TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/31 S10 402203-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2008
beobachten
merken
Spruch

S10 402203-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen D.E., geb. 00.00.2006, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.10.2008, Zahl: 08 04.269-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist Staatsangehöriger der Ukraine. Er hat am 14.05.2008 durch seine Mutter, D.L., geboren am 00.00.1989, als gesetzliche Vertreterin beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen, Erstaufnahmestelle Ost am 14.05.2008 gab die Mutter des BF im Beisein eines Dolmetsch für die russische Sprache im Wesentlichen Folgendes an:

 

Sie habe ihren Herkunftsstaat am 09.04.2008 mit ihrem minderjährigen Sohn per Autobus verlassen und sei nach Brünn (Tschechien) zu ihrem Vater gefahren. Am 08.05.2008 sei sie mit einem Schlepper per PKW nach Wien, zur Wohnung ihrer Tante gefahren. Sie hätten über ein Visum für Tschechien vom 08.04.2008, gültig für 30 Tage, verfügt. Der Reisepass sei beim Schlepper verblieben.

 

Als Fluchtgrund gab sie an, dass sie im Jahr 2004 von 8 Männern vergewaltigt worden sei. Ihre Mutter hätte die Anzeige erstattet und 5 von diesen Männern seien erwischt worden. Sie habe Angst vor diesen Burschen, da sie auch von einigen dieser Männer verprügelt worden sei. Ihr Kind E. befinde sich seit seiner Geburt ständig bei ihr, es würden für ihn daher dieselben Fluchtgründe wie für sie gelten, ihr Kind hätte darüber hinaus keine eigenen Fluchtgründe.

 

1.2. Am 27.05.2008 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme, in der die Mutter des BF im Beisein eines Dolmetsch für die russische Sprache im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

 

Sie habe ein Visum der tschechischen Botschaft in Lvow erhalten, wonach sie als Touristin nach Tschechin reisen möchte. Sie sei von der Ukraine am 10.04.2008 ausgereist. Um Asyl habe sie deswegen in Österreich und nicht in Tschechien angesucht, weil sich ihre Mutter, D.W. (AIS 08 04.267) und ihre Tante M.O. (geboren am00.00.1964) in Österreich befänden. Mit ihrem in Tschechien lebenden Vater, bei dem sie von 10.04.2008 bis zu ihrer Einreise in Österreich am 08.05.2008 gelebt habe, hätte sie kein gutes Verhältnis.

 

Befragt zu ihrem Fluchtvorbringen wiederholt sie ihre bei der Erstbefragung gemachten Angaben und ergänzte, dass einige der Männer, die sie vergewaltigt hätten, bestraft worden seien. Die Täter, die nicht gefasst worden wären, hätten sie und ihre Mutter bedroht und den Vater ihres Sohnes misshandelt. Anzeige hätte sie keine erstatte, denn es helfe sowieso nicht. Als Beweismittel gab die Mutter des BF Narben am Körper an und legte ein ukrainisches Urteil im Original vor.

 

Betreffend den BF gab die Mutter an, mit ihm gemeinsam verfolgt worden zu sein. Die Täter, die nicht erwischt worden seien, hätten ihr ca. im Jahr 2007 gedroht, dass sie das Kind entführen und ihr wegnehmen würden.

 

1.3. Ein AFIS-Abgleich ergab zunächst, dass die Mutter des BF bisher noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden war. Aufgrund der Angaben der Mutter des BF betreffend Visum wurde ihr jedoch mit Schriftstück vom 27.05.2008, von der Mutter des BF übernommen am selben Tag, mitgeteilt, dass Konsultationen in Form einer Anfrage gemäß Art. 21 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) mit Tschechien geführt würden. Da Konsultationen mit Polen (?) gemäß der Dublin II VO geführt würden, würde die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen für ihr Verfahren nicht mehr gelten. Am 12.06.2008 teilte Tschechien mit, dass die Mutter des BF im Besitz eines gültigen Visums für sie und ihren Sohn für die Zeit von 09.04.2008 bis 01.07.2008 für 30 Tage Aufenthalt in Tschechien war.

 

1.4. Laut Schriftstück vom 13.06.2008, übernommen von der Mutter des BF am selben Tag, war beabsichtigt, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da seit 12.06.2008 "Dublin Konsultationen" mit Tschechien geführt würden. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht.

 

1.5. Mit Erklärung vom 30.06.2008 stimmte Tschechien ausdrücklich dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO zu.

 

1.6. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.09.2008 zur Wahrung des Parteiengehörs gab die Mutter des BF im Beisein eines Rechtsberaters und eines Dolmetsch für die ukrainische Sprache im Wesentlichen Folgendes an:

 

Sie habe eine Rechtsberatung in Anspruch genommen. Bezüglich der von ihr bei einer früheren Einvernahme angegebenen Zustellbevollmächtigung für Herrn Dr. G. KLODNER legte sie eine schriftliche Zustellvollmacht vor, die zum Akt genommen wurde.

 

Sie komme manchmal ins Lager Traiskirchen, um erfasst zu werden, und lebe sonst - wie ihre Mutter - bei ihrer Tante . Weiters lege sie einen Gerichtsbeschluss über die Vergewaltigung und die Geburtsurkunden von ihr und ihrem Sohn vor. Mit ihrem Vater hätte sie zuletzt vor 3 Monaten Kontakt gehabt, sie wollte sich über seinen Gesundheitszustand informieren, aber er hätte nicht mit ihr sprechen wollen. Befragt zu ihrer Beziehungsstruktur zu ihrem Vater gab die Mutter des BF an, dass sich die Beziehung zu ihrem Vater vor einem Jahr aufgrund ihrer Vergewaltigung verschlechtert habe. Ihr Vater habe begonnen, sie zu schlagen und er habe auch ihre Mutter geschlagen. Ihre Mutter habe er vor eineinhalb oder zwei Jahren geschlagen. Er lebe schon seit 15 Jahren in Tschechien, komme aber für einige Monate in die Ukraine.

 

Bei ihrer Tante lebe auch ihre Cousine M.W., 22 Jahre alt . Sie habe einige Zeit im Lager gelebt und sei dann zu ihrer Tante gezogen, habe sich aber bislang nicht meldebehördlich angemeldet. Ihre Tante und ihre Cousine hätten weiße Verfahrenskarten.

 

Die Mutter des BF hätte in der Ukraine gemeinsam mit ihrer Mutter gelebt. Ihre Mutter wäre früher ausgereist, sie glaube im April 2008; sie selbst habe nicht so bald ihr Visum für Tschechien für sich und ihren Sohn bekommen habe.

 

Auf Vorhalt, dass der Erstbehörde eine Meldung hinsichtlich eines Ladendiebstahls in einem BIPA-Markt vorliege, aufgrund der auch eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erstattet worden sei, bestätigte dies die Mutter des BF.

 

1.7. Das Bundesasylamt hat mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 03.10.2008, Zahl: 08 04.269 - EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO Tschechien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Tschechien zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person des BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben des BF und zur Lage im Mitgliedsstaat Tschechien, insbesondere zum tschechischen Asylverfahren im Allgemeinen, zum Refoulement-Schutz, zur Anerkennungsquote und zur Versorgung.

 

Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände, die gegen eine Ausweisung und Überstellung des BF nach Tschechien sprechen, ermittelt werden konnten. Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen aus dem Blickwinkel der Art. 3 und Art. 8 EMRK von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen.

 

1.8. Gegen diesen Bescheid hat der BF durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin fristgerecht mit Schriftsatz vom 21.10.2008 Beschwerde erhoben, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus zwei Gründen behauptet und aufschiebende Wirkung bis zur Herstellung eines Gutachtens betreffend ihren Gesundheitszustand beantragt.

 

Zum einen habe man die Mutter des BF keinerlei Untersuchung ihres psychischen Zustandes zugeführt, obwohl Hinweise dahingehend seien, dass sie an einer PTSD (Anmerkung: posttraumatische Belastungsstörung) schon wegen der Vergewaltigung leide, deren Opfer sie in der Ukraine geworden sei, und zum anderen leide sie nicht zuletzt in letzter Zeit auch an verstärkten Selbstmordgedanken, was man leider auch übersehen hätte.

 

1.9. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 27.10.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen eines Asylwerbers als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese gemäß § 36 Abs. 3 AsylG auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Aus der Wendung in § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, Familienverfahren seien "unter einem" zu führen, ist abzuleiten, dass diese - jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation - von derselben Behörde zu führen sind. Demgemäß gehen die Materialien zum AsylG 2005 davon aus, dass Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP; vgl. zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 - bezogen auf die Frage der Zulassung - auch VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Gemäß Art. 14 lit. a Dublin II VO ist für den Fall, dass mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig einen Asylantrag stellen, für die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist.

 

Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO normiert, dass dann, wenn der Asylbewerber ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Gemäß Abs. 4 ist Abs. 2 unter anderem anwendbar, wenn der Asylbewerber ein Visum besitzt, das seit weniger als 6 Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaat nicht verlassen hat.

 

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 25.04.2008, Zahl 2007/20/0720 ausgesprochen, dass Informationsübermittlungs-Ersuchen unter den Begriff der Konsultationen fallen. Aus der systematischen Einordnung des § 28 Abs. 2 in das Asylgesetz 2005 (Zulassungsverfahren § 28) ergibt sich, dass jedenfalls nur solche "Konsultationen" gemeint sind, die zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats führen sollen. Die 20-Tage-Frist soll nicht zum Tragen kommen, wenn das Bundesasylamt dazu der Kooperation eines anderen Mitgliedstaats bedarf. Diese Abhängigkeit des Bundesasylamts klingt auch in den Erläuterungen zu § 28 Abs. 2 AsylG (952 BlgNR XXII. GP 50) an, wo es im Zusammenhang mit dem Wegfall der Befristung heißt: "Einer gesonderten nationalen Regelung von Fristen im Zulassungsverfahren bei Führung von Konsultationsverfahren bedarf es nicht, zumal hier einerseits die Behörde auch von der Mitwirkung einer konsultierten Partnerbehörde eines EU-Mitgliedstaates abhängig ist, andererseits die Dublin-Verordnung ein entsprechendes fristsetzendes Regelungswerk beinhaltet." In diesem Sinne auch Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordnung, K2. 1. Satz zu Art. 9 Dublin II VO, Seite 87: "Die effiziente Anwendung dieses Kriteriums hängt in Bezug auf Visa von der Information über die Ausstellung eines solchen Visums ab, die, wenn der Drittstaatsangehörige etwa seinen Reisepass nicht vorweist, letztlich nur durch individuelle Anfragen an einzelne Mitgliedstaaten im Wege von Informationsersuchen nach Art. 21 (Dublin II VO) erhalten werden kann."

 

Im vorliegenden Fall gilt daher durch die erfolgte Mitteilung gemäß Art. 28 Abs. 2 AsylG über die Aufnahme von Konsultationen im Sinne des Art. 21 Dublin II VO die 20-Tage-Frist nicht mehr. Die im Mitteilungsschreiben der Erstbehörde vom 13.06.2008 enthaltene Textpassage "..., da Dublin Konsultationen mit Tschechien seit 12.06.2008 geführt werden." ist daher nicht nachvollziehbar, aber auch überflüssig und gereicht dem BF nicht zum Nachteil.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,

 

Zl. 2005/20/0444).

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Tschechien erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Antrages auf internationalen Schutz durch die BF (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO besteht. Tschechien hat mit Schreiben vom 30.06.2008 ausdrücklich der Wiederaufnahme des BF zugestimmt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

Der Sachverhalt wurde von der Erstbehörde genau festgestellt. Die Unterstellung desselben unter den Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO ist ohne komplizierte Überlegungen möglich und ist durch die im Bescheid der Erstbehörde vorgenommene Bezugnahme eindeutig und ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar. Es liegt daher auch diesbezüglich kein Verfahrensmangel vor.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zahl B 336/05-11, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordung, K13. zu Art. 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK

 

In der Beschwerde bringt die Mutter des BF vor, man habe sie keinerlei Untersuchung ihres psychischen Zustandes zugeführt, obwohl Hinweise dahingehend seien, dass sie an einer PTSD schon wegen der Vergewaltigung leide, deren Opfer sie in der Ukraine geworden sei, und zum anderen leide sie nicht zuletzt in letzter Zeit auch an verstärkten Selbstmordgedanken, was man leider auch übersehen hätte.

 

Dazu ist festzuhalten, dass die Mutter des BF im Verfahren dreimal befragt bzw. einvernommen wurde, wobei ihr jedes Mal auch Fragen bezüglich ihres Gesundheitszustandes gestellt wurden, die sie immer positiv (im Sinne von gutem Gesundheitszustand) beantwortet hat. Es sind im Verfahren keinerlei Hinweise hervorgekommen, die vermuten lassen hätten, dass die Mutter des BF aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in ein angrenzendes EU-Nachbarland wie Tschechien überstellt werden könnte. Auch das knappe und mit keinen Beweismitteln belegte Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, den Verdacht größerer gesundheitlicher Probleme der Mutter des BF annehmen zu lassen und Zweifel an der Überstellbarkeit der Mutter des BF nach Tschechien zu begründen. Dies gilt auch für die behaupteten verstärkten Selbstmordgedanken.

 

Im gegenständlichen Verfahren wird nur geprüft, ob dem BF im Wiederaufnahmeland die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Eine mögliche Gefährdung in Tschechien hat der BF durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin nicht einmal ausdrücklich vorgebracht. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Mutter des BF ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr auf Grund ihrer persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Tschechien entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk").

