TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/31 D11 240285-0/2008

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Veröffentlicht am 31.10.2008
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Spruch

D11 240285-0/2008/15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. Gerhold als Vorsitzenden und den Richter MMag. Schärf als Beisitzer über die Beschwerde des G.G. (alias G. alias G.), geb.00.00.1951, StA Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.07.2003, GZ. 02 02.447 - BAL, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 19.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsgesetz 1991 iVm §§ 7 und 8 AsylG 1997 (BGBl I 76/1997 in der anzuwendenden Fassung) abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.) Der Beschwerde liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger Georgiens, reiste am 16.01.2002 illegal mit seiner Ehefrau O. und seinen beiden Söhnen M. und I. mit dem Aliasnachnamen O. in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

Am 06.11.2002 gab die Ehefrau des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, sie hätte als Journalistin mit einem TV-Sender zusammengearbeitet, welcher umfassend über Drogenhandel (bzw. -produktion) im georgischen Pankissi-Tal berichtet hätte. Ihr Cousin (Sohn ihrer Tante) namens C.K. hätte einen lokalen Drogenboss namens W.M gekannt. M. hätte auf Video verschiedene Prozesse der Drogenproduktion aufgenommen. C. hätte die sie in Tbilisi aufgesucht und ihr mitgeteilt, dass M. wünsche, mit Journalisten zusammenzutreffen. In weiterer Folge hätte sie Kontakt zum TV-Journalisten G.S. aufgenommen und mit diesem, C. und mit einem Freund von C. das Tal aufgesucht. S. hätte mit M. 10 Minuten gesprochen, dies sei 2001 gewesen. S. kündigte eine "Sensation" an, wurde jedoch am 00.00.2001 in seiner Wohnung getötet. Sie selbst sei in weiterer Folge von der Polizei befragt worden; diese hätte sie jedoch beschuldigt, Drogen aus dem Tal mitgenommen zu haben. Die Polizei hätte ihrer Schwester und ihr selbst mit Entführung der Kinder gedroht, man forderte sie auf, eine bestimmte Kassette [scil. Videokassette] herauszugeben. Ihr Mann sei festgenommen worden, die Familie eingeschüchtert worden. Ihr Mann hätte jedoch mit Hilfe eines Tschetschenen fliehen können. In weiterer Folge sei C. erschossen und der Drogenboss M. mit einer Bombe getötet worden, worauf man diesen psychischen und physischen Druck nicht mehr aushielt und das Land verließ. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, wonach bereits ein Verdächtiger in Untersuchungshaft sitze, antwortete die Ehefrau des Beschwerdeführers, dass dieser Mann hohe Schulden hätte und freiwillig ins Gefängnis gegangen sei.

 

Am selben Tag gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, dass seine Frau mit dem verstorbenen Journalisten S.zusammengearbeitet hätte und "wegen dieser Geschichte" die Befragungen seiner Frau begonnen hätten. Sie seien oft zur Polizeistation gebracht worden, wo es viele Befragungen gab. Auch seien in weiterer Folge alle Schritte kontrolliert worden. Er selbst sei oft auf eine Polizeistation gebracht, bedroht und geschlagen worden. Am 00.00. sei er auf eine Polizeistation gebracht und geschlagen und misshandelt worden. Die Misshandlung bestand darin, dass man ihn mit Nägeln auf der Fußsohle gestochen und die unteren Zähne ausgeschlagen hätte. Ein Kiste oder Tschetschene hätte ihm die Flucht ermöglicht und den Weg hinaus zu einem Auto gezeigt, in welchem ihn der Sohn der Tante seiner Frau gemeinsam mit einem Freund bereits erwartet hätte. Dieser Cousin seiner Frau hätte ihn dann mit dem Auto ihn Sicherheit gebracht.

 

Am 28.4.2003 gab die Ehefrau des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt zu Protokoll, sie sei als freie Mitarbeiterin beieinem TV-Sender und anderen Zeitungen beschäftigt gewesen. Ein Ansprechpartner für die Tätigkeit könne nicht genannt werden. Sie wisse auch nicht, ob sie bekannt sei. In weiterer Folge schilderte die Ehefrau des Beschwerdeführers die Zusammenkunft zwischen S. und M., welche nach dem 00.00. 2001 stattgefunden hätte. Sie selbst sei im Auto sitzengeblieben, die beiden hätten kurz, maximal 5-7 Minuten miteinander gesprochen. Es sei etwas übergeben worden und sie hätte später erfahren, dass es eine Kassette war. Der Leiter der Einvernahme hielt ihr vor, dass Videokassetten in Georgien nicht als Beweismittel anerkannt werden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers entgegnete, es hätte in Georgien wegen dieser Kassette ein Chaos gegeben. Der Leiter der Einvernahme hielt weiters vor, dass nach seinen Recherchen (auch) die Ombudsfrau E.T. das Video erhalten hätte. Die Ehefrau des Beschwerdeführers entgegnete, jeder der die Kassette hätte, sei umgebracht worden.

 

In weiterer Folge wurden zahlreiche Bestätigungen zur Integration der Familie vorgelegt.

 

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 03.07.2003, GZ 02 02.447 BAL, gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I) und stellte in Spruchpunkt II fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei.

 

Auch die übrigen Anträge der Familienmitglieder wurden negativ entschieden.

 

Im Wesentlichen wurde der Bescheid damit begründet, dass keine asylrelvante Verfolgung glaubhaft gemacht werden konnte. Die Glaubhaftigkeit sei angesichts des unglaubhaften Vorbringens der Ehefrau nicht gegeben.

 

Die Non-Refoulment-Prüfung hätte keinen stichhaltigen Gründe ergeben, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zu einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe geführt hätte.

 

Dieser Bescheid wurde am 04.07.2003 durch persönliche Übernahme zugestellt.

 

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.

 

Begründet wurde die Beschwerde im Wesentlichen mit dem Berufungsvorbringen seiner Ehefrau, wonach sie deswegen keine Ansprechpartner genannt hätte, weil sie diese Personen nicht mit Problemen belasten wollte. Sie könne zwei bestimmte Personen angeben. Hinsichtlich der zeitlichen Abläufe hätte sie kein konkretes Datum angegeben, möglicherweise stimme auch das frühere Datum. Hinsichtlich der Abgeordneten T. gebe es Anzeichen, dass auch diese in die Korruptionsaffäre verwickelt sei. Und auch wenn die Beweiskraft eines Videos eingeschränkt sei, so sei die politische Sprengkraft enorm.

 

Am 19.8.2008 fand vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung zu den Beschwerden des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und der beiden Söhne statt.

 

Die Ehefrau des Beschwerdeführers gab im Wesentlichen an, sie hätte unter anderem als freie Mitarbeiterin für einen TV-Sender gearbeitet zu haben. Der Frage, ob sie einverstanden sei, per E-Mail sich diese Tätigkeit bestätigen zu lassen, trat die Ehefrau des Beschwerdeführers entschieden entgegen. Bei einer Anfrage wäre ihre Bekannte Nachfragungen seitens des Senders ausgesetzt. All ihr Recherchematerial sei auf ihr Betreiben von der Bekannten beim Sender aus der technischen Abteilung inzwischen vernichtet worden. In weiterer Folge schilderte die Ehefrau des Beschwerdeführers nochmals - ohne Abweichungen vom Vorbringen vor der ersten Instanzdie Ereignisse bis rund um das Treffen zwischen S. und M.. Nach diesem Treffen sei sie mehrmals von der Polizei einvernommen worden und auch bedroht worden, auch sei ihr Mann von der Polizei festgehalten und misshandelt worden. Ihr Cousin ließ ihn fliehen und wurde dafür selbst von Polizisten erschossen.

 

Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, nur gewusst zu haben, dass seine Ehefrau füreinen Sender gearbeitet hätte. Dann sei "der verfluchte Tag" gekommen, an dem er von uniformierten Polizisten mitgenommen und drei Tage festgehalten worden sei. Man hätte ihm die Vorderzähne ausgeschlagen und zahlreiche Hämatome zugefügt. Dem Cousin seiner Frau gelang es - möglicherweise durch Bestechung - ihn aus der Polizeistation hinauszubringen, er hätte ihm einen Weg gezeigt, auf dem er fliehen konnte. Es wäre ihm dann gelungen ein Auto anzuhalten und zu fliehen.

 

Der Beschwerdeführer dokumentierte (wie seine Frau zuvor und seine Söhne in weiterer Folge) einen sehr hohen Integrationsgrad.

 

Am 30.09.2008 wurden dem Vertreter des Beschwerdeführers ein Länderbericht zu Georgien mit asylrelevanten Daten und Fakten zur Stellungnahme übermittelt.

 

Am 30.09.2008 übermittelte der Vertreter vorerst einige Urkunden zum Beweis der Tätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers beieinem Fernsehsender . Es handelt sich um zwei schriftliche Erklärungen zweier Privatpersonen, die beim Fernsehsender tätig sind und eine Tätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers beim Fernsehsender belegen. Beide Erklärungen sind auf nacktem Briefpapier (somit ohne Briefkopf oder "offiziellem" Stempel verfasst); darüber hinaus wurden die beiden Ausweise der beiden Privatpersonen in Kopie mitüberliefert. Zudem wurde nochmals der Journalistenausweis von Frau R.A. in Kopie übermittelt; sie sei jene in der Verhandlung angesprochene Kollegin aus der technischen Abteilung gewesen.

 

Am 16.10.2008 nahm der Vertreter des Beschwerdeführes schließlich auch zum Länderbericht Stellung: man teile die Ansicht des Asylgerichtshofs zu kritischem Journalismus in Georgien und zur Korruption. Das Vorbringen der Ehefrau des Beschwerdeführers stehe damit im Einklang und sei daher glaubhaft.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer geb. am 00.00.1951, ist Staatsangehöriger Georgiens und Angehöriger der georgischen Volksgruppe.

 

Er ist Ehemann der ebenfalls Beschwerde führenden O.G., geb.00.00.1961, und Vater der ebenfalls Beschwerde führenden Söhne M.G. (geb.00.00.1986) und G.G. (geb. 00.00.1988).

 

Schwerwiegende physische oder psychische Erkrankungen konnten nicht festgestellt werden.

 

Es konnte eine soziale Integration seitens des Beschwerdeführers und der übrigen Familienmitglieder im erheblichen Ausmaß festgestellt werden. Mangels Befugnis des Asylgerichtshofs, aufgrund der anzuwendenden alten Rechtslage über eine Ausweisung abzusprechen (vgl. Hinweis am Ende der rechtlichen Erörterungen), hat dieses Faktum jedoch für dieses Verfahren vor dem Asylgerichtshof keine weiteren Auswirkungen.

 

(b) Zu den geltend gemachten Fluchtgründen und ihrer Glaubhaftmachung

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Fremden selbst wesentliche Bedeutung zukommt.

 

Für die Glaubhaftmachung sind insbesondere folgende Faktoren ausschlaggebend:

 

dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren,

 

dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde,

 

dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

dass der Antragsteller internationalen Schutz (bzw. Asyl) zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

 

dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

 

Der "Hintergrund" des Vorbringens der Ehefrau des Beschwerdeführers (konkret: die Ermordung des georgischen Fernsehjournalisten G.S. im Rahmen von Recherchen über illegale Drogenproduktion) konnte vom Bundesasylamt als zutreffend recherchiert werden. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

 

Hinsichtlich der individuellen "Anknüpfung" des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau an diesen Hintergrund-Sachverhalt bleiben jedoch auch nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof die bereits vom Bundesasylamt genannten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht nur bestehen, sondern verstärken sich sogar.

 

Insbesondere hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner eigenen mehrtägigen Anhaltung durch Polizeikräfte findet sich ein erheblicher Widerspruch im Vergleich zu seinem Vorbringen vor der ersten Instanz: so führte er vor der ersten Instanz aus (in Übereinstimmung mit der Aussage seiner Ehefrau, ein (Kiste oder) Tschetschene hätte ihm zur Flucht verholfen und ihm den Weg hinaus zu einem Baum gezeigt, wo bereits der Cousin seiner Frau samt einem Freund ihn im Auto erwartete und mit dem Auto in Sicherheit brachte. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte er jedoch aus, der genannte Cousin hätte ihn zu einem Gespräch in der Polizeistation aufgesucht und ihn hinausgeführt und einen Fluchtweg gezeigt. Es sei ihm dann gelungen, auf der nächsten Straße ein Auto anzuhalten und umgehend in das Dorf zu flüchten, wo sich seine Frau aufhielt.

 

Auch das Vorbringen der Ehefrau hinsichtlich ihrer Tätigkeit für einenFernsehsender konnte nicht als glaubhaft eingestuft werden. Die Verweigerung der Zustimmung zum Vorschlag des verhandlungsleitenden Richters, per Mail eine Bestätigung des Senders einzuholen, ist der Ehefrau des Beschwerdeführers im Rahmen der freien Beweiswürdigung besonders zur Last zu legen. Die Begründung, eine ehemalige Kollegin könnte negative Konsequenzen in Form von "Befragungen" erleiden, kann jedenfalls nicht als ausreichende Begründung qualifiziert werden. Auch ist das Vorbringen, wonach eine technische Mitarbeiterin die Möglichkeit gehabt haben soll, das gesamte Recherchematerial der Ehefrau des Beschwerdeführers zu vernichten, nicht als plausibel zu werten.

 

Auch schließt sich der Asylgerichtshof den Bedenken des Bundesasylamtes an, wonach es seltsam wäre, wenn eine Journalistin einerseits spektakuläre Recherchen für einen Sender betreiben soll, andererseits womöglich diesem Sender nicht bekannt sein soll.

 

Die vorgelegten "Urkunden" privater Personen konnten die Zweifel an der Tätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht beseitigen: es handelt sich um Bestätigungen zweier Personen, von denen einer als Archivar , der andere bei einem Medienunternehmen arbeiten soll. Beide Bestätigungen sind auf "nacktem" (ohne Briefkopf etc.) Papier verfasst, die Unterschriften sind nicht verifizierbar. Auch die Vorlage einer Kopie einer Mitarbeiterin des technischen Dienstes des Fernsehsenders kann kein tauglicher Nachweis dafür sein, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers selbst beim Fernsehsender tätig gewesen wäre.

 

Offen bleibt auch der bereits von der ersten Instanz festgehaltene Widerspruch in den zeitlichen Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers zum zeitlichen Ablauf der Hintergrundereignisse, wie sie vom Bundesasylamt recherchiert wurden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers behauptet in ihrer Beschwerde in Entgegnung auf den Vorhalt der ersten Instanz, das Treffen des Journalisten S. mit M. wäre bereits am 00.00.2001 gewesen, kein konkretes Datum genannt zu haben. Dem ist zu entgegnen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bei der zweiten Einvernahme vor dem Bundesasylam auf AS 62 auf die Frage nach dem ersten Treffen mit Margoschvili zu Protokoll gibt: "Mitte 00. 2001, nein, nach dem 00.00.2001".

 

Alle genannten Widersprüche, insbesondere jener unter Punkt 5, führen dazu, dass einerseits die Tätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers für den Fernsehsender , andererseits die vom Beschwerdeführer und seiner Ehefrau geschilderten Anhaltungen und Misshandlungen (des Beschwerdeführers) durch die Polizei als unglaubhaft qualifiziert werden müssen.

 

(c) In rechtlicher Hinsicht

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30.April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden. Auf diese "Altverfahren" sind jedoch gemäß § 44 Abs 2 AsylG die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36,40 und 40a in der Fassung BGBl I Nr. 101/2003 anzuwenden.

 

Der Asylantrag wurde am 16.01.2002 gestellt, das Verfahren ist daher nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen (mit den zuvor genannten Ausnahmen).

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Wie bereits unter II. b) dargelegt musste das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Anhaltung, der Misshandlung und der Drohungen durch die Polizei als unglaubhaft eingestuft werden.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I. Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Seitens des Beschwerdeführers wurden keine erfolgversprechenden Hinweise getätigt, wonach bei einer etwaigen Rückkehr nach Georgien eine entsprechende Gefährdungssituation gegeben wäre. Ziel des Refoulementschutzes ist es jedoch nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es der Neuaufbau einer Lebensgrundlage in Georgien sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor Lebenssituationen, die von den in § 50 FPG aufgezählten Normen erfasst werden würden, zu gewähren.

 

Somit waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

Auch wenn nach Ansicht des entscheidenden Senates des Asylgerichtshofes seitens des Beschwerdeführers und seiner Familie ein sehr hoher sozialer Integrations- und Verfestigungsgrad in Österreich erreicht wurde, war über eine Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht abzusprechen. Dies erfolgte im Hinblick darauf, dass mit erstinstanzlichem Bescheid - der damaligen Rechtslage entsprechend - keine Ausweisung verfügt wurde und der Asylgerichtshof als Rechtsmittelinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass über eine Ausweisung nur dann vom Asylgerichtshof abgesprochen werden darf, wenn eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung vorgenommen wurde.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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