A4 318.604-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. LAMMER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB WILHELM über die Beschwerde des A.A., geb. 00.00.1990, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2008, FZ. 07 06.849-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird in allen Spruchpunkten abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste nach eigenen Angaben am 02.07.2007 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte in weiterer Folge am 28.07.2007 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu sowohl am 28.07. und 24.08.2007 sowie am 13.02.2008 niederschriftlich einvernommen.
2. Zur Begründung seines Asylantrages brachte der Beschwerdeführer zunächst im Wesentlichen vor, aufgrund seiner Probleme in einem Waisenhaus aus seinem Heimatland geflohen zu sein. Konkret "gab es sexuelle Misshandlungen und bin ich deswegen geflüchtet (Seite 109 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Weitere Fluchtgründe habe es keine gegeben. Im Zuge seiner zuletzt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.02.2008 behauptete der im Betreff Genannte demgegenüber erstmalig, zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter mit seinem Vater nach Konstantin übersiedelt zu sein. Dort hätte er versucht, sich und seinen arbeitslosen Vater mit einer Reihe Gelegenheitsjobs finanziell über Wasser zu halten. Im Sommer 2006 wären Mitarbeiter der Regierung in die Wohnung eingedrungen und habe man den Antragsteller getrennt von seinem Vater einvernommen und über zwei Monate lang festgehalten. Während dieser Zeit "wurde ich sexuell belästigt (Seite 175 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Grund für diese eingriffsintensive Vorgangsweise der algerischen Behörden sei die seinem Vater unterstellte Mitgliedschaft in der sogenannten "Slawisch - Islamistischen Gruppe" gewesen. So wäre unter anderem vom Beschwerdeführer verlangt worden, jene Personen, deren Photos man ihm präsentiert habe, anzuzeigen. Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland befürchte der im Betreff Genannte in Algerien keine Zukunft zu haben.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2008, FZ. 07 06.849-BAS, wies die Erstinstanz den Antrag auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG ab und erklärte, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt werde. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde dem Antragsteller gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zuerkannt. In Spruchpunkt III. des Bescheides wurde der im Betreff Genannte gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.
Hauptgrundlage für die erstinstanzliche Entscheidung bildete im Wesentlichen die Vielzahl grober Widersprüchlichkeiten im Vorbringen des Antragstellers. Zudem könne die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bedrohungssituation nicht zuletzt aufgrund der permanent geänderten Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen in Algerien sowie seinem tatsächlichen Ausreisegrund nicht einmal in Ansätzen nachvollzogen werden.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der im Betreff Genannte über seinen damaligen gesetzlichen Vertreter fristgerecht Berufung (nunmehr: Beschwerde) und verwies in seinem Rechtsmittelschriftsatz im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Des Weiteren wäre der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Minderjähriger einem besonderen Gefährdungspotential im Falle seiner Rückführung in sein Herkunftsland ausgesetzt.
II. Zum Sachverhalt:
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger Algeriens ist. Die Identität des Antragstellers konnte demgegenüber mangels Vorlage von als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokumenten nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen konnte aufgrund fehlender Glaubwürdigkeit gegenständlicher Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheids, sowie des Beschwerdeschriftsatzes.
III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i. S. d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 01.01.1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 19.04.2001, Zl. 99/20/0273).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen
oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH v. 27.02.1997, Zl. 98/21/0427).
Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn
-
der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
-
der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
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einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
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einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
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dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
-
diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerber liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist
gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG). Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG).
Dem Beschwerdeführer wurde vor der Behörde erster Instanz hinlänglich Gelegenheit geboten, alle seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Argumente ins Treffen zu führen und wurden diese im bekämpften Bescheid als absolut unglaubwürdig eingestuft. Hauptgrundlage für die Einschätzung der belangten Behörde bildeten im Wesentlichen die Vielzahl der massiven inhaltlichen Widersprüche im direkten inhaltlichen Vergleich zu den im Zuge seiner drei niederschriftlichen Einvernahmen getätigten, auffallend oberflächlichen und detailarmen Aussagen, sowie das Abgehen der ursprünglich ins Treffen geführten Fluchtgeschichte zugunsten einer völlig neu präsentierten Version von Bedrohungssituation.
Auf Grund obiger Überlegungen und aufgrund der letztlich völlig zutreffenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes über die Divergenzen des Vorbringens des Beschwerdeführers in sämtlichen seiner niederschriftlichen Einvernahmen kommt der Asylgerichtshof daher ebenso wie das Bundesasylamt zum klaren Ergebnis, dass das diesbezügliche individuelle Vorbringen nicht glaubhaft ist.
Der Entscheidung der Behörde erster Instanz wird sohin vollinhaltlich hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte beigetreten bzw. werden die begründenden Passagen des Erstbescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben. Weiters wird ausgeführt, dass in Algerien überdies derzeit keine dergestalt exzeptionelle Situation (Bürgerkrieg, Seuchenkatastrophe) besteht, dass eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK indiziert wäre. Als notorische Tatsache wird überdies die Kenntnis vorausgesetzt, dass in Algerien derzeit keine Situation dergestalt besteht, dass jede zurückzuführende Person einer lebensbedrohlichen Situation überantwortet werden würde etwa aufgrund des Mangels der Deckung existentieller Grundbedürfnisse.
Hervorgehoben sei, dass des Weiteren der Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinen gewährleisteten Rechten gemäß Art. 2 bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch Rückverbringung verletzt würde.
Bezüglich der Ausweisungsentscheidung ist bezugnehmend auf das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben auszuführen, dass ein derartiger Eingriff adäquat und geboten erscheint, zumal eine zwingend vorzunehmende Interessensabwägung zulasten des Beschwerdeführers ausfällt. Weder verfügt der im Betreff Genannte über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich, noch sind in diesem Zusammenhang andere relevante Faktoren wie etwa die Dauer seines erst seit 02.07.2007 bestehenden Aufenthalts im Bundesgebiet, Grad seiner Integration, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung und beruflicher Tätigkeit im Verlauf des gegenständlichen Verfahrens zu seinen Gunsten hervorgetreten, welche eine entsprechende aufenthaltsbeendende Entscheidung nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Verstoßes gegen das Einwanderungsrecht und der Erfordernisse der öffentlichen Ordnung als unzulässig erscheinen ließen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG unterbleiben.