TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/04 A9 228757-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2008
beobachten
merken
Spruch

A9 228.757-0/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde der E.F., geb. 00.00.1969, StA.: Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2002, Zahl: 02 00.404-BAL, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und E.F. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wird festgestellt, dass E.F. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 03.01.2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kamerun gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.), dies mit der maßgeblichen Begründung, die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtgeschichte sei - aus näher dargestellten Gründen - unglaubwürdig.

 

2. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 10.05.2002, eingelangt beim Bundesasylamt am 13.05.2002, in der die Beschwerdeführerin zu den von der Erstbehörde angenommenen Widersprüchen Stellung nimmt.

 

II. 1. Der (zum damaligen Zeitpunkt noch zuständig gewesene) Unabhängige Bundesasylsenat führte am 18.06.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die Beschwerdeführerin einvernommen wurde. Die Erstbehörde machte von ihrem Recht, an der Verhandlung teilzunehmen, nicht Gebrauch (OZ 5). Erörtert wurde folgendes Dokumentationsmaterial:

 

-

ACCORD Auskunft vom 23.06.2005 zur SCNC (Beilage ./I)

 

-

Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 23.10.2006 (Beilage ./II)

 

-

Home Office Report, Country of Origin Information Report Cameroon vom 09.03.2007 (Beilage ./III)

 

-

US Departement of State, Cameroon, Country Reports of Human Rights Practises 2006 vom 06.03.2007 (Beilage ./V)

 

-

IRIN Bericht vom 19.02.2007 betreffend die Festnahme von 20 SCNC Mitgliedern im Zuge einer Pressekonferenz von Nfor Ngalla Nfor (Beilage ./VI).

 

Weiters wird der der Erstbehörde als Spezialbehörde bekannte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Kamerun Update Oktober 2006, vom 30.10.2006 zur Entscheidungsfindung herangezogen.

 

Der genaue Verhandlungsverlauf ist dem Verhandlungsprotokoll OZ 4 zu entnehmen.

 

III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Es wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

1.1. Die am 00.00.1969 geborene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun und lebte dort bis zu ihrer Flucht in T. in der Südwestprovinz. Seit 1999 ist die Beschwerdeführerin Mitglied des SCNC (Southern Cameroons National Council). Die Organisation des SCNC ist nur im Süden Kameruns aktiv und unterhält dort mehrere Zweigstellen. Die Beschwerdeführerin gehörte der "T.-B." an. Leiter dieser Zweigstelle war damals Herr L.. Die Beschwerdeführerin selbst war einfaches Mitglied der Organisation und hatte keine besondere Funktion inne, nahm jedoch regelmäßig an Versammlungen des SCNC teil, die meist im Haus von Herrn L. stattfanden. Im Zuge einer solchen Versammlung wurde die Beschwerdeführerin in die Vorbereitung der jährlich vom SCNC durchgeführten Demonstration involviert, die in T. am 00.00.2001 stattfinden sollte. Ihre Aufgabe war es, T-Shirts, die das Emblem des SCNC trugen, in den Vororten von T. an Sympathisanten zu verteilen.

 

Am 30.09.2001 früh morgens kamen zwei Polizisten zur Beschwerdeführerin nach Hause, fanden dort T-Shirts und die beiden SCNC-Mitgliedsausweise der Beschwerdeführerin vor und nahmen die Beschwerdeführerin fest. Sie wurde sodann von der Polizei auf die "T. Police Station" gebracht und dort im Gefängnistrakt der Polizeistation festgehalten, gefoltert, misshandelt und regelmäßig zu Arbeiten im Freien eingesetzt. Gemeinsam mit der Beschwerdeführerin wurden zahlreiche weitere Mitglieder und Sympathisanten des SCNC festgenommen. Die Beschwerdeführerin wurde während ihrer Haft nie einvernommen, es wurde ihr lediglich mitgeteilt, dass die Mitglieder des SCNC seit Jahren Probleme machen würden und deshalb im Gefängnis bleiben müssten.

 

An einem Tag Anfang Dezember 2001, als die Beschwerdeführerin Arbeiten im Freien verrichten musste und es sehr heiß war, erlitt sie nach diesen Arbeiten spät abends einen Malariaanfall und wurde ins CDC Cottage Hospital in T. eingeliefert. Im Zuge dieses Malariaanfalls beschimpfte die Beschwerdeführerin die Polizisten, die sie schließlich ins Krankenhaus brachten, bezichtigte sie der Korruption, setzte sich gegen deren Eingreifen zur Wehr und zog sich dadurch selbst Verletzungen zu. Während ihres dreiwöchigen Krankenhausaufenthaltes wurde von der Polizei regelmäßig nach der Beschwerdeführerin geschaut und ihre Anwesenheit kontrolliert. Der Onkel der Beschwerdeführerin und Herr N.L. bereiteten für die Beschwerdeführerin die Flucht vor, da sie gehört hatten, dass diese in Gefahr sei und gesucht werde. Am 00.00.2001, kurz nach Mitternacht, verließ die Beschwerdeführerin das Spital und wurde von ihrem Onkel und Herrn N.L. mit dem Auto nach D. gebracht, wo sie sich eine Woche lang versteckt hielt und schließlich mit dem Flugzeug aus Kamerun floh.

 

1. 2. Der SCNC wurde 1995 gegründet, um die Belange der anglophonen Bevölkerung zu vertreten. Er tritt für die vollständige Unabhängigkeit der zwei südlichen anglophonen Provinzen ein. Der SCNC ist keine politische Partei. Er gilt als illegale Organisation, weil er öffentlich für die Sezession eintritt und nie als politische Organisation registriert wurde. Die Behörden Kameruns reagieren auf gewaltfreie politische Aktivitäten von SCNC Mitgliedern mit willkürlichen und ungesetzlichen Festnahmen. Von einigen Mitgliedern wurde in der Vergangenheit aber auch Gewalt angewendet, um politische Ziele durchzusetzen. Die Treffen werden von der Regierung überwacht oder mit Gewalt verhindert. Die Southern Cameroons Youth League (SCYL) ist eine Jugendorganisation, die mit dem SCNC verbunden ist. Immer wieder werden Anführer, Mitglieder, Sympathisanten des SCNC, aber auch Personen, die zufällig im Umfeld von SCNC Treffen anwesend sind, verhaftet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kamerun Update Oktober 2006, 30.10.2006, Seite 4, Punkt 5.1.1.).

 

Im Oktober 1995 hat sich der SCNC die Unabhängigkeit des anglophonen Kameruns auf die Fahnen geschrieben. Der SCNC steht damit außerhalb der kamerunischen Verfassung. Am 1. Oktober 1996 hat der SCNC die Unabhängigkeit der Region "Southern Cameroons" verkündet und veranstaltet seither jedes Jahr am 1. Oktober Protestmärsche. Die Mitglieder der Gruppierung eint das Ziel, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Abgesehen davon ist der SCNC keine einheitliche Organisation, da die politischen Ziele einzelner Gruppierungen sehr unterschiedlich sind. Es gibt eine unübersichtliche Vielzahl von Fraktionen, deren Führer sich jeweils als Vorsitzende des SCNC verstehen (Bericht des dt. AA vom 23.10.2006 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun , Seite 5).

 

Die gesetzlich geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in Kamerun der Praxis durch nach belieben interpretierbare Formvorschriften behindert. Versammlungen werden verboten und dann auch gewaltsam aufgelöst. Dem Auswärtigen Amt werden in diesem Zusammenhang regelmäßig Festnahmen bekannt. Im Jahr 2004 wurden nach ungenehmigten Demonstrationen oder Versammlungen insgesamt über ein Dutzend Personen vorübergehend festgehalten (Bericht des dt. AA vom 23.10.2006 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun, Seite 9).

 

The law provides for freedom of assembly; however, the government restricted this right in practise.

 

On noumerous occasions throughout the year, authorities refused to grant the SCNC, an unregistered political group the governement deemed illegal because it advocated secession, permission to hold rallies and meetings, and security forces arrested and detained some activists.

 

The government considered one unregistered anglophone political group, the SCNC, illegal, because it advocated secession from the country and authorities refused to register it as a political organisation. During the year security forces preemptivly arrested approximately 70 leaders, members, and supporters of the SCNC; such arrests were conducted to prevent persons from participating in political meetings (US Department of State, Cameroon, Country Reports of Human Rights Practices - 2006 vom 6.3.2007, section 2.b., section 3)

 

2. Die Feststellungen zur Lage der politischen Opposition in Kamerun, insbesondere des SCNC, zur Realität der gesetzlich vorgesehenen Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Kamerun sowie zur Geschichte und Zielsetzung des SCNC (Punkt 1.2.) stützen sich auf die oben jeweils zitierten - unbedenklichen und der Erstbehörde als Spezialbehörde für Asylsachen bekannten - Quellen. Seit der abgehaltenen Verhandlung hat sich vor dem Hintergrund aktuellerer Dokumentationsunterlagen keine entscheidungswesentliche Verbesserung der Situation von Mitgliedern des SCNC ergeben.

 

Die Feststellungen zur persönlichen Fluchtgeschichte der Beschwerdeführerin, zu ihrer Mitgliedschaft in und Tätigkeit für den SCNC gründen sich auf die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat, in der sie einen persönlich integren und aufrichtigen Eindruck erweckte. Kennzeichnend war in dieser Verhandlung, dass sie die dargestellte Fluchtgeschichte offenkundig aus seiner persönlichen Erinnerung abrief und Details in Bezug auf ihre Haft in der Polizeistation in T. (Tagesablauf, Details zum Gebäude) nennen konnte. Aufgetretene vermeintliche Widersprüche, die von der Erstbehörde aufgegriffen wurden, vermochte die Beschwerdeführerin aufzuklären. So ist es nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin angab, Mitglied des SCNC zu sein und in der Folge davon sprach, mit dem SCNC "nur" zu sympathisieren, da sie damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sie "einfaches" Mitglied war ohne weitergehende Funktionen inne zu haben. Insofern ist kein Widerspruch zwischen den Aussagen zu erkennen.

 

Auch der von der Erstbehörde aufgezeigte vermeintliche Widerspruch bezüglich des Malariaanfalls der Beschwerdeführerin ließ sich ausräumen. Es ist nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin selbst den Geschehnisablauf ihres Malariaanfalls nicht lückenlos schildern konnte, da es Wesen eines solchen Anfalls ist, sich nicht mehr an alles erinnern zu können. In diesem Sinne liegt es auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin erst im Nachhinein von der Krankenschwester im CDC Cottage Hospital erfahren konnte, warum sie eingeliefert. Dass die Krankenschwester diese Informationen bei der Einlieferung von den Polizisten erfahren hatte, ist plausibel, da in Spitälern im Allgemeinen nach den Vorfällen, die zu Verletzungen geführt haben, gefragt wird. Es zeigt sich auch hier kein entscheidungswesentlicher Widerspruch im Vorbringen der Beschwerdeführerin.

 

Zur Glaubwürdigkeit der politischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin trug weiters wesentlich bei, dass sie die Organisationsstruktur samt den Namen der regionalen Funktionsträger, Motto und weitere Interna des SCNC detailliert darlegen konnte.

 

Die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin sind auch vor dem Hintergrund der von der Berufungsbehörde eingeholten Berichte jedenfalls glaubhaft: Hinsichtlich der Ereignisse um die Demonstration am 1.10.2001 wird in mehreren Quellen beschrieben, dass die jährlich am 1.10. stattfindenden Protestmärsche des SCNC von der Gendarmerie regelmäßig überwacht, willkürlich verboten oder aber gewaltsam aufgelöst werden, wobei es im Zuge der Bekämpfung dieser Demonstrationen immer wieder - wie auch im vorliegenden Fall - zu Festnahmen einzelner SCNC Mitglieder oder Sympathisanten kommt.

 

Da insgesamt betrachtet keine Widersprüche im Vorbringen der Beschwerdeführerin auftraten und sich keine Hinweise darauf ergaben, dass ihr Vorbringen nicht der Wahrheit entsprechen würde, gelangte die Berufungsbehörde zum oben festgestellten Sachverhalt.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz Asylgesetz 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Asylverfahren nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr.101/2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 126/2002 zu führen.

 

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Da der im Berufungsfall zu beurteilende Asylantrag vor dem 30. April 2004 gestellt wurde, wird das gegenständliche Berufungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 126/2002 geführt.

 

3.2. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit VwGH 15.5.2003, 2001/01/0499; darauf Bezug nehmend z.B. VwGH 29.6.2004, 2003/01/0372) ist der Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt Flüchtling im Sinne der GFK, wenn er die Flüchtlingseigenschaft - in der Regel mit dem Verlassen des Herkunftsstaates (vgl. Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law I (1966), 157 und 341) - erworben hat und kein Beendigungstatbestand erfüllt ist.

 

Angesichts des festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Aktivitäten für den SCNC ins Blickfeld der Behörden geraten ist, aus diesem Grund von den Behörden gesucht wird und ihr vor ihrer Flucht eine Festnahme bzw. Inhaftierung unbestimmter Dauer unmittelbar drohte. Dabei handelt es sich zweifellos um direkte staatliche Maßnahmen von erheblicher Intensität, die gegen die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit für den SCNC, die zweifellos als politische Tätigkeit zu qualifizieren ist, gesetzt wurden. Seit dem Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführerin ihr Heimatland verlassen hat, hat sich auch keine nachhaltige Änderung ergeben, zumal keine Hinweise darauf hervorgekommen sind, dass sich die allgemeine politische Situation in Kamerun (im Umgang mit der politischen Opposition) in der Zwischenzeit nachhaltig verbessert hätte. Vielmehr ist auch aktuell noch von einer bestehenden Verfolgungsgefahr auszugehen, weil mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen wäre, dass der bereits im Blickfeld des Staates befindliche Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr mit seiner Festnahme durch staatliche Organe rechnen müsste.

 

Es ist daher im vorliegenden Fall objektiv nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen. Da sich im Verfahren überdies keine konkreten Hinweise auf Asylausschluss- oder Asylendigungsgründe ergeben haben, war spruchgemäß Asyl zu gewähren. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
aktuelle Gefahr, asylrechtlich relevante Verfolgung, Haft, politische Aktivität
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten