S13 400.837-1/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde des B.B., geb. 00.00.1988, StA.
Russische Föderation, vertreten durch: Mag. Judith Ruderstaller, p. A. Asyl in Not, Währingerstraße 59/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.07.2008, FZ. 08 03.818-EAST
WEST, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Verwaltungsverfahren und Sachverhalt
Verfahren vor dem Bundesasylamt
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und tschetschenischer Volkszugehörigkeit, reiste am 29.04.2008 mit seiner Mutter und seiner minderjährigen Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein.
Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Eurodac-Abfrage (AS 3) ergab, dass er zuvor (am 27.04.2007) einen Antrag auf internationalen Schutz in Polen gestellt hatte.
Am 29.04.2008 wurde die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Grenzpolizeiinspektion Großkrut EAST, in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch durchgeführt. Dabei wurde der Beschwerdeführer mit dem Ergebnis der Eurodac-Abfrage konfrontiert (AS 15 ff).
Am 05.05.2008 stellte das Bundesasylamt an die zuständige Behörde in Polen ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) (AS 53).
Am 06.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen und dass zu diesem Zwecke seit dem 05.05.2008 Konsultationen mit Polen gemäß der Dublin II-VO geführt werden (AS 69).
Mit Schreiben vom 06.05.2008, erklärte sich Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bereit (AS 85).
Am 16.05.2008 und am 23.06.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt EAST WEST nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch einvernommen.
Mit Bescheid vom 21.07.2008, FZ. 08 03.818 EAST WEST, zugestellt am 23.07.2008, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück (in der Folge: angefochtener Bescheid) (AS 191).
Im angefochtenen Bescheid weist das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO Polen für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (I.). Der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist
(II.).
Beschwerde (AS 291)
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 31.07.2008 Beschwerde beim Bundesasylamt erhoben. Die Beschwerde langte am selben Tag beim Asylgerichtshof ein.
In der Beschwerdeschrift bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, das Bundesasylamt habe seine Ermittlungspflicht nicht wahrgenommen und kein spezifisches Ermittlungsverfahren hinsichtlich seines Vorbringens zu seiner Gesundheit und seiner Sicherheit in Polen durchgeführt sowie sein Vorbringen hinsichtlich seines gesundheitlichen Zustandes und seiner verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich unrichtig gewürdigt.
Beweismittel
Als Beweismittel hat der Asylgerichtshof die verschiedenen Vorbringen des Beschwerdeführers und weitere Beweismittel verwendet.
Parteivorbringen des Beschwerdeführers
1. In der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angegeben (AS 15):
Er habe sein Heimatland aus Angst, dort misshandelt und getötet zu werden, verlassen.
Zur Flucht nach Österreich hat er ausgesagt, dass er mit seiner Mutter und seiner minderjährigen Schwester nach Polen gereist und von dort nach Österreich gelangt sei. In Polen habe er sich ungefähr 10 Stunden aufgehalten und einen Asylantrag gestellt.
2. In der ersten Einvernahme am 16.05.2008 hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert (AS 113):
In Österreich sei seine Sicherheit besser gewährleistet. In seinem Heimatland würden alle Jugendlichen von den Soldaten unterdrückt. Russische Soldaten könnten auch frei nach Polen einreisen.
Sein Vater sei 2005 in Tschetschenien verschwunden und er habe ihn seit damals nicht gesehen. Die Verwandten seines Vaters hätten ihn und seine Schwester von der Mutter wegnehmen wollen. Für die Verwandten seines Vaters sei es leicht möglich, seinen Aufenthaltsort in Polen in Erfahrung zu bringen
In Polen sei er nicht in einem Lager gewesen, er sei auch nicht persönlich bedroht worden und habe auch keine Anzeige erstattet. Allerdings habe er von einem Bekannten gehört, dass es am 27.04.2008 im polnischen Lager zu Übergriffen seitens des russischen Sicherheitsdienstes auf Tschetschenen gekommen sei. Darüber sei auch im Internet berichtet worden. In Österreich habe er von einem Bekannten im Lager ein Papier mit dementsprechender Information gesehen. Dieses Blatt habe er jedoch nicht mehr, da er aus dem Lager verlegt worden sei und sodann keinen Kontakt mehr zu seinem Bekannten gehabt habe.
Er habe seit 2006 Probleme mit dem Herzen, Nieren und dem Kreuz und nehme deshalb Medikamente ein. Im Herkunftsland habe er sich keiner Behandlung unterzogen, da ihm gesagt worden sei, er bekäme sonst Probleme. Er habe nach Österreich gewollt, weil hier die Behandlungsmöglichkeiten besser seien.
Er habe zwei Onkel, welche als anerkannte Flüchtlinge in Österreich lebten. Im Herkunftsland habe er nicht im gemeinsamen Haushalt mit diesen Onkeln gelebt. In Österreich habe ihn und seine Familie ein Onkel einmal besucht und ihnen 50,- EURO gegeben.
3. Bei der zweiten Einvernahme am 23.06.2008 hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert (AS 171):
Zur Sicherheit in Polen hat der Beschwerdeführer ergänzt, seine Tante väterlicherseits habe gute Kontakte zu Polen. Er selbst sei wegen seiner 19 Jahre eher nicht gefährdet, entführt zu werden, wohl aber seine minderjährige Schwester.
Dem Beschwerdeführer wurde das Fax vom 27.05.2008 (siehe unten 3.2. zu 3.) vorgehalten. Dazu hat er ausgesagt, es handle sich dabei um jenes Papier, welches er im Lager bei einem Bekannten gesehen habe. Es besage, dass seine Verwandten väterlicherseits seiner Mutter die Kinder wegnehmen möchten.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, er leide unter psychischen Störungen und chronische Angina. Deswegen nehme er Medikamente ein.
4. In der Beschwerdeschrift hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert (AS 291):
Zur Sicherheit in Polen hat der Beschwerdeführer ergänzend vorgebracht, dass die Grenzkontrollen in Polen mangelhaft seien
Weiters hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebracht, er sei wie alle Tschetschenen traumatisiert.
Seine in Österreich lebenden Onkel unterstützen ihn finanziell und im Asylverfahren.
Weitere Beweismittel
1. Laut Eurodac-Abfrage hatte der Beschwerdeführer am 27.04.2008 in Lublin (Polen) einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Die polnischen Behörden haben auf den Antrag des Bundesasylamts auf Wiederaufnahme ihre Zustimmung "gemäß Artikel 16 Abs. 1 c)" Dublin II-VO erklärt.
3. Am 27.05.2008 langte beim Bundesasylamt EAST WEST per Fax ein mit
00.00.2008 datiertes Schreiben des S.S. - Für die Abteilungen in
Angelegenheiten von Flüchtlingen", mit folgendem Inhalt ein: "Die
Vertretung der tschetschenischen Republik bestätigt, dass ... die
Verwandten von der Seite des Vaters ... versuchen, die Kinder bei
der Mutter B.Z. wegzunehmen, mit der folgenden Übergabe an den Vater und seiner Verwandten" (AS 201, 339).
4. Nach Untersuchung des Beschwerdeführers in Anwesenheit eines Dolmetschers gab Frau Dr. M. am 28.05.2008 eine gutachterliche Stellungnahme ab. Danach leidet der Beschwerdeführer "auf der Asylsituation begründet an einer depressiven Verstimmung und ... an einer Somatisierungstendenz (medizinische Abklärungen sind unauffällig). Er erscheint ohne Medikation psychisch kompensiert, sodass eine Überstellung möglich ist." (AS 155).
5. Laut Befund des LKH vom 30.05.2008 wurden beim Beschwerdeführer ein extrakordialer Thoraxschmerz - Tietzesyndrom und eine Pharyngitis diagnostiziert (AS 179-185).
Sachverhalt nach Beweiswürdigung
Nach Würdigung des Beschwerdeführervorbringens und der sonstigen Beweismittel stellt sich dem Asylgerichtshof folgender Sachverhalt dar:
1. Der Beschwerdeführer war am 27.04.2008 mit seiner Mutter und seiner minderjährigen Schwester in Polen eingereist und hatte dort Asyl beantragt. Ohne in einem Lager gewesen zu sein, hat er noch am selben Tag Polen verlassen und ist von dort aus illegal nach Österreich eingereist, wo er einen erneuten Asylantrag stellte.
Die Antragstellung in Polen ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie aus der Eurodac-Abfrage und der Zustimmungserklärung Polens.
2. Es besteht keine Gefahr, dass der Beschwerdeführer in Polen der Bedrohung oder Verfolgung durch russische Sicherheitsdienste ausgesetzt ist. Es besteht auch keine Gefahr, dass der Beschwerdeführer dort einer Entführung durch Verwandte seines Vaters ungeschützt ausgesetzt ist.
Dies ergibt sich aus einer Reihe von Indizien. Dazu zählt zunächst die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer nur wenige Stunden in Polen selbst aufgehalten hat, und daher das angebliche Bedrohungspotential aus eigener Erfahrung oder Kenntnis kaum beurteilen kann. Was die anderslautenden Hinweise des Beschwerdeführers im Hinblick auf Übergriffe auf tschetschenische Asylwerber in Polen seitens des russischen Sicherheitsdienstes betrifft, erscheinen diese dem Asylgerichtshof wenig substantiiert, da sie sich auf reine Behauptungen beschränken. Insbesondere hat der Beschwerdeführer angegeben, bei dem ihm vorgelegten Schreiben der tschetschenischen Vertretung in Polen (siehe oben 3.2. zu 3.) handle es sich um den Bericht über die Vorfälle vom 27.04.2008 (siehe oben 3.1. zu 2). Tatsächlich werden derartige Übergriffe des russischen Sicherheitsdienstes dort aber nicht erwähnt.
Die Aussage des Beschwerdeführers, die Verwandten seines Vaters wollten seiner Mutter die Kinder wegnehmen, erscheint widersprüchlich und wenig glaubhaft. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren keine substantiierten Gründe angeführt, woraus sich eine derartige Bedrohung in Polen ergeben könnte, sondern hat seine Entführung aufgrund seines Alters als sogar als eher nicht wahrscheinlich bezeichnet.
Was die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgelegte "Bestätigung" der tschetschenischen Vertretung in Polen betrifft, so handelt es sich offenkundig um eine Fälschung. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, wie die tschetschenische Vertretung in Polen von den behaupteten Bedrohungen einer einzelnen Person in Polen durch ihre Verwandten in Tschetschenien überhaupt erfahren haben soll, geschweige denn deren Vorliegen tatsächlich ermittelt haben kann, zumal sich der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben in Polen nicht an die Polizei oder andere behördliche Stellen gewendet hat und die Bestätigung zu einem Zeitpunkt erstellt wurde, in der sich der Beschwerdeführer bereits in Österreich aufhielt. Hinzu kommt - wie im angefochtenen Bescheid auf der Basis eines aktuellen und keinen erkennbaren Zweifeln unterliegenden Länderberichts festgestellt -, dass die Ausfertigung der "Bestätigung" im Namen von S.S. erfolgt sein soll, obwohl dieser im Zeitpunkt der Ausstellung des Schreibens die Funktion in Polen gar nicht mehr innehatte.
3. Der Beschwerdeführer leidet nicht an einer belastungsabhängigen, krankheitswertigen psychischen Störung oder einer sonstigen physischen Erkrankung, welche einer Überstellung nach Polen entgegenstehen könnten.
Was zunächst den psychischen Zustand des Beschwerdeführers betrifft, leidet der Beschwerdeführer lediglich an einer "depressiven Verstimmung", die derzeit ohne Medikation psychisch kompensiert ist und als solche einer Überstellung nach Polen nicht entgegensteht. Bei der Pharyngitis (Rachenentzündung) und dem Tietze-Syndrom (vorübergehende druckschmerzhafte Schwellung im Brustbereich), handelt es sich weiters generell nicht um schwere Erkrankungen, welche die Transportfähigkeit beeinträchtigen. Gegen die Pharyngitis wurde eine medikamentöse Therapie mit Halstabletten eingeleitet, die Thoraxschmerzen werden mit Schmerzmitteln behandelt. Diese Feststellungen ergeben sich aus der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 28.05.2008 sowie aus dem aktuellen medizinischen Befund des LKH vom 30.05.2008.
4. Der Beschwerdeführer hatte weder in Tschetschenien, noch in Österreich mehr als gelegentlichen Kontakt zu seinen beiden Onkeln, welche als anerkannte Flüchtlinge in Österreich leben.
Weder im Herkunftsland noch in Österreich lebte der Beschwerdeführer mit seinen Onkeln im gemeinsamen Haushalt. Es werden lediglich gelegentlich Geldbeträge an den Beschwerdeführer gezahlt. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht. Diese Tatsachen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Rechtlicher Rahmen
Gemäß § 73 Abs. 1 und § 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge: AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Asylverfahren das AsylG 2005 anzuwenden ist.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG, ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Mitgliedstaat der Dublin II-VO Schutz vor Verfolgung findet. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Dabei ist mitzubeachten, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann) (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO) zuständig ist, wobei die dort geregelten Zuständigkeitskriterien nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO bestimmt, dass jener Mitgliedstaat, dessen Land-, See- oder Luftgrenze ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn der Grenzübertritt in besondere auf der Grundlage der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 (Eurodac-VO) festgestellt wird.
Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen.
Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Art. 6 bis 13 Dublin II-VO nicht zuständig ist.
Gemäß § 10 AsylG ist ein Bescheid über einen Asylantrag mit einer Ausweisung in einen bestimmten Staat zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen (Absatz 1 Ziffer 1) wird und keiner der in § 10 Absatz 2 und Absatz 3 AsylG festgelegten Gründe für die Unzulässigkeit der Ausweisung des vorliegt.
Gemäß § 10 Absatz 4 AsylG gilt eine Ausweisung wegen Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers.
§ 18 Absatz 1 AsylG besagt, dass das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Zulässigkeit der Beschwerde und Verfahren vor dem Asylgerichtshof
Die Beschwerde ist fristgerecht beim Asylgerichtshof eingebracht worden und es bestehen keine Bedenken gegen ihre Zulässigkeit.
Mit Beschluss vom 11.08.2008 hat der Asylgerichtshof der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte im Verfahren vor dem Asylgerichtshof von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung
Die angefochtene Entscheidung ist rechtmäßig, da das Bundesasylamt keine Verfahrensfehler begangen hat sowie zu Recht festgestellt hat, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers nicht zuständig ist und zu Recht die Ausweisung nach Polen verfügt hat.
Ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Bundesasylamt
Der Asylgerichtshof stellt zunächst fest, dass das Verwaltungsverfahren rechtmäßig durchgeführt wurde.
Dem Beschwerdeführer wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die beiden Einvernahmen mit vorhergehender Rechtsberatung - alle jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt, und ihm wurde vor der Einvernahme und innerhalb von 20 Tagen ab Einbringen seines Antrags schriftlich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen Zuständigkeit Polens zurückzuweisen (§§ 28, 29 AsylG).
Ein Verstoß gegen § 18 AsylG wegen unterlassener Ermittlungen im Hinblick auf die Gefährdung des Beschwerdeführers in Polen und auf seinen Gesundheitszustand liegt nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat nämlich, erstens, keine substantiierten Hinweise darauf gegeben, dass er in Polen verfolgt werde und seitens der polnischen Behörden kein oder nicht ausreichender Schutz vor Übergriffen gewährt wird. Hinsichtlich einer Gefährdung durch den russischen Sicherheitsdienst und diesbezügliche Internetberichte beruft er sich auf eine vom Bundesasylamt zu Recht als nicht echt festgestellte Urkunde und allgemeine Spekulationen. Es bestand daher keine Verpflichtung des Bundesasylamts, weitergehende Ermittlungen hinsichtlich der Sicherheit in Polen durchzuführen.
Hinsichtlich, zweitens, der psychischen und physischen Probleme hat das Bundesasylamt eine gutachterliche Stellungnahme und einen ärztlichen Befund eingeholt. Der Beschwerdeführer hat keine konkreten Hinweise vorgebracht, die weitergehende Ermittlungen notwendig erscheinen lassen.
Unzuständigkeit Österreichs
Der Asylgerichtshof stellt fest, dass das Bundesasylamt keine Beurteilungsfehler begangen hat als es feststellte, dass für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers ausschließlich Polen zuständig ist.
Zur Zuständigkeit Polens
Was zunächst die Feststellung der Zuständigkeit Polens betrifft, so hat das Bundesasylamt diese Zuständigkeit im angefochtenen Bescheid zwar fälschlicherweise auf Artikel 16 Absatz 1 lit. c) Dublin II-VO gestützt. Inhaltlich ist die Feststellung jedoch richtig, da sich die Zuständigkeit Polens aus Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO ergibt. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nämlich, dass der Beschwerdeführer aus einem Drittland kommend erstmals das Hoheitsgebiet Polens betreten hat und dieser Nachweis durch Daten der Eurodac erbracht wurde.
Zur Zuständigkeit Österreichs durch Selbsteintritt
Es besteht keine Pflicht Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Fall besteht nämlich kein Grund anzunehmen, dass die Nichtzulassung zum Asylverfahren in Österreich und einer Weiterführung des Verfahrens in Polen im konkreten Fall einen Verstoß der österreichischen Behörde gegen die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 oder Art. 8 EMRK darstellt.
Nach der Judikatur ist dieses Selbsteintrittsrecht zwingend anzuwenden, wenn ein Asylbewerber mit dem Vollzug der Ausweisung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat der Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung (Art. 3 EMRK) oder der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) ausgesetzt wäre (VfGH 08.03.2001, G 117/00 u.a.; VfGH 11.06.2001, B 1541/00; VfGH 15.10.2004, G 237/03 u.a.; VfGH 17.06.2005, B 336/05).
Was zunächst die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr der der Verletzung von Art. 3 EMRK wegen der drohenden Verfolgung in Polen betrifft, erinnert der Asylgerichtshof an die Judikatur, wonach, wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben unter I.4. zu 2. festgestellten Sachverhalt, dass im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe vorliegen, anzunehmen, der Beschwerdeführer liefe konkret Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu sein, weil er in Polen ohne jeden Schutz durch polnische Behörden und Gerichte der Verfolgung durch russische Sicherheitstruppen oder durch Verwandte seines Vaters aus Tschetschenien ausgeliefert wäre.
Was weiters die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK wegen der Überstellung nach Polen trotz seines schlechten Gesundheitszustand betrifft, erinnert der Asylgerichtshof daran, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK die Überstellung eines Asylwerbers nicht zulässig, wenn im Zielland wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation vorliegen würde. Aus den diesbezüglichen Entscheidungen ergibt sich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben unter I.4. zu 3. festgestellten Sachverhalt, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers einer Überstellung nach Polen nicht entgegensteht.
Was schließlich die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Art. 8 EMRK wegen der drohenden Trennung von seinen Familienangehörigen (Onkel) in Österreich betrifft, erinnert der Asylgerichtshof an die Judikatur von EGMR bzw. EKMR, die zum Vorliegen des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzes ein "effektiven Familienleben" verlangen, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushalts, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234). Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst zwar nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entfernter verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen auch solche zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb11, 494 [518]; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120; EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118 ), sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben unter I.4. zu 4. festgestellten Sachverhalt, dass die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen in Österreich lebenden Onkeln aus gelegentlichen Kontakten besteht und auch kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht, so dass im Fall der Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Polen kein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben vorliegt.
Rechtmäßigkeit der Ausweisung
Was die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach Polen betrifft, so ergibt sich diese zunächst unmittelbar aus § 10 Absatz 1 Z. 1 AsylG, da der Antrag auf internationalen Schutz - wie oben unter 3.2. dargelegt - vom Bundesasylamt zu Recht zurück gewiesen wurde.
Es ergeben sich auch weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus sonstigen Anhaltspunkten Gründe dafür anzunehmen, dass die sofortige Ausweisung wegen Verstoßes gegen § 10 Abs. 2 AsylG iVm.
Artikel 3 EMRK oder gegen § 10 Abs. 3 iVm. Artikel 8 EMRK unzulässig wäre.
Insoweit verweist der Asylgerichtshof auf die oben unter 3.2. gemachten Ausführungen.
Da die Ausweisung nach Polen rechtmäßig ist, hat das Bundesasylamt auch zu Recht festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs 4 AsylG.