TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/30 A10 258660-0/2008

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Spruch

A10 258660-0/2008/18E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von C.R., geb. 00.00.1970, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.03.2005, GZ 04 04.008-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG), und § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet:

 

I. Der Asylantrag von C.R. vom 09.03.2004 wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von C.R. nach Nigeria zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 wird C.R. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.03.2004 den vorliegenden Asylantrag ein.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.03.2004 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, sein Großvater habe in einem Kult eine der Führungspositionen bekleidet. Nach dessen Tod hätte der Vater des Beschwerdeführers seinen Platz einnehmen sollen, was er aber abgelehnt habe. Die Kultanhänger hätten den Vater immer wieder bedroht und Anfang letzten Jahres (d. h. 2003) mitgenommen, seither sei er verschollen. Dann hätten die Kultanhänger den Beschwerdeführer zum Beitritt aufgefordert und ihm für den Fall seiner Weigerung mit dem Umbringen gedroht. Seine Mutter sei am 00.00.2003 gestorben.

 

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 01.03.2005 sagte der Beschwerdeführer unter anderem noch aus, sein Vater sei seit Beginn 2002 unbekannten Aufenthaltes. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass die Geheimgesellschaft auch Menschenopfer darbringe. Den Namen der Geheimgesellschaft kenne er nicht. Seine Mutter sei Ende 2002 verstorben.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen, II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist, und III. der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt wird.

 

Über Auftrag des Unabhängigen Bundesasylsenates erstattete der Sachverständige E.C. ein Gutachten vom 31.03.2008. Demnach arbeitete der Beschwerdeführer als Pastor bei einer Kirche in L..

 

Mit Schreiben vom 02.05.2008 samt mehreren Beilagen nahm der Beschwerdeführer zu dem Gutachten Stellung und gab an, er habe mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass der Geheimkult Ogboni heiße. Außerdem schilderte er im Einzelnen sein Privat- und Familieleben in Österreich.

 

Der Asylgerichtshof führte am 23.09.2008 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde.

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Ika an und stammt aus der Stadt A. im Bundesstaat Delta, wo er als Autohändler und Pastor arbeitete.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer behauptete eine Bedrohung durch den Geheimkult Ogboni wegen seiner Weigerung zur Nachfolge nach seinem Großvater, doch war das gesamte diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren.

 

Denn der Beschwerdeführer verwickelte sich bei seinen Einvernahmen in mehrere wesentliche Widersprüche. So führte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof - ebenso wie bei der ersten Einvernahme durch das Bundesasylamt am 26.03.2004 - aus, sein Vater sei Anfang 2003 von den Angehörigen eines Kultes abgeholt worden. Bei seiner Aussage vor dem Bundesasylant am 01.03.2005 gab er hingegen an, sein Vater sei seit Anfang 2002 unbekannten Aufenthaltes. Auch den Tod seiner Mutter datierte der Beschwerdeführer einmal präzise mit 00.00.2003 und dann wieder mit Ende 2002. Da aber mit dem Verschwinden des Vaters die Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer begonnen haben sollen, müsste dieser genau wissen, ob nun dieses Ereignis ein Jahr oder zwei Jahre vor seiner Ausreise stattfand und demnach die Verfolgung seiner Person ein Jahr oder zwei Jahre lang dauerte.

 

Der Beschwerdeführer konnte vor dem Bundesasylamt auch nicht einmal den Namen des betreffenden Geheimbundes angeben. Erst nach Übermittlung des Sachverständigengutachtens, in dem die Ogboni-Gesellschaft erwähnt wird, behauptete der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 02.05.2008, dass diese ihn verfolgt habe. Die Ogboni-Gesellschaft ist aber in Nigeria weit verbreitet und allgemein bekannt, sodass es sehr unwahrscheinlich ist, dass der Beschwerdeführer als Enkel nichts von einer Führungsposition des Großvaters in der Ogboni-Gesellschaft wissen sollte. Auch das Schreiben von Frau A.J. beschränkt sich auf schlichte Behauptungen und kann keinen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der Ogboni-Gesellschaft und dem Beschwerdeführer glaubhaft machen, konkrete Tatsachen oder Quellen werden darin nicht genannt.

 

Weiters steht nach den Länderberichten die Mitgliedschaft in der Ogboni-Gesellschaft nur Angehörigen hoch angesehener Familien der Yoruba offen, nur ausnahmsweise auch anderen Volksgruppen. Der Beschwerdeführer und sein Vater gehören aber der Volksgruppe der Ika an. Es gibt auch keine Berichte über Menschenopfer durch die Ogboni-Gesellschaft. Außerdem kann man sich im Fall einer Bedrohung durch die Ogboni-Gesellschaft durchaus in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist seit dem 00.00.2006 mit der österreichischen Staatsbürgerin C.K., geb. 00.00.1962, verheiratet, die als Sonderschullehrerin arbeitet. Gemeinsame Kinder gibt es nicht. Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich mehrere Deutschkurse und ging mehrmals einer legalen Beschäftigung nach. Wie aus den vorgelegten Schreiben ersichtlich ist, hat der Beschwerdeführer mittlerweile in Österreich einen Kreis von Freunden und Bekannten. In Nigeria leben jedenfalls ein Bruder, eine Halbschwester und Freunde des Beschwerdeführers.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Zur politischen und menschrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z. B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu mittlerweile beendeten Unruhen, es herrscht jedoch kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

(Quellen: United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008; Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007)

 

Zu traditionellen Religionen und Geheimkulten werden folgende Feststellungen getroffen:

 

In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt würden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.

 

In Nigeria existieren Geheimkulte, deren bekanntester die Ogboni-Gesellschaft ist. Die Bedeutung der Geheimkulte liegt darin, dass die Mitgliedschaft häufig Ressourcen, Einfluss und Arbeit sichert und Bestandteil der sozialen Integration ist und damit über Leben und Status der jeweiligen Familie bestimmt. Normalerweise liegt keine Zwangsmitgliedschaft vor, doch fühlen sich viele Personen - in der Regel von der eigenen Familie - auf Grund der Vorteile, die ein Beitritt zu einem Geheimkult mich sich bringt, unter Druck gesetzt. Die Geheimgesellschaften akzeptieren nicht jedermann, sondern laden Mitglieder angesehener Familien zum Beitritt ein. Auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder wird in der Regel kein Wert gelegt. Allenfalls kann derjenige, der sich weigert beizutreten, sein Eigentum und Erbe verlieren, muss aber nicht um sein Leben fürchten. Verfolgung durch einen Geheimkult ist allerdings dann zu befürchten, wenn jemand seine Geheimnisse preisgibt. Diese Geheimnisse sollen sich nicht auf die Namen der Mitglieder beziehen, da diese in der Regel ohnehin allgemein bekannt sind, sondern auf die Entscheidungen und Interna der Geheimgesellschaft. Wenn ein Mitglied des Geheimkultes diesen verlassen will, dann führt dies nicht zwangsläufig zu nachteiligen Auswirkungen oder einer Verfolgung. Geheimkulte beziehen einen Teil ihrer Macht aus dem verbreiteten Glauben daran, dass ihnen übernatürliche Kräfte zukommen.

 

Der Ogboni-Bund ist - als "traditionelle" Ogboni-Gesellschaft - zu unterscheiden von der "Reformed Ogboni Society" (ROF), einer Vereinigung einflussreicher Leute, die 1914 gegründet wurde. Vertreter der ROF leugnen einen Zusammenhang mit der traditionellen Ogboni-Gesellschaft, obwohl es Personen geben soll, die beiden Vereinigungen angehören. Die ROF soll sich selbst mit dem Freimaurer-Orden vergleichen. Die traditionelle Ogboni-Gesellschaft, von der im Folgenden die Rede ist, war Teil des sozialen und politischen Systems der Yoruba-Königreiche. Die Ogboni hatten eine religiöse und eine Rechtsprechungsfunktion; sie konnten den König "machen" und absetzen (d. h. zum Selbstmord zwingen; den letzten - erfolglosen - Versuch dieser Art soll es in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben haben). Es gab unterschiedliche Ränge; die Mitgliedschaft war vererblich dergestalt, dass eine Familie, in deren Eigentum ein Titel stand, den Nachfolger vorschlagen durfte. Die Mitgliedschaft im unteren Rang setzte keine Initiation voraus und brachte kein Geheimwissen mit sich, sie soll nach anderen Angaben einfach vererbt worden sein. Die Ogboni sollen heute noch beträchtlichen Einfluss und Verbindungen zu den offiziellen staatlichen Strukturen haben. Man muss annehmen, dass es eine Vielzahl von Ogboni-Gesellschaften gibt, die einander in Aufbau, Aufnahme von Mitgliedern, Ritualen und Sanktionsformen nicht unbedingt gleichen.

 

In der Literatur wird ein - offenbar nur historisch relevanter - Fall erörtert, in dem jemand wegen der Weigerung, dem Ogboni-Bund beizutreten, mit Sanktionen bis zur Tötung bedroht wurde, der Fall nämlich, dass sich ein Mitglied der Oyo Misi, die eine Art Staatsrat bildeten und automatisch Mitglied der Ogboni waren, der Verantwortung entziehen wollte, die mit dieser Funktion verbunden war.

 

Der Ogboni-Gesellschaft gehören nur Yoruba oder Angehörige ihrer Unterstämme an; andere werden nur ausnahmsweise aufgenommen. Voraussetzungen für die Aufnahme sind ein gewisses Alter, nämlich etwa 30 Jahre, sowie ein bestimmter sozialer Status und Wohlstand. Üblicherweise gehören einer Ogboni-Gesellschaft auch einige Frauen an. Im Einzelfall kann die Familie großen Druck auf jemanden ausüben, um ihn zum Beitritt zu bewegen. Gerüchte über Menschen- und Blutopfer oder über Kannibalismus sollen der Abschreckung und dazu dienen, die Ehrfurcht vor den Ogboni zu steigern. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein, kommen aber heute nicht mehr vor.

 

(Quellen: Home Office, Country of Origin Information Report Nigeria, 13.11.2007, Pkt. 29.01, 29.02; Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Operational Guidance Note Nigeria, 18.01.2007, Pkt. 3.12; Immigration and Refugee Board of Canada, Country of Origin Research, Nigeria, 12.07.2005; Gutachten von Reinhard Schmidt-Grüber, 05.10.2004, Fragen 26-31; ACCORD, Birgit Kirsten Müllner/Barbara Svec, Nigeria. Länderbericht August 2004, S. 57-68)

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr.101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002, geführt.

 

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Da der im Beschwerdefall zu beurteilende Asylantrag vor dem 30. April 2004 gestellt wurde, wird das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, geführt. Hinsichtlich des Abspruches über den subsidiären Schutz sowie über die Ausweisung wird § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 angewendet.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; 29.3.2001, 2000/20/0539; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036; 25.1.2001, 2001/20/0011; 19.10.2000, 98/20/0233; 21.09.2000, 2000/20/0241; 22.12.1999, 99/01/0334).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Außerdem könnte man sich im Fall einer tatsächlichen Bedrohung durch die Ogboni-Gesellschaft auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und dadurch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Nach § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen. Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122).

 

Im vorliegenden Fall liegen nun nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 31.07.2008, 265/07, Omoregie; 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0060; 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423;

Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194;

Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Im vorliegenden Fall stellt die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria - angesichts seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin - einen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Jedoch führte die vorgenommene Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua; VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043), zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen überwiegen und dass dieser Eingriff in das Grundrecht notwendig und verhältnismäßig ist. Vor allem lebte der Beschwerdeführer bis zum Februar 2004 in Nigeria und reiste erst am 09.03.2004 als 34-jähriger Erwachsener illegal nach Österreich ein. Sein Aufenthaltsrecht in Österreich stützte sich von Anfang an ausschließlich auf den vorliegenden - missbräuchlichen - Asylantrag. Die Ehe des Beschwerdeführers wurde am 00.00.2006 zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem beiden Beteiligten der bloß vorläufige Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers klar gewesen sein musste.

 

Der Beschwerdeführer hat allerdings wie jeder Fremde die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen zu erlangen, insbesondere einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 NAG, wobei eine Erstantragstellung grundsätzlich vom Ausland aus zu erfolgen hat, oder eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen nach § 72 NAG. Die Voraussetzungen für eine Inlandsantragstellung nach § 21 Abs. 2 NAG erfüllt der Beschwerdeführer deshalb nicht, weil er illegal in das Bundesgebiet einreiste und sich sein Aufenthalt nur auf die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG stützte.

Schlagworte
Ausweisung, Ehe, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
16.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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