D7 311439-3/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Stark als Einzelrichterin über die Beschwerde des C.A., geb. 00.00.1960, Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2008, Zahl 08 05.033-EAST West, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, Staatsangehörigkeit Ukraine, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und brachte am 11.10.2005 beim Bundesasylamt seinen ersten Asylantrag, Zahl 05 16.872-BAG, ein. Der Antragsteller wurde anlässlich niederschriftlicher Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 13.10.2005 und am 05.12.2006 zu seinen Ausreisegründen befragt.
Mit Bescheid vom 27.03.2007, Zahl 05 16.872-BAG, wies das Bundesasylamt den ersten Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab (Spruchpunk I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus (Spruchpunkt III.).
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.03.2007, Zahl 05 16.872-BAG, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.
Die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.03.2007, Zahl
05 16.872-BAG, wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.09.2007, Zahl 311.439-1/2E-VII/19/07, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 des
Asylgesetztes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) gemäß
§ 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 50 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.09.2007, Zahl
311.439-1/2E-VII/19/07, wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 12.12.2007, Zahl 2007/19/1035 bis 1038-8, die Behandlung der Beschwerde ab.
I.2. Der Beschwerdeführer brachte am 10.03.2008 beim Bundesasylamt seinen zweiten Antrag, diesmal auf internationalen Schutz, Zahl 08 02.370-EAST West, ein.
Der Antrag auf internationalen Schutz vom 10.03.2008, Zahl 08 02.370-EAST West, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2008, Zahl 08 02.370-EAST West, gemäß
§ 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl 1991/51 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die fristgerecht eingebrachte Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2008, Zahl 08 02.370-EAST West, wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, vom 23.04.2008, Zahl 311.439-2/4E-VII/20/08, gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl Nr. 51/1991 idgF iVm § 61 Asylgesetz 2005 BGBl. I Nr. 10072005 und § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.06.2008, Zahl 2008/19/0677 bis
0680-5, den unter Zahl 2008/19/0783 bis 0786-3 protokollierten Beschwerden, darunter jene gegen den oben genannten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, vom 23.04.2008, Zahl 311.439-2/4E-VII/20/08, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
I.3. Am 10.06.2008 stellte der Beschwerdeführer beim Stadtpolizeikommando Linz, Anhaltezentrum, aus dem Stande der Schubhaft, neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag erfolgte vor dem Stadtpolizeikommando Linz, Polizeianhaltezentrum, eine niederschriftliche Erstbefragung des Antragstellers. Der Antragsteller gab im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er seit seiner ersten Asylantragstellung nicht in seiner Heimat gewesen sei. Der Antragsteller wolle nicht in seine Heimat zurück, weil die Probleme zu Hause noch existieren würden. Eine Mafiagruppe verlange große Geldbeträge von ihm, die er nicht bezahlen könne. Seine Familie werde mit dem Ermorden bedroht (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 5 bis 13).
Mit Telefax vom 11.06.2008 teilte Herr Rechtsanwalt Dr. Helmut Blum dem Bundesasylamt mit, dass er mit der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragstellers beauftragt wurde.
Am 18.06.2008 wurde der Antragsteller vor dem Bundesasylamt zu den Gründen für die dritte Einbringung eines Antrages befragt. Seine Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht. Ergänzend führte der Antragsteller an, dass es im Handelszentrum in C. einen Brand gegeben habe, bei dem 200 Geschäfte verbrannt seien. Aus dem Internet sei ersichtlich, dass es sich um eine Brandstiftung gehandelt habe. Weiters sei bei seinem Schwager die Wohnungstüre aufgebrochen worden. Der Antragsteller vermute, dass nach Hinweisen, die ihn betreffen, gesucht worden sei. Er bringe einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein, weil er nicht in seine Heimat zurückkehren wolle. Im Fall seiner Rückkehr in die Ukraine drohe dem Antragsteller Gefahr. Seine Kinder hätten auch wegen der Militärdienstverweigerung Probleme. Befragt, ob er Medikamente einnehme, antwortete der Beschwerdeführer, dass er fast täglich ein Thomapyrin einnehme (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 79 bis 83).
Mit Aktenvermerk vom 18.06.2008 wurde festgehalten, dass der Vertreter Herr Rechtsanwalt Dr. Blum keine Ladung zur Einvernahme am selben Tag erhalten hat. Die Anwaltskanzlei habe jedoch Kenntnis vom Einvernahmetermin gehabt. Auf Wunsch des Antragstellers wurde kein Rechtsvertreter entsandt. Das Rechtsverhältnis sei nach wie vor aufrecht (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 85).
Dem Beschwerdeführer wurde am 18.06.2008 eine Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgefolgt, wonach beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 87).
Mit 18.06.2008 wurde gemäß § 27 Abs. 1 AsylG 2005 das Ausweisungsverfahren eingeleitet.
Am 25.06.2008 fand nach einem Rechtsberatungsgespräch eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt statt, in welcher der Antragsteller im Wesentlichen angab, dass er nicht in seine Heimat zurück könne, und nach wie vor das Medikament Thomapyrin einnehme (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 105 bis 107).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2008, Zahl 08 05.033-EAST West, wurde der Asylantrag (gemeint wohl: Antrag auf internationalen Schutz) des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 111 bis 179).
Mit 27.06.2008 wurde die Einleitung des Ausweisungsverfahrens des Beschwerdeführers vom 18.06.2008 gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 widerrufen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 191).
Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2008, Zahl 08 05.033-EAST West, wurde dem Vertreter am 27.06.2008 per Telefax übermittelt.
Gegen den am 27.06.2008 zugestellten Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2008, Zahl 08 05.033-EAST West, richtet sich die fristgerecht am 10.07.2008 eingebrachte Beschwerde (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 213 bis 219).
Am 18.07.2008 langte die Beschwerdevorlage beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Gemäß § 61 Abs 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
zurückweisende Bescheide
wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;
wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und
die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), das gemäß
§ 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 von der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichterin zu entscheiden ist.
II.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res iudicata" zurückzuweisen. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (VwGH E vom 22.05.2001, Zl. 2001/05/0075).
Nach der Rechtsprechung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH E vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315).
Das im erstinstanzlichen Verfahren über den zweiten Asylantrag erstattete Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eingetreten sind, ist in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Sachverhaltsänderung an dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt (und nicht unbedingt am damaligen Vorbringen) zu messen. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen gemäß § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0169, und vom 22. Mai 2001, Zl. 2001/05/0075 (VwGH E vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480)).
Gemäß der Judikatur des VwGH ist davon auszugehen, dass wenn ein Asylwerber einen weiteren Asylantrag auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, aus diesem Grund schon nach dem Vorbringen des Asylwerbers keine Sachverhaltsänderung vorliegt und der weitere Asylantrag vom Bundesasylamt wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist (siehe dazu VwGH E vom 24.08.2004, Zl. 2003/01/0431).
Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, Zl. 95/09/0189, und vom 06. März 1997; Zl. 94/09/0229). In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (VwGH E vom 28.10.2003, Zl. 2001/11/0224).
Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte in der Beschwerde im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass der Beschwerdeführer entgegen der Rechtsansicht der erstinstanzlichen Behörde einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe und daher eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache zu Unrecht erfolgt sei. Weiters wurde vorgebracht, dass aufgrund der fortgeschrittenen Integration in Österreich eine Ausweisung in die Ukraine unzulässig sei. Der Beschwerdeführer halte sich mit seiner Familie bereits seit über vier Jahren in Österreich auf. Seine Frau und er würden über eine Beschäftigungszusage unter der aufschiebenden Bedingung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen verfügen. Einer seiner Söhne gehe einer geregelten Beschäftigung nach und ein anderer besuche die Handelsakademie in Linz. Die gesamte Familie sei unbescholten und spreche hervorragend Deutsch. Es gebe bereits einen Freundeskreis in Österreich. Es sei weiters nicht richtig, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Angehöriger der kaukasischen Minderheit, in der Ukraine keine Probleme habe. Besonders seine beiden Söhne hätten im Zuge der Ableistung ihrer Wehrpflicht mit Diskriminierungen zu rechnen. Weiters wurde vorgebracht, dass das Bundesasylamt aufgrund seiner amtswegigen Ermittlungspflicht verpflichtet gewesen wäre, ein fachärztliches Sachverständigengutachten einzuholen. Der Beschwerdeführer sagte aus, dass besonders er und seine Frau unter starkem psychischem Druck stehen und aufgrund der andauernden Stresssituation schlecht schlafen würden. Er nehme täglich ein Thomapyrin. Daher wäre eine zwangsweise Abschiebung eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. In der Beschwerde wurde angeführt, dass den Söhnen des Beschwerdeführers drei bis fünf Jahre Haft wegen Militärdienstverweigerung drohen. Als Angehörige der kaukasischen Minderheit wären sie besonders grausamen Bedingungen in den Vollzugsanstalten ausgesetzt. Die Akten der beiden Söhne wären beim Militärgericht in der Ukraine. Weiters wurde in der Beschwerde angeführt, dass die Haftbedingungen in der Ukraine völlig unzureichend seien, was auch Menschenrechtsorganisationen und staatliche Institutionen berichten. In der Ukraine gebe es außerdem zahlreiche Delikte aus rassistischen Gründen. Weiters wurde vorgebracht, dass die Söhne als Kaukasen mit einer höheren Freiheitsstrafe zu rechnen hätten als Nichtangehörige dieser Minderheit. Ein neuer Sachverhalt sei vorgebracht worden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde beantragt, da die Söhne des Beschwerdeführers unmittelbar nach der Einreise in die Ukraine festgenommen und wegen Wehrdienstverweigerung angeklagt werden würden. Die drohenden Haftbedingungen würden die Intensität des Art. 3 EMRK erreichen.
Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, der Asylgerichtshof möge der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Weiters beantragte der Beschwerdeführer eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz stattgegeben und der Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde. In eventu wurde beantragt die Bescheide der Erstbehörde aufzuheben. Auf jeden Fall möge von einer Ausweisung des Beschwerdeführers Abstand genommen werden.
II.3. Für den Asylgerichtshof stellt sich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Gemäß § 41 Abs 3 AsylG 2005 ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
In Asylsachen ist ein zweiinstanzliches Verfahren eingerichtet. Gemäß Art. 129 c Z 1, Art. I des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl. I Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, erkennt der Asylgerichtshof nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Unterbliebe ein umfassendes Ermittlungsverfahren in erster Instanz, würde nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde verlagert werden, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, dass der Asylgerichtshof erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermitteln muss und eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der letzten Instanz beginnen und zugleich enden (abgesehen von der - im Bundesverfassungsgesetz, BGBl. I 1/1930 in der Fassung BGBl. 2/2008, neu eingefügten Art. 144a B-VG vorgesehenen - Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes).
Der Beschwerdeführer brachte beim Bundesasylamt seit seiner Einreise
nach Österreich im Oktober 2005 einen Asylantrag und zwei Anträge
auf internationalen Schutz ein. Seither ist der Beschwerdeführer
nicht in seine Heimat zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer gab
anlässlich der Erstbefragung und der beiden Einvernahmen zu seinem
dritten Antrag zwar auch dieselben Gründe für seine Ausreise aus der
Ukraine an, die er bereits anlässlich der vorangegangenen beiden
Asylverfahren angegeben hatte, allerdings brachte der
Beschwerdeführer am 10.06.2008 neu vor: " ... Am 06.06.2008 habe ich
dann erfahren, dass auch schon mein Schwager nach mir befragt worden
ist und dabei bedroht wurde. ..." (erstinstanzlicher Verwaltungsakt,
Seite 29). Weiters brachte der Beschwerdeführer vor dem
Bundesasylamt am 18.06.2008 neu vor: "... F: Gibt es außer den
genannten Gründen noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
A: Ja, und zwar der Brand der im Handelszentrum in C. stattgefunden hat. Bei meinem Schwager wurde die Tür zur Wohnung aufgebrochen. Es wurde nach mir ausführlich befragt. Wahrscheinlich wollten die unbekannten Täter die Wohnung durchsuchen um irgendwelche Hinweise zu finden die mich betreffen. ..." (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 81).
Gegenständlichem Bescheid des Bundesasylamtes ging ein Bescheid vom 29.03.2008, Zahl 08 02.370-EAST West, voraus. Das Bundesasylamt ist in gegenständlichem Bescheid zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden Vorbringen, einerseits die Befragung des Schwagers, dessen Wohnungstür wegen des Antragstellers aufgebrochen wurde und andererseits die Brandstiftung, um "neue Vorbringen" handelt. Anstatt den Antragsteller in den Einvernahmen näher zum neuen Vorbringen zu befragen und dieses anschließend im Bescheid auf seinen "glaubhaften Kern" hin zu prüfen, unterließ das Bundesasylamt eine ausführliche Befragung und meinte im Bescheid, widersprüchlich ein Mal, dass es sich um ein neues Vorbringen handle, ein anderes Mal, dass es sich doch um kein neues Vorbringen handeln würde. Im Bescheid wurde diesbezüglich nicht nachvollziehbar ausgeführt, dass diese beiden neuen Vorbringen ins Leere gehen würden, weil es Kriminalfälle seien, die von der Polizei erhoben werde müssten und nicht die Gewährung von Asyl begründen würden. Außerdem gäbe der Antragsteller bereits bei der zweiten Asylantragstellung an, dass es sein Geschäft nicht mehr gäbe und er könne nicht sagen was damit passiert sei. Auch diesmal habe der Antragsteller bei der Erstbefragung zu Protokoll gegeben, dass seine Verkaufstände bereits vor der Flucht zerstört worden seien. Wie allgemein bekannt sei auch anzuführen, dass es in Österreich auch Einbrüche und Brandstiftung gäbe. Somit könne der Einbruch in die Wohnung des Bruders, sowie die Brandstiftung im Einkaufzentrum durch unbekannte Personen nicht als neuer Fluchtgrund gewertet werden (Bescheid Seite 27f bzw. erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 163 bis 165).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt in seinem Bescheid verkennt, dass der Beschwerdeführer im aktuellen Antrag auf internationalen Schutz Verfolgungshandlungen geltend macht, die dem Vorbringen zufolge nach Abschuss des zweiten Asylverfahrens stattgefunden haben sollen. Das Bundesasylamt wird deshalb im fortgesetzten Verfahren den Antragsteller ausführlich zu den beiden neuen Vorbringen niederschriftlich zu befragen und sich mit der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens auseinander zu setzen haben.
Der vorliegende Sachverhalt hat sich im Sinne des § 41 Abs. 3 letzter Satz AsylG 2005 als mangelhaft erwiesen, weshalb der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben war; demgemäß ist das Verfahren gemäß § 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 zugelassen. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall einer Zurückverweisung in Folge des
§ 43 Abs. 3 letzter Satz AsylG 2005 das Bundesasylamt im Falle einer neuerlichen zurückweisenden Entscheidung (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht des Asylgerichtshofes gebunden ist (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 550).
II.4. Wird gegen einen mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 37 Abs. 1 AsylG).
Im gegenständlichen Verfahren wurde im Bescheid des Bundesasylamtes nicht über die Ausweisung entschieden, weshalb die im § 37 Abs. 1 AsylG 2005 genannte Frist nicht anzuwenden war.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.