TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/29 B13 226918-0/2008

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Veröffentlicht am 29.10.2008
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Spruch

B13 226.918-0/2008/23E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Maga. Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde von J.M., geb. 00.00.1978, StA. Afghanistan, vom 12. 3. 2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. 3. 2002, Zl 01 27.893-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. 11. 2004, am 9. 3. 2005, am 19. 6. 2008 sowie am 7. 10. 2008, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des J.M. wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BGBl. I Nr. 126/2002, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer stellte am 30. 11. 2001 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Am 25. 2. 2002 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei gab er an, Afghanistan aufgrund der schwierigen Lebensumstände verlassen zu haben. Sein Cousin habe ein Problem verursacht, dass ihn zur Ausreise veranlasst habe. Dieses Problem beruhe auf einer langjährigen Feindschaft, denn im Jahre 1363 (= 1984/1985) sei ein Bruder des Beschwerdeführers namens B.A. von Männern der Harakat-Bewegung wegen seiner politischer Aktivitäten, die er vom Iran aus getätigt habe, getötet worden. Die Familie des Beschwerdeführers habe sich deswegen mit der Familie A., die für den Anschlag verantwortlich gewesen sei, verfeindet. 13 Jahre nach dem Mord sei der Vater des Beschwerdeführers an einem religiösen Feiertag von diesen Feinden schwer verletzt worden. Nach diesem Vorfall sei ein Cousin des Beschwerdeführers, namens D., der in Dubai leben würde, nach Afghanistan zurückgekehrt und habe Blutrache an der Familie A. genommen, indem er A.H. getötet habe. Dieser Cousin sei danach sofort aus Afghanistan geflohen. Er habe dem Beschwerdeführer den Rat gegeben, ebenfalls das Land zu verlassen. Nachdem der Beschwerdeführer bereits in Pakistan aufhältig gewesen sei, habe er erfahren, dass sein Vater misshandelt und in weiterer Folge an diesen Misshandlungen gestorben sei. Er selbst sei nur ein paar Mal von den Taliban festgehalten worden. Sein Bruder habe bei der Nasr-Organisation, die später zur Hezb-e Wahdat umgewandelt worden sei, bei militärischen Stützpunkten Ausbildungen geleitet. Sein Bruder sei während eines Waffentransports getötet worden. Er habe bei einer Rückkehr nach Afghanistan Angst vor der Familie A., da diese Rache an ihm nehmen würden.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. 3. 2002, Zl 01 27.893-BAE, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I), wobei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG 1997 für nicht zulässig erklärt wurde (Spruchpunkt II).

 

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 12. 3. 2002 Beschwerde.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat bzw der Asylgerichtshof führte am 4. 11. 2004, am 9. 3. 2005, am 19. 6. 2008 sowie am 7. 10. 2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesasylamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilgenommen hat. Der Beschwerdeführer gab an, dass er sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan vor K.A. fürchten würde. Dieser gehöre der Harakat-Partei an. Sein Bruder sei vom Iran aus politisch aktiv gewesen und habe die Nasr-Organisation angehört, die später zur Hezb-e Wahdat umgebildet worden sei. Während der Herrschaft der Taliban habe A.H. mit seiner Familie zusammengearbeitet, wodurch das Leben der talibankritischen Familie des Beschwerdeführers gefährdet gewesen sei. An einem religiösen Feiertag im Jahr 2001 habe der Vater des Beschwerdeführers eine Rede gehalten und in dieser jene Leute kritisiert, die mit den Taliban zusammenarbeiten würden. Daraufhin sei sein Vater verprügelt und von den Taliban gefoltert worden. Aufgrund der entstandenen Verletzungen sei er in Pakistan behandelt worden. Sein Cousin D. sei während seines Aufenthaltes in den Arabischen Emiraten von diesem Zwischenfall informiert worden und sofort nach Afghanistan gekommen. Dort habe er erfolglos beim Ältestenrat berufen, sodass er A.H. persönlich mit einer Waffe aufgesucht habe. Der Beschwerdeführer sei seinem Cousin zwar noch gefolgt, doch bevor er das Haus des A.H. erreicht habe, habe er einen Schuss gehört. Kurze Zeit später habe er erfahren, dass sein Cousin A.H. getötet habe. Dieser Vorfall habe sich im Juni oder Juli 2001 ereignet. Danach sei die gesamt Familie geflohen, wobei der Beschwerdeführer vorerst aus Afghanistan nach Pakistan geflohen sei. Sein Onkel habe ihm mitgeteilt, dass er und sein Cousin D. gesucht werden würden, sodass seine Flucht nach Europa organisiert worden sei. In Österreich habe der Beschwerdeführer erfahren, dass sein Vater im Juli 2001 von den Taliban verschleppt und in weiterer Folge getötet worden sei.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er stammt aus dem afghanischen Dorf O. im Distrikt Q. in der Provinz Ghazni. Der Bruder des Beschwerdeführers gehörte zu den Mitgliedern der Organisation "Nasr", aus der die Hezb-e Wahdat entstanden ist. Er war ein wichtiges Mitglied der Hezb-e Wahdat. Der Bruder des Beschwerdeführers wurde von A.H., einem Mitglied der Harakat-e Islami, getötet. Nach der Machtübernahme der Taliban hatte sich A.H. diesen angeschlossen. A.H. hatte in dieser Zeit Hausdurchsuchungen beim Beschwerdeführer angeordnet. Als der Vater des Beschwerdeführers sich bei einer Gelegenheit kritisch über die Zusammenarbeit der Harekat-e Islami mit den Taliban geäußert hatte, wurde er von einem jüngeren Bruder des A.H. verprügelt und dabei verletzt. Der Beschwerdeführer hatte in weiterer Folge seinen Vater zur Behandlung nach Pakistan gebracht. Der Bruder des Vaters des Beschwerdeführers starb aus Gram über den Tod des Bruders des Beschwerdeführers kurze Zeit später. Der Cousin des Beschwerdeführers, D., nahm dies zum Anlass, wegen des seit Jahren herrschenden Konfliktes mit der Familie A. an dieser Familie Rache zu nehmen. Während eines Überraschungsangriffs bei Nacht stürmte er mit seinen Gefolgsleuten das Haus der Familie A. und tötete ohne Vorwarnung A.H., während er dessen Bruder, A.A., am Bein verletzte. Dieser erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen. Als der Beschwerdeführer bereits in Österreich Aufenthalt genommen hatte, wurde der Vater des Beschwerdeführers von einem Bruder des A. und A.H. namens K.A. getötet. Der Beschwerdeführer befürchtet bei einer Rückkehr nach Afghanistan ebenfalls Opfer von K.A. zu werden.

 

Zur Situation im Herkunftsland des Beschwerdeführers:

 

Politische Lage:

 

Vom 09.11.2001 bis zum 09.12.2001 wurden die Taliban als ein politisches System aus allen größeren Städten Afghanistans beseitigt. Der Sturz des Taliban-Regimes hatte seinen Anfang in Mazar-e Sharif genommen. Unter der Führung des Uzbeken-Generals Abdul Rashid Dostum wurden die Taliban am 09.11.2001 aus der Stadt Mazar-e Sharif vertrieben und bis zum 25.11.2001 das gesamte Siedlungsgebiet, hauptsächlich der Nicht-Pashtunen, mit den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und anderen Nordwest-Provinzhauptstädten in Zentralafghanistan sowie Kabul befreit. Mit dem Fall Kandahars im Süden, dem Sitz des Taliban-Chefs Mullah Mohammad Omar am 09.12.2001, war das Schicksal der Taliban besiegelt, sodass man ab diesem Zeitpunkt von einem politischen System der Taliban nicht mehr ausgehen konnte.

 

Die Taliban existieren als politisches System nicht mehr. Sie sind ab dem 10.12.2001 vollständig abgezogen. Am 05.12.2001 wurde von den Delegierten der Konferenz auf dem Petersberg das Afghanistan-Abkommen unterzeichnet. Damit wurde der international unterstützte Prozess des politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus Afghanistans eingeleitet. Am 22.12.2001 wurde eine Interimsregierung unter der Führung von Hamid Karzai eingerichtet. Am 19.06.2002 vereidigte die Loya Jirga die Interimsregierung unter Karzai. An dieser Regierung sind die verschiedenen Fraktionen und Ethnien Afghanistans beteiligt. Am 26.01.2004 wurde die neue afghanische Verfassung in Kraft gesetzt. Aus den Präsidentschaftswahlen vom 09.10.2004 ging Hamid Karzai als Sieger hervor; die neue Regierung nahm am 23.12.2004 ihre Arbeit auf. Am 18.09.2005 wurden Parlaments- und Provinzwahlen abgehalten; die Anhänger von Hamid Karzai verfügen nun knapp über die Mehrheit im Parlament; in den meisten Provinzen haben die regionalen Milizenführer des Landes die Mehrheit der Sitze inne. (notorisch aufgrund der internationalen Berichterstattung in Massenmedien).

 

Al Qaida und Rest-Taliban konnten zwischenzeitlich zwar nachhaltig geschwächt werden, der Kampf gegen sie ist allerdings keineswegs abgeschlossen.

 

Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar. Sie variiert von Distrikt zu Distrikt. Während terroristische Aktivitäten im Süden und Osten des Landes aus zumeist ideologischen Motiven ("Jihad") direkt gegen die Zentralregierung bzw. die internationale Gemeinschaft gerichtet sind, kann die Sicherheitslage im Norden und Westen durch rivalisierende lokale Machthaber und Milizenführer, die häufig in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt sind, beeinträchtigt sein. Die Sicherheitssituation wird auch von der wachsenden Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, aber auch aus der - insbesondere mit der Drogenwirtschaft verbundenen - zunehmenden Kriminalität und den illegalen Milizen bestimmt. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Afghanistan [Stand:

November 2005] 29.11.2005, Seite 14).

 

Repressionen gegen ethnische Gruppen/Minderheiten kommen weiterhin vor. Besonders paschtunische Minderheiten sehen sich in von Tadschiken, Hazara und Usbeken dominierten Gebieten häufig Misshandlungen durch Einheiten anderer Volkszugehörigkeit ausgesetzt. Zwar können in diesem Zusammenhang Verbesserungen im Nordosten und Teilen des Westens verzeichnet werden, erhebliche Probleme bestehen aber besonders in nordwestlichen Provinzen, in denen es zu Misshandlungen paschtunischer Minderheiten kommt. In der Provinz Badghis sind erhebliche Übergriffe zulasten der paschtunischer Minderheit bekannt.

 

Afghanistan gehört nach den Kriegsjahren und einer langjährigen Dürre zu einem der ärmsten Länder der Welt. Der Human Development Index des UNDP setzt Afghanistan auf Rang 173 unter 178 Ländern. Die Wirtschaftslage ist weiterhin desolat, erste Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen sind allerdings eingeleitet. Die humanitäre Situation stellt das Land vor allem mit Blick auf die etwa 4,4 Millionen - meist aus Pakistan zurückgekehrten - Flüchtlinge vor große Herausforderungen. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 5)

 

Rechts- und Verwaltungssystem/Staatliche Strukturen:

 

Ebenso wie es an funktionierenden Verwaltungsstrukturen fehlt, kann bislang auch nicht von einem nur ansatzweise funktionierenden Justizwesen gesprochen werden. Oft sind noch nicht einmal Texte der wichtigsten afghanischen Gesetze vorhanden und selbst wenn, besteht meist keine Einigkeit über die Gültigkeit und damit Anwendbarkeit von Rechtssätzen. Tatsächlich wird in den Gerichten, soweit sie ihre Funktion ausüben, eher auf Gewohnheitsrecht und Vorschriften des islamischen Rechts als auf weiterhin gültige Gesetze Bezug genommen. Zudem fehlt es an einer Ausstattung mit Sachmitteln und geeignetem Personal sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei den Gerichten. Korruption wird allgemein als großes Problem im Justiz- und Verwaltungsbereich wahrgenommen. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 10)

 

...

 

Der praktisch landesweit bestehende Zustand weitgehender Rechtlosigkeit des Einzelnen ist trotz intensiver internationaler Bemühungen und institutioneller Fortschritte (wie z.B. der Einrichtung einer unabhängigen Menschenrechtskommission und deren verfassungsrechtlicher Verankerung) noch nicht überwunden. Praktisch sichtbar wird er etwa an der Vielzahl meist ungeahndet bleibender Menschenrechtsverletzungen bzw. deren unzureichender Behandlung durch die Gerichte, die die Grundsätze eines fairen Verfahrens nicht beachten. Mehr und mehr kommt es landesweit zu Streitigkeiten um willkürlich besetzte Privatgrundstücke und Wasserquellen (Opfer sind typischerweise Auslandsafghanen/Rückkehrer, es gibt häufig Vorfälle im Nordwesten und in Kabul). (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seiten 10, 11)

 

...

 

Eine Strafverfolgung lokaler Machthaber außerhalb Kabuls wegen Übergriffen ist praktisch nicht möglich. Auf dem Land wird die Richterfunktion in der Regel von lokalen Räten (Shuras) übernommen. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 11)

 

Seit August 2002 besteht eine beim Obersten Gerichtshof angesiedelte spezielle Abteilung zur Bekämpfung des Lasters ("Departement for the Prevention of Vice"). Ihre wesentliche Funktion soll in der Vermittlung "afghanischer Werte" bestehen. Im Rahmen einer öffentlichen Stellungnahme hat der stellvertretende Präsident des Obersten Gerichts, Manawi, darauf hingewiesen, dass es drakonische Strafen wie Steinigungen und Amputationen nicht mehr geben wird. In diesem Zusammenhang wies der Oberste Richter Shinwari vor dem Afghanistan besuchenden Bundestagsausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am 2. Oktober 2003 auf die hohen Beweisanforderungen für Körperstrafen hin. Gleichzeitig erläuterte er, dass es die Möglichkeit einer Umwandlung der Körperstrafen in Freiheitsstrafen gebe. Dennoch finden solche Bestrafungen immer noch statt. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 11)

 

Eine funktionierende Polizei, in der alle Ethnien gleichberechtigt vertreten sind, spielt eine Schlüsselrolle für die Wiederherstellung der inneren Sicherheit in Afghanistan. Deutschland hat hier die Koordinierungsfunktion inne. Angestrebt wird der Aufbau einer Polizei, die 50.000 Polizisten und 12.000 Grenzschützer umfasst, die sich in ihrer Arbeit an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit orientieren, Menschenrechte achten und der Korruption aktiv widerstehen. Bislang wurden mehr als 40.000 Polizisten ausgebildet, die

 

meisten davon in von den USA organisierten Kurzlehrgängen. Neben der Ausbildung der einfachen Polizeiränge ist im August 2005 das so genannte Mentorenprogramm angelaufen. Der Führungsebene innerhalb der Polizei werden Mentoren zur Seite gestellt, die in den täglichen Aufgaben beraten. Neben der Vermittlung von polizeilichen Standards begleiten und unterstützen die Mentoren die Implementierung der beschlossenen neuen Polizeistrukturen. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seiten 11, 12)

 

Der Einfluss der Drogenbarone wächst. Nicht überprüfbaren Berichten zufolge soll der Opiumanbau 2005 in Teilen des Landes zwar rückläufig sein, allerdings wird davon berichtet, dass beachtliche Lagervorräte den Neuanbau von Opium für die Drogenbarone derzeit entbehrlich machen. Der Einfluss der Drogenbarone erhöht das Gewaltpotential gegenüber der Bevölkerung. So fanden etwa im April 2005 in Badakshan bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Milizen statt. Die neue afghanische Regierung hat sich durch die Schaffung eines Anti-Drogenministeriums im Dezember 2004 und die Verabschiedung einer Anti-Drogen-Strategie im Februar 2005 zum Kampf gegen die Drogenwirtschaft bekannt. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seiten 12, 13)

 

Versorgungslage

 

Die VN versorgen auch nach dem Ende der langjährigen Dürreperiode noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (Zahlen saisonal schwankend). Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Zwar hat sich die Situation nach einer vergleichsweise guten Ernte im Jahr 2005 verbessert, dennoch waren erneut Nothilfemaßnahmen erforderlich, u.a. für Dürreopfer in den Provinzen Daikundi und Herat, für die durch ungewöhnlich heftige Schneefälle betroffenen Einwohner der Provinz Ghor sowie für die Überschwemmungsopfer nach der Schneeschmelze in den Provinzen Saripul, Balkh und Jowzjan sowie im Südosten. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Hinzu kommt die Gefahr von kriminell motivierten Überfällen und vor allem Landminen. Humanitäre Hilfe bleibt weiterhin von Bedeutung. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. So kommt es von Zeit zu Zeit zu Übergriffen der Taliban. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 31)

 

Die medizinische Versorgung ist in Afghanistan aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals völlig unzureichend. Afghanistan gehört zu den Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeitsrate in der Welt. Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung liegt bei etwa 45 Jahren. Auch in Kabul, wo mehr Krankenhäuser als im übrigen Afghanistan angesiedelt sind, ist für die afghanische Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gegeben. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk, sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seiten 31, 32)

 

Sicherheitslage und Rückkehrfragen:

 

Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar. Sie variiert von Distrikt zu Distrikt. Während terroristische Aktivitäten im Süden und Osten des Landes aus zumeist ideologischen Motiven ("Jihad") direkt gegen die Zentralregierung bzw. die internationale Gemeinschaft gerichtet sind, kann die Sicherheitslage im Norden und Westen durch rivalisierende lokale Machthaber und Milizenführer, die häufig in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt sind, beeinträchtigt sein. Die Sicherheitssituation wird auch von der wachsenden Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, aber auch aus der - insbesondere mit der Drogenwirtschaft verbundenen - zunehmenden Kriminalität und den illegalen Milizen bestimmt. Insgesamt konnten die vielfältigen Folgen von 23 Jahren Krieg und Bürgerkrieg ungeachtet des bislang erfolgreich verlaufenden Friedensprozesses in den drei Jahren unter der neuen Regierung noch nicht beseitigt werden. Ob die Umsetzung des Petersberger Abkommens, die mit den Parlamentswahlen im September 2005 ihren Abschluss fand, eine Konsolidierung des Friedensprozesses und Stabilisierung der Sicherheitslage ermöglicht, bleibt abzuwarten. (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan [Stand: November 2005] 29.11.2005, Seite 14).

 

Die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten führten zu folgenden Feststellungen:

 

O. liegt im Distrikt Q. in der Provinz Ghazni. Die Einwohner des Distrikts Q. bestehen zu ca. 45 % aus Hazaras und zu 55% aus Paschtunen. Aber der Machtanspruch in diesem Distrikt wird jeweils zur Hälfte zwischen den Hazaras und Paschtunen aufgeteilt.

 

Der Bruder des Beschwerdeführers war ein wichtiges Mitglied der Hezb-e Wahdat. Er wurde von den Brüdern des K.A. während des Bürgerkrieges getötet.

 

Die Brüder von K.A. haben in der Vergangenheit viele Kämpfer der Hezb-e Wahdat getötet.

 

Derzeit wird Q., einschließlich der Region O., hauptsächlich von der Hezb-e Wahdat kontrolliert. K.A. gehört zu jenen Personen, die mit den Taliban gemeinsam gegen die Hezb-e Wahdat gemeinsam gekämpft haben.

 

Die Familie des Beschwerdeführers gehört der Hezb-e Wahdat an, die derzeit den Machtanspruch innehat.

 

Blutrache folgt dem Prinzip der Erbteilung nach der Sharia. Wenn von direkten Nachkommen niemand mehr am Leben ist, kann ein entferntes Familienmitglied Anspruch auf die verbliebene Erbschaft bzw. noch nicht vollzogene Blutrache erheben. Der Bruder und der Vater des Beschwerdeführers wurden von den Brüdern bzw. von K.A. selbst auf brutale Weise ermordet. Die Brüder von K.A. wurden von einem Cousin des Beschwerdeführers getötet. Nach der Sharia und nach der Tradition Afghanistans ist die Blutrache auf alle Fälle auf beiden Seiten vollzogen und es existiert zwischen den beiden Familien keine Blutrache mehr. Betrachtet man aber die Sicherheitslage Afghanistans, so können bestimmte Aggressionen und Aversionen nicht ausgeschlossen werden. Allerdings gelten diese Aversionen und Aggressionen gegenüber dem Cousin des Beschwerdeführers und nicht gegenüber dem Beschwerdeführer selbst, zumal sich die Familie des Beschwerdeführers in einer höheren und angeseheneren Position befindet, da sie der Hezb-e Wahdat angehört und es sich zudem um die Familie eines wichtigen Mitgliedes der Hezb-e Wahdat handelt. So lange der Täter am Leben ist, wird er im Falle der Blutrache belangt werden. Wenn er nicht erreichbar ist, kommen dafür seine direkten Familienmitglieder, d.h. sein Vater, seine Brüder und seine Kinder, für Blutrachehandlungen in Betracht, nicht jedoch Cousins, zumal keine Blutrache zwischen der Familie des K.A. und der Familie des Beschwerdeführers besteht. Es ist hinzuzufügen, dass die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers in Kabul leben. Damit bestätigt der Beschwerdeführer die Tatsache, dass sich die Hazaras aus Q. jederzeit nach J. bzw. nach B. zurückziehen können. Bei diesen Gebieten handelt es sich um keine fremden Gebiete, sondern um Gebiete, in denen sich die Hazaras stets zwecks Handels oder familiärer Beziehungen bewegen. Q. wird sowohl von Hazaras als auch von Pashtunen bewohnt. Bei den pashtunischen Regionen handelt es sich um Unruhegebiete, während in den Hazara-Gebieten derzeit die Wahdat - Kommandanten als Regierungsbeamte agieren.

 

Diese Feststellungen resultieren aus der Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt und der öffentlichen mündlichen Verhandlung beim unabhängigen Bundesasylsenat bzw dem Asylgerichtshof, dem in der Verhandlung mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen für die politische Situation in Afghanistan sowie den an den jeweiligen Textstellen angeführten Quellen.

 

Der Asylgerichtshof kommt zu folgender Beweiswürdigung:

 

Das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen hat sich sowohl beim Bundesasylamt als auch anlässlich der beim unabhängigen Bundesasylsenat sowie beim Asylgerichtshof abgehaltenen öffentlichen mündlichen Verhandlung unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens als glaubwürdig und in sich schlüssig dargestellt.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers entsprechen hinsichtlich seiner Herkunft und den geographischen Gegebenheiten der afghanischen Realität. Nahezu die Hälfte der Einwohner des Distrikts Q. gehört der Ethnie der Hazara an. Die Macht wird mit der paschtunischen Volksgruppe geteilt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Bruder eine Funktion in der Hezb-e Wahdat innehatte und er bei einem Terroranschlag getötet wurde, entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Bruder des Beschwerdeführers war ein wichtiges Mitglied und wurde von Anhängern der Harakat-Partei getötet. Für den Mord verantwortlich war A.H.. Dies löste auch eine Feindschaft zwischen der Familie des Beschwerdeführers und der Familie A. aus. Der Vater des Beschwerdeführers war eine angesehene geistliche Autorität und nahm von der Blutrache Abstand, wobei es sich jedoch nicht der politischen Feindschaft entzogen hat

 

Da die Harakat-e Islami mit den Taliban kooperierte, trat der Vater des Beschwerdeführers dafür ein, dass die Volksgruppe der Hazaras keinesfalls mit den Taliban zusammenarbeiten sollte. Aufgrund dessen war er für die Familie A. eine politisch unliebsame Person und wurde dafür verprügelt. Die Blutrache für den getöteten Bruder des Beschwerdeführers nahm schließlich der Cousin des Beschwerdeführers vor, indem er zwei Mitglieder der Familie der A. (zwei Brüder des K.A.) tötete. K.A. tötete in weiterer Folge den Vater des Beschwerdeführers.

 

Folgt man dem Prinzip der Blutrache hat der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr seitens des K.A. zu befürchten, da dieser zuletzt einen Angehörigen aus der Familie des Beschwerdeführers getötet hat. Durch diese ausgeglichene Anzahl an Todesopfern in beiden Familien ist die Blutrache vollzogen worden und als abgeschlossen zu betrachten.

 

Festzuhalten ist, dass in den Hazara-Gebieten die Hezb-e Wahdat die vorherrschende Stellung inne hat und K.A. dieser Partei unterlegen ist. In dieser gegebenen Konstellation kommt dem Beschwerdeführer der besondere Schutz der Hezb-e Wahdat zu, sodass der Beschwerdeführer ebenso wenig Racheakte seitens des K.A. zu befürchten hat.

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 126/2002 geführt.

 

Da gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBI I Nr 101/2003 auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen ist, war gegenständlich auch über die Berufung gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr 76/1997 idF BGBI I Nr 126/2002 abzusprechen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 01. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0273).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH E vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht.

 

Da somit die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden. Was die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits Refoulementschutz genießt.

Schlagworte
Blutrache, Familienverband, Racheakt, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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