TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/30 C12 400824-1/2008

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Spruch

C12 400.824-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Vorsitzender und den Richter Mag. BÜCHELE als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. HOFBAUER über die Beschwerde des K.S., geb. 00.00.1987, StA. INDIEN, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, FZ. 08 05.563-EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 26.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er im Wesentlichen an, er habe am 04.03.2008 sein Dorf verlassen und sich zu einem Verwandten in Bhunga begeben. Am 08.03.2008 sei er nach Hoshiarpur gefahren, um sich mit einem Schlepper namens B.T. zu treffen, welchem er seinen Reisepass übergeben habe. Am 02.04.2008 habe ihn der Schlepper nach Neu Delhi gebracht und sei mit ihm gemeinsam mit einer unbekannten Fluglinie an einen ihm unbekannten Ort geflogen. In diesem Land habe er sich fünf Tage aufgehalten. Danach seien sie mit dem Zug an einen ihm unbekannten Ort gefahren. Danach habe ihn der Schlepper zu einer Person namens M. gebracht, bei welchem er sich zwei Tage aufgehalten habe. Anschließend sei er mit dem Schlepper mit einem öffentlichen Bus an einen weiteren ihm unbekannten Ort gefahren. Von dort aus seien sie mit einem Zug Richtung Österreich gefahren. Der Schlepper habe ihn in der Nähe des Pratersterns verlassen. Der Beschwerdeführer habe gehofft, dass der Schlepper wieder zurückkommen würde und habe daher zwei Tage in einem Park in der Nähe des Pratersterns verbracht. Er habe einen Pakistani getroffen, der ihm erklärt habe, dass er sich in Wien befinde. Dieser habe dem Beschwerdeführer den Weg nach Traiskirchen beschrieben.

 

Er habe sein Heimatland verlassen, weil er am 02.03.2008 mit seinem Taxi einen Unfall verursacht habe; ein Fußgänger sei dabei sehr schwer verletzt worden. Dessen Familie habe Anzeige erstattet und die Familie des Beschwerdeführers ständig bedroht. Er habe die Angst, von der Familie des Unfallopfers ermordet zu werden.

 

2. Am 07.07.2008 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, statt. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei gemeinsam mit dem Schlepper nach Österreich gereist. Seine Familienangehörigen seien in Indien von ihm abhängig; er sei ins Ausland geschickt worden, um hier zu arbeiten. Sein Vater sei krank und sein Bruder sei noch sehr klein. Er sei Taxifahrer gewesen. Am 02.03.2008 sei er auf dem Weg nach Hause gewesen. Es habe geregnet. An einer Kreuzung habe ein Fußgänger die Fahrbahn überqueren wollen. Der Beschwerdeführer habe aber nicht mehr abbremsen können. Den Fußgänger habe es weggeschleudert. Er sei kurz stehengeblieben. Da er aber sonst keine Person gesehen habe, sei er weitergefahren. Den Namen des Fußgängers kenne er nicht. Der Beschwerdeführer sei nach Hause gefahren, sei dort kurz geblieben und sei danach wieder weitergefahren. Danach sei die Polizei gekommen und habe nach ihm gesucht. Es sei zu polizeilichen Ermittlungen gekommen. Der Verletzte habe zugegeben, dass es seine Schuld gewesen sei. Die Polizei sei einsichtig gewesen, doch der Vater und der Bruder des Verletzten, welche Kontakt zu Terroristen hätten, hätten gesagt, dass sie ihn umbringen werden. Den Namen der Verwandten des Unfallopfers habe er von den Dorfbewohnern erfahren. Sie seien sehr wohlhabend und hätten die Polizei bestochen. Die Polizei habe erneut ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet und sei sehr oft zu ihm nach Hause gekommen und habe begonnen, die Familie des Beschwerdeführers zu schikanieren. Er habe in der Angelegenheit auf dem Polizeirevier vorsprechen müssen, aber nie vor Gericht. Nach der neuerlichen Aufnahme des Verfahrens sei ihm klar gewesen, dass die Polizei bestochen worden sei. Er sei daher nicht mehr hingegangen. Er habe sich vor der Polizei versteckt; sein Vater habe ihm schließlich geraten, ins Ausland zu flüchten. Er sei am 19.03.2008 nach Neu Delhi gereist und habe sich dort in einem Hotel versteckt gehalten, aber selbst dort hätten ihn die Leute gesucht; das habe er von einem mit ihm reisenden Freund erfahren.

 

Dem Beschwerdeführer wurden länderkundliche Feststellungen zu Indien vorgehalten und ihm die Möglichkeit gegeben, sich dazu zu äußern.

 

3. Am 15.07.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle West zur Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters statt. Dabei wurde ihm vorgehalten, dass sein Vorbringen keinen Fluchtgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) darstellen würde. Das Einschreiten der Behörden stehe lediglich im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung und sei in einem solchen Fall nicht als Verfolgung zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer führte dazu zusammengefasst aus, dass die Polizei wegen des strafbaren Delikts gesagt habe, dass er unschuldig sei. Es wäre aber trotzdem zu einem Gerichtsverfahren gekommen, was sehr viel Geld gekostet hätte. Er sei der älteste Sohn und mit seinem Einkommen werde der Haushalt seiner Familie geführt. Deshalb habe sein Vater gesagt, er solle lieber ins Ausland gehen. Es sei ihm nicht um die Arbeit hier gegangen, aber der Schlepper habe ihm gesagt, dass er hier eine Arbeitsgenehmigung bekommen würde. Sein Vater habe deshalb sein Land verkauft, das sie besessen hatten, um ihm die Ausreise zu ermöglichen. In Indien würden die Gesetze nur für reiche, nicht aber für arme Leute gelten.

 

4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, FZ: 08 05.563-EAST West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I) und unter einem festgestellt, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zukomme (Spruchpunkt II). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Indien. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass dem Vorbringen, er sei von der Polizei wegen seines Verkehrsunfalls einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen, kein Glauben geschenkt werde.

 

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22.07.2008 nachweislich zugestellt.

 

5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 30.07.2008 eingebrachte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen und den Verfahrensgang wiederholte. Überdies hielt er fest, dass ihm zu keiner Zeit Länderberichte vorgehalten worden seien und damit sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei.

 

6. Die Beschwerdevorlage langte am 01.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2. Festgestellt wird:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste am 26.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Darüber hinaus kann seine Identität mangels Vorlage identitätsausweisender Dokumente nicht festgestellt werden.

 

In Österreich, im Bereich der EU, Norwegen oder Island hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörige oder Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt.

 

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe werden dem Erkenntnis mangels Asylrelevanz nicht zugrunde gelegt.

 

2.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Indien werden zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt.

 

3. Beweiswürdigung:

 

Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben.

 

3.1. Davon, dass der Beschwerdeführer - wie er selbst behauptet - aus Indien stammt war im Zweifel auch aufgrund einer gewissen geographischen Orientiertheit auszugehen; nähere Feststellungen zu seiner Identität konnten dagegen in Ermangelung jeglicher Dokumente nicht mehr erfolgen.

 

3.2. Die Angaben zu den Flüchtgründen sind für den Asylgerichtshof nicht asylrelevant.

 

3.2.1. Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer stützt sein Fluchtvorbringen auf die Verfolgung durch Verwandte eines Unfallopfers. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers stellt keine systematische Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dh. wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Gesinnung, dar. Es war daher auf die Frage der Glaubwürdigkeit in diesem Zusammenhang nicht einzugehen.

 

Der Vollständigkeit halber ist jedoch noch anzumerken, dass nach Ansicht des Asylgerichtshof das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde auch von der Polizei verfolgt, weil die Verwandten des Unfallopfers wohlhabend seien und die lokale Polizei bestochen hätten, lediglich dazu dient, seinen Fluchtgrund mehr Substanz zu verleihen und diesen mit einer weiteren Bedrohungssituation zu untermauern. Dem Beschwerdeführer war es in diesem Zusammenhang trotz mehrmaliger Nachfrage zu keinem Zeitpunkt möglich konkrete und detaillierte Angaben zu tätigen. Vielmehr begnügte er sich mit allgemein gehaltenen Ausführungen.

 

Darüber hinaus ist überdies festzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst bei beiden Einvernahmen angab, dass er aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland geflohen sei. Im Rahme der am 07.07.2008 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle West führte der Beschwerdeführer aus, er sei in Ausland geschickt worden, um hier zu arbeiten (vgl. AS 55 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Auch im Zuge der am 15.07.2008 durchgeführten Einvernahme brachte der Beschwerdeführer vor, er sei der älteste Sohn und es werde mit seinem Einkommen der Haushalt geführt; darum habe ihm sein Vater gesagt, er solle lieber ins Ausland flüchten (vgl. AS 93 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers indizieren nach Ansicht des Asylgerichtshofes zweifelsfrei die Konstruiertheit seines Fluchtvorbringens. Der Asylgerichtshof geht daher auf der Grundlage der Angaben des Beschwerdeführers davon aus, dass der Beschwerdeführer einzig aus wirtschaftlichen Motiven sein Heimatland verlassen hat. Sein Fluchtvorbringen erscheint zur Gänze konstruiert.

 

Auch in der Beschwerde konnte er den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes nichts Konkretes entgegensetzen und begnügte sich damit, sein Vorbringen und den Verfahrensgang zu wiederholen.

 

3.3. Darüber hinaus ist ferner festzuhalten, dass in Indien die Möglichkeit besteht, örtlichen Bedrohungen durch Private durch Umzug in andere Landesteile zu entgehen:

 

Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ergibt sich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Der Beschwerdeführer befürchtet unter anderem die Verfolgung durch die Verwandten des Unfallopfers. Die Quellen zeichnen diesbezüglich ein eindeutiges Bild, wonach grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden kann. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Dieses Recht unterliegt allerdings gewissen Einschränkungen im öffentlichen Interesse. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen. Die Möglichkeit sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängt sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Für unqualifizierte, aber gesunde Menschen wird es in der Regel jedoch möglich sein, sich durch Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt zu sichern. Auch im gegenständlichen Fall besteht jedenfalls die Möglichkeit einer Relokation in einen anderen Landesteil, da sich die vom Beschwerdeführer genannten Verfolgungshandlungen auf einen regionalen Bereich beschränken. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, im ganzen Land bekannt zu sein.

 

3.4. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerdeschrift darüber hinaus vor, es seien ihm die Länderberichte zu keinem Zeitpunkt vorgehalten worden, wodurch sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Hierzu ist festzuhalten, dass dies schlichtweg aktenwidrig ist. Aus der Niederschrift der Einvernahme vom 07.07.2008 geht zweifelsfrei hervor, dass dem Beschwerdeführer die länderkundlichen Feststellungen zu Indien zur Kenntnis gebracht wurden und ihm die Möglichkeit gegeben wurde, hierzu Stellung zu nehmen (vgl. AS 59 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Die Behauptung des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

 

4. Rechtliche Würdigung:

 

4.1. Spruchpunkt I:

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes 2005 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Des Weiteren wäre es gegebenenfalls, wenn eine aktuelle Verfolgung entgegen der Ansicht des Asylgerichtshofes gegeben wäre, in eventu möglich in anderen Landesteil (oben Punkt 3.3.) gefahrlos zu leben, ohne, dass die Existenz des Beschwerdeführers gefährdet wäre.

 

4.2. Spruchpunkt II:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entspricht damit dem Refoulementverbot nach § 50 Abs. 1 FPG.

 

Dem Bundesasylamt ist auch dahingehend zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

 

Eine positive Feststellung nach dieser Bestimmung erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (§ 50 FPG) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im hier relevanten Sinne glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.2.1. Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

4.2.2. Wie bereits oben unter II.3. ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Indien, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

4.2.3. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer - im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland - insbesondere auch in anderen Landesteilen einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden. Der Beschwerdeführer ist eine junger, gesunder Erwachsener und kann daher auch die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden.

 

Der Beschwerdeführer hat schließlich auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte.

 

4.2.4. Diese Sichtweise steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VwGH (vgl zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria bei unglaubwürdigem oder vagen Vorbringen jüngst VwGH 13.12.2005, 2004/01/0610, VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0345, VwGH 26.01.2006, Zl. 2005/20/0197, VwGH 29.06.2006, Zl. 2005/20/0213, VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0477).

 

Davon, dass praktisch jedem, der nach Indien abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene, kann nicht die Rede sein.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

4.3. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird; 3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerber liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005). Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

4.3.1. Die Erstbehörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass angesichts der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegt, das einer Ausweisung entgegenstehen könnte; dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, während solche (seine Eltern und Geschwister) weiterhin in Indien leben. Die zirka viermonatige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich ist zu kurz, um allein deswegen die Ausweisung für unzulässig zu erklären. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet.

 

Besondere Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestehende dauernde Integration in Österreich (etwa: Beschäftigung, Familienverhältnis) sind auch im Verfahren vor dem Asylgerichtshof nicht hervorgekommen, weshalb die fremdenrechtlichen öffentlichen Interessen an der Effektuierung der negativen Entscheidung im Asylverfahren zum Entscheidungszeitpunkt weiterhin überwiegen.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 entfallen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und sich insbesondere in der Beschwerde keine zusätzlichen Hinweise auf die Notwendigkeit ergeben haben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Identität, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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