E9 400.187-2/2008-9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. R. Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. H. Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Mayer über die Beschwerde des P.K., geb.00.00.1983 , StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, FZ. 07 09.904-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. VERFAHRENSGANG und SACHVERHALT
1. Der Beschwerdeführer (vormals Berufungswerber), ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte am 23.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat das Bundesasylamt mit Bescheid vom 29.04.2008 den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zuerkannt und jener gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.
2. Laut dem im Akt einliegenden Rückschein wurde dieser Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Zustelladresseam 06.05.2008 noch am selben Tag beim Postamt hinterlegt. Eine entsprechende Verständigung wurde an der Abgabestelle zurückgelassen und der Beginn der Abholfrist ebenfalls für den 06.05.2008 bestimmt.
3. Mit Telefax vom 09.06.2008 stellte der Beschwerdeführer durch seinen am 06.06.2008 bevollmächtigten Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, welcher mit einer Berufung gegen den Bescheid vom 29.04.2008 verbunden wurde.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.06.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 2 AVG zurück.
5. Dagegen richtet sich die fristgerechte Berufung (nunmehr als Beschwerde bezeichnet) vom 17.06.2008, verbunden mit einem Antrag auf "Durchführungsaufschub".
6. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 21.07.2008 wurde der Beschwerde gemäß § 71 Abs 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt.
7. Mit Schriftsatz vom 19.08.2008 legte der Beschwerdeführer noch Urkunden vor.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den nicht in Zweifel zu ziehenden Inhalt des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes.
2. Gemäß § 61 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, oder soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (unter anderem) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Gemäß Abs 3 leg cit entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;
wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG, und
die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Nachdem gegenständlich keine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung iSd § 61 Abs 1 AsylG 2005 vorliegt, ergibt sich daraus die Zuständigkeit des erkennenden Senats.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Dies gilt laut den Gesetzesmaterialien (vgl. AB 371 XXIII. GP) auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).
3. Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1991 auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, dass keine Berufung zulässig sei.
Gemäß Abs 2 leg cit muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Gemäß § 71 Abs. 3 AVG hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag einzubringen.
3.1. Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers ist zunächst zu überprüfen, ob der gegenständliche Zustellvorgang überhaupt rechtmäßig vonstatten ging, wobei es jedoch nicht darauf ankommt, ob das Schriftstück dem Adressaten tatsächlich zugekommen ist. Ist ein Zustellvorgang nämlich nicht rechtswirksam, so ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist (Beschwerdefrist) auch keine Frist versäumt werden kann (vgl. VwGH 22.05.1985, 85/03/0032).
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist dieser in einer Pension bzw. einem Hotel untergebracht, und zwar in der "XY-Straße".
Laut Zentralem Melderegister ist der Beschwerdeführer seit 08.11.2007 an der Adresse mit der Wohnsitzqualität "Hauptwohnsitz" gemeldet, an welche Adresse der Bescheid vom 29.04.2007 auch adressiert war (siehe oben Punkt I.2.).
Unzutreffend ist daher das im Wiedereinsetzungsantrag erstattete Vorbringen, der Bescheid sei an die Adresse "XY-Straße" gerichtet gewesen. Diese Adressierung wies vielmehr der an den Bruder des Beschwerdeführers ergangene Bescheid (Zl. 07 09.903-BAI) vom 22.07.2007 auf, welcher jedoch offenbar irrtümlich den Namen des gegenständlichen Beschwerdeführers als Adressat aufwies. Diesen Bescheid (auszugsweise) sowie das entsprechende Kuvert hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.08.2008 auch vorgelegt. Ob diese Zustellung im Verfahren des Bruders rechtmäßig war, betrifft jedoch nicht das vorliegende Verfahren und kann daher außer Acht bleiben. Nur der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass in jenem Verfahren ohnedies eine neuerliche Zustellung erfolgte.
Zum (zwar nicht beanstandeten, jedoch dennoch zu prüfenden) Umstand, dass der Beschwerdeführer laut eigenem Vorbringen im relevanten Zeitraum an der Adresse XX, wohnhaft war bzw. immer noch ist, der Bescheid jedoch mit XZ adressiert war, ist festzuhalten, dass letztere eben die im Zentralen Melderegister aufscheinende Adresse des Beschwerdeführers ist.
Aufgrund der - unten sogleich noch näher dargestellten - Umstände (es handelt sich um eine Pension bzw. ein Hotel) bestehen jedoch für die verschiedenen Zimmer keine eigenen Abgabeeinrichtungen.
