C2 247994-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Geiger Anja über die Beschwerde der Y.H., geb. 00.00.1989, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.02.2004, FZ. 03 37.027-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Berufung von Mag. Gerhard Bouska in Vertretung der Y.H. vom 04.03.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Zahl 03 37.027-BAS, vom 17.02.2004 wird gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
I.1. Verfahrensgang
Die nunmehr beschwerdeführende Partei hat am 3.12.2003 einen Asylantrag gestellt. Zum Zeitpunkt des Asylantrages war die minderjährige Asylwerberin - eine chinesische Staatsangehörige - in der Jugendherberge Feldkirch (Vorarlberg) aufhältig.
Das Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, wies in der Folge den Asylantrag der minderjährigen Asylwerberin mit als "Bescheid" bezeichnetem Schriftsatz vom 17.2.2004, Zl. 03 37.027-BAS gemäß § 7 AsylG ab und erklärte unter einem, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die VR China gemäß § 8 AsylG zulässig sei.
Dieser "Bescheid" des Bundesasylamts wurde - wie mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 28.4.2004 rechtskräftig festgestellt - nicht erlassen, da ein Mangel in der Zustellverfügung vorlag.
Ohne Durchführung weiterer Verfahrensschritte wurde am 3.5.2004 von Mag. Bouska abermals ein als "Bescheid" bezeichneter Schriftsatz des Bundesasylamtes übernommen, gegen den mit als "Berufung" bezeichneten Schriftsatz vom 11.5.2004 vorgegangen wurde.
Im Verwaltungsakt findet sich in der Niederschrift vom 11.2.2004 der Hinweis, dass Mag. Bouska als Vertreter der Beschwerdeführerin geführt wird, ohne dass sich aus der Niederschrift die Rechtsgrundlage für diese Vertretung ergibt. Weiters findet sich im Verwaltungsakt eine mit 18.2.2004 datierte Vollmacht der BH Feldkirch, in der das SOS Kinderdorf, Salzburg, mit der Vertretung der beschwerdeführenden Partei bevollmächtigt wird.
Laut Mitteilung der BH Feldkirch war die zu diesem Zeitpunkt nicht gemeldete Beschwerdeführerin seit dem 00.00.2003 in Salzburg untergebracht (AS 17), laut beiliegender Bestätigung über die Meldung war die Beschwerdeführerin dann seit 00.00.2004 wieder in E. wohnhaft und hauptgemeldet.
Der als "Bescheid" bezeichnete, gegenständliche Schriftsatz ist gleichlautend mit dem unter ii. bezeichneten Schriftsatz; dieser weist lediglich ein anderes Datum auf. Beide Schriftsätze sind "Für den Leiter des Bundesasylamtes" laut den darunter angeführten Namen von derselben Referentin gezeichnet, jedoch weisen beide Schriftsätze unterschiedliche Unterschriften auf; aus dem Amtswissen des Asylgerichtshofs ist lediglich die Unterschrift auf dem unter ii. bezeichneten Schriftsatz der angeführten Referentin zuzurechnen; die Unterschrift auf dem zweiten Schriftsatz ist unleserlich.
II.
Zur Beschwerde gegen den im Spruch genannten Schriftsatz
Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1997 in der anzuwendenden Fassung - siehe i.
- sind mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird - abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefall des § 25 Abs. 2, 3. Satz AsylG iVm § 95 Abs. 3 FrG - der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger. Zur örtlichen Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers bestimmt § 215a ABGB, dass die Aufgaben jenem Jugendwohlfahrtsträger zufallen, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wechselt der Minderjährige seinen Aufenthalt in den Sprengel eines anderen Jugendwohlfahrtsträgers, so kann der Jugendwohlfahrtsträger seine Aufgaben dem anderen mit dessen Zustimmung übertragen. In Einstimmung dazu normiert auch § 5 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl. 161/1989, dass jener Wohlfahrtsträger örtlich zuständig ist, in dessen Amtssprengel der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen, seinen Aufenthalt hat. Im Hinblick auf diese Gesetzesbestimmungen und die dazu ergangene Rechtssprechung (siehe VwGH 12.9.2002, Zl. 2001/20/0245) ist davon auszugehen, dass die bloße Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Bereich eines anderen Jugendwohlfahrtsträgers, d.h. in den Bereich eines anderen Bundeslandes, eine Zuständigkeitsänderung nach sich zieht. Hat der minderjährige Asylwerber keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so führt die Verlegung des bloßen Aufenthalts in den Sprengel eines anderen Jugendwohlfahrtsträgers, zum Zuständigkeitsübergang.
Nur der zuständige Jugendwohlfahrtsträger kann in der Zeit, in der dieser zuständig ist, seine gesetzliche Vertretungsbefugnis an einen gewillkürten Vertreter übertragen. Eine Vollmacht, die von einem Jugendwohlfahrtsträger während der Zeit, in der keine Vertretungsbefugnis vorlag, erteilt wird, ist nichtig und heilt auch nicht durch den Umstand, dass der Jugendwohlfahrtsträger später (wieder) berechtigt ist, für den Minderjährigen einzuschreiten; dies würde zu Unsicherheiten führen, da nicht klar wäre, ob und wenn, ab wann eine vorerst rechtswidrig erteilte Vollmacht rechtswirksam werden würde. Etwa wäre ansonsten im Regime des AsylG 1997 (vor der Novelle 2003) eine Verlegung des bloßen Aufenthalts, die nicht leicht nachvollziehbar oder beweisbar wäre, in der Lage eine rechtswidrig erteilte Vollmacht zu sanieren. Dies kann aber dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden; Vollmacht kann gültig nur erteilen, wer zur Vertretung eines Minderjährigen zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung befugt war.
Eine Berufung kann sich gemäß § 63 AVG nur gegen einen Bescheid richten; ein solcher entsteht erst mit Erlassung desselben, also - von der Verkündigung am Ende der Verhandlung abgesehen - erst mit Zustellung des Bescheides an die Parteien. Da gemäß § 23 AsylGHG auf Verfahren vor dem AsylGH das AVG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass an die Stelle des Wortes "Berufung" das Wort "Beschwerde" tritt, gilt dies auch für Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Berufungswerbers zur Folge. Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht in derartigen Fällen nur soweit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (siehe die in E 18 zu § 63 AVG zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², 1998).
Wie dargestellt hat daher - mangels rechtswirksamer Zustellung an den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger des Landes Vorarlberg - der "Bescheid" vom 3.5.2004 nie dem Rechtsbestand angehört und es erweist sich die dagegen erhobene Berufung vom 11.5.2004 als unzulässig. Darüber hinaus ist diese Berufung von einer Nichtpartei ergriffen worden, da diese ebenfalls von dem nicht rechtswirksam ermächtigten Vertreter der Partei ergriffen wurde.
Weiters wäre - selbst wenn man von der Rechtswirksamkeit der Vollmachtserteilung und somit in weiterer Folge von der Rechtswirksamkeit der Zustellung ausgeht - kein Bescheid zugestellt worden. Essentielles Bescheidmerkmal ist unter anderem die erkennbare Verbindung mit einem Organwalter der handelnden Behörde. Allerdings weist der gegenständliche Schriftsatz eine unlesbare Unterschrift auf, die nach dem Amtswissen nicht mit dem darunter stehenden Namen zusammenpasst und auch nicht der Unterschrift am ersten "Bescheid" entspricht. Dieser kann jedoch nicht als Genehmigung des versendeten, gegenständlichen "Bescheides" herangezogen werden, da es sich nach dem Willen der Organwalter - trotz inhaltlicher Übereinstimmung - um ein neues Produkt handelt; ansonsten wäre der Schriftsatz nicht mit einem neuen Datum versehen worden. Daher läge selbst für den Fall der Rechtmäßigkeit der Vollmachtserteilung und somit in weiterer Folge der Rechtswirksamkeit der Zustellung kein Bescheid vor, da diesem ein essentielles Bescheidmerkmal fehlen würde (siehe zu alledem Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 425).
Abschließend sei angeführt, dass auch die Einvernahme aus dem Jahre 2001 nicht darauf Bedacht genommen hatte, dass der Beschwerdeführer damals noch minderjährig und nicht in Begleitung eines Vertreters - der mitgekommene Mag. Bouska war mangels Vollmacht allenfalls Vertrauensperson - war; daher wird alleine auf Grund dieser Einvernahme eine neue Bescheiderlassung durch das Bundesasylamt unzulässig sein und eine Behebung des so erlassenen Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG nach sich ziehen. Die Beschwerdeführerin ist jedenfalls noch einmal einzuvernehmen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.