TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/28 D13 319114-1/2008

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Veröffentlicht am 28.10.2008
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Spruch

D13 319114-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der H. auch K.L.auch L., geb. 00.00.1975, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.04.2008, FZ. 07 06.466-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde vom 24.04.2008 gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 07.04.2008, FZ. 07 06.466-BAI, wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 15.07.2007 aus Polen kommend gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Hierauf wurde sie zunächst am 16.07.2007 von der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau erstbefragt.

 

Am 17.07.2007 stellte das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-Vo) an Polen, welchem mit Schreiben vom 18.07.2007 zugestimmt wurde.

 

Am 27.07.2007 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

 

Am 08.08.2007 langte beim Bundesasylamt die gutachtliche Stellungnahme im Zulassungverfahren von Dr. B.L. ein, wonach bei der Beschwerdeführerin eine schwere psychische Störung vorliege, welche einer Überstellung nach Polen entgegen stehe. Eine Überstellung sei voraussichtlich in ca. sechs Monaten möglich.

 

Einlangend mit 19.10.2007 legte die Beschwerdeführerin die Kopien eines Befundes ihres Hausarztes sowie eines Befundes von Dr. D.E., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 24.08.2007 vor, wonach bei der Beschwerdeführerin eine längere depressive Reaktion und eine suspekte dissoziative Störung vorliege. Vor vier Jahren habe sie einen Selbstmordversuch unternommen.

 

Am 06.11.2007 legte die Beschwerdeführerin die Kopie eines Schlussberichtes des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses Vöcklabruck, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, betreffend ihre Tochter H. auch K.I. vom 30.10.2007 vor, wonach bei der Tochter der Beschwerdeführerin Affektanfälle diagnostiziert wurden.

 

Am 20.11.2007 legte die Beschwerdeführerin die Kopie eines Röntgenbefundes vom 06.11.2007 vor, wonach bei der Beschwerdeführerin eine flache s-förmige Skoliose bestehe.

 

Am 29.11.2007 legte die Beschwerdeführerin die Kopien eines weiteren Befundes von Dr. D.E. vom 19.11.2007, wonach bei der Beschwerdeführerin eine depressive Episode mit Somatisierung bestehe, sowie eines Bescheides des Bundesasylamtes vor, mit welchem der Schwester ihres zweiten Ehegatten und Vaters ihrer älteren Tochter Asyl gewährt wurde.

 

Am 16.01.2008 legte die Beschwerdeführerin die Kopie eines Befundberichtes von Dr. G.S., Psychotherapeutin, sowie eines Befundberichtes von Dr. E.K., Psychotherapeut, vor, wonach die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Des Weiteren legte sie die Kopie eines Schlussberichtes über den stationären Aufenthalt ihrer Tochter, H. auch K.I., an der Landes-Frauen- und Kinderklinik Linz, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie, vor, wonach bei dieser eine tiefgreifende Entwicklungsstörung sowie eine desintegrative Störung im Kindesalter bestehe.

 

Am 18.01.2008 langte beim Bundesasylamt eine gutachtliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren von Dr. G.M., Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, vom 11.01.2008 ein, wonach einer Überstellung nach Polen eine schwere psychische Störung entgegen stehe, eine Besserungsfähigkeit jedoch vorliege und eine Überstellung nach entsprechender Therapie in etwa einem Jahr möglich sei.

 

Am selben Tag langte die gutachtliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren betreffend die Tochter der Beschwerdeführerin, H. auch K.I., von Dr. G.M. vom 11.01.2008 ein, wonach einer Überstellung nach Polen eine schwere psychische Störung entgegenstehe und eine Besserungsmöglichkeit, die nach entsprechender Therapie eine Überstellung möglich machen würde, nicht vorliege.

 

Mit Schreiben vom 28.01.2008 teilte das Bundesasylamt den zuständigen polnischen Behörden mit, dass das Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Österreich durchgeführt werde.

 

Am 18.03.2008 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache vor der zur Entscheidung berufenen weiblichen Organwalterin des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

 

Ihr damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 07.04.2008, FZ. 07 06.466-BAI, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

Mit Schreiben vom 31.03.2008 legte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den Feststellungen betreffend die Situation in der Russischen Föderation hinsichtlich tschetschenischen Volksgruppenagehörigen vor, in welcher sie ausführte, dass sie von Seiten ihrer Familienangehörigen in Tschetschenien keinerlei Unterstützung zu erwarten hätte und dass man ihr die Tochter I., wie auch schon bei der älteren Tochter geschehen, wieder wegnehmen würde und diese bei einer fremden Familie großgezogen werden müsste. In ihrer Stellungnahme verwies sie auf ein Asylgutachten von Amnesty International vom 27.04.2007, auf eine Accord-Anfragebeantwortung vom 30.08.2007 betreffend die staatliche Unterstützung von Halbwaisen und Witwen und Notstandshilfe oder vergleichbare Sozialleistungen, auf den Bericht von Freedom House zu Tschetschenien 2007 sowie auf eine Accord Anfragebeantwortung vom 05.09.2007 zur Situation vom geschiedenen und vom Ehemann getrennten Frauen in Tschetschenien.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 07.04.2008, FZ. 07 06.466-BAI, den Antrag auf internationalen Schutz der Asylwerberin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Asylwerberin den Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt II wurde der Asylwerberin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr unter Spruchpunkt III gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.04.2009 erteilt.

