TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/29 C12 401852-1/2008

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Veröffentlicht am 29.10.2008
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Spruch

C12 401.852-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Vorsitzender und den Richter Mag. BÜCHELE als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. HOFBAUER über die Beschwerde des K.A., geb. 00.00.1963, StA. INDIEN, vertreten durch Dr. Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12/17, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.09.2008, FZ. 08 05.296-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 16.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er im Wesentlich an, er sei am 01.06.2008 in Begleitung seines Schleppers vom Flughafen Neu Delhi mit der Fluglinie "Austrian Airlines" in Richtung Schweiz geflogen. Sie hätten eine Zwischenlandung in einem ihm unbekannten Land gehabt und seien danach weiter in die Schweiz geflogen. In der Schweiz seien sie von einem Europäer erwartet worden. Dieser habe sie in eine Privatunterkunft gebracht, wo er sich acht Tage aufgehalten habe. Der Schlepper sei während dieser Zeit nicht bei ihm gewesen. Danach habe ihn der Schlepper abgeholt und zu einem LKW gebracht. Er habe sich auf der Ladefläche des LKWs versteckt und sei über eine ihm unbekannte Route nach Österreich gefahren. Die Fahrt habe circa acht Tage gedauert. Am 16.06.2008 habe ihn der Lenker des LKWs in Wien aussteigen lassen. Er sei zum Wiener Prater gegangen, wo er einen Inder getroffen habe. Er habe sich zu einem Sikhtempel begebenen, wo er zwei Tage aufhältig gewesen sei.

 

Sein Heimatland habe er verlassen, weil er Anhänger der Congress Partei sei und Probleme mit den Anhängern der Alkali Dal habe. Er sei geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Er habe Angst umgebracht zu werden.

 

2. Am 23.06.2008 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, statt. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der Cousin seines Vaters (Anm.: vom Beschwerdeführer als Onkel bezeichnet) sei ein Parlamentsabgeordneter des Regionalparlaments in Punjab gewesen; er sei ein Funktionär der Congress Partei gewesen. Mit seinem Onkel sei er oft unterwegs gewesen und habe diesen bei Demonstrationen und Protestkundgebungen begleitet. Seit die Splittergruppe Alkali Dal Badal an die Macht gekommen sei, habe er in seiner Heimat Probleme. Außerdem habe er Grundstücksstreitereien mit einem Sikh, welcher Anhänger der Alkali Dal Badal sei. Dieser habe seinen Parteieinfluss gegen ihn ausgenützt und der Beschwerdeführer sei zweimal von den Mitgliedern der Alkali Dal Badal attackiert worden. Einmal sei auf ihn geschossen worden; er habe jedoch flüchten können. Er habe den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige gebracht; diese habe jedoch nichts unternommen, weil die Alkali Dal Badal die Regierung im Punjab stelle. Seine Probleme würden seit Ende 2007 bestehen. Sein Onkel sei im März 2008 eines natürlichen Todes gestorben; solange sein Onkel am Leben gewesen sei, habe er keine Probleme gehabt.

 

3. Am 15.09.2008 führte das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, eine weitere niederschriftliche Einvernahme durch. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er in Indien verheiratet sei und zwei Kinder habe. Er habe sein Heimatland verlassen, weil es einen Streit um seine Landwirtschaft gegeben habe. Er habe die Landwirtschaft von seinen Eltern geerbt. Sein Onkel, R.S., sei im März 2008 krank geworden und gestorben. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Onkel zusammengearbeitet und ihn zu Parteiversammlungen begleitet. Sein Onkel sei Abgeordneter gewesen. Nach dem Tod des Onkels hätten die Sikhs dem Beschwerdeführer die Landwirtschaft ganz billig abkaufen wollen. Da er das Land nicht verkaufen wollte, sei es zu einem Streit gekommen; sie hätten auf ihn geschossen und er habe nur knapp entkommen können. Er sei zu seiner Schwester nach Amritsar geflüchtet und habe sich dort circa zwei Monate versteckt gehalten. Er sei nur ab und zu in sein Dorf zurückgekommen. Er sei auch bei seiner Schwester verfolgt worden. Dies habe sich im März 2008 zugetragen.