Aus diesem Grund spielt die im Zentralen Melderegister genannte, jedoch allenfalls falsche Zimmernummer keine Rolle, was sich auch dadurch bestätigt, dass auf dem der Erstbehörde iSd § 19 ZustellG zurückgestellten Bescheid als Grund der Zurückstellung weder "Unbekannt" noch "Verzogen" noch "Adresse ungenügend" angekreuzt war, sondern vielmehr "Nicht behoben".
Somit ist die auf dem Kuvert, welches den Bescheid vom 29.04.2008 beinhaltete, angegebene Zustelladresse nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, nicht nur vorübergehend abwesend gewesen zu sein, sondern führt vielmehr aus, im Zeitraum 01.05. bis 06.06.2008 und weiterhin ausschließlich an der von ihm angegeben Adresse aufhältig bzw. wohnhaft gewesen zu sein.
Nachdem der Beschwerdeführer anlässlich des Zustellversuchs am 06.05.2008 seitens des Zustellorgans der Post nicht angetroffen worden war, ist dieses mit der in § 17 ZustellG normierten Hinterlegung vorgegangen.
Bei der Art der Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Pension handelt es sich offensichtlich nicht um eine Wohnung, sondern um eine "sonstige Unterkunft" iSd § 2 Z 4 ZustellG, die gemäß dieser Bestimmung als Abgabestelle des Beschwerdeführers anzusehen ist. Als "sonstige Unterkunft" iSd § 2 Z 4 ZustellG kommt nämlich beispielsweise auch ein Hotelzimmer in Betracht (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 205).
Gemäß § 17 Abs 2 ZustellG ist die Verständigung von der Hinterlegung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen.
Aus der Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Pension ergab sich, dass ein für die Abgabestelle (das Unterkunftszimmer des Beschwerdeführers) bestimmter Briefkasten nicht in Frage gekommen ist, weswegen es dem Gesetz entsprach, dass die Verständigung - wie sich aus dem im Akt befindlichen Rückschein ergibt - an der Abgabestelle zurückgelassen wurde.
Dabei konnte das Zustellorgan auch davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige seitens des Unterkunftgebers ohne unnötige Verzögerung übergeben würde, sodass für die Zurücklassung dieser zustellrechtlichen Urkunde beim Pensionswirt die für das Zustandekommen einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt wurden (vgl. zu allem VwGH 17.06.1992, 92/01/0317; 24.01.1995, 94/20/0610).
Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass der Bescheid vom 29.04.2008 dem Beschwerdeführer am 06.05.2008 (als erstem Tag der Abholfrist iSd § 17 Abs 3 Satz 3 ZustellG) rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch auf Abs 4 des § 17 ZustellG hinzuweisen, wonach die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig ist, wenn die Verständigung von der Hinterlegung beschädigt oder entfernt wurde (darin kann jedoch allenfalls ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen [vgl. VwGH 13.12.1990, 90/09/0157]).
Die Berufungs- bzw. Beschwerdefrist endete somit - ungenützt - mit Ablauf des 20.05.2008.
3.2. Aus dem Akt ergibt sich weiters, dass der Beschwerdeführer die durch Hinterlegung am Postamt zugestellte Sendung (den Bescheid vom 29.04.2008) nicht behoben hat, weshalb diese - wie bereits ausgeführt - an die Erstbehörde zurückgestellt wurde, wo sie am 04.06.2008 einlangte.
Bereits am 28.05.2008 erging seitens der Erstbehörde eine fremdenpolizeiliche Information (unter anderem) an die zuständige Bezirkshauptmannschaft Zell am See darüber, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen sei.
Demnach kann der Beschwerdeführer frühestens am diesem Tag vom Bescheid vom 29.04.2008 Kenntnis erlangt haben und ist für den erkennenden Senat sohin auch glaubhaft, dass der Beschwerdeführer - wie in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung angeführt - tatsächlich am 06.06.2008 Kenntnis davon erlangte.
Der am 09.06.2008 bei der Erstbehörde eingelangte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher rechtzeitig iSd § 71 Abs 2 AVG, weswegen er - entgegen der Ansicht der Erstbehörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid - aus diesem Grund nicht zurückgewiesen hätte werden dürfen.
3.3. Zu prüfen bleibt, ob der Wiedereinsetzungsantrag auch begründet ist.
Zumal im Bescheid der Erstbehörde vom 04.03.2008 eine korrekte Rechtsmittelbelehrung enthalten war, kommt vorliegend lediglich die Z 1 des § 71 Abs 1 AVG Grund des rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrags in Betracht.
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen, auch ein Irrtum kann ein Ereignis sein. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwSlg 9024 A).
3.4. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag gesteckt wird (vgl. VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/20/0534; siehe auch Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 4 und 7 zu § 71 AVG). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0268 unter Bezugnahme auf das dg. Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0983). Im Übrigen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden bleibt. Eine Auswechslung dieses Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig (vgl. VwGH 28.02.2000, Zl. 99/17/0317, VwGH 30.11.2000, Zl. 99/20/0543, VwGH 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223). Erst im Berufungsverfahren - außerhalb der Frist des § 71 Abs. 2 AVG - nachgetragene Behauptungen können einen Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr begründen (VwGH 26.04.2001, Zl. 2000/20/0336).
3.5. Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem (rechtzeitigen) Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, bis zum 06.06.2008 keine Kenntnis vom Zustellvorgang betreffend den Bescheid vom 29.04.2008 gehabt und diesen daher nicht behoben zu haben. Auch mit der Unterkunftgeberin sei seitens des Zustellorgans kein Kontakt aufgenommen worden und dieser keine Hinterlegung angezeigt worden.
Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens die Einvernahme (unter anderem) seiner Unterkunftgeberin samt ladungsfähiger Adresse beantragt, welchem Antrag jedoch die Erstbehörde - davon ausgehend, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet iSd § 71 Abs 2 AVG sei - nicht nachgekommen ist. Die bloß telefonische Anfrage bei einer Kapitalgesellschaft, - deren Ergebnis dem Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht zur Stellungnahme übermittelt worden ist - kann eine entsprechende Einvernahme einer namhaft gemachten natürlichen Person hingegen nicht ersetzen.
3.6. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde [der Asylgerichtshof], wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde [der Asylgerichtshof] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).
Gemäß § 37 AVG hat die Behörde - und damit auch das Bundesasylamt - den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Insbesondere ist ihnen gemäß § 45 Abs 3 AVG (vgl auch §43 Abs 3 u. 4 sowie § 65 AVG) Gelegenheit zu geben vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Als elementarer Prozessgrundsatz soll dieses Mitwirkungsrecht sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei haben. Ohne Gewährung von Parteiengehör kann nicht von einem Ermittlungsverfahren iSd AVG gesprochen werden (Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 11 zu § 37). Daraus ergibt sich, dass erst dann der "maßgebliche Sachverhalt" festgestellt wurde, wenn die Behörde die Stellungnahme der Partei im Rahmen des zu gewährenden Gehörs in ihre Entscheidung einbezogen hat.
3.6.1. Die Erstbehörde wird sich in der Folge mit den vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Glaubhaftmachung desselben angebotenen Beweis- bzw. Bescheinigungsmitteln auseinanderzusetzen haben.
Durch die gegenständliche Ergänzungsbedürftigkeit bzw. Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wären ein ergänzendes Ermittlungsverfahren und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Asylgerichtshof unvermeidlich.
3.6.2. Von der durch § 66 Abs 3 AVG der Berufungsbehörde (dem Asylgerichtshof) eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht Gebrauch zu machen:
Gemäß Art 129c B-VG erkennt der Asylgerichtshof nach Erschöpfung des Instanzenzuges (unter anderem) über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen.
Bereits aus dieser Bestimmung ist einleuchtend, dass es dem Bundesasylamt als erster und einziger Instanz im Asylverfahren zukommt, den gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln und den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Dies hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30.09.2004, 2001/20/0315, bereits im Zusammenhang mit dem unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt und hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert. Vielmehr würde die Beschwerdemöglichkeit des Asylwerbers an den Asylgerichtshof andernfalls zu einer bloßen Formsache degradiert werden, wenn letzterer, statt seine "umfassende und letztinstanzliche" Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Instanz ist, die erstmals den gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies gilt umso mehr nach dem der Verwaltungsgerichtshof in Asylsachen grundsätzlich keine einzelfallbezogene Kontrollbefugnis mehr hat und diese hinsichtlich einfachgesetzlicher Verletzungen nunmehr dem Asylgerichtshof zukommt. Würde man gegenteilige Ansicht vertreten, nämlich dass der Asylgerichtshof jenes Organ ist, das erstmals den maßgeblichen Sachverhalt feststellt, so würde dem Asylwerber im Hinblick auf einfachgesetzliche Verletzungen eine Kontrollinstanz entzogen werden.
Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der Beschwerdeinstanz beginnen und zugleich enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Berufungswerbers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 iVm § 67d Abs 4 AVG unterbleiben.