TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/29 A5 239278-0/2008

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Veröffentlicht am 29.10.2008
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Spruch

A5 239.278-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB KUBJACEK über die Beschwerde der A.E., geb. 00.00.1980, Staatsangehörige von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.7.2003, Zl. 03 19.403- BAE, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde der A.E. wird gemäß § 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl.I Nr. 126/2002 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 1.7.2003 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg.cit. für zulässig erklärt.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

I.4. Der Asylgerichtshof brachte der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22.9.2008 aktuelle Länderfeststellungen, die nunmehr auch den Gegenstand dieses Erkenntnisses bilden, gemäß § 45 Abs .3 AVG zur Kenntnis und räumte ihr eine zwei Wochen währende Frist zur Stellungnahme ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin

 

II.1.1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Ihre Identität konnte nicht festgestellt werden. Sie reiste am 28.6.2003 illegal nach Österreich ein und stellte am 1.7.2003 einen Asylantrag.

 

II.1.1.2. Die Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde am 1.7.2003 niederschriftlich einvernommen. Zu ihrem Reiseweg gab die Genannte zu Protokoll, Mitte März 2003 Benin City mit dem Bus verlassen und sich nach Lagos begeben zu haben. Von dort aus sei sie am 17.5.2003 mit Schiff ausgereist und in einem unbekannten Hafen in einen Autobus gestiegen, mit dem sie drei Tage unterwegs gewesen sei. Auf der Straße habe sie dann einen schwarzen Taxifahrer getroffen, der sie zum Bundesasylamt nach Eisenstadt gebracht habe. Als Fluchtgrund führte die nunmehrige Beschwerdeführerin an, aus Angst von der Ogboni- Gesellschaft getötet zu werden, Nigeria verlassen zu haben. Ihre Eltern und Geschwister seien Mitglieder dieser Gesellschaft gewesen und hätten auch sie zum Beitritt aufgefordert. Sie hätten ihr fünf Tage Bedenkzeit eingeräumt und angedroht, sie zu töten, wenn sie sich weigere. Aus diesem Grund habe sich die nunmehrige Beschwerdeführerin während der ihr gesetzten Frist zu einer Freundin namens R. begeben, die sie zum Pastor begleitet habe. Dieser habe ihr in der Kirche Unterschlupf gewährt und sie am folgenden Tag nach Lagos gebracht. Dort habe sie sich zwei Wochen aufgehalten, ehe der Pastor ihr zur schlepperunterstützten Ausreise verholfen habe. Über Nachfrage der belangten Behörde betonte die nunmehrige Beschwerdeführerin, über die näheren Hintergründe, warum sie getötet werden solle, nichts zu wissen, ebenso könne sie nicht angeben, ob und auf welche Weise die Ogboni tatsächlich Menschenopfer bringen würden. Sie habe von der Mitgliedschaft ihrer Familie erst erfahren, als sie von dieser zum Beitritt aufgefordert worden sei.

 

II.1.1.3. Die belangte Behörde wies den Asylantrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin ab und erklärte die Rückführung der Genannten nach Nigeria für zulässig. Begründend bezeichnete die belangte Behörde die Angaben der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig und hielt fest, dass deren Ausführungen vage und oberflächlich geblieben seien. Unter Bezugnahme auf die Länderberichte, welche einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bilden, verwies die belangte Behörde darauf, dass zum einen eine Verfolgung durch Mitglieder einer Geheimgesellschaft regional begrenzt sei und zum anderen eine staatliche Schutzunwilligkeit in einer solchen Frage nicht festgestellt werden könne. Der unbehelligte Aufenthalt in Lagos sei des Weiteren als Hinweis für fehlende Verfolgung zu werten.

 

II.1.1.4. Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

II.1.1.6. Der Beschwerdeführerin wurden, wie bereits unter Punkt I.4 ausgeführt, seitens des Asylgerichtshofes aktuelle Feststellungen zur Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht. Die nunmehrige Beschwerdeführerin übermittelte mit Schriftsatz vom 20.10.2008 eine Stellungnahme. Darin wiederholte die Genannte ihren Reiseweg und ihre Fluchtgründe und machte jenen Pastor namhaft, der die Ausreise für sie organisiert habe. Ebenso gab die Beschwerdeführerin den Namen und die Adresse ihrer Mutter an und beantragte deren zeugenschaftliche Einvernahme im Wege der österreichischen Vertretungsbehörde. Sie betonte, mit ihrer Mutter in regelmäßigem telefonischen Kontakt zu stehen. Zudem beantragte die Beschwerdeführerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Lebenssituation in Nigeria.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Allgemein

 

Nigeria ist eine föderale Republik in Westafrika, bestehend aus 36 Bundesstaaten und mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 140 Millionen Menschen. 1960 wurde in Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Die nachfolgenden Jahre waren von interkulturellen sowie politischen Unruhen und Gewaltausbrüchen geprägt, als schließlich das Militär (durch Igbo- Offiziere) 1966 die Macht übernahm und die erste Republik beendete. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen - abgesehen von 1979 bis 1983, als Shehu Shagari mit der Hilfe von General Obasanjo die zivile Regierungsmacht übertragen bekam - fanden erst wieder im Jahr 1999 statt, bei denen Olusegun Obasanjo als Sieger hervorging und anlässlich der Wahlen 2003 als solcher bestätigt wurde. (1+2)

 

Gemäß der nach amerikanischem Vorbild entworfenen Verfassung von 1999, die am 29. Mai 1999 in Kraft trat, verfügt Nigeria über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Darüber hinaus gewährleistet die Verfassung ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre stattfindende Wahlen. Der Präsident verfügt generell über weit reichende Vollmachten und ist sowohl Staatsoberhaupt, Regierungschef als auch Oberbefehlshaber der Armee. (3)

 

Am 14. und 21. April 2007 fanden die letzten Wahlen statt, bei denen die amtierende "People's Democratic Party (PDP)" überlegen als Sieger hervorging, und Umaru Yar'Adua zum Präsidenten gewählt wurde. Damit erfolgte erstmals seit der Unabhängigkeit Nigerias die Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf die nächste. (4)

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2008 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

(3) IDMC, "Nigeria: Institutional mechanisms fail to address recurrent violence and displacement", S. 1-4, von 29.10.2007 (www.internal-displacement.org).

 

(4) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5-7, von 06.11.2007

 

Generelle Menschenrechtslage

 

Die Menschen- und Bürgerrechte sind im Grundrechtskatalog der Verfassung gewährleistet. Die Realität sieht allerdings anders aus; schlechte Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit, Korruption sowie die größtenteils mangelnde Ausbildung, Ausrüstung und Bezahlung der staatlichen Organe führen zu regelmäßigen Verletzungen der verfassungsrechtlich garantierten Rechte. (1)

 

In der nigerianischen Gesellschaft ist Gewalt ein alltägliches Phänomen, welche zumeist auch von Politikern zur Zielerreichung bewusst eingesetzt wird. Willkürliche Verhaftungen und Folter, sowie politisch motivierte Auftragsmorde durch Polizei und Militär sind keine Seltenheit. Die harschen Haftbedingungen und die schlechten Zustände in den Gefängnissen können lebensbedrohende Ausmaße annehmen. Selbstjustiz stellt daher in verschiedenen Landesteilen ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Zweck wird hauptsächlich auf sog. "Vigilante Groups" (private Milizen, oft auch ethnisch motiviert) zurückgegriffen, welche durch die Regierungen einiger Bundesstaaten toleriert oder sogar aktiv unterstützt werden. (3)

 

Obwohl eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinsichtlich ziviler und politischer Rechte seit 1999 festzustellen ist, wird nach wie vor von willkürlichen Ausschreitungen und Gesetzesverletzungen ausgehend von den nigerianischen Sicherheitskräften berichtet. Die Beschneidung essentieller Grundrechte, häusliche Gewalt, Diskriminierung der Frauen, Kindesmissbrauch sowie ethnisch, regionale und religiöse Diskriminierungen stellen in Nigeria wohl die signifikantesten und bislang sanktionslosen Rechtsverletzungen dar. (2)

 

(1) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5., von 06.11.2007.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2007 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

Politische Betätigung

 

Die Verfassung von 1999 gewährleistet prinzipiell das Recht auf einen freien politischen Zusammenschluss, was auch von der Regierung in der Praxis respektiert wird. 2006 waren 46 Parteien bei der Nationalen Wahlkommission gemeldet (National Election Commission INEC). (1) Bei den Parlamentswahlen 2007 traten 43 Parteien an, 24 Parteien stellten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl auf. (2) Oppositionelle Politiker werden toleriert und haben auch das Recht, ihre Ansichten öffentlich kund zu tun. Das Wahlrecht erlaubt es ebenso, aus einer Partei auszutreten und eine neue Partei zu gründen. Gelegentlich wird von kurzen Anhaltungen auf Grund von regierungskritischen Pressemitteilungen seitens der Opposition berichtet. (3) Die diesbezügliche Toleranz wird auch dadurch veranschaulicht, dass die nigerianische Parteienlandschaft generell von einer komplexen personellen Verflechtung zwischen der regierenden Partei und der Opposition geprägt ist. (1+2)

 

Dennoch kommt es auf Grund der einzelnen Machtbestrebungen immer wieder zu politisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Parteien, die hauptsächlich mit Hilfe von undemokratischen Mitteln, wie bewaffneten Kämpfen bis zum politischen Mord, einhergehen. Dazu werden in der Regel eigene "Gangs" herangezogen, deren Mitglieder öffentlich rekrutiert und von den Politikern bezahlt werden. Die verantwortlichen Organe bleiben zumeist von strafrechtlichen Konsequenzen verschont. Die neue Regierung von Präsident Yar'Adua hat aber erkennen lassen, dass sie sich dieser Themen annehmen will, zumal diese militanten Vereinigungen auch nach den eher problematischen Wahlvorgängen in der Regel existent bleiben. (1+3+5+6)

 

Bei den letzten Wahlen im April 2007 wurden ca. 200 bis 300 Personen Opfer von gewaltvollen Ausschreitungen. (1+6) Bis 30.03.2007 wurden von der "Nigerian Alliance for Peaceful Elections" in den Bundesstaaten Bayelesa, Bauchi, Benue, Rivers und Delta 51 Fälle von Tötungen, Kidnapping und Gefechten zwischen den einzelnen Anhängern berichtet. (1) Im Bundesstaat Katsina, aus dem Yar'Adua und sein Konkurrent Buhari stammen, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit vier Toten. Militante Gruppen versuchten, die Wahlen zu sabotieren.

(4) Weder die Regierung noch die Polizei unternahmen ausreichende Maßnahmen, um dagegen vorzugehen oder die Initiatoren zur Verantwortung zu ziehen. (1) Die eigens eingerichteten Wahlgerichte sollten aber generell in der Lage sein, in angemessener Zeit über Klagen (vor allem Wahlanfechtungsklagen) entscheiden zu können. Schon in der Vergangenheit fällten sie Entscheidungen gegen die Regierung, die die Exekutive letztlich auch akzeptierte. (3)

 

Es gibt keine Berichte über politische Häftlinge in Nigeria. (2)

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 58-59.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 8 u. 15-16.

 

(3) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria. Stand September 2007, S. 6-8 u. 10.

 

(4) SZ, Perras Arne, von 23.04.2007.

 

(5) Human Rights Watch. Politics as War. The Human Rights Impact and Causes of Post-Election Violence in Rivers State, Nigeria. Vol. 20, No. 3(A), S. 13-15.

 

(6) AI Report 2008, Nigeria. S. 1-2.

(http://thereport.amnesty.org/eng/regions/africa/nigeria)

 

Geheime Kulte und Bündnisse

 

Geheimkulte sind vor allem unter nigerianischen Studenten an Universitäten stark verbreitet. Anfänglich waren deren Ziele unter anderem von antikolonialistischen Bestrebungen geprägt und sie galten als gewaltfreie Verbindung. Mittlerweile hat sich dieses Bild gewandelt; die Mitglieder sind nunmehr bewaffnet und werden auch für politische und ethnische Auftrags-morde herangezogen. Gegner werden gewaltvoll eliminiert. Unterstützung erhalten diese Bündnisse mitunter von einflussreichen Politikern. Vielfach werden unbeteiligte Personen unter Anwendung von Folter gezwungen, der Verbindung beizutreten. Ausgetretenen Personen wird nachgestellt und gedroht. Auch sexuelle Misshandlungen sind keine Seltenheit.

 

Eine erfolgreiche Anklage wegen geheimen Okkultismus' ist nur dann möglich, wenn die betroffenen Personen auf frischer Tat ertappt werden und noch ihre rituellen Gewänder tragen. Da die diversen Aktionen hauptsächlich in der Nacht stattfinden und es überdies der Polizei seit zwei Jahrzehnten nicht gestattet ist, innerhalb von Universitäten polizeilich zu intervenieren, kann somit nicht effizient gegen Anhänger der Kulte vorgegangen werden.

 

Betroffenen Personen steht aber prinzipiell die Möglichkeit offen, sich an den Universitätsvorstand oder an die Polizei zu wenden. Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile Nigerias sind jedenfalls gegeben. (1)

 

Die Ogboni Gesellschaft

 

Die Ogboni gelten als Geheimgesellschaft, bezeichnen sich selbst aber als eine Art "sozialen Club", welcher seinen Mitgliedern in verschiedenen Lebensbereichen (Geschäfte, Heirat usw.) unterstützend zur Seite steht. Er bildet sich hauptsächlich aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht, da der Beitritt mit hohen Mitgliedsbeiträgen verbunden ist. Der Beitritt selbst erfolgt in der Regel durch eine Einladung an die jeweilige Person, welche zuvor von einem bestehenden Mitglied vorgeschlagen wurde. Familiäre Anknüpfungspunkte können zwar eine Rolle spielen, führen aber nicht generell zu einem automatischen (Zwangs-)Beitritt. Teilweise wird ein Eintritt von Kindern erwartet, zu diesem Zweck die Eltern oft enormen Druck auf die Betroffenen ausüben. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Person, die von den Eltern bereits vor der Geburt den Ogboni verschrieben wurde, von der Gesellschaft zum Beitritt gezwungen werden kann, um das Versprechen der Eltern einzulösen. In diesem Fall bekommen die Kinder oft bis zu deren 30. oder 40. Lebensjahr nichts von der Gesellschaft oder der Mitgliedschaft der Eltern mit.

 

Normalerweise wird aber nur besonders reifen und älteren Personen (Angehörigen) die Mitgliedschaft angeboten. Zuweilen werden auch besondere Eigenschaften der Kandidaten vorausgesetzt, z.B. verheiratet zu sein oder Kinder zu haben.

 

Gewaltvolle Übergriffe, vergleichbar mit jenen der universitären Geheimbündnisse, sind nicht bekannt. Aufnahmeritualen werden "mystische" Elemente nachgesagt, weshalb "herkömmliche" Nigerianer die Ogboni auch fürchten.

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 141-150.

 

Medizinische Versorgung

 

In Nigeria existiert eine extreme Zwei-Klassen-Medizin. Private Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen sind oft auf amerikanischem Standard, während öffentliche Anstalten von Unterversorgung, schlechter Ausrüstung, Überlastung und hygienischen Mängeln geprägt sind. In der Regel sind öffentliche Krankenhäuser in Großstädten noch besser ausgestattet als jene in ländlichen Gebieten. Die oft hohen Behandlungskosten werden von den Patienten getragen. Es gibt zwar eine Kranken- und Pensionsversicherung; diese gilt aber nur für Beschäftigte im formalen Sektor, während die meisten Nigerianer als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner arbeiten. Die Möglichkeit der Behandlung von speziellen Erkrankungen (z.B. Krebs) ist auf bestimmte Krankenhäuser beschränkt. (1+2)

 

In jedem Bundesstaat Nigerias existieren zumindest ein psychiatrisches Krankenhaus sowie private Einrichtungen. Private Behandlung ist sehr teuer und Psychotherapien sind eher selten. Der Zugang zu Antidepressiva gilt aber als gewährleistet und erschwinglich. (1)

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 164-176.

 

(2) ) Dt. AA, S. 23.

 

Innerstaatliche Fluchtalternative

 

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Vereinzelt kann dies allerdings zu wirtschaftlichen Problemen führen, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Der familiäre Rückhalt und die Dorfgemeinschaft spielen in Nigeria eine große Rolle, um wirtschaftlich Fuß zu fassen.

 

In Nigeria gibt es keine Bürgerkriegsgebiete und Bürgerkriegsparteien. (1)

 

(1) ) Dt. AA, S. 18.

 

Situation der Rückkehrer

 

Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass abgeschobene Asylwerber bei ihrer Rückkehr nach Nigeria auf Grund des Ersuchens um Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben. (1)

 

Ein Gesetz, welches die Ausreise nach Nigeria verbietet, existiert nicht. (2)

 

Für gewöhnlich werden die Rückkehrer nach dem Grund ihres Asylersuchens befragt. Die Befragung dauert in der Regel 15 bis 20 Minuten. Von längeren Anhaltungen - außer in Zusammenhang mit im Ausland verübten Drogendelikten - ist nichts bekannt.

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden, befinden sich aber zumeist in einem sehr desolaten Zustand. (1)

 

(1) ) Dt. AA, S. 23-24.

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 179.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor

 

Zwar enthalten die Übergangsbestimmungen des § 75 AsylG 2005 keine Regelung, die eine Anwendung des § 41 Abs.7 leg. cit. auf so genannte "Altverfahren" (i.e. Verfahren auf Grundlage des AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002) explizit vorsehen.

 

Für den Asylgerichtshof ergibt sich die Geltung dieser Bestimmung auch im gegenständlichen (Alt)Fall allerdings aus dem Wortlaut der Überschrift des 6. Abschnitts " Sonderbestimmungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof" einerseits und der Überschrift der in diesem Abschnitt enthaltenen Bestimmung des § 41 leg. cit. selbst, die folgendermaßen lautet: "Verfahren vor dem Asylgerichtshof". Nachdem der Asylgerichtshof am 1.7. 2008 seine Arbeit aufgenommen hat, die besagten Sonderbestimmungen in ihrer weiteren Textierung keine Unterscheidung nach "Altverfahren" oder "Neuverfahren" treffen kann davon ausgegangen werden, dass die in diesem Abschnitt enthaltenen Regeln uneingeschränkt auf sämtliche Verfahren vor dem Asylgerichtshof , unabhängig vom Zeitpunkt ihres Anfalls, anzuwenden sind.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317), kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz oder die Stellungnahme vom 20.10.2008 zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen.

 

Aus den aktuellen Länderfeststellungen, die der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs schriftlich zur Kenntnis gebracht wurden, ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine andere Beurteilung. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie der Beweisaufnahme vom 22.9.2008- welche den Parteien des Verfahrens schriftlich zur Kenntnis gebracht wurde (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl:

2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH vom 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6) und ihnen eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt wurde - als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG). Es ergab sich auch in der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit der Beschwerdeführerin zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

 

II.3.7. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.3.8. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.9. Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden.

 

Gemäß § 124 Abs.2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von Asyl wurde am 1.7.2003 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

II.3. 10. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974 ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

II.3.11. § 8 AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs.3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs.1 oder Abs.2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs.1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

II.4. Beweiswürdigung

 

Der Asylgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht unter die oben genannten Voraussetzungen für eine Asylgewährung zu subsumieren ist. Weder der Beschwerde(Berufungs)schriftsatz noch die Stellungnahme, welche die Beschwerdeführerin infolge des ihr übermittelten Ländervorhaltes abgegeben hat, vermögen an dieser Beurteilung etwas zu ändern.

 

Ebenso wie die belangte Behörde erachtet der Asylgerichthof die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin für nicht glaubwürdig. So war sie trotz Nachfrage der belangten Behörde nicht imstande, zu erklären, unter welchen konkreten Umständen sie von ihren Familienangehörigen zum Beitritt gezwungen worden sei bzw. warum sie davon ausgehe, im Fall ihrer Weigerung getötet zu werden. Ihre diesbezüglichen Befürchtungen erscheinen als reine Spekulation, zumal die Beschwerdeführerin selbst einräumte, nicht erklären zu können, warum sie getötet werden sollte bzw. ob die Ogboni Menschenopfer erbringen würden. Auch in ihren jeweiligen Schriftsätzen äußerte sich die Beschwerdeführerin zu keinen weiteren Details. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 20.10. 2008 sogar behauptet, mit ihrer Mutter in regelmäßigem Telefonkontakt zu stehen, führt sie ihren geltend gemachten Fluchtgrund - Tötung durch ihre Familienmitglieder, darunter namentlich auch die Mutter ! - selbst ad absurdum. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig mit ihrer Mutter telefoniert und diese als Zeugin für ihre Angaben namhaft macht, wenn diese selbst ihr nach dem Leben trachtet. Zudem vermochte die Beschwerdeführerin nicht schlüssig zu erklären, warum sie von ihren eigenen engsten Familienangehörigen getötet werden sollte.

 

Wie bereits die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, führt aber selbst eine andere Beurteilung der Glaubwürdigkeit zu keinem für die Beschwerdeführerin besseren Ergebnis, zumal sich aus den Länderberichten kein Hinweis für die Annahme ergibt, dass die Mitglieder der Ogboni- Gesellschaft Menschenopfer darbringen bzw. ihre potentiellen Mitglieder infolge deren Weigerung im gesamten Bundesgebiet von Nigeria verfolgen und der Staat tatenlos zusieht. So ist also in Übereinstimmung mit der belangten Behörde eine staatliche Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit nicht feststellbar. Zudem kann auch davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin durchaus die Niederlassung in einem anderen Landesteil von Nigeria zumutbar gewesen wäre, um allfälligen Problemen mit ihrer Familie aus dem Weg zu gehen. Auch dieser Argumentation der belangten Behörde ist die Beschwerdeführerin weder in ihrem Beschwerde(Berufungs)schriftsatz noch in der ergänzenden Stellungnahme von Oktober 2008 substantiiert entgegen getreten

 

Zur Frage des Refoulements ist auszuführen, dass sich während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt für die Annahme ergeben hat, die Beschwerdeführerin würde im Fall ihrer Rückkehr in einem der genannten Rechtsgüter verletzt werden. So hat die Beschwerdeführerin selbst behauptet, vor ihrer Ausreise als Friseurin gearbeitet zu haben und ergibt sich für den Asylgerichtshof kein Anhaltspunkt, der gegen eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit spricht. Soweit die Genannte darauf verweist, lediglich Bekannte frisiert zu haben, so ändert dies nichts an der diesbezüglichen Beurteilung, zumal der Asylgerichtshof aufgrund der festgestellten Unglaubwürdigkeit der Angaben der Genannten ohnehin von einer jederzeitigen Rückkehrmöglichkeit der Betreffenden in ihren bisherigen Familienverband ausgeht. Die Ansicht, dass die Beschwerdeführerin zusammengefasst bloß aufgrund ihres Geschlechtes der Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK unterliegen könnte, kann im Einklang mit den aktuellen Länderfeststellungen nicht geteilt werden. Mag es für Frauen insgesamt in Nigeria schwieriger sein, sich eine eigene Existenz aufzubauen, so liegen nach dem Dafürhalten aber dennoch in Bezug auf Art und Intensität keine "außergewöhnlichen Umstände" vor, die im Sinne der Judikatur des EGMR eine Rückführung der Genannten nach Nigeria unzulässig erscheinen ließen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Identität, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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