TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/03 A6 239454-0/2008

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Veröffentlicht am 03.11.2008
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Spruch

A6 239.454-0/2008/11E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Unterer als Vorsitzende und die Richterin Dr. Schrefler-König als Beisitzerin, im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des M.C., geb. 00.00.1968, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2003, Zl. 01 28.985-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde vom 11.07.2003 wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste im Jahr 1997 legal mit einem befristeten Studentenvisum, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.12.2001 gegenständlichen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde hiezu am 09.10.2002 durch das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, niederschriftlich einvernommen.

 

I.2. Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers während dieser niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt betreffend seine Fluchtgründe wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2-10) verwiesen. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, er sei aus der Demokratischen Republik Kongo ausgereist, da er ein Aktivist der politischen Partei UDPS gewesen sei. Seine Funktion habe unter anderem darin bestanden, dass er die Masse, aber im Speziellen junge Leute, mobilisiert habe. Am 00.00.1992 sei von der Partei ein Marsch anlässlich der Eröffnung der souveränen nationalen Konferenz organisiert worden, den Soldaten gewaltvoll niedergeschlagen hätten. Der Beschwerdeführer sei nicht nur inhaftiert, sondern auch von der Polizei beziehungsweise vom Militär schwer misshandelt worden. Mit Hilfe eines Menschenrechtsorganisators von Amnesty International sei er vierzehn Tage nach seiner Festnahme wieder entlassen worden, auf Grund der miserablen Haftbedingungen sei sein Gesundheitszustand aber schwer angeschlagen. In den folgenden Jahren bis zu seiner Ausreise habe er sich in der Provinz versteckt gehalten, da auch nach seiner Enthaftung auf Grund seiner anhaltenden politischen Betätigung nach ihm gesucht worden sei. Als er sich bereits in Wien befunden habe, sei ihm die Nachricht zugetragen worden, dass seine Mutter im Zuge der Unruhen im Jahr 1997 von Rebellen geschlagen und mangels medizinischer Versorgung an den Folgen der Misshandlung gestorben sei. Laut Auskunft von Missionarstellen werde sein Heimatdorf nach wie vor von diesen Rebellen besetzt gehalten. Eine Rückkehr in seine Heimat käme einem Selbstmord gleich, da er von behördlicher Seite sofort festgenommen und geschlagen würde. Sein Name befände sich auf einer Liste von Personen, die bekannt seien, negative Propaganda gegen die Regierung zu betreiben. Selbst in Wien habe er an einer Demonstration gegen das Regime von Präsident Kabila teilgenommen

 

I.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2003, Zahl 01 28.985-BAW, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchteil I) und unter einem festgestellt, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig ist (Spruchteil II). Begründend wurde von Seiten des Bundesasylamtes ausgeführt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubhaftigkeit zu versagen sei. Zu Spruchpunkt II merkte das Bundesasylamt an, dass nicht vom Vorliegen einer das gesamte Staatsgebiet umfassenden, reellen Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgegangen werden könnte, sondern innerhalb der Demokratischen Republik Kongo durchaus Gebiete vorhanden seien, in denen eine Bedrohungssituation nicht vorliege.

 

I.4. Gegen diese am 02.07.2003 ordnungsgemäß zugestellte Entscheidung erhob der Beschwerdeführer am 11.07.2003 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und bekämpfte den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, konkrete, das individuelle Vorbringen betreffende Ermittlungen anzustrengen und habe dem Beschwerdeführer ohne nähere Begründung die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Da zudem der Untersuchungsbericht des Kriminalamtes dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers nicht zur Einsicht vorgelegt worden sei, sei dieser in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte medizinische Gutachten sei vom Bundesasylamt überdies keiner näheren Überprüfung unterzogen worden. Überdies seien die Feststellungen zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo nur unzureichend ermittelt und lediglich äußerst lapidar bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.1.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.1.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.1.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II. 1.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.1.6. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt. Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

 

II.1.7. Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch den Verfasungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt gemäß § 37 AVG den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens wesentlicher Sachverhaltsermittlungen in erster Instanz zu einer Verlagerung des Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, eigentlich jene Behörde darstellt, die in einer Gesamtbetrachtung erstmals den für das Verfahren sowie für eine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dieser Gesichtspunkt ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - immer unter ausreichender Berücksichtigung des Parteieninteresses an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG einzubeziehen.

 

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Das Bundesasylamt hat es gänzlich verabsäumt, die aktuellen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo Bezug nehmend auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers zu ermitteln, da diesbezüglich keine auf konkret genanntem Berichtsmaterial oder genau angeführten Dokumentationen beruhenden Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen wurden. Die belangte Behörde beschränkte ihre länderspezifischen Ausführungen lediglich auf die zum Zeitpunkt der Asylantragstellung vorherrschende politische Situation unter der Regentschaft Präsident Joseph Kabilas. Individuelle Ermittlungen betreffend die vom Beschwerdeführer behauptete Mitgliedschaft bei der "Union pour la Démocratie et le Progrès social" (kurz: UDPS) wurden jedoch nicht getätigt, erscheinen nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes aber erforderlich, um eine abschließende Beurteilung des gegenständlichen Vorbringens treffen zu können. Bezieht das Bundesasylamt seine diesbezüglich mangelnde Ermittlungstätigkeit generell auf das Schreiben des Kriminalamtes Wien vom 05.02.2003, wonach das vom Beschwerdeführer vorgelegte Dokument, ausgestellt durch die Partei UDPS, offensichtlich eine Kopiermontage darstelle, so ist an dieser Stelle anzumerken, dass das Kriminalamt lediglich ausführte, dass der verwendete Briefbogen deutliche Merkmale einer solchen Montage aufweise, allerdings in Ermangelung vorhandenen Detailwissens nicht ausgeschlossen werden könnte, dass derartige Briefbögen tatsächlich in Verwendung stünden. Dem zur Folge wären sich auf diese parteiliche Mitgliedschaft stützende Erhebungen seitens des Bundesasylamtes jedenfalls erforderlich gewesen, um das behauptete Gefährdungspotential zu überprüfen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in schlüssiger Weise zu begründen. Derartige Feststellungen sind jedenfalls auch dann zu treffen, wenn dem jeweiligen Vorbringen nach Ansicht der entscheidungsbefugten Behörde der Wahrheitsgehalt abzusprechen sei. Hinzutritt der Umstand, dass es das Bundesasylamt in seinem Bescheid verabsäumte, im Lichte des gegenständlichen Vorbringens die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit in Erwägung zu ziehen und dahingehende, individuelle Feststellungen in Hinblick auf die Demokratische Republik Kongo zu treffen. Darauf aufbauende Erhebungen wären jedenfalls notwendig gewesen, um das - wenn auch als nicht glaubhaft erachtete - Vorbringen des Beschwerdeführers erstinstanzlich in umfassender Weise hin überprüfen zu können.

 

Zu Spruchpunkt II. ist auszuführen, dass das Bundesasylamt zwar rechtlich einwandfrei die fremdenrechtliche Bestimmung des § 57 FrG zitiert, unter welchen Umständen sich eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Asylwerbers als gerechtfertigt erweist, es gleichzeitig jedoch zum wiederholten Male unterlässt, die darauf basierenden Ermittlungsergebnisse durch geeignete Feststellungen zu untermauern. Wie die belangte Behörde demnach überhaupt zu dem Schluss kommt, es lägen in gegenständlichem Fall keine Artikel 3 EMRK berührenden Umstände vor, welche eine Rückführung des Beschwerdeführers in seine Heimat als unzulässig erscheinen ließen, ist dem bekämpften Bescheid somit nicht zu entnehmen, da eine wie vom Verwaltungsgerichtshof geforderte, konkrete Prüfung der Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, vor dem Hintergrund der allgemeinen (sozialen, wirtschaftlichen) Verhältnisse im Herkunftsstaat, offensichtlich nicht erfolgt ist.

 

Des Weiteren wurde es gänzlich unterlassen, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in entsprechender Weise zu würdigen. Laut amtsärztlichem Befund eines Polizeigefangenenhauses, leidet der Beschwerdeführer an epileptischen Anfällen. Überdies bezog er sich im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme wiederholt auf seinen schlechten Gesundheitszustand, und ergeben sich aus den Ausführungen sehr wohl Anhaltspunkte einer möglichen Traumatisierung, deren Vorliegen, wie vom Rechtsbeistand beantragt, durch ein medizinisch fundiertes Sachverständigengutachten zu überprüfen ist und anschließend, basierend auf dem daraus ergehenden Befund, jedenfalls eine Auseinandersetzung mit den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland des Beschwerdeführers zu erfolgen hat.

 

Abschließend ist festzuhalten, dass es jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft hätte. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002), was vor allem in Bezug auf das Schreiben des Kriminalamtes Wien vom 05.02.2003 nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten auch der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die oben dargestellte mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Das Bundesasylamt wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seine Heimat - wenn auch in einer hypothetischen Betrachtungsweise - auf Grund seiner behaupteten Mitgliedschaft bei der Partei UDPS diskriminierenden Handlungen seitens der kongolesischen Behörden ausgesetzt wäre, und ihn im Zuge einer drohenden Inhaftierung eine unmenschlichen Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe erwarten würde. Des Weiteren ist in den zu treffenden Feststellungen unter Beifügung einer entsprechenden Begründung zu überprüfen, ob im Falle des Beschwerdeführers der von ihm behaupteten Verfolgungsgefahr durch Umsiedelung in einen anderen Landesteil der Demokratischen Republik Kongo Abhilfe geschaffen werden könnte. Abschließend ist das Bundesasylamt gehalten, ein psychiatrisches Gutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers einzuholen und allfällige Feststellungen zur medizinischen (aber auch sozialen) Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo zu treffen. Es ist hier auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des vormaligen Unabhängigen Bundesasylsenates zu verweisen. Ohne die Erhebungen der für die Prüfung notwendigen Tatsachen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers und Würdigung seines Vorbringens unter Zugrundelegung aktueller Feststellungen wird die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben. Eine allfällig gleichlautende Entscheidung wird unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse entsprechend zu begründen sein, so dass sie einer nachfolgenden Kontrolle standzuhalten vermag.

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde - fehlende Feststellungen, qualifiziert mangelhafte Beweiswürdigung zur persönlichen Unglaubwürdigkeit, Außerachtlassen des Antrages auf Einholung eines medizinischen Gutachtens - hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen.

 

II.1.8. Von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - anders als das erstinstanzliche Asylverfahren - sich als Mehrparteienverfahren darstellt (vgl. § 67b Z 1 AVG), sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ-manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, dies unter Berücksichtigung der §§ 51a bis d AVG und der Notwendigkeit der Ladung mehrerer Parteien, keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Hinzu kommt, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Asylgerichtshof als zentrale Bundesbehörde in Wien (mit einer Außenstelle in Linz) eingerichtet ist, sodass auch diesbezüglich eine Kostenersparnis nicht ersichtlich ist. Im Übrigen liegt eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht vor, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort haben (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084, unter Verweis auf VwGH 29.01.1987, Zl. 86/08/0243).

 

II.1.9. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall dem diesbezüglichen Antrag in der Beschwerde Rechnung zu tragen und das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass das Bundesasylamt das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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