TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/30 S4 402164-1/2008

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Spruch

S4 402.164-1/2008/2E

 

S4 402.160-1/2008/2E

 

S4 402.158-1/2008/2E

 

S4 402.159-1/2008/2E

 

S4 402.161-1/2008/2E

 

S4 402.162-1/2008/2E

 

S4 402.163-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde 1.) des A.R., geb. 00.00.1972, 2.) der D.L., geb. 00.00.1974, 3.) des A.B., geb. 00.00.1997, 4.) des A.A., geb. 00.00.1995, 5.) des A.C., geb. 00.00.2004, 6.) der A.M., geb. 00.00.2000, 7.) des A.W., geb. 00.00.1998, 1.-Beschwerdeführer und 2.-Beschwerdeführerin vertreten durch Mag. Judith Ruderstaller, 3.-, 4.-, 5.-, 6.- und 7.-Beschwerdeführer vertreten durch die 2.-Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin, alle StA. von Russland, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes jeweils vom 3.10.2008, Zahl: 08 04.153-EAST Ost (ad 1.), Zahl: 08 04.155-EAST

Ost (ad 2.), Zahl: 08 04.159-EAST Ost (ad 3.), Zahl: 08 04.162-EAST

Ost (ad 4.), Zahl: 08 04.164-EAST Ost (ad 5.), Zahl: 08 04.157-EAST Ost (ad 6.), Zahl: 08 04.161-EAST Ost (ad 7.), gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der 1.-Beschwerdeführer ist Ehegatte der 2.-Beschwerdeführerin, beide sind Eltern der mj. 3.-, 4.-, 5.-, 6.- und 7.-Beschwerdeführer, alle sind Staatsangehörige von Russland, gehören der tschetschenischen Volksgruppe an und sind über Weißrussland am 8.5.2008 nach Polen gereist, wo sie am selben Tag Asylanträge stellten (vgl. Eurodac-Treffer, Aktenseite 55 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers sowie Aktenseite 11 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin). Die Beschwerdeführer verließen Polen eigenen Angaben zufolge am 10.5.2008 und reisten ins Bundesgebiet weiter, wo sie am 11.5.2008 Anträge auf internationalen Schutz stellten (vgl. etwa Aktenseite 11 f. des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Mit E-mail jeweils vom 13.5.2008 ersuchte Österreich Polen um die Übernahme der Beschwerdeführer (Aktenseite 49 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers u. Aktenseite 45 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Polen hat sich jeweils mit Fax vom 15.5.2008, datiert mit 14.5.2008 (Aktenseite 101 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers u. Aktenseite 23 des Dublinaktes der 2.-Beschwerdeführerin) bereit erklärt, diese auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und ihre Asylanträge zu prüfen.

 

Der auf der Grundlage einer am 23.6.2008 von Dr. med. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, durchgeführten Untersuchung des 1.-Beschwerdeführers (A.R.) erstellten gutachtlichen Stellungnahme ist zu entnehmen, dass dieser aktuell aus ärztlicher Sicht an keiner schweren psychischen Störung leidet, seiner Überstellung nach Polen keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden (Aktenseite 89 f. des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Eine am selben Tag durchgeführte ärztliche Untersuchung der 2.-Beschwerdeführerin (D.L.) von Dr. med. I.H. hatte zum Ergebnis, dass bei dieser eine Anpassungsstörung diagnostiziert wurde, ihrer Überstellung nach Polen laut der erstellten gutachtlichen Stellungnahme allerdings ebenfalls keine schweren psychischen Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden, entgegenstünden (Aktenseite 87 f. des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Der im Hinblick auf die Beurteilung der Überstellungsfähigkeit des minderjährigen 7.-Beschwerdeführers (A.W.) erstellten ärztlichen gutachtlichen Stellungnahme ist zu entnehmen, dass dieser zwar unter einer kindlichen Anpassungsstörung leidet, eine Überstellung nach Polen aus medizinischer Sicht aber zumutbar ist, wobei eine eventuell erforderlich werdende Behandlung im Zielland als gegeben vorausgesetzt werden sollte (Aktenseite 115 des Verwaltungsaktes des 7.-Beschwerdeführers).

 

Die 2.-Beschwerdeführerin legte erstinstanzlich ein Konvolut an ärztlichen Befundberichten vor, denen zu entnehmen ist, dass sie wegen des Vorliegens einer Varikose (Krampfadererkrankung, Anm.) am 28.8.2008 sowie am 17.10.2008 in Österreich operiert wurde (vgl. Aktenseite 131 ff. des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Vorgelegt wurden weiters ärztliche Befundberichte betreffend den 7.-Beschwerdeführer, aus welchen hervorgeht, dass dieser an einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (im Kindesalter auftretende, die Blutplättchen betreffende Autoimmunerkrankung, Anm.) leidet und bezüglich einer Helibacter pylori Gastritis (bakteriell bedingte Magenschleimhautentzündung, Anm.) in Österreich bereits erfolgreich behandelt wurde (Aktenseite 95 ff. des Verwaltungsaktes des 7.-Beschwerdeführers).

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.6.2008 erklärte der 1.-Beschwerdeführer nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er "gehört" habe dass es in Polen russische Sonderdienste gebe. In Polen habe es einen Tschetschenen gegeben, dessen Bruder in Polen umgebracht worden sei. Dieser Mann habe ihm gesagt, dass außer den russischen Sondereinheiten niemand von seinem Aufenthalt in Polen wissen könne. Er persönlich habe keine Probleme mit anderen Personen in Polen gehabt (Aktenseite 113 f. des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am selben Tag gab die 2.-Beschwerdeführerin nach oben genanntem Vorhalt an, nicht nach Polen zu wollen, da sie das Land nicht kenne und nicht geplant hätte, dort zu leben (Aktenseite 113 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer wurden sodann mit Bescheiden des Bundesasylamtes jeweils vom 3.10.2008,

Zahl: 08 04.153-EAST Ost (ad 1.), Zahl: 08 04.155-EAST Ost (ad 2.),

Zahl: 08 04.159-EAST Ost (ad 3.), Zahl: 08 04.162-EAST Ost (ad 4.),

Zahl: 08 04.164-EAST Ost (ad 5.), Zahl: 08 04.157-EAST Ost (ad 6.),

Zahl: 08 04.161-EAST Ost (ad 7.), gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass hinsichtlich der 2.-Beschwerdeführerin und des 7.-Beschwerdeführers weitere psychologische Untersuchungen durchzuführen gewesen wären, um deren "gesamten psychologischen Zustand" zu erfassen. Zu bemängeln sei, dass bei den 3.-, 4.-, 5.- und 6.-Beschwerdeführern keinerlei psychologische Untersuchung veranlasst worden sei. Die hinsichtlich des 7.-Beschwerdeführers aus ärztlicher Sicht geforderte psychologische Versorgung könne in Polen nicht gewährleistet werden. Die medizinische Versorgung in Polen sei für Asylwerber generell unzureichend, wie auch die mangelnden Unterbringungsmöglichkeiten insbesondere für tschetschenische Flüchtlinge in Polen problematisch seien. Weiters wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch die Beschwerdeführer in Polen verfolgt worden wären, da aufgrund von Erfahrungsberichten anderer Tschetschenen davon auszugehen sei, dass sich in Polen Sondereinheiten aus Russland aufhielten. Letztlich wären die Beschwerdeführer im Falle ihrer Ausweisung aufgrund der in Österreich lebenden Verwandten der 2.-Beschwerdeführerin auch in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens gem. Art. 8 EMRK verletzt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet: "Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gem. § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines

 

Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Beschwerdeführer wieder aufzunehmen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass "aufgrund von Erfahrungsberichten anderer Tschetschenen zu erwarten" sei, dass sich zahlreiche Sondereinheiten aus Russland in Polen befänden und die Beschwerdeführer im Falle ihrer Überstellung nach Polen somit Gefahr liefen, von diesen verfolgt zu werden, ist einzuwenden, dass diese letztlich bloß in den Raum gestellten Behauptungen zu wenig konkret sind, um ein "real risk" einer Bedrohung darzutun, zumal konkrete Vorfälle, die eine Gefährdung der Beschwerdeführer in Polen nahelegen könnten, nicht ansatzweise vorgebracht wurden. Vielmehr hat der 1.-Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.6.2008 ausdrücklich angegeben, in Polen keine Probleme mit anderen Menschen gehabt zu haben (Aktenseite 115 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers). Seine Angaben, wonach ein Tschetschene in Polen umgebracht worden sei und dessen ebenfalls in Polen ehemals aufhältiger Bruder gesagt habe, "dass dort in Polen außer den russischen Sondereinheiten niemand wissen hätte können, dass er sich dort befindet" (wie oben), erscheinen wiederum bei Weitem zu unsubstantiiert, um daraus eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefährdung der Beschwerdeführer darzutun.

 

Zum Beschwerdevorbringen, wonach in Polen für Asylwerber weder eine zufriedenstellende medizinische Versorgung noch genügend Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden seien, ist

 

auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide zu verweisen, aus welchen hervorgeht, dass jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, psychologische Betreuung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (vgl. etwa Seite 7 des angefochtenen Bescheides des 1.-Beschwerdeführers). Es gilt weiters als notorische Tatsache, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären, Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird und für subsidiär Schutzberechtigte in Polen das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen wie auch zum Arbeitsmarkt besteht, sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass die Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten müssten. Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wären, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihnen Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihnen im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Den Beschwerdeausführungen, wonach die Antragsteller im Falle ihrer Ausweisung nach Polen in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens gem. Art. 8 EMRK verletzt wären, da sich in Österreich ein Cousin sowie eine Cousine der 2.-Beschwerdeführerin aufhalten würden, ist damit entgegenzutreten, dass das Vorliegen eines derart engen familiären Bandes zwischen den Beschwerdeführern und diesen in Österreich lebenden - nicht zum Kreis ihrer Kernfamilie gehörenden - Verwandten der 2.-Beschwerdeführerin nicht ansatzweise glaubhaft gemacht werden konnte:

 

So hat die 2.-Beschwerdeführerin ausdrücklich verneint, jemals mit diesen Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben bzw. von diesen finanziell oder in anderer Weise abhängig zu sein (Aktenseite 111 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin). Ebenso wurde seitens der 2.-Beschwerdeführerin auch das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen ihren Kindern (den 3.-, 4.-, 5.-, 6.- und 7.-Beschwerdeführern) und ihren in Österreich lebenden Verwandten wie auch die Frage, ob ihre Kinder jemals mit diesem zusammen gelebt hätten, verneint (Aktenseite 121 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin). Eine besonders enge familiäre Verbundenheit zu den in Österreich wohnhaften Verwandten der 2.-Beschwerdeführerin kann schließlich auch angesichts der erst im Mai 2008 erfolgten Einreise der Antragsteller ins Bundesgebiet und der damit verbundenen Kürze einer allfälligen nunmehr vorliegenden Nahebeziehung nicht erkannt werden.

 

Soweit die Asylwerber im Beschwerdeschriftsatz vorbringen, dass sowohl hinsichtlich der 2.-Beschwerdeführerin als auch des 7.-Beschwerdeführers weiterführende psychologische Untersuchungen durchzuführen gewesen wären, um deren "gesamten psychologischen Zustand" zu erfassen, ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer abseits ihrer bloß pauschalen Kritik an den von Amts wegen veranlassten ärztlichen bzw. psychologischen Untersuchungen nicht dargelegt haben, worin die Mangelhaftigkeit dieser Untersuchungen konkret gelegen sein soll, die unkonkreten Einwendungen in der Beschwerde daher nicht geeignet erscheinen, die erfolgten Untersuchungen in Frage zu stellen. Letztlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die konkret herangezogenen ("multimethodalen", dh. sich mehrerer Testverfahren bedienenden; vgl. etwa Aktenseite 87 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin) Untersuchungsmethoden ungeeignet wären, eine gesamtheitliche Bewertung des psychologischen Zustandes der Genannten zu ermöglichen. Hinsichtlich der Beschwerdeausführungen, wonach zu bemängeln sei, dass bei den minderjährigen 3.-, 4.-, 5.- und 6.-Beschwerdeführern keine psychologische Untersuchung veranlasst worden sei, ist darauf zu verweisen, dass sich im erstinstanzlichen Verfahren keine Hinweise dafür ergeben haben, welche die Notwendigkeit solcher Untersuchungen bei diesen indizieren würden. Ausgehend davon, dass bei keinem der untersuchten Beschwerdeführer (daher weder beim 1.-Beschwerdeführer, bei der 2.-Beschwerdeführerin noch beim 7.-Beschwerdeführer) eine schwere psychische Störung, die im Falle einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, aus ärztlicher Sicht festgestellt werden konnte und in der Beschwerde auch nicht dargelegt wurde, inwieweit gerade hinsichtlich der (nicht untersuchten) 3.-, 4.-, 5.- und 6.-Beschwerdeführer besondere Anhaltspunkte für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder Störung gegeben wären, kann letztlich im Unterlassen einer entsprechenden Untersuchung dieser Kinder kein Verfahrensmangel erkannt werden.

 

Anzumerken ist weiters, dass die in Österreich erfolgten Operationen der 2.-Beschwerdeführerin aufgrund deren Venenerkrankung ein Überstellungshindernis (der 2.-Beschwerdeführerin) nicht zu indizieren vermögen, da keine Hinweise dafür vorliegen, dass ihr etwaige notwendige Nachbehandlungen nicht auch in Polen gewährt werden könnten. Bezüglich des 7.-Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dessen gesetzliche Vertreterin im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18.9.2008 angegeben hat, dass ihr Sohn zur Zeit keine Medikamente nehme (Aktenseite 147 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin), den vorgelegten Arztberichten weiters zu entnehmen ist, dass hinsichtlich der beim 7.-Beschwerdeführer vorliegenden chronischen Erkrankung "wenn möglich keine" oder lediglich eine "möglichst minimale" Behandlung tunlich, jedoch eine "regelmäßige Betreuung und einen rund um die Uhr Zugang zur kompetenten Versorgung" erforderlich ist (vgl. ärztlicher Befundbericht des Kinderspitals vom 12.8.2008, Aktenseite 95 des Verwaltungsaktes des 7.-Beschwerdeführers), sodass vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Länderfeststellungen, denen zufolge Asylwerbern in Polen eine umfassende medizinische Versorgung, welche die Behandlung aller Krankheiten uneingeschränkt umfasst und auch die Möglichkeit vorsieht, in besonderen Fällen eine Verlegung des Betroffenen in ein örtliches Krankenhaus zu ermöglichen, kostenlos gewährt wird (Seite 14 des angefochtenen Bescheides betreffend den 7.-Beschwerdeführer), nicht zu erwarten ist, dass dem 7.-Beschwerdeführer im Falle seiner Überstellung nach Polen nicht die nötige medizinische Betreuung zuteil würde.

 

Vor dem Hintergrund der strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung der Asylwerber nach Polen eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da bei keinem der Beschwerdeführer das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben ist und in Polen, einem Mitgliedstaat der EU selbstverständlich (auch) hinsichtlich der bei der 2.-Beschwerdeführerin und dem 7.-Beschwerdeführer festgestellten psychischen Beschwerden verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, wobei derartige psychologische Behandlungen unter die allgemeine Krankenversicherung fallen und für Asylsuchende kostenlos sind (vgl. hierzu etwa Seite 10 des angefochtenen Bescheides betreffend die 2.-Beschwerdeführerin). Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk" und liegen weiters bei keinem der Beschwerdeführer Hinweise auf eine akute, hohe Selbstmordgefahr vor (vgl. hierzu auch die jeweiligen gutachtlichen Stellungnahmen Dr. H., Aktenseite 93 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers, Aktenseite 91 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin) sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann. Dies noch umso weniger, als nicht etwa die Abschiebung in ein krisengeschütteltes Herkunftsland, sondern in einen Mitgliedstaat der EU (!), in dem funktionierende rechtsstaatliche Strukturen und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln selbstverständlich gegeben sind, verfügt wird.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, medizinische Versorgung, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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