 

Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin am 24.04.2008 fristgerecht Beschwerde. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen. Die Beschwerdeführerin wurde in Tschetschenien durch einen Angehörigen der russischen Volksgruppe vergewaltigt, aus dieser Vergewaltigung entstand ihre Tochter H. auch K.I.. Aufgrund der gesellschaftlichen Hintergründe im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin war es der Beschwerdeführerin nicht möglich, Anzeige wegen der Vergewaltigung zu erstattet. Auch die in Tschetschenien verbliebene Familie der Beschwerdeführerin hat keine Kenntnis von diesem Vorfall und gilt H. auch K.I. weiterhin als die Tochter des verstorbenen dritten Ehegatten der Beschwerdeführerin. Weder die Familie ihres verstorbenen Ehegatten noch die Familie der Beschwerdeführerin selbst waren bereit, diese und ihre beiden Töchter aufzunehmen. Die Beschwerdeführerin hat aufgrund der daraus resultierenden sozialen Situation Tschetschenien verlassen.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass die Berufungswerberin in ihrem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt war bzw. ist.

 

Zur Kernfamilie der Beschwerdeführerin gehören ihre beiden minderjährigen Töchter S. auch S.D. auch D. und H. auch K.I..

 

Hinsichtlich der Länderfeststellungen zur Russischen Föderation wird auf die zutreffenden Darlegungen im erstinstanzlichen Bescheid (vgl. S. 24 bis S. 47 des Bescheides) verwiesen (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens VwGH vom 04.10.1995, 95/01/0045, VwGH vom 24.11.1999, 99/01/0280). Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Asylgerichtshof keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen der Berufungswerberin ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Bereits das Bundesasylamt erachtete das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen unter Berücksichtigung der aktuellen Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid als glaubwürdig.

 

Die Feststellungen zur Situation in Tschetschenien stützen sich auf jene des erstinstanzlichen Bescheids und die dort angeführten Quellen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden somit zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Nach Ansicht des erkennenden Senates liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 07.04.2008, FZ. 07 06.466-BAI, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

In der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und keinerlei neue Ausführungen zu ihren Fluchtgründen gemacht, sodass der festgestellte Sachverhalt einer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden kann. Da das Beschwerdevorbringen weder in persönlicher noch in länderspezifischer Sicht Neuerungen enthält, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7 AsylG iVm § 67d AVG idgF).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533; 12.06.2003, Zl. 2002/20/0336).

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in Tschetschenien Opfer einer Vergewaltigung durch einen Angehörigen der russischen Volksgruppe geworden ist, woraus ein Kind resultiert ist. Die Beschwerdeführerin hat aufgrund ihres gesellschaftlichen und familiären Hintergrundes keine Anzeige erstattet und es wäre ihr eine Anzeigeerstattung aus diesem Grund auch nicht zumutbar gewesen. Verfolgungshandlungen von Seiten staatlicher Organe wurden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Dieser Übergriff gegen die Beschwerdeführerin von Seiten einer Privatperson ist dem Staat jedoch weder zurechenbar, noch kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Anzeigeerstattung nicht hinreichende Hilfe erhalten hätte bzw. die staatlichen Behörden den Übergriff nicht geahndet hätten. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Sorge, im Falle des Bekanntwerdens der Vergewaltigung Repressionen von Seiten ihrer Familie oder der tschetschenischen Gesellschaft ausgesetzt zu sein, Tschetschenien verlassen hat, kann dem Staat nicht zugerechnet werden, zumal die Vergewaltigung wie auch die Tatsache, dass die Tochter der Beschwerdeführerin, H. auch K.I., nicht das Kind des Ehegatten der Beschwerdeführerin ist, ihrer Familie nicht einmal bekannt ist und es auch aus diesen Grund noch zu keinerlei Übergriffen gegen die Beschwerdeführerin gekommen ist. Es liegen daher keinerlei Anhaltspunkte vor und kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Heimatstaat die Vergewaltigung jedenfalls bekannt werden würde und es aus diesem Grund zu individuellen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gegen die Beschwerdeführerin oder ihre Töchter kommen würde. Die Beschwerdeführerin wurde als Mutter zweier Töchter aus nicht mehr aufrechten Ehen von ihrem Bruder des Hauses verwiesen, da sie diese selbst großziehen wollte. Auch für den Fall, dass sich die Vergewaltigung nicht verheimlichen lassen würde, kann alleine aufgrund der gesellschaftlichen und familiären Ächtung nicht auf zukünftige individuelle Verfolgungshandlungen gegen die Beschwerdeführerin geschlossen werden. Es ist auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass allgemeine Diskriminierungen, die die Beschwerdeführerin aufgrund der gesellschaftlichen Situation im Herkunftsstaat zu erwarten hätte, jene erhebliche Intensität erreichen, dass vom Vorliegen einer individuellen Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auszugehen wäre.

 

Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin als alleinstehende geschiedene Frau, welche zwei Kinder zu versorgen hat, im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation - unter Anderem aufgrund ihrer fehlenden familiären Anknüpfungspunkte und ihrer Volksgruppenzugehörigkeit - in eine ausweglose Lage kommen würde, wurde vom Bundesasylamt in seiner Beurteilung unter Spruchpunkt II berücksichtigt und der Beschwerdeführerin aus diesem Grund der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

 

Da der maßgebliche Sachverhalt bereits vom Bundesasylamt hinreichend erhoben wurde und sich aus dem Beschwerdevorbringen keinerlei Neuerungen ergeben, handelt es sich bei der Frage der Beurteilung ihres Vorbringens im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl lediglich um eine rechtliche Frage, die im obigen Sinne zu lösen ist.

 

Insgesamt ist somit nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

Schlagworte
Eingriff in sexuelle Selbstbestimmung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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