr vor, wenn man bedenkt, dass S. A. den Kosovo schon im Jahr 2002 verlassen hatte. Insoweit vermag eine wie auch immer geartete Unterstützung des BW durch den Bruder während seines asylverfahrensbedingten Aufenthaltes hier in Österreich ein nicht mehr bestehendes Familienleben nicht ohne weiteres neuerlich zu begründen (siehe hiezu die obzitierten Erkenntnisse VwGH 08.06.2006, Zahl 2003/01/0600 und VwGH 29.03.2007, Zahl 2005/20/0040 bis 0042). Zum anderen leben der BW und sein Bruder S. A. aktuell nicht einmal in einem gemeinsamen Haushalt, wie eine aktuelle ZMR-Abfrage belegt, wodurch das Bestehen einer über die normalen Beziehungen zwischen erwachsenen Brüdern hinausgehenden Bindung im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung ebenfalls kontraindiziert wird.

 

2.2.4.3.1. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BW zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit dessen Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).

 

2.2.4.3.2. Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. zB. SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA u.a. gg. Lettland) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache SISOJEVA u.a. gg. Lettland einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts aber jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

Der Judikaturentwicklung des EGMR Rechnung tragend, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits zuvor dargelegten Erkenntnis vom 29.09.2007, Zahl B 1150/07-9, auch in Hinblick auf das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben den entscheidenden Beurteilungsmaßstab skizziert.

 

2.2.4.3.3. Im Falle des am 21.03.2006 nach Österreich eingereisten BW hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, wie sie der Verfassungsgerichtshof in dem obzitierten Erkenntnis in Prüfung zieht und welche die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, wird durch den gerade einmal rund zweijährigen Aufenthalt hier in Österreich, während dessen sich der BW seines ungesicherten Aufenthaltsstatus immer bewusst sein hat müssen, geradezu kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des BW kann daher im Falle einer Ausweisung nach Serbien, Provinz Kosovo, nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf."

 

Dieser Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde dem Beschwerdeführer am 14.01.2008 zugestellt; seit diesem Zeitpunkt ist dieses erste Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2008, Zl. 2008/01/0132-3, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhobenen Beschwerde abgelehnt, dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Beschwerde weise keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, lägen nicht vor.

 

Nach einem in der Folge erfolgten mehrmonatigen illegalen Aufenthalt in Österreich stellte der Beschwerdeführer - aus dem Stande der Schubhaft - mit Schreiben vom 05.09.2008 neuerlich in Österreich einen schriftlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher am 19.09.2008 eingebracht wurde.

 

Anlässlich der am 11.09.2008 stattgefunden habenden Erstbefragung nach dem AsylG 2005 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, konkret durch das Stadtpolizeikommando Innsbruck, gab der Beschwerdeführer an, er sei am 21.03.2006 illegal mit einem Kleinbus in das österreichische Bundesgebiet eingereist, seit Verhängung der Ausweisung habe er das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen, vielmehr habe er sich bei seinem Bruder inO.(Kärnten) aufgehalten, er habe Österreich während dieser Zeit nie verlassen, seit seiner Einreise am 21.03.2006 halte er sich nur in Österreich auf. Er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, weil er um sein Leben fürchte, er fürchte, von "Moslemschlägern" sofort umgebracht zu werden, er müsse auf Grund seiner Religionszugehörigkeit (röm.-kath.) mit dem Tode rechnen, in Prizren habe er keine Familienangehörigen mehr, die ganze Familie sei von Prizren geflohen. Zu seinen Eltern habe er keinen Kontakt mehr.

 

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 19.09.2008 und am 03.10.2008 (eine geplant Einvernahme am 29.09.2008 scheiterte daran, dass der Beschwerdeführer am 26.09.2008 wegen Haftunfähigkeit auf Grund eines Hungerstreikes aus der Schubhaft entlassen worden war) durch das Bundesasylamt jeweils im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Diese Einvernahmen gestalteten sich wie folgt (Niederschriften durch den Asylgerichtshof anonymisiert):

 

Einvernahme am 19.09.2008:

 

"Ich bin Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehöre zur Volksgruppe der Albaner, spreche albanisch, bin nicht verheiratet und habe keine Kinder.

 

F: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen?

 

A: Nein.

 

V: Sie haben am 21.03.2006 einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Die Behandlung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde abgelehnt.

 

F: Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?

 

A: Ich habe Probleme im Kosovo.

 

F: Welche Probleme haben Sie im Kosovo?

 

A: Ich wurde von den Moslems geschlagen. Die ganze Familie lebt im Ausland.