 

Darüber hinaus verfügt der Asylgerichthof aktuell über kein Amtswissen hinsichtlich solch offenkundiger, besonderer Gründe, die die Annahme rechtfertigen, die BF wäre in Tschechien einer realen Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung ausgesetzt. Im Gegenteil erfolgten die von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen auf der Grundlage unbedenklicher und glaubwürdiger Quellen, sodass im Ergebnis eine Überstellung der Mutter des BF als auch des BF selbst nach Tschechien daher weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK noch des Art. 8 EMRK darstellt und somit auch kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO besteht.

 

2.1.2.2. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Im konkreten Fall ist auch die Mutter des BF, D.L., in Österreich aufhältig, deren Antrag auf internationalen Schutz ebenfalls - wie auch jener des BF - zurückgewiesen wird.

 

Weiters sind im vorliegenden Fall die Großmutter des BF, D.W., sowie die Tante der Mutter des BF,M.O. und deren Tochter,W.A. in Österreich aufhältig.

 

Es war daher zu prüfen, ob die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz und Ausweisung des BF eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würde. Nach der Judikatur des VfGH und des EMRK ist dabei eine Interessensabwägung vorzunehmen. Der Aufenthalt von Familienangehörigen in Österreich ist dabei zu beachten, allerdings auch die Intensität des Verwandschaftsgrades sowie die Intensität des Familienlebens.

 

Es kann jedoch nicht dazu führen, dass durch Asylantragstellungen im Zusammenhang mit in Österreich befindlichen Familienmitgliedern unter Berufung auf Art. 8 Abs. 2 EMRK die fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen völlig ad absurdum geführt werden. Würde man diese Möglichkeit bejahen, würden all jene Fremden, die die vorgegebenen Einwanderungsschritte ordnungsgemäß befolgen, benachteiligt werden. Insofern ist daher auch die Anwesenheit von rechtmäßig niedergelassenen Familienangehörigen in Österreich sehr differenziert zu betrachten, weil der Fremde wusste oder hätte wissen müssen, dass er bei einer negativen Asylverfahren mit einer Ausweisung zu rechnen hatte (Kommentar zum Asylgesetz 2005, 3. überarbeitete Auflage, Frank/Anerinhof/Filzwieser, § 10, K 51, S. 288).

 

Der BF hat mit seiner Mutter und seiner Großmutter im Herkunftsstaat in gemeinsamem Haushalt gelebt. Die Mutter des BF ist jedoch volljährig und im Verhältnis zu ihrer Mutter weder "Familienangehörige" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG noch des Art. 2 lit. i Dublin II VO. Im Zuge einer Interessensabwägung war das Zusammenleben aber sehr wohl zu bewerten. Es bedarf dabei einer Gesamtabwägung aller persönlichen Umstände des von der Abschiebung bedrohten Ausländers, damit die Maßnahme als verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK beurteilt werden kann (EGMR 13.07.1995, Nasri versus Frankreich).

 

Im Fall des BF ergibt die Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unter Beachtung der genannten Gründe keine Annahme einer Verletzung der genannten Bestimmung und somit einer Unzulässigkeit der Ausweisung. Neben den schwach ausgeprägten familiären Anknüpfungspunkten des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, zu erkennen (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), dies auch angesichts der bisher relativ kurzen Aufenthaltsdauer.

 

Daran vermögen auch die angegebenen guten Beziehungen der Mutter des BF zur derzeit in Österreich aufhältigen Großmutter des BF bzw. schlechten Beziehungen zum seit 15 Jahren angeblich überwiegend in Tschechien lebenden Großvaters des BF nichts zu ändern.

 

Auch aufgrund der illegalen Einreise des BF in das österreichische Bundesgebiet überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens und ist der BF bei einer Überstellung nach Tschechien in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt.

 

2.1.2.3. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Tschechien in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.3. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides ist an die Mutter des BF als gesetzliche Vertreterin zu Handen ihres Zustellbevollmächtigten, Dr. G. KLODNER, ergangen. Damit ist die Zustellung rechtswirksam erfolgt und gilt der Bescheid als ergangen, sodass gegen ihn eine Beschwerde zulässigerweise eingebracht werden konnte. Daran ändert auch nichts, dass auf der ersten Seite des angefochtenen Bescheides unrichtigerweise angeführt ist: Frau ... (Mutter des BF), "Vertreten durch: Dr. G. Klodner ...", zumal eine - im konkreten Fall nicht vorliegende - Vertretungsbefugnis in der Regel auch die Zustellvollmacht mitumfasst.

 

2.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten