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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 23. August 1966 geborenen DN in Schruns, vertreten durch Dr. Adolf Concin und Dr. Heinrich Concin, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, Rathausgasse 1a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. April 1998, Zl. III 72-1/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgwiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 6. April 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, (nach der Aktenlage: einen jugoslawischen Staatsangehörigen), gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wegen zahlreicher Verwaltungsstraftaten "nach der StVO und dem KFG" rechtskräftig bestraft worden, z.B. mit Strafverfügung vom 30. August 1993 wegen Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 zu einer Geldstrafe von S 1.000,--, weil er sich vom 6. Juni 1993 bis 30. Juni 1993 in S. als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil ihm von der Behörde kein Sichtvermerk erteilt worden sei und weil er weder eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz besitze noch ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zustehe,
mit Straferkenntnis vom 5. Dezember 1995 wegen Verwaltungsübertretung nach dem KFG zu einer Geldstrafe von S 1.500,-- und S 3.000,--, weil er am 5. September 1995 in S. einen Pkw gelenkt habe, obwohl dieser sich nicht mehr in einem verkehrs-/betriebssicheren Zustand befunden habe (defekte Auspuffanlage, abgefahrene vordere Reifen, defekte vordere linke Begrenzungsleuchte und Kennzeichenleuchte) und weil er den Pkw ohne gültige Lenkerberechtigung gelenkt habe,
mit Straferkenntnis vom 3. März 1997 wegen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 99 Abs. 1 StVO zu einer Geldstrafe von S 10.000,--, weil er am 8. Jänner 1997 in B. einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
Die 1994 und 1996 geborenen Kinder des Beschwerdeführers hätten sich seit ihrer Geburt bis 1997 rechtswidrig, ohne die erforderliche gültige österreichische Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet aufgehalten ("Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG 1997 bzw. des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 iVm § 7 VStG").
Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Feldkirch mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 23. Februar 1995 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB mit einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 200 Tagessätzen, Probezeit drei Jahre, belegt worden, weil er am 7. November 1994 G. M. durch einen wuchtigen Faustschlag gegen das Gesicht, wobei er dabei ein Feuerzeug in der Faust gehalten habe, vorsätzlich am Körper verletzt habe, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung des G. M., nämlich einen Bruch des Nasenbeines, der operativ aufgerichtet hätte werden müssen, sowie Kratzwunden und eine Schwellung im Gesicht, zur Folge gehabt hätte.
Infolge der Häufigkeit/Schwere des (Gesamt-)Fehlverhaltens des Beschwerdeführers komme seine deutlich negative Einstellung gegenüber Rechtsvorschriften zum Ausdruck, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich wiederum die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Ein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer im Grund des § 37 Abs. 1 FrG aber nicht unzulässig. Die sich in seinem Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte anderer, z.B. auf körperliche Unversehrtheit, dringend geboten.
Der Schutz der Rechte anderer habe einen sehr großen "öffentlichen Stellenwert", sehr großes "öffentliches Gewicht". Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. seinen erlaubten Aufenthalt und sein erlaubtes Arbeiten seit 1991 sowie seine dementsprechend gute Integration und intensive private Bindung und die korrespondierende Desintegration in Jugoslawien; der Beschwerdeführer habe eine intensive familiäre Bindung zu seiner Ehegattin, die er 1991 geheiratet habe und die - wie der Beschwerdeführer - im Bundesgebiet gut integriert sei, mit der er im Bundesgebiet in einem gemeinsamen Haushalt lebe und mit der er zwei, 1994 und 1996 in Bludenz geborene Kinder habe, die derzeit "bei ihrer Oma" in Jugoslawien aufhältig seien) wögen - im Hinblick auf das Gesamtfehlverhalten und die daraus hervorleuchtende Neigung des Beschwerdeführers zur Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG liege im Fall des Beschwerdeführers nicht vor. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen und jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger dauerhafter positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers erwartet werden könne. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von vier Jahren von Nöten sei.
Zum Berufungsvorbringen werde bemerkt, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden könne, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten. Der Aufenthalt Fremder, und seien es auch die Kinder von Fremden, im Bundesgebiet ohne die erforderliche gültige österreichische Aufenthaltsbewilligung sei eine schwer wiegende Übertretung nach dem Fremdengesetz. § 38 FrG beinhalte Aufenthaltsverbots-Verbotsgründe, von denen aber auf den Fall des Beschwerdeführers keiner zutreffe. Zur Interessenabwägung nach § 37 FrG werde auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Davon, dass das Aufenthaltsverbot ein schwerer Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei, gehe die belangte Behörde ohnehin aus. Ob bzw. warum er bei einer Rückkehr nach Restjugoslawien mit Repressalien zu rechnen habe, sei angesichts der Systematik des österreichischen Fremdenrechts für das Aufenthaltsverbotsverfahren bedeutungslos. Abgesehen davon ordne ein Aufenthaltsverbot nicht an, wohin der Fremde auszureisen habe bzw. allenfalls abgeschoben werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die zu der strafgerichtlichen Verurteilung und den Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen; sie bringt jedoch vor, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht Feldkirch "nur zu 100 Tagen bedingt" (nach der im Akt erliegenden Urteilsausfertigung: zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen - im Uneinbringlichkeitsfall zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde - vgl. Blatt 61) verurteilt worden sei und dieses Vergehen "daher im Sinn des § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht anzuwenden" sei. Eine bestimmte Tatsache im Sinn dieser Bestimmung liege auch vor, wenn eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 StVO mehr als einmal vorliege. Der Beschwerdeführer sei jedoch nur einmal gemäß §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO bestraft worden. Die anderen Verwaltungsübertretungen beträfen nicht § 99 Abs. 1 oder 2 StVO. Die vorgeworfene Übertretung des Fremdengesetzes auf Grund des Aufenthaltes der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers in Österreich stelle keine schwer wiegende Übertretung nach dem Fremdengesetz dar und sei daher ebenfalls zu vernachlässigen.
1.2. Unbeschadet dessen, dass die belangte Behörde diese Rechtsansicht dem angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt hat, ist vorliegend durch die beiden rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers vom 30. August 1993 und vom 3. März 1997 der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 verwirklicht, liegt doch zum Einen der Bestrafung wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO eine in dieser Bestimmung ausdrücklich genannte Verwaltungsübertretung zu Grunde; zum Anderen ist die Bestrafung wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 einer solchen nach der inhaltsgleichen Bestimmung des § 107 FrG gleichzuhalten. Die in § 107 FrG genannten Übertretungen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als "schwer wiegend" i.S. des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095). Bei Verwirklichung des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 handelt es sich demnach um eine "schwer wiegende" Übertretung i.S. des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG.
Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen ist auch die im § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebene Annahme als gerechtfertigt anzusehen, zumal dem Beschwerdeführer neben den den beiden genannten rechtskräftigen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen noch in mehrfacher Hinsicht verpöntes Verhalten zur Last liegt. Schließlich handelt es sich bei der der rechtskräftigen Verurteilung vom 23. Februar 1995 zu Grunde liegenden Straftat, beim Lenken eines Kfz ohne die erforderliche Lenkerberechtigung und beim Verstoß gegen maßgebliche fremdenrechtliche Vorschriften in Form der Beitragstäterschaft um Verhaltensweisen, deren Relevanz für das Gerechtfertigtsein der besagten Annahme keineswegs gering zu veranschlagen ist.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine Berufstätigkeit sowie die familiäre Bindung zu seiner Ehegattin zu seinen Gunsten berücksichtigt. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass die von ihr verhängte fremdenpolizeiliche Maßnahme auf Grund des öffentliche Interessen (insbesondere die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und auf dem Gebiet des Kraftfahrwesens) in erheblichem Ausmaß gefährdenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers dringend geboten sei. Unter Zugrundelegung des dargestellten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich - mit der Behörde - die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dass beabsichtigt sei, für die beiden in Jugoslawien aufhältigen Kinder des Beschwerdeführers und seine Ehegattin eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich zu erwirken und es daher unter dem Aspekt der Familienzusammenführung "sinnvoll" wäre, wenn der Beschwerdeführer in Österreich berufstätig sein könnte und sein Aufenthalt gesichert sei, vermag die persönliche Interessenlage des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht entscheidend zu verstärken. Mit dem Vorbringen, er habe wegen seiner Weigerung, "in das Heer einzurücken", bei einer Rückkehr nach "Restjugoslawien" mit Repressalien zu rechnen und werde ihm voraussichtlich eine Berufsausübung (und damit auch eine Versorgung seiner Familie) nicht möglich sein, verkennt er, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Eine allfällige Gefährdung im Heimatland des Fremden ist im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zu prüfen.
3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180154.X00Im RIS seit
06.03.2002