 

F: Haben Sie diese Probleme mit den Moslems bereits im ersten Verfahren angegeben?

 

A: Ja.

 

F: Haben Sie Angehörige oder sonstige Verwandte in Österreich zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

A: Mein Bruder A. und meine Schwester F. leben in Kärnten. Anton lebt seit 2002 in Kärnten, er hat, glaube ich, eine Verpflichtungserklärung für mich abgegeben. F. lebt auch irgendwo in Kärnten, wo genau, weiß ich nicht.

 

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Schwester A., mit der Sie im März 2006 nach Österreich gekommen sind?

 

A: Nein, ich habe nur gehört, dass sie geheiratet hat und in der Schweiz lebt.

 

F: Welchen Kontakt haben Sie zu Ihrem Bruder A.?

 

A: Ich habe bei ihm gewohnt, seitdem ich in Österreich bin.

 

F: Welchen Kontakt hatten Sie zu ihm, als Sie noch im Kosovo waren?

 

A: Wir haben telefoniert.

 

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Schwester F., die Ihren Angaben zufolge irgendwo in Kärnten leben soll?

 

A: Nein, zu ihr habe ich keinen Kontakt.

 

F: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie sind seit März 2006 bei Ihrem Bruder A. in O. wohnhaft gewesen?

 

A: Ja, das stimmt.

 

F: Hat sich das Verhältnis zu Ihrem Bruder im letzten halben Jahr geändert?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie besonders integriert in Österreich?

 

A: Nein.

 

Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

 

A: Ich kann nicht in den Kosovo zurück.

 

F: Was befürchten Sie in Ihrem Herkunftsstaat?

 

A: Ich habe Angst, von den Moslems wieder geschlagen zu werden. Ich habe niemanden mehr im Kosovo. Alle Familienmitglieder sind in Österreich oder der Schweiz.

 

Anmerkung: Die Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 AsylG wird vom Dolmetsch übersetzt und dem Antragsteller ausgefolgt.

 

Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass Sie nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie diesem Termin nicht nachkommen, müssen Sie damit rechnen, dass das Verfahren in Ihrer Abwesenheit fortgesetzt wird.

 

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen, was nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

 

A: Ja."

 

Ebenfalls am 19.09.2008 wurde dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 2 AsylG 2005 ausgehändigt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege.

 

Am 02.10.2008 wurde das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 28. Abs. 2 AsylG 2005 zugelassen, da eine Entscheidung binnen 20 Tagen nach Einbringung des Antrages für internationalen Schutz nicht möglich war.

 

Einvernahme am 03.10.2008:

 

"F: Wie verstehen Sie den Dolmetsch?

 

A: Sehr gut.

 

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

 

A: Nein.

 

F: Fühlen Sie sich geistig und körperlich in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

 

A: Ja, ich war zwar im Hungerstreik, habe aber keine Probleme deswegen.

 

Das Bundesasylamt beabsichtigt, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und eine Ausweisung in die Republik Kosovo zu veranlassen.

 

F: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben bzw. ergänzende Angaben machen?

 

A: Ich darf nicht in den Kosovo zurück. Die Gründe dafür habe ich bereits angegeben.

 

F: Haben Sie den Dolmetsch während der gesamten Einvernahme verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

 

A: Ja."

 

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 06.10.2008, Zl. 08 08.383-EWEST, wies das Bundesasylamt den verfahrensgegenständlichen - zweiten - Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.); gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

 

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 06.10.2008, erhob der Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 20.10.2008 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof, in welcher u.a. ausgeführt wird, die Behörde erster Instanz habe in antizipierender Beweiswürdigung übersehen, dass sich der Sachverhalt seit dem 14.01.2008, der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens, geändert habe. Wie dem Beschwerdeführer erst in einem Telefonat mit einem Bekannten nach Zustellung dieses Bescheides mitgeteilt worden sei, sei sein Elternhaus zerstört worden und nicht mehr bewohnbar. Das bedeute, dass der Beschwerdeführer vor dem nahenden Winter keine feste Unterkunft habe. Auch habe er im Kosovo kein soziales Netzwerk, welches ihn auffangen würde, er wäre völlig auf sich allein gestellt, ohne Arbeit, ohne Unterkunft und ohne persönliche Beziehungen. Die Katholiken würden im Kosovo eine Minderheit darstellen, als Angehöriger der Minderheit laufe der Beschwerdeführer Gefahr, von den im Bescheid genannten Leistungen ausgeschlossen zu werden.

 

Dazu komme noch, dass sein Großvater seinerzeit für die Serben gearbeitet und die albanischen Moslems ausspioniert habe. Seitdem dies bekannt sei, werde die gesamte Familie als Spione und Verräter angesehen und musste die Familie den Kosovo verlassen. Der Beschwerdeführer wäre nunmehr der einzige, der in den Kosovo zurückkehren müsste. Auf Grund der fehlenden Wohnmöglichkeit im Kosovo und des fehlenden sozialen Netzes würde der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Kosovo in eine ausweglose Lage geraten. Auch bezüglich der Ausweisung liege keine entschiedene Sache vor. Seit der letzten Entscheidung seien mehrer Monate vergangen, in welchen der Beschwerdeführer vor allem zu seinem Bruder Anton, in dessen Familienverband integriert er in dieser Zeit gelebt habe, er eine sehr enge Bindung aufgebaut habe. Die Ausweisung würde für den Beschwerdeführer auch im Hinblick auch auf dessen aussichtslose Lebenssituation im Kosovo ohne Wohnung, ohne Hilfe und soziales Netz auf Grund der Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit und dem Ruf der Familie als Verräter eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen.

 

Diese Beschwerde wurde dem Asylgerichtshof am 23.10.2008 vorgelegt. Der Asylgerichtshof hat über die mit 20.10.2008 datierte Beschwerde erwogen:

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen die mit dieser Entscheidung verbundene Ausweisung.

 

Nach § 75 Abs. 4 AsylG begründen ab- oder zurückweisende Bescheide "auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 [...] in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24.02.2005, Zlen. 2004/20/0010 bis 0013, VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH 20.03.2003, Zl. 99/20/0480, VwGH 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. VwGH 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235, VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 83 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235, VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913, und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315, VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173, VwGH 21.10.1999, Zl. 98/20/0467).

 

Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH 04.04.2001, Zl. 98/09/0041, VwGH 07.05.1997, Zl. 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

 

Angemerkt sei vorab, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 02.10.2008 zugelassen wurde. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 steht die Zulassung des Verfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung - wie im gegenständlichen Fall - allerdings nicht entgegen.

 

Wie bereits durch die Behörde erster Instanz im angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid zutreffend ausgeführt wurde, stützt der Beschwerdeführer sein nunmehriges Vorbringen auf Gründe, welche er bereits in seinem ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vorgebracht hat und welche bereits in diesem ersten abgeschlossenen Verfahren rechtskräftig als unglaubwürdig beurteilt wurde; auch der Verwaltungsgerichtshof trat dieser Auffassung nicht entgegen.

 

Dies gilt sowohl für das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von "den Moslems" geschlagen worden - diesbezüglich gab der Beschwerdeführer sogar selbst an, er habe diese Probleme mit den Moslems bereits im ersten Verfahren angegeben -, als auch für das Vorbringen, er sei Katholik; auch dies war bereits Gegenstand der Prüfung im ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren. Neue Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer im nunmehr zweiten, auf Grundlage der zweiten Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz geführten erstinstanzlichen Verfahren nicht vor.

 

Was nun das oben wiedergegebene Vorbringen in der Berufung betrifft, so ist diesbezüglich - wie ebenfalls oben bereits ausgeführt - darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes durch den Asylgerichtshof ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen darf, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden. Das neue Vorbringen in der Beschwerde - das Elternhaus sei zerstört worden und daher nicht mehr bewohnbar, der Großvater sei seinerzeit für die Serben tätig gewesen und habe die albanischen Moslems ausspioniert, nunmehr werde die gesamte Familie als Spione und Verräter angesehen und habe den Kosovo verlassen müssen - ist daher einer Überprüfung durch den Asylgerichtshof im Beschwerdeverfahren nicht zugänglich. Ganz abgesehen davon ist aber auch nicht erkennbar, weshalb nun gerade dieses Vorbringen, nachdem bereits das ursprüngliche Vorbringen des Beschwerdeführers rechtskräftig als unglaubwürdig erkannt wurde, nunmehr den Tatsachen entsprechen sollte. Darüber hinaus bleibt im Dunkeln, wie die Behörde erster Instanz, welcher in der Beschwerde vorgeworfen wird, "in antizipierender Beweiswürdigung" übersehen zu haben, dass sich der Sachverhalt seit dem 14.01.2008 geändert habe, dieses nunmehr erstmals in der Beschwerde getätigte Vorbringen hätte berücksichtigt sollen, wenn es im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht vorgebracht wurde.

 

Der Beschwerdeführer hat daher keine neuen Gründe bzw. keine glaubhaften bzw. zulässigen neuen Gründe vorgebracht, welche eine allenfalls in seiner Person gelegene neue individuelle Bedrohung begründen könnten; das Bundesasylamt ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass zum Entscheidungszeitpunkt am 06.10.2008 im Verhältnis zum Eintritt der Rechtskraft des mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.01.2008 am 14.01.2008 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten ist.

 

Insoweit die neuerliche Antragstellung des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes zu betrachten ist, so ist auch in diesem Zusammenhang auszuführen, dass zum einen - wie bereits oben dargestellt - der Beschwerdeführer kein - glaubwürdiges bzw. zulässiges - neues Vorbringen erstattet hat, und dass zum anderen bereits im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren ausgeführt wurde, dass keine subsidiären Schutzgründe vorliegen.

 

Eine wesentliche Änderung der allgemeinen Lage in der Republik Kosovo im Sinne einer entscheidungserheblichen Verschlechterung für Angehörige der albanischen Volksgruppe ist seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.01.2008 - auch unter Berücksichtigung der nunmehrigen Eigenstaatlichkeit der Republik Kosovo - nicht eingetreten. Unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer neue individuelle Fluchtgründe nicht bzw. nicht zulässiger Weise vorgebracht hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers in die Republik Kosovo im Lichte des Art. 3 EMRK als unzulässig erschiene.

 

Im Lichte der Ausführungen des Unabhängigen Bundesasylsenates im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren kann darüber hinaus auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Republik Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, zur für Bewohner des Kosovo dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK; in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall habe der damalige Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Kosovo mit seiner Mutter und drei Brüdern, fallweise auch mit dem Großvater in einem notdürftig errichteten Zelt neben dem zerstörten Haus gelebt, Nahrungsmittel in gerade noch ausreichendem Maß sowie Holz zum Kochen und für die Heizung seien der Familie von Freunden und Verwandten zur Verfügung gestellt bzw. sei Holz zusätzlich durch eigenes Sammeln zusammengetragen worden). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Republik Kosovo jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059 - fehlen würde und der Beschwerdeführer in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft,...) einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wäre.

 

Da auch keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände hervorgekommen sind, welche als Änderung der Sachlage im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu beurteilen wären, erweist sich nach dem Gesagten die Zurückweisung des neuerlichen Antrages im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG als rechtmäßig, sodass die Beschwerde im Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Was Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides anbelangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht weder aktenkundig ist noch ein solches vom Beschwerdeführer behauptet wurde.

 

Darüber hinaus werden die zu Spruchpunkt II. getätigten Ausführungen des Bundesasylamtes zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.

 

Ebenso wird auf die - oben vollständig wiedergegebenen - Ausführungen des Unabhängigen Bundesasylsenates in seinem den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid vom 08.01.2008, Zl. 307.767-C1/6E-XX/35/06, zur Begründung der Ausweisungsentscheidung verwiesen.

 

Selbst wenn man im gegenständlichen Fall davon ausgehen sollte, dass ein Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers vorliegt, so erscheint dieser zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (wirtschaftliches Wohl des Landes - Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Kriminalität und das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehenden Aufenthaltsverfestigung) zulässig und geboten, zumal der illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer seinen bisherigen zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich lediglich auf Asylantragstellungen stützt, wovon sich bereits die erste - wie rechtskräftig festgestellt - als unbegründet erwies und auch der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen ist. Dem Beschwerdeführer musste bereits bei seiner ersten Asylantragstellung bekannt sein, dass die so genannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens gewährt; es war demnach voraussehbar, dass es im Falle einer negativen Asylentscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt, was vom Beschwerdeführer allerdings ignoriert wurde. Nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens durch den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.01.2008, am 14.01.2008 - diese Entscheidung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2008 bestätigt - reiste der Beschwerdeführer seinen Angaben im nunmehrigen zweiten Asylverfahren zu Folge nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet aus, hielt sich in der Folge ohne jegliche Aufenthaltsberechtigung illegal im österreichischen Bundesgebiet auf und stellte im Rahmen einer Inschubhaftnahme am 05.09.2008 neuerlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Einer regelmäßigen Beschäftigung ging der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet offenbar nicht nach. Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird ein allfälliges persönliches Interesse des Beschwerdeführers an einen Verbleib in Österreich gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen erheblich herabgemindert.

 

Die Ausweisung stellt daher im gegenständlichen Fall keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art 8 EMRK dar.

 

Da weiters auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich sind, erweist sich auch die Beschwerde gegen Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet.

 

Die Beschwerde war daher spruchgemäß zur Gänze abzuweisen. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte
Ausweisung, Lebensgrundlage, Prozesshindernis der entschiedenen Sache, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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