TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/31 B4 221137-0/2008

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Veröffentlicht am 31.10.2008
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Spruch

B4 221.137-0/2008/20E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde des A.A., geboren am 00.00.1976, staatenlos (Herkunftsstaat: Libanon), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.1.2001, Zl. 00 18.415-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.5.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asyl gesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer reiste nach seinen Angaben am 27.12.2000 illegal in das Bundesgebiet ein und begehrte am 28.12.2000 die Gewährung von Asyl.

 

2. Am 18.1.2001 beim Bundesasylamt einvernommen, gab der Beschwerdeführer an, im Libanon geboren zu sein und in B. gelebt zu haben, aber keine Staatsbürgerschaft zu besitzen. Sein Vater sei Turkmene und habe früher in Syrien gelebt, ohne jedoch die syrische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen Folgendes an: Er habe in einer Moschee Reinigungsarbeiten verrichtet und sei im Juni 2000 gemeinsam mit drei anderen jungen Leuten wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zur islamistischen Gruppierung "¿Higra" bzw. ¿Takfier'" verhaftet worden, da kurz zuvor in B. ein Polizist ermordet worden sei. Man habe ihn zunächst in einer Zelle im Verteidigungsministerium untergebracht, wo man ihn verhört und geschlagen habe. Nach einem Monat sei er in ein Gefängnis namens E. gebracht worden. Mit Hilfe eines Rechtsanwaltes sei der Beschwerdeführer im Oktober 2000 gegen Kaution freigelassen worden. Die anderen drei Verhafteten seien nicht freigekommen. Nach seiner Entlassung sei der Beschwerdeführer von den Sicherheitsbehörden täglich kontrolliert worden. Jedes Mal, wenn jemand Flugblätter verteilt habe oder "sonst irgendetwas passiert" sei, sei er verdächtigt worden. Viermal sei er für mehrere Stunden abgeholt, befragt und geschlagen worden. Bei seiner Haftentlassung im Oktober 2000 habe man ihm den Februar 2001 als Verhandlungstermin genannt. Da er sich davon nichts Gutes erwartet habe, sei er schließlich geflohen. In seinem Herkunftsstaat gebe es "kein Recht" und kein faires Verfahren.

 

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamtes den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr.76/1997 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 82/2001 ab (Spruchpunkt I.) und stellte gemäß § 8 leg. cit. zugleich fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Libanon zulässig sei (Spruchteil II.). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem geschilderten Sachverhalt um ein Verfahren "im Bereich der innerstaatlichen Rechtspflege" handle. Den Schilderungen lasse sich nicht entnehmen, dass "von vorneherein davon ausgegangen werden könnte", der Beschwerdeführer könne "seine Rechtsansprüche nicht durchsetzen". Die Freilassung des Beschwerdeführers gegen Kaution deute überdies daraufhin, dass er als nicht besonders gefährlich oder verdächtig angesehen werde.

 

4. Diesen Bescheid zog der Beschwerdeführer mit einem rechtzeitig eingebrachten Schriftsatz in beiden Spruchpunkten in Berufung, die sich in allgemeinen Rechtsausführungen erschöpft.

 

5. Die für den 28.9.2004 beim unabhängigen Bundesasylsenat angesetzte Berufungsverhandlung wurde aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nicht über seinen Rechtsvertreter geladen und dieser daher zur Verhandlung erschienen war, vertagt. Der Beschwerdeführer gab jedoch in Anschluss an die Verhandlung von sich aus an, seine Familienangehörigen besäßen bereits die libanesische Staatsbürgerschaft, während einer Verleihung derselben an ihn selbst ein Urteil des Militärgerichtes entgegenstehe, wobei ihn sein Vater aber vielleicht "freikaufen" könne. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin angeleitet, dieses Urteil zu beschaffen oder aber schriftlich mitzuteilen, von welchem Gericht er wann aus welchem Grund und zu welcher Strafe verurteilt worden sei.

 

6. Mit Schreiben vom 7.12.2004 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, das zuvor genannte Urteil vorzulegen.

 

7. Am 28.5.2008 fand beim unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche Berufungsverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer abermals zu seinen Fluchtgründen einvernommen wurde. Weiters wurde ihm bzw. seinem Rechtsvertreter ein Konvolut an Länderdokumenten ausgehändigt und diesbezüglich eine Frist zur Stellungnahme gesetzt. Das Bundesasylamt nahm - wie bereits im Vorhinein schriftlich mitgeteilt worden war - an der Verhandlung nicht teil.

 

8. Mit einem am 30.6.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat eingelangten Schriftsatz legte der Beschwerdeführer eine seinem Vorbringen nach von seinem libanesischen Rechtsvertreter verfasste Urkunde vom 19.6.2008 vor, nach deren Inhalt ein "Z.T.", der Anwalt in B. sei, mitteilt, dass er seit 2003 "Herrn A.A." vertrete und dieser wegen der Zugehörigkeit zu radikalen fundamentalistischen islamischen Gruppierungen verfolgt werde, in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden sei und aktuell von der Justiz gesucht werde.

 

9. Am 8.7.2008 übermittelte der - nunmehr zuständige - Asylgerichtshof dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Übersetzung eines vom von diesem vorgelegten Personalsdokumentes.

 

10. Am 25.7.2008 langte beim Asylgerichtshof eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung ausgefolgten bzw. gemeinsam mit der Ladung übersendeten Länderdokumenten ein. In dieser Stellungnahme wird - zusammengefasst - ausgeführt, dass der Beschwerdeführer "von bestimmten staatlichen Gruppen" als Rebell eingestuft werde und bei seiner Rückkehr in den Libanon verhaftet würde. Seine Darstellung sei mit den Länderdokumenten durchaus in Einklang zu bringen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist staatenlos. Er trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am 00.00.1976 in B., Libanon, geboren, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Er gehört der turkmenischen Volksgruppe an und ist sunnitischen Glaubensbekenntnisses.

 

1.1.2. Dies ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Berufungswerbers und dem vorgelegten Personalausweis.

 

1.2. Zur hier relevanten Situation im Herkunftsstaat Libanon:

 

1.2.1.1. Minderheitenlage:

 

Eine unmittelbare staatliche Repression gegen bestimmte Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gibt es nicht. Sippenhaft kommt nicht vor.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 9)

 

Es besteht keine ethnisch diskriminierende Gesetzgebung für libanesische Staatsangehörige oder libanesische Bevölkerungsgruppen.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 10)

 

1.2.1.2. Religionsfreiheit:

 

Die libanesische Verfassung (Artikel 9) garantiert die Religionsfreiheit als Grundrecht, beschränkt dieses Recht aber auf den 1936 erstellten Katalog von 18 offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit, zu einer anderen Konfession überzutreten (Gesetz von 1951). In der Praxis kommt dies nur in familienrechtlich motivierten Ausnahmefällen vor (Eheschließung, Erbrecht). Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft geht immer mit stark ausgeprägten Clan- und Familienloyalitäten einher. Konvertiten können nicht mit Verständnis ihres familiären oder gesellschaftlichen Umfelds rechnen. Staatlichen Repressionen sind sie jedoch nicht ausgesetzt.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 10f)

 

1.2.1.3. Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis:

 

Die Rechtsprechung ist gemäß der Verfassung unabhängig. In der Praxis gibt es jedoch politische Einflussnahme und einen Mangel an qualifizierten Richtern; die Korruption soll weit verbreitet sein. Überlange Untersuchungshaftzeiten und Verfahrensdauern sind üblich. Von den über 7.000 derzeit im Libanon Inhaftierten sind nur ca.

2.500 rechtskräftig verurteilt.

 

Eine Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder anderen Merkmalen diskriminiert, ist im Libanon nicht zu erkennen. Allgemeine kriminelle Delikte werden im Rahmen feststehender straf- bzw. strafprozessrechtlicher Vorschriften nach insgesamt weitgehend rechtsstaatlichen Prinzipien verfolgt und geahndet.

 

Das libanesische Rechtssystem unterscheidet im Strafrechtsbereich zwischen Zivil- und Militärgerichten. Delikte gegen die Staatssicherheit, gegen Mitglieder des Militärs oder deren Angehörige unterliegen der Militärgesetzgebung (Militärstrafrecht, Militärgerichtshof). Dabei werden die Zuständigkeiten der Militärgerichtsbarkeit oftmals extensiv ausgelegt, v. a. beim Vorwurf des Terrorismus. Militärgerichte verurteilen auch zivile Angeklagte, seit dem 11. September 2001 vermehrt wegen terroristischer Delikte mit islamistischem Hintergrund, oft in Schnellverfahren ohne ausreichenden Rechtsbeistand (teilweise mehr als 40 Urteile pro Tag durch ein einzelnes Gericht). Mängel in der Verfahrensdurchführung sind ebenfalls festzustellen. Gegen Urteile des so genannten Justizrates ("Conseil de Justice") kann keine Revision eingelegt werden. Dieses ständige Gericht mit fünf Richtern befasst sich mit Fragen der nationalen Sicherheit und wird nur auf Beschluss des Ministerrates hin aktiv.

 

Im November 2001 wurde eine neue Strafprozessordnung verabschiedet. Die neuen Strafverfahrensvorschriften statten die Sicherheitskräfte mit weit reichenden Vollmachten aus, schreiben aber auch bislang nicht verbriefte Rechte analog zu europäischen Maßstäben fest (z. B. Recht eines jeden Beschuldigten, unverzüglich Kontakt zu Rechtsanwälten, Ärzten und Familienangehörigen aufnehmen zu dürfen). Dennoch werden weiterhin in den Medien und von Anwälten überlange Untersuchungshaftzeiten oder willkürliche Festnahmen beklagt. Angeklagte haben das Recht auf rechtlichen Beistand, allerdings gibt es kein staatlich finanziertes System der Pflichtverteidigung. Die Anwaltskammer (Bar Association) stellt bei Bedarf Pflichtverteidiger zur Verfügung.

 

Sobald Übergriffe einzelner staatlicher Hoheitsträger in Armee oder Sicherheitsapparat festgestellt werden, müssen die Verantwortlichen mit Strafverfolgung rechnen.

 

Zwischen Mai und September 2007 hat die libanesische Armee die terroristische Fatah al-Islam, die im November 2006 die Kontrolle über das palästinensische Lager Nahr el-Bared übernommen hatte, militärisch zerschlagen. Insgesamt wurden dabei über 166 Armeeangehörige und mehr als 200 Kämpfer der Fatah al-Islam getötet. Hunderte wurden verhaftet. Teilweise gab es Anklagen in absentia, da sich eine unbekannte Anzahl von Mitgliedern der Organisation absetzen konnte; darunter auch deren Führer Shaker el- Abassi. Unter den Verhafteten befanden sich auch zahlreiche Ausländer. Bisher wurden keine Urteile gesprochen. Die Untersuchungen und Gerichtsverfahren in diesen Fällen entsprachen nicht immer rechtsstaatlichen Erfordernissen. Insbesondere gewährt der militärische Nachrichtendienst keinen konsularischen Zugang zu ausländischen Gefangenen gem. Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 11f)

 

1.2.1.4. Zur "Takfir wal-Hijra"-Gruppierung:

 

Im Januar 2000 führte die libanesische Armee eine achttägige Operation gegen die Organisation "Takfir wal-Hijra" auf dem Plateau von Dunnieh östlich der nordlibanesischen Stadt Tripoli durch. Dabei wurden vierzehn Soldaten und 25 Freischärler getötet. Die Gruppe um den Afghanistanveteranen Bassam Kanj soll in paramilitärischen Lagern den Aufbau einer islamischen Republik vorbereitet haben. Im Dezember 1999 waren vier libanesische Soldaten getötet worden, als sie Verdächtige einer Serie von Bombenanschlägen auf Kirchen im Nordlibanon festnehmen wollten. Diese Anschläge standen im Zusammenhang mit dem Krieg in Tschetschenien. Der Justizrat klagte in der Folge mindestens 63 Personen an, verschob den Prozess, welcher im Januar 2001 hätte beginnen sollen, aber mehrmals.

 

"Takfir wal-Hijra" pflegte auch Beziehungen zu Munir Modakh. Munir Modakh ist ein Führer der Fatah mit islamistischer Ausrichtung. Von Munir Modakh ist bekannt, dass er Waffen in das PalästinenserInnenlager Ain-El-Helweh und an den Hisbollah-Dissidenten Subhi Tufeili in B. lieferte. Im September 2000 wurde er in Jordanien im Abwesenheitsverfahren zum Tode verurteilt. Der Grund bestand in seiner Mitwirkung bei geplanten Bombenanschlägen in Amman zum Jahrtausendwechsel. Auch Kassim Daher, welcher im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das WTC in New York im Jahre 1993 verhört worden war, schloss sich "Takfir wal-Hijra" an.

 

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Libanon, Lageanalyse Dezember 2001, 12f)

 

Die Gründe, die zu einem Anstieg der Spannungen geführt haben, die dann schließlich in den gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Jahreswechsel 1999/2000 gipfelten, lassen sich nicht abschließend klären. Einer der Faktoren war sicherlich die starke Präsenz der libanesischen Armee über Weihnachten und die Silvestertage im Norden des Landes. Diese Präsenz sollte die "Aufrechterhaltung der Sicherheit" garantieren und der Suche nach Verdächtigen in Zusammenhang mit Bombenanschlägen vom Oktober und November auf christlich-orthodoxe Kirchen in der Gegend um Tripoli dienen. Auch nach Angaben der Süddeutschen Zeitung vom 04.01.2000 seien den Kämpfen Bombenanschläge auf Kirchen in Tripoli und in der Gegend von Dhinniyyah vorausgegangen. Die Zeitung berichtet weiter, dass es sich nach Polizeiangaben dabei um die extremistische Gruppe "Takfir und Hejra" (auch "Takfir wa Hidschra" oder "Takfir-Walhidjra" genannt) gehandelt haben soll...

 

Die Kämpfe fanden nach den Erkenntnissen von amnesty international in den Orten Asun (in der Nähe des islamistschen Radio Senders "al-Hidayah wa al-Islah"), Jurud al-Dhinniyyah und Kfar Habou statt. Diese Orte liegen in den Bergen im unmittelbaren Hinterland von Tripoli. Nach offiziellen Angaben sind während der vier Tage andauernden Kämpfe fünf Zivilisten (darunter drei Frauen), 11 Soldaten und Duzende Anhänger der Dhinniyyah-Gruppe getötet worden. Die Angaben über Dauer der Kämpfe und Zahl der Toten und Verletzten variieren je nach Quelle.

 

(Auskunft von amnesty international Deutschland an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zu RO 11 K 02.31033 vom 10.11.2003, 2)

 

Zwischen Januar und April 2000 kam es in Zusammenhang mit den Kämpfen in Dhinniyyah zu zahlreichen Verhaftungen durch den Militärgeheimdienst sowie andere Einheiten der Sicherheitskräfte in Tripoli, Beirut und in der Beqaa Region. Die Verhaftungen erfolgten offenbar ohne Haftbefehl und beruhten lediglich auf vagen Verdachtsmomenten. Der Innenminister des Libanon, Elias al-Murr, gab in einem Interview mit der libanesischen Zeitung "As-Safir" im Oktober 2002 zu, dass seine Behörde im Auftrag der Regierung nach den Dhinniyyah-Ereignissen eine große Anzahl von Muslimen willkürlich verhaftet habe. Es sei zu einer solchen Anzahl von Verhaftungen gekommen, "die Lastwagen gefüllt hätte", so der Innenminister. Er persönlich habe die Anweisungen gegeben, in bestimmten Regionen alle Einwohner eines Dorfes verhaften zu lassen, wenn er eine bestimmte Beschwerde erhalten habe. Um das Land zu schützen seien zunächst alle verhaftet worden. Nur eine Minderheit sei überhaupt einem Richter vorgeführt worden.

 

(Auskunft von amnesty international Deutschland an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zu RO 11 K 02.31033 vom 10.11.2003, 3)

 

1.2.1.5. Grundversorgung und Rückkehrerbehandlung:

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung, insbesondere im Nord-Libanon (Akkar-Gebiet), in der Bekaa-Ebene (insb. Hermel-Gebiet) und im ehemals israelisch besetzten Süden des Landes lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die elementaren Existenzbedingungen sind jedoch nicht in Frage gestellt.

 

Ausnahmen stellen zurzeit noch die während des Krieges im Sommer 2006 stark zerstörten Dörfer in unmittelbarer Grenznähe zu Israel (u. a. Bint Jbail, Maroun ar-Ras, Blida, Hula) und einige Viertel in der südlichen Vorstadt Beiruts dar. Bedeutendste Ausnahme ist das im Sommer 2007 bei Kämpfen weitgehend zerstörte palästinensische Lager Nahr el-Bared bei Tripolis. Die Bewohner befinden sich derzeit in Notunterkünften. Etwa 20.000 Personen sind zum Berichtszeitpunkt noch nicht in der Lage, in ihre Wohnungen in Nahr el-Bared zurückzukehren. Der Wiederaufbau wird nach Angaben der UNRWA Jahre dauern. Generell ist in Beirut und anderen großen Städten eine auf die sehr hohen Lebenshaltungskosten und die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführende zunehmende Verarmung breiter - vor allem muslimischer - Kreise der libanesischen Bevölkerung festzustellen.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 22)

 

Libanesischen Staatsangehörigen, die aus Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben werden, droht oder widerfährt keine unmenschliche oder menschenrechtswidrige Behandlung. Sie werden - wie alle auf dem Land-, Luft- oder Seeweg Einreisenden - von den Sicherheitsbehörden überprüft. Ein besonderes staatliches Interesse an abgelehnten und abgeschobenen Asylbewerbern ist nicht erkennbar. Bisher ist auch kein Fall bekannt geworden, in dem die unfreiwillige Rückkehr eines abgelehnten Asylbewerbers staatliche Repressionsmaßnahmen ausgelöst hätte.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 23)

 

1.2.1.5. Echtheit von Dokumenten:

 

Die überwiegende Zahl der dem deutschen Auswärtigen Amt zur Überprüfung vorgelegten Dokumente in Asylangelegenheiten haben sich als Fälschungen herausgestellt. Die Echtheit der Dokumente, die die betreffenden libanesischen Staatsangehörigen mit sich führen, kann insoweit nicht ohne weiteres anerkannt werden. Libanesische Ausweise und Dokumente sind nicht fälschungssicher. Es besteht leichter Zugang zu gefälschten Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehlen, Gerichtsurteilen oder Mitgliedsausweisen von politischen Parteien oder ehemaligen Bürgerkriegsmilizen.

 

(Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 18. März 2008, 23)

 

1.2.2. Die getroffenen Länderfeststellungen ergeben sich aus den in Klammern zitierten Berichten, die von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen und an deren inhaltlicher Richtigkeit der Asylgerichtshof keinen Grund zu zweifeln hat, zumal ihnen keine der Verfahrensparteien entgegengetreten ist.

 

1.3.1. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Libanon aus den von ihm angegebenen Gründen verlassen hätte.

 

1.3.2. Zur Beweiswürdigung ist festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen aus folgenden Gründen unglaubwürdig ist:

 

Zunächst sind die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner angeblichen gerichtlichen Verurteilung hervorzuheben: Im Anschluss an die vertagte Verhandlung gab er am 28.9.2004 an, seiner Familie sei inzwischen die libanesische Staatsbürgerschaft verliehen worden, ihm jedoch nicht, da dem ein Urteil des Militärgerichtes entgegenstehe. Obwohl der Beschwerdeführer angeleitet worden war, er möge dieses Urteil beschaffen oder aber schriftlich nähere Ausführungen dazu erstatten, wurde ein solches Urteil in der Folge nicht vorgelegt und auch kein konkreteres Vorbringen dazu erstattet. Ebenso wenig kam der Beschwerdeführer der diesbezüglichen schriftlichen Aufforderung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7.12.2004 nach, wobei er auch keine Gründe darlegte, weshalb er das Urteil nicht vorlegen könne. In der mündlichen Verhandlung vom 28.5.2008 brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dann vor, er gehe nach einem Gespräch mit seinem Mandanten davon aus, dass es ein abschließendes Gerichtsurteil nicht gebe, sondern das Verfahren weiter anhängig sei. Der Beschwerdeführer selbst gab in weiterer Folge an, nicht zu wissen, ob er in Abwesenheit verurteilt worden sei, wobei er meinte:

"Meine Familienangehörigen haben mir diesbezüglich nichts gesagt, wir haben darüber nicht geredet" (wobei es nach Ansicht des Asylgerichtshof nicht plausibel ist, dass der Beschwerdeführer über eine für ihn derart wichtige Sache mit seiner Familie nicht spricht). Hinzu kommt, dass in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, seinem Vorbringen nach von seinem libanesischen Rechtsvertreter verfassten Schreiben dann wieder davon die Rede ist, dass der Beschwerdeführer verurteilt worden sei (und zwar in Abwesenheit zu zwei Jahren Haft), wobei das betreffende Urteil wiederum nicht vorgelegt wird. Aufgrund dieser Ausführungen muss vor dem Hintergrund der zuvor zur Echtheit von in Asylverfahren vorlegten libanesischen Urkunden getroffenen Feststellungen angenommen werden, dass das vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.5.2008 vorlegte Schreiben nicht geeignet ist, sein Vorbringen zu belegen; denn wenn im Libanon sogar gefälschte Gerichtsurkunden leicht beschaffbar sind, muss dies nach Ansicht des Asylgerichtshofes umso mehr für Schreiben wie das genannte gelten.

 

Doch auch aus anderen Gründen ist von der Tatsachenwidrigkeit des Fluchtvorbringens auszugehen: So brachte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt seine Verhaftung wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zu einer radikal-islamistischen Gruppierung in Zusammenhang mit dem Mord an einem Polizisten: "Ich wurde von der Polizei abgeholt, weil kurz zuvor in B. ein Mord an einem Polizisten passierte". In der Verhandlung gab er hingegen zuerst lediglich an, verdächtigt worden zu sein, Flugblätter verteilt zu haben: "Ich hätte Flugblätter gegen Hisbollah und die Schiiten verteilt". Erst auf Vorhalt sprach er von der Ermordung des Polizisten und gab dazu an, dies nicht erwähnt zu haben, da er damit nichts zu tun habe. Diese Erklärung überzeugt jedoch angesichts seiner weiteren Ausführungen, man habe ihm den Mord vorgeworfen und ihm sei noch nach seiner Entlassung gedroht worden, er werde lebenslang eingesperrt oder umgebracht werden, sollte er den Mord nicht gestehen, nicht. Weiters gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung zunächst an, nach seiner Freilassung mehrmals von der Staatssicherheitsdirektion aufgefordert worden zu sein, zu einer Einvernahme zu erscheinen. Er sei dem aber nur ein einziges Mal nachgekommen. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesasylamt angegeben hatte, viermal abgeholt, befragt und geschlagen worden zu sein, antwortete er, dass "alles schon so lang her" und das damals Gesagte aufgrund der zeitlichen Nähe "sicher richtig" sei. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes kann jedoch die zeitliche Distanz zu jenem Zeitraum, in den sich die fraglichen Ereignisse zugetragen hätten, eine derartige Diskrepanz betreffend die Anzahl der Vorfälle nicht erklären. Vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer ferner an, ihm sei bei seiner Haftentlassung im Oktober 2000 mitgeteilt worden, dass im Februar 2001 eine Gerichtsverhandlung stattfinden werde; aus Angst davor sei er geflohen. In der Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat hat er dies hingegen von sich aus nicht erwähnt; vielmehr gab er an, dass er zu einem Zeitpunkt, als er sich bereits in Österreich befunden habe, zwei gerichtliche Ladungen erhalten habe. Sein auf diesbezüglichen Vorhalt erstattetes Vorbringen, der Gerichtstermin sei ihm lediglich mündlich mitgeteilt und später verlegt worden, ist nicht geeignet, die fehlende Anführung der - angeblich fluchtauslösenden - Mitteilung eines Verhandlungstermines zu erklären.

 

Sofern schließlich in der Stellungnahme vom 25.7.2008 ausgeführt wird, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei mit der Herkunftsländerinformation durchaus in Einklang zu bringen, ist darauf hinzuweisen, dass aus den angeführten Gründen nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer zu den Personen zählt, die von den libanesischen Behörden mit der Gruppe "Takfir wal Hidschra" in Verbindung gebracht und deswegen verfolgt werden.

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.1.2. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Da im vorliegenden Verfahren vor dem 1.7.2008 eine mündliche Verhandlung vor einem Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates stattgefunden hat, das zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, hat dieses das Verfahren als Einzelrichter fortzuführen.

 

2.1.3. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen, jedoch mit der Maßgabe, dass einzeln aufgezählte Bestimmungen - darunter § 8 AsylG - in der Fassung der Novelle anzuwenden sind.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 - mit der genannten Maßgabe - zu führen.

 

2.1.4.1. Gemäß § 7 AsylG - die beiden zuvor genannten Fassungen weisen hier keinen Unterscheid auf - hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318).

 

2.1.4.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I. Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

2.2.1. Weder kann angenommen werden, dass es dem Beschwerdeführer gelungen wäre, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen; noch ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Libanon einer Bedrohungssituation iSd § 57 FrG ausgesetzt wären. Der Libanon ist der im gegenständlichen Verfahren zu prüfende Herkunftsstaat, da angenommen werden muss, dass er jener Staat ist, wo der staatenlose Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

 

2.2.1.1. Zur Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass es ihm wie oben bereits dargelegt nicht gelungen ist, eine seinem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen.

 

2.2.1.2. Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, eine asylrechtlich relevante Gefahr im Sinne der GFK darzutun, scheidet auch die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG von vornherein aus.

 

Weiters sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Falle des Beschwerdeführers nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443). Insbesondere kann - bereits unabhängig von den zur Grundversorgung getroffenen Feststellungen - nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer, der seinen eigenen Angaben zufolge vor seiner Ausreise als Küchengehilfe bei einem Zuckerbäcker gearbeitet hat und in seinem Herkunftsstaat über ein soziales Netz an Verwandten - nämlich seine Eltern, fünf Brüder sowie eine Schwester - verfügt, im Libanon in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre.

 

Somit liegen aber auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vor.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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