TE AsylGH Bescheid 2008/10/31 B11 312607-1/2008

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Veröffentlicht am 31.10.2008
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Spruch

B11 312607-1/2008/16E

 

B.G.;

 

geb. 00.00.1989, StA: Kosovo;

 

schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten

 

Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates

 

BESCHEID

 

SPRUCH

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. Moritz gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.g.F., i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und § 38 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBI. I Nr. 129/2004, entschieden:

 

Die Berufung von Frau B.G. vom 04.06.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.05.2007, Zl. 05 21.949-BAW, wird gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen mit der Maßgabe, dass die Wortfolge "nach Serbien, Provinz Kosovo" im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides durch die Wortfolge "in die Republik Kosovo" ersetzt wird.

Text

BEGRÜNDUNG

 

I. Verfahrensgang

 

Mit o.a. Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden auch: BAA) wurde der Asylantrag der o.g. berufenden Partei gemäß § 7 AsylG abgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt, wogegen Berufung erhoben wurde. Am 02.11.2007 führte der unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden auch: UBAS) eine mündliche Verhandlung durch, nach deren Schluss sogleich der Berufungsbescheid mit dem o.a. Spruch beschlossen und öffentlich verkündet wurde.

 

II. Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Für den als maßgeblich festgestellten Sachverhalt wird der Inhalt folgender den Parteien dieses Verfahrens zugänglichen und auch im Rahmen der öffentlichen Verhandlung der erkennenden Behörde erörterten Aktenteile zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärt, nämlich

 

die Angaben der berufenden Partei zu ihrer Person in der Niederschrift des Bundesasylamtes in den Punkten 1. sowie 5. bis 9. vom 30.12.2005, BAA-Akt S. 25 f.;

 

die Angaben der berufenden Partei zu ihren Fluchtgründen in der o.a. Niederschrift des Bundesasylamtes, Abschnitt ab: "Frage: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?" samt Antwort, bis "Frage: Nennen Sie uns bitte alle Gründe warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben?..." samt Antwort (BAA-Akt S. 31), sowie in der Niederschrift des Bundesasylamtes vom 15.11.2006, Abschnitt: "F: Wann sind Sie nach Deutschland eingereist?" samt Antwort, bis "F: Sind Sie aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gereist?" samt Antwort, BAA-Akt S. 79 f.;

 

die Angaben in der Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten des Bundesministerium für Inneres im Kosovo Andreas P. vom 31.03.2007, BAA-Akt S. 117 - 123; sowie

 

die Angaben in den Informationsunterlagen (s. ihre Anführung in der Niederschrift der Verhandlung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.11.2007, S. 3 ff.).

 

2. Der festgestellte Sachverhalt beruht auf folgender Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen betreffend die berufende Partei beruhen im Wesentlichen auf ihrem Vorbringen im gesamten Verfahren einschließlich der im Akt befindlichen Dokumente (von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellter Duldungsausweis der berufenden Partei vom 25.10.2005 in Kopie, BAA-Akt, S. 11 f.). Für die Glaubwürdigkeit der Angaben der berufenden Partei im Lichte des oben festgestellten maßgeblichen Sachverhaltes (s. Pt. II.1.) sprach, dass diese frei von Widersprüchen waren und konkret und schlüssig dargelegt wurden. Es gab für die erkennende Behörde keinen Grund, an den Angaben der berufenden Partei vor dem Bundesasylamt zu zweifeln, da es durchaus nachvollziehbar erscheint, dass sie ihrer Familie zunächst nach Deutschland und sodann nach Österreich gefolgt ist. Auch stimmt der Zeitraum der Ausreise der berufenden Partei mit den Kriegsgeschehnissen im Kosovo überein. Ihr Wunsch nach einem Verbleib in Österreich, nachdem sie bereits seit mehreren Jahren als aufwachsende Jugendliche im deutschen Sprachraum verbracht hat, ist nachvollziehbar. Schließlich hat auch das Bundesasylamt den von der berufenden Partei vorgebrachten Sachverhalt als glaubhaft gewertet (s. BAA-Bescheid S. 13). In Würdigung aller Umstände überwiegen im Ergebnis diejenigen, die für eine Heranziehung des angeführten Vorbringens der berufenden Partei als maßgeblichen Sachverhalt für die gegenständliche Entscheidung sprechen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Rz. 203, mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Antragsteller" zu verfahren).

 

Festzuhalten ist, dass die erkennende Behörde der berufenden Partei im Wege einer mündlichen Verhandlung im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geben wollte, zu den behördlichen Ermittlungsergebnissen wie auch zu ihrem Vorbringen im Rahmen der erstinstanzlichen Vernehmung sowie in ihrer Berufungsschrift Stellung zu nehmen (zur Verhandlungspflicht des unabhängigen Bundesasylsenats s. für viele VwGH 11.11.1998, Zl. 98/01/0308). Auch erachtete die erkennende Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der von der erkennenden Behörde getätigten Ermittlungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation im Kosovo im Lichte des Vorbringens der berufenden Partei für erforderlich (s. dazu VwGH 23.07.1999, Zl. 99/20/0156, u.a.m.). Die berufende Partei ist trotz ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Ladung unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen (nach vorheriger Erhebung einer - möglichen - Zustelladresse durch den unabhängigen Bundesasylsenat). Im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend der Mitwirkungspflicht eines Asylwerbers bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. für viele z.B. VwGH 11.11.1991, Zl. 91/19/0143; 24.06.1999, Zl. 98/20/0246, 0250) unterließ die berufende Partei, durch eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung an der Durchführung von Beweisen (hier: ihre Einvernahme zwecks Klärung der genaueren Umstände ihres Fluchtgrundes und vor allem ihrer Lebenssituation im Kosovo) mitzuwirken. Dieses Verhalten wurde von der erkennenden Behörde im Rahmen der ihr zustehenden Beweiswürdigung berücksichtigt, wobei die berufende Partei sich gefallen lassen muss, dass sie hinsichtlich der Frage der Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens aus ihrer unterbliebenen Teilnahme an der o.g. Verhandlung auch die entsprechenden - negativen - Schlüsse zog (s. hierzu VwGH 12.05.1999, Zl. 98/01/0467; s.a. die internationale Vorgangsweise in vergleichbaren Fällen, wonach die Schweizerische Asylrekurskommission in einem Grundsatzurteil vom 02.05.2000 entschieden hat, dass ein Asylwerber, der nicht oder verspätet zu den Anhörungen zu seinen Asylgründen erscheint, seinen Mitwirkungspflichten am Verfahren schuldhaft und grob nicht nachgekommen ist und deshalb auf sein Asylgesuch nicht einzutreten sei - Quelle: Pressemitteilung der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 08.05.2000).

 

Folglich wird hinsichtlich der Frage der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der berufenden Partei auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid der Behörde der ersten Instanz verwiesen (zur Zulässigkeit eines derartigen Verweises s. u.a. VwGH 04.10.1995, Zl. 95/01/0045, 10.10.1996, Zl. 95/20/0501).

 

2.2. Der von der erkennenden Behörde festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der politischen und Menschenrechtslage in der unabhängigen Republik Kosovo bzw. bezüglich der Situation der berufenden Partei im Falle ihrer Rückkehr dorthin beruht im Wesentlichen auf den stellvertretend für andere Informationsunterlagen in das Berufungsverfahren eingeführten und erörterten laufenden Berichten von als seriös und fachlich-kompetent anerkannten Quellen (s. Pt. II.1.2.; zu den in diesen Unterlagen angeführten und auch vom Bundesasylamt sowie vom unabhängigen Bundesasylsenat als speziell eingerichtete Bundesbehörden als notorisch anzusehenden und daher jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Tatsachen vgl. die einschlägige Judikatur z.B. VwGH 12.05.1999, Zl. 98/01/0365, und VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; zu den laufenden Ermittlungs- bzw. Informationspflichten der Asylbehörden VwGH 06.07.1999, Zl. 98/01/0602, u.v.a.). Die den Feststellungen zugrunde liegenden Ausführungen sind mit weiteren Nachweisen substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar. Auf eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen, die auch aus verschiedenen Staaten stammen, wurde Wert gelegt. Die Würdigung ihrer Ausführungen erfolgte auch vor dem Hintergrund der Angaben der sonstigen dem unabhängigen Bundesasylsenat vorliegenden Informationen (s. u.a. auch die anderen in das Berufungsverfahren eingeführten o.a. Unterlagen). Die in diesen Dokumenten angeführten und mit weiteren Nachweisen versehenen Angaben ergeben zusammen mit den sonstigen dem unabhängigen Bundesasylsenat vorliegenden Informationen insofern ein stimmiges Gesamtbild, als die in diesen Unterlagen getroffenen Differenzierungen bei der Einschätzung der Verfolgungssituation bestimmter Personengruppen auch anderen Quellen nicht widersprechen (bzw. sich zumindest innerhalb des Spektrums der zu diesem Thema geäußerten Beurteilungen befinden).

 

Die herangezogenen Bescheinigungsmittel wurden im Hinblick sowohl auf ihre Anerkennung als seriöse und zuverlässige Quellen als auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit von den Parteien dieses Verfahrens nicht bestritten. Weiters wurden im Verfahren von den Parteien keine Umstände vorgebracht und haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, auf Grund derer sich die Feststellungen zur Situation in der Republik Kosovo in nachvollziehbarer Weise als unrichtig erwiesen hätten.

 

3. Rechtlich ergibt sich:

 

Mit 01.07.2008 hat der Gesetzgeber den Asylgerichtshof als unabhängige Kontrollinstanz in Asylsachen eingerichtet. Die maßgeblichen verfassungsmäßigen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art. 129c ff. B-VG. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z. 1 B-VG wird mit 01.07.2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Laut Z. 4 leg. cit. sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof auch für die schriftliche Ausfertigung von mündlich verkündeten Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates zuständig ist. Im vorliegenden Fall wurde der Berufungsbescheid mit o. a. Spruch am 02.11.2007 und damit vor Einrichtung des Asylgerichtshofes beschlossen und öffentlich verkündet.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005) sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG i.d.F. BGBl. I Nr. 129/2004 (im Folgenden: AsylG) gilt. Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG sind Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2002 zu führen.

 

Gemäß § 38 Abs. 1 AsylG entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

3.1.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, i. V.m. Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obige Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der [...] in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, u.a.m., S.a. VfGH 16.12.1992, Zl. B 1035/92, Slg. 13314).

 

3.1.2. Die o.a. Feststellungen (s. Pt. II.1.) zugrundelegend kann hinreichend davon ausgegangen werden, dass der berufenden Partei im Falle ihrer Rückkehr in die Republik Kosovo keine asylrelevante Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (s. für viele VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273). Diese Beurteilung ergibt sich auf Grund der Gesamtsituation aus objektiver Sicht (s. hierzu VwGH 12.05.1999, Zl. 98/01/0365), die nicht nur die individuelle Situation der berufenden Partei, sondern auch die generelle politische Lage in der Republik Kosovo sowie die Menschenrechtssituation derjenigen Personen bzw. Personengruppe berücksichtigt, deren Fluchtgründe mit ihren vergleichbar sind.

 

Zwar darf nicht übersehen werden, dass in Anbetracht der gespannten Situation zwischen der serbischen Minderheitsbevölkerung und der albanischen Mehrheitsbevölkerung sowie anderer ethnischer Minderheiten in der Republik Kosovo in Einzelfällen willkürliche Übergriffe von Seiten der Behörden oder von Privatpersonen bzw. -gruppierungen nicht ausgeschlossen werden können. Doch erfolgen diese nach den Feststellungen der erkennenden Behörde nicht in einer Weise, dass durch ihre Regelmäßigkeit oder Häufigkeit jedermann bzw. -frau mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer diesbezüglichen Verfolgungsgefahr zu rechnen hat (s. in ständiger Judikatur etwa VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, 19.10.2000, Zl. 98/20/0233, wonach eine Verfolgungsgefahr dann anzunehmen sei, wenn eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung reiche nicht aus; vgl. für viele VwGH 30.09.1997, Zl. 97/01/0755, 14.10.1998, Zl. 98/01/0260, wonach die allgemeine Gefahr der Bevölkerung, Opfer von Übergriffen zu werden, keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung indiziere; s.a. VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177 u.a., dass ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung naturgemäß nicht gewährleistet werden könne, weshalb dem Fehlen eines solchen auch keine Asylrelevanz zukomme, sowie schließlich z.B. VwGH 13.01.1999, Zl. 98/01/0366, dass am Fehlen der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer individuell dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgung mit asylrelevanter Intensität auch der Hinweis darauf nichts ändern könne, es geschehe allgemein immer wieder, dass es zu größeren Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Umbringen von Personen komme; s.a. etwa VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798, wonach allein aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bzw. aus dem Hinweis auf deren schlechter allgemeinen Situation nicht das Vorliegen von Verfolgung i.S.d. GFK abgeleitet werden kann). Auch ist zu berücksichtigten, dass die Opfer dieser Übergriffe regelmäßig Menschen sind, bei denen in ihrer Person Umstände vorlagen, die eine konkrete, individuell gegen sie gezielte Verfolgung durch ihre Gegner, d.h. gerade gegen sie persönlich gerichtete Angriffe hervorriefen. Solche eventuell im Lichte der GFK relevanten Umstände liegen allerdings bei der berufenden Partei nicht vor bzw. wurden von ihr, wie angeführt, nicht vorgebracht (s. die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden müssen, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar sei, z.B. VwGH 05.12.1990, Zl. 90/01/0202, 05.06.1991, Zl. 90/01/0198). Auch andere die Annahme asylrelevanter Verfolgung begründende Umstände sind nicht hervorgekommen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe; s. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0287, 12.05.1999, Zl. 98/01/0576, 16.06.1999, Zl. 99/01/0072, u.v.m., oder wegen Sippenhaft, vgl. dazu z.B. VwGH 28.03.1996, Zl. 95/20/0027).

 

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation könne nach ständiger Judikatur auch nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (s. dazu etwa VwGH 17.06.1993, Zl. 92/01/1081, wonach die allgemeine wirtschaftliche Lage im Heimatland eines Asylwerbers nicht als konkret gegen eine bestimmte Person gerichtete Verfolgung gewertet werden könne, oder VwGH 22.04.1998, Zl. 96/01/0502, der die Eignung wirtschaftlicher Gründe zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft abspricht).

 

Die berufende Partei brachte vor dem Bundesasylamt lediglich vor, den Kosovo im Jahre 2000 "wegen des Krieges" (siehe BAA-Akt S. 81) verlassen zu haben. Sie gab dabei auch selbst zu, dass die Gründe, die sie zur Asylantragsstellung in Deutschland bewogen hätten, nun nicht mehr bestünden. Auf die Frage, was sie im Falle einer Rückkehr in den Kosovo zu befürchten habe, gab die berufende Partei lediglich an, in Österreich zwecks Schulabschluss und darauf folgender Arbeitsaufnahme bleiben zu wollen. Sohin kann davon ausgegangen werden, dass die berufende Partei im Falle einer Rückkehr in die Republik Kosovo nicht mit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr zu rechnen hat. Im Übrigen wird hinsichtlich ihrer Situation im Falle ihrer Rückkehr auch auf die oben wiedergegebenen Ausführungen betreffend die dortige menschenrechtliche und politische Situation verwiesen (s. Pt. II.1.2.).

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 57 Abs. 1 FrG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 GFK).

 

Da sich § 57 Abs. 1 FrG in der durch BGBl. I Nr. 126/2002 geänderten Fassung inhaltlich weitgehend mit § 57 Abs. 1 FrG in der ursprünglichen Fassung (BGBl. I Nr. 75/1997) deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG i.d.F. BGBl. I Nr. 75/1997 weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Zur Auslegung des § 57 FrG ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, die berufende Partei betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, m.w.N.). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung i.S.d. § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

3.2.2. Wenngleich im Herkunftsstaat der berufenden Partei für diese eine angespannte wirtschaftliche und soziale Lage bestehen mag, haben sich aus den o.g. Informationsquellen keine Hinweise auf eine allgemeine lebensbedrohende Notlage i.S.d. Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK i.V.m. § 57 Abs. 1 FrG ergeben (s. Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 02.05.1997, wonach nur unter "außergewöhnlichen Umständen" - z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung - auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis i.S.v. Art. 3 EMRK i.V.m. § 57 Abs. 1 FrG darstellen können; s.a. für viele VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0365, wonach auch eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in den Staat, in dem diese Gefahrenlage herrscht, abgeschoben wird, auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei der konkreten Gefahr einer Verletzung im Besonderen der auch durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen könne). Auch sonstige individuell in der Person der berufenden Partei liegende Umstände, die auf eine sie treffende Gefahr i.S.d. Art. 3 EMRK i.V.m. § 57 Abs. 1 FrG hinweisen könnten, kamen nicht hervor bzw. liegen nicht vor (zur Relevanz der Bedrohung der Existenzgrundlage im Rahmen einer Prüfung nach § 57 FrG vgl. auch VwGH 27.02.1998, Zl. 96/21/0663, 08.09.1999, Zl. 98/01/0614; s. z.B. VwGH 16.07.2003, ZI. 2003/01/0021 etwa im Zusammenhang mit fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten und nicht ausreichender Nahrungsversorgung von Asylwerbern; diesbezüglich insbesondere bei Mütter mit Kleinkindern oder kranken und alten Menschen s.a. z.B. VwGH 16.07.2003, ZI. 2003/01/0059).

 

Die berufende Partei vermochte daher nicht im Lichte der einschlägigen Judikatur, eine Gefahr i.S.d. § 57 Abs. 1 (und - wie auch bereits oben angeführt - i.S.d. Abs. 2) FrG glaubhaft zu machen bzw. durch Bescheinigungsmittel zu belegen. Die berufende Partei ist eine junge Erwachsene, von der a priori nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie ihren Lebensunterhalt für sich nicht selbst bewerkstelligen könnte. Wie der Bericht des im Kosovo tätigen Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres Andreas P. vom 31.03.2007 zeigt, befinden sich auch noch mehrere Verwandte der berufenden Partei in ihrem Herkunftsstaat, welche ihr zur Vermeidung einer ihre Existenz bedrohenden Situation eine familiäre Absicherung böten. Vor dem Hintergrund der oben getroffenen Feststellungen (s. Pt. II.1.) finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die berufende Partei bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit, einer Gefährdungssituation i.S.d. § 57 Abs. 1 (bzw. Abs. 2) FrG ausgesetzt wäre.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
aktuelle Gefahr, Glaubhaftmachung, Krieg, Minderheiten-Zugehörigkeit, non refoulement, Verfolgungsgefahr
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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