 

Auf die mehrmalige Aufforderung, ausführlich zu schildern, wie auf ihn geschossen worden sei, antwortete er schließlich: "Ich war auf meiner Landwirtschaft und er auf seiner. Harbajan hat aus 2 Meter Entfernung mit einem Revolver auf mich geschossen. Zweimal. Er hat mich nicht getroffen." Auf die weitere Frage "Und dann?" antwortete er: "Ich lief davon und erzählte es meiner Familie." Er habe keine Anzeige erstattet. Die Polizei würde nur Reichen helfen. Auf den Vorhalt, dass er bei der EAST angegeben habe, selbst Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben, schwieg er zunächst. Auf die neuerliche Frage, ob er nun Anzeige erstattet habe oder nicht, antwortete er schließlich, er könne sich nicht mehr erinnern.

 

4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.09.2008, FZ: 08 05.296-BAW, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I) und unter einem festgestellt, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zukomme (Spruchpunkt II). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Indien. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass dem Beschwerdeführer gänzlich die Glaubwürdigkeit zu versagen sei.

 

Der Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 18.09.2008 nachweislich zugestellt.

 

5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 02.10.2008 eingebrachte Beschwerde. Darin wird lediglich festgestellt, dass der Bescheid seinem gesamten Unfang nach angefochten werde. Ein näheres Berufungsvorbringen werde umgehend nachgereicht. Jedenfalls werde die ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers beantragt.

 

6. Die Beschwerdevorlage langte am 08.10.2008 beim Asylgerichtshof ein. Die angekündigte Ergänzung des Beschwerdevorbringen langte bis dato nicht ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2. Festgestellt wird:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste am 16.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte 18.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Darüber hinaus kann seine Identität mangels Vorlage Identitätsausweisender Dokumente nicht festgestellt werden.

 

In Österreich, im Bereich der EU, Norwegen oder Island hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt.

 

2.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Indien werden zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt.

 

3. Beweiswürdigung:

 

Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben.

 

3.1. Davon, dass der Beschwerdeführer - wie er selbst behauptet - aus Indien stammt war im Zweifel auch aufgrund einer gewissen geographischen Orientiertheit auszugehen; nähere Feststellungen zu seiner Identität konnten dagegen in Ermangelung jeglicher Dokumente nicht mehr erfolgen.

 

3.2. Die Angaben zu den Flüchtgründen sind für den Asylgerichtshof nicht asylrelevant.

 

3.2.1. Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer stützte sein Fluchtvorbringen auf die Verfolgung durch Anhänger der Alkali Dal Badal bzw. durch Sikhs wegen eines Grundstücksstreites. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers stellt keine systematische Verfolgung im Sinne der GFK, dh wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, dar.

 

Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtvorbringen beruht somit auf einer Verfolgung durch Private. Wie der VwGH in ständiger Rechtssprechung judiziert, hat eine nichtstaatliche Verfolgung nur dann Asylrelevanz, wenn der Heimatstaat nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Betroffenen vor Verfolgungshandlungen privater Dritter zu schützen. Nicht willens bedeutet, dass Übergriffe von dritten Personen, die keinen staatlichen Institutionen zugerechnet werden können, toleriert, bewusst in Kauf genommen oder sogar unterstützt werden. Nicht in der Lage, seine Bürger ausreichend zu schützen, ist ein Staat vor allem dann, wenn er seine Autorität nicht auf dem gesamten Territorium bzw. in den einzelnen staatlichen Institutionen entsprechend durchsetzen kann. Es kommt stets darauf an, ob ein Staat seinen Bürgern effektiven Schutz vor Übergriffen dritter Personen gewähren kann. Auch ernsthafte Bemühungen reichen nicht aus, wenn es an Durchsetzungsvermögen der staatlichen Autorität fehlt. Ist es offensichtlich, dass ein Staat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bürger zu schützen, braucht ein Flüchtling nicht aussichtlose Hilfsgesuche an die Behörden seines Heimatlandes zu richten.

 

Nichtstaatliche Verfolgung kann daher asylrelevant sein, wenn im Herkunftsland des Asylwerbers eine staatliche Gewalt, die den Asylwerber gegen Verfolgung Dritter ausreichend Schutz bieten könnte, nicht (mehr) existiert oder wenn der Heimatstaat des Asylwerbers nicht willens oder in der Lage ist, diesen vor Verfolgungshandlungen Dritter zu schützen (vgl. u.a. auch VwGH vom 17.9.2003, Zl. 2001/20/0177 m.w.N.).

 

Unter Berücksichtung der vom Bundesasylamt seinem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ist klar ersichtlich, dass von einer fehlenden Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit Indiens bzw. deren Behörden nicht auszugehen ist. Auch in der Beschwerde konnte er der diesbezüglichen Ansicht des Bundesasylamtes nichts Konkretes entgegensetzen. In diesem Zusammenhang ist schließlich auf die oben dargestellten widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers hinzuweisen. Zuerst behauptete er, dass er eine Anzeige bei der Polizei erstattet hätte. Später gab der dagegen an, er habe keine Anzeige erstattet, weil die Polizei nur den Reichen helfen würde. Und schließlich meinte er dazu, er könne sich nicht mehr erinnern.

 

3.3. Darüber hinaus ist jedenfalls ferner festzuhalten, dass in Indien die Möglichkeit besteht, örtlichen Bedrohungen durch Private durch Umzug in andere Landesteile zu entgehen:

 

Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ergibt sich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Der Beschwerdeführer befürchtet eine Verfolgung durch Anhänger der Alkali Dal Badal bzw. durch Sikhs wegen Grundstücksstreitereien. Die Quellen zeichnen diesbezüglich ein eindeutiges Bild, wonach grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden kann. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Dieses Recht unterliegt allerdings gewissen Einschränkungen im öffentlichen Interesse. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen. Die Möglichkeit sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängt sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Für unqualifizierte, aber gesunde Menschen wird es in der Regel jedoch möglich sein, sich durch Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt zu sichern. Auch im gegenständlichen Fall besteht jedenfalls die Möglichkeit einer Relokation in einen anderen Landesteil, da sich die vom Beschwerdeführer genannten Verfolgungshandlungen auf einen regionalen Bereich beschränken. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, im ganzen Land bekannt zu sein. Eine wie immer geartete polizeiliche Verfolgung des Beschwerdeführers wurde nicht behauptet.

 

4. Rechtliche Würdigung:

 

4.1. Spruchpunkt I:

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes 2005 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Des Weiteren ist ferner festzuhalten, dass in Indien jedenfalls die Möglichkeit besteht, örtlichen Bedrohungen durch Private durch Umzug in andere Landesteile zu entgehen (vgl. Punkt 3.3).

 

4.2. Spruchpunkt II:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entspricht damit dem Refoulementverbot nach § 50 Abs. 1 FPG.

 

Dem Bundesasylamt ist auch dahingehend zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

 

Eine positive Feststellung nach dieser Bestimmung erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (§ 50 FPG) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im hier relevanten Sinne glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.2.1. Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

4.2.2. Wie bereits oben unter II.3. ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Indien, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

4.2.3. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer - im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland - insbesondere auch in anderen Landesteilen - einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden. Der Beschwerdeführer ist eine junger, gesunder Erwachsener und kann daher auch die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden.

 

Der Beschwerdeführer hat schließlich weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte.

 

4.2.4. Diese Sichtweise steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VwGH (vgl zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria bei unglaubwürdigem oder vagen Vorbringen jüngst VwGH 13.12.2005, 2004/01/0610, VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0345, VwGH 26.01.2006, Zl. 2005/20/0197, VwGH 29.06.2006, Zl. 2005/20/0213, VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0477).

 

Davon, dass praktisch jedem, der nach Indien abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene, kann nicht die Rede sein.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

4.3. Zu Spruchpunkt III:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird; 3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerber liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005). Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

4.3.1. Die Erstbehörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass angesichts der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegt, das einer Ausweisung entgegenstehen könnte; dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, während solche weiterhin in Indien leben. Die zirka viermonatige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich ist zu kurz, um allein deswegen die Ausweisung für unzulässig zu erklären. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet.

 

Besondere Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestehende dauernde Integration in Österreich (etwa: Beschäftigung, Familienverhältnis) sind auch im Verfahren vor dem Asylgerichtshof nicht hervorgekommen, weshalb die fremdenrechtlichen öffentlichen Interessen an der Effektuierung der negativen Entscheidung im Asylverfahren zum Entscheidungszeitpunkt weiterhin überwiegen.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 entfallen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und sich insbesondere in der Beschwerde keine zusätzlichen Hinweise auf die Notwendigkeit ergeben haben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Identität, innerstaatliche Fluchtalternative